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001 Verwaltungsrecht allgemeinNorm
B-VG Art144 Abs3Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie die Hofräte Dr. Doblinger und Mag. Feiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Hotz, über 1. den Antrag des Dr. A B in C, vertreten durch Mag. Walter Pirker, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Graben 28/1/21, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der außerordentlichen Revision gegen das Erkenntnis des Personalausschusses des Verwaltungsgerichtes Wien vom 13. Dezember 2021, Zl. VGW-PA-160/2021-12, betreffend eine Dienstbeurteilung nach dem Wiener Verwaltungsgericht-Dienstrechtsgesetz, sowie 2. die außerordentliche Revision gegen das genannte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 13. Dezember 2021, den Beschluss gefasst:
Spruch
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.
Die außerordentliche Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Personalausschusses des Verwaltungsgerichtes Wien vom 13. Dezember 2021 wurde die Dienstbeurteilung des Revisionswerbers, einem Richter des Verwaltungsgerichtes Wien, für einen näher bezeichneten Beurteilungszeitraum gemäß § 10 Abs. 2 Z 5 Wiener Verwaltungsgericht-Dienstrechtsgesetz mit „gut“ festgesetzt. Weiters wurde ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
2 Dagegen erhob der Revisionswerber zunächst eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, deren Behandlung mit Beschluss vom 1. März 2022, E 178/2022-5, abgelehnt und die dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten worden ist. Dieser Beschluss wurde dem Vertreter des Revisionswerbers am 24. März 2022 zugestellt, womit gemäß § 26 Abs. 4 VwGG die Revisionsfrist zu laufen begann. Die sechswöchige Revisionsfrist endete daher mit Ablauf des 5. Mai 2022.
3 Mit Schreiben vom 5. September 2022 richtete der Revisionswerber an den Verwaltungsgerichtshof eine „Anfrage zum Verfahrensstand“ und ein „Ersuchen um Aufforderung zur Beschwerdeergänzung“. Dieser Antrag wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. September 2022, So 2022/09/0001, zurückgewiesen, da die Eingabe nach ihrem eindeutigen Inhalt als Antrag auf Erteilung eines Mängelbehebungsauftrages und nicht als Revision zu werten gewesen sei, der Antragsteller nicht behauptet habe, beim Verwaltungsgericht Wien eine Revision erhoben zu haben und auch keine derartige Revision von jenem Verwaltungsgericht bis zu diesem Zeitpunkt vorgelegt worden sei. Dieser Beschluss wurde dem Vertreter des Revisionswerbers am 3. Oktober 2022 zugestellt.
4 Am 17. Oktober 2022 brachte der Revisionswerber eine außerordentliche Revision ein und machte zur Begründung des gleichzeitig gestellten Wiedereinsetzungsantrages im Wesentlichen einen Rechtsirrtum des vertretenden Rechtsanwaltes über die Rechtslage betreffend die Einbringung einer Revision nach Abtretung einer Beschwerde durch den Verfassungsgerichtshof geltend, weshalb er davon ausgehend, „eine Aufforderung des VwGH zu erhalten, um die nunmehr dem VwGH abgetretene ‚Beschwerde‘ als Revision auszuführen und einzubringen“, bis zur Eingabe vom 5. September 2022 zugewartet habe; außerdem habe der ablehnende Beschluss des Verfassungsgerichtshofes „keine der aus § 46 VwGG erfließende Belehrung“ enthalten.
5 Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Nach Absatz 2 dieser Bestimmung ist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionsfrist auch dann zu bewilligen, wenn die Frist versäumt wurde, weil das anzufechtende Erkenntnis oder der anzufechtende Beschluss keine Belehrung zur Erhebung einer Revision, keine Frist zur Erhebung einer Revision oder die Angabe enthält, dass kein Rechtsbehelf zulässig sei.
6 Bei der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand muss sich die Partei das Verschulden des sie vertretenden Rechtsanwaltes zurechnen lassen. Ein Verschulden, das den Bevollmächtigten einer Partei trifft, ist so zu behandeln, als wenn es der Partei selbst unterlaufen wäre (vgl. etwa VwGH 20.1.2016, Ra 2015/04/0098, Punkt 3.1, mwN). Dabei ist an berufliche und rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige und bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen. Ein dem Vertreter widerfahrenes Ereignis stellt einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann dar, wenn dieses Ereignis für den Vertreter selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich dabei höchstens um einen minderen Grad des Versehens handelt (vgl. etwa VwGH 23.2.2017, Ra 2016/20/0229, Rn. 17 und 21).
7 Der die Einhaltung der Revisionsfrist hindernde Umstand lag nach dem Antragsvorbringen im vorliegenden Fall in einem Rechtsirrtum des vertretenden Rechtsanwaltes über die Rechtslage betreffend die Einbringung einer Revision nach Abtretung einer Beschwerde durch den Verfassungsgerichtshof. Dies verhilft dem Antrag nicht zum Erfolg.
8 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann zwar auch ein Rechtsirrtum einen Wiedereinsetzungsgrund darstellen, wenn die weiteren Voraussetzungen, insbesondere mangelndes oder nur leichtes Verschulden, vorliegen. Die Unkenntnis einer neuen Gesetzeslage durch einen beruflichen Parteienvertreter stellt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes jedoch keinen minderen Grad des Versehens dar, weil vor allem eine rezente Änderung der Rechtslage besondere Aufmerksamkeit verdient (vgl. etwa VwGH 11.8.2015, Ra 2015/10/0071, Rn. 7, und VwGH 11.5.2017, Ra 2017/04/0045, Rn. 9, mwN).
9 Wie sich die Rechtslage hinsichtlich der Einbringung einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Abtretung einer Beschwerde durch den Verfassungsgerichtshof darstellt, insbesondere, dass mit der Zustellung des Abtretungsbeschlusses durch den Verfassungsgerichtshof lediglich der (erneute) Lauf der Frist zur Einbringung der Revision gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ausgelöst wird (vgl. § 26 Abs. 4 VwGG), war durch die Rechtsprechung zudem bereits klargestellt worden (vgl. insbesondere den Beschluss des VfGH 12.3.2014, E 30/2014, Rn. 2.2. [VfSlg. 19.867/2014], sowie etwa VwGH 31.1.2017, Ra 2017/03/0001, Rn. 8 bis 10, ebenso VwGH 11.5.2017, Ra 2017/09/0018, Rn. 7).
10 Auch das Argument des Antragstellers des Fehlens einer diesbezüglichen „aus § 46 VwGG erfließenden Belehrung“ im Abtretungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofes verfängt schon deshalb nicht, weil der Verfassungsgerichtshof im Schlusssatz seiner Begründung unter Zitierung von VfSlg. 19.867/2014 eindeutig auf das „System der Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof durch den Verfassungsgerichtshof nach Inkrafttreten der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012“ hingewiesen hat (siehe in diesem Zusammenhang auch bereits VwGH 24.2.2016, Ra 2015/09/0145, u.a.).
11 Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher gemäß § 46 Abs. 4 VwGG abzuweisen und die außerordentliche Revision wegen Versäumung der Einbringungsfrist ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
Wien, am 28. Oktober 2022
Schlagworte
Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022090123.L00Im RIS seit
22.11.2022Zuletzt aktualisiert am
22.11.2022