TE Lvwg Beschluss 2022/9/26 VGW-031/010/8639/2022-4

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Veröffentlicht am 26.09.2022
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Entscheidungsdatum

26.09.2022

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
90/01 Straßenverkehrsordnung

Norm

B-VG Art. 139 Abs1 Z1
StVO 1960 §43 Abs2 lita
StVO 1960 §52 lita Z11
StVO 1960 §99 Abs3 lita
  1. StVO 1960 § 43 heute
  2. StVO 1960 § 43 gültig ab 01.10.2022 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 122/2022
  3. StVO 1960 § 43 gültig von 01.09.2019 bis 30.09.2022 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 77/2019
  4. StVO 1960 § 43 gültig von 13.07.2018 bis 31.08.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 42/2018
  5. StVO 1960 § 43 gültig von 01.01.2014 bis 12.07.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 39/2013
  6. StVO 1960 § 43 gültig von 31.03.2013 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 39/2013
  7. StVO 1960 § 43 gültig von 31.05.2011 bis 30.03.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 34/2011
  8. StVO 1960 § 43 gültig von 01.07.2005 bis 30.05.2011 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 52/2005
  9. StVO 1960 § 43 gültig von 25.05.2002 bis 30.06.2005 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 80/2002
  10. StVO 1960 § 43 gültig von 01.10.1994 bis 24.05.2002 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 518/1994
  11. StVO 1960 § 43 gültig von 31.07.1993 bis 30.09.1994 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 522/1993
  12. StVO 1960 § 43 gültig von 01.12.1989 bis 30.07.1993 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 562/1989
  13. StVO 1960 § 43 gültig von 01.03.1989 bis 30.11.1989 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 86/1989
  14. StVO 1960 § 43 gültig von 01.06.1987 bis 28.02.1989 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 213/1987
  1. StVO 1960 § 52 heute
  2. StVO 1960 § 52 gültig ab 01.06.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 37/2019
  3. StVO 1960 § 52 gültig von 31.05.2011 bis 31.05.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 34/2011
  4. StVO 1960 § 52 gültig von 26.03.2009 bis 30.05.2011 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 16/2009
  5. StVO 1960 § 52 gültig von 01.07.2005 bis 25.03.2009 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 52/2005
  6. StVO 1960 § 52 gültig von 01.07.1999 bis 30.06.2005 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 145/1998
  7. StVO 1960 § 52 gültig von 01.09.1998 bis 30.06.1999 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 145/1998
  8. StVO 1960 § 52 gültig von 01.10.1994 bis 31.08.1998 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 518/1994
  9. StVO 1960 § 52 gültig von 01.03.1989 bis 30.09.1994 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 86/1989
  10. StVO 1960 § 52 gültig von 01.06.1987 bis 28.02.1989 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 213/1987
  1. StVO 1960 § 99 heute
  2. StVO 1960 § 99 gültig ab 01.09.2021 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 154/2021
  3. StVO 1960 § 99 gültig von 31.03.2013 bis 31.08.2021 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 39/2013
  4. StVO 1960 § 99 gültig von 01.09.2012 bis 30.03.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 50/2012
  5. StVO 1960 § 99 gültig von 01.01.2012 bis 31.08.2012 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 59/2011
  6. StVO 1960 § 99 gültig von 31.05.2011 bis 31.12.2011 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 34/2011
  7. StVO 1960 § 99 gültig von 01.09.2009 bis 30.05.2011 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 93/2009
  8. StVO 1960 § 99 gültig von 26.03.2009 bis 31.08.2009 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 16/2009
  9. StVO 1960 § 99 gültig von 02.04.2005 bis 25.03.2009 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 15/2005
  10. StVO 1960 § 99 gültig von 25.05.2002 bis 01.04.2005 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 80/2002
  11. StVO 1960 § 99 gültig von 01.01.2002 bis 24.05.2002 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 32/2002
  12. StVO 1960 § 99 gültig von 24.07.1999 bis 31.12.2001 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 134/1999
  13. StVO 1960 § 99 gültig von 22.07.1998 bis 23.07.1999 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 92/1998
  14. StVO 1960 § 99 gültig von 06.01.1998 bis 21.07.1998 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 3/1998
  15. StVO 1960 § 99 gültig von 28.01.1997 bis 05.01.1998 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 16/1997
  16. StVO 1960 § 99 gültig von 01.10.1994 bis 27.01.1997 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 518/1994
  17. StVO 1960 § 99 gültig von 01.05.1986 bis 30.09.1994 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 105/1986

Text

Das Verwaltungsgericht Wien stellt durch den Richter Dr. Gindl im Verfahren betreffend die Beschwerde des Herrn A. B. gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien, Polizeikommissariat ..., vom 22.06.2022, Zl. ..., wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung, gemäß Art. 139 Abs. 1 Z 1 iVm mit Art. 139 Abs. 4 B-VG den

Antrag

Der Verfassungsgerichtshof möge

aussprechen, dass die Verordnung des Magistrates der Stadt Wien vom 06.06.2019, MA 46-DEF/550207/2018, kundgemacht am 21.10.2019, insoweit gesetzwidrig war, als damit folgendes verordnet wurde:

„6.1

in Wien 14., Ameisbachzeile von Flötzersteig bis ON. 44 ist das Überschreiten der Fahrgeschwindigkeit von 30 km/h verboten. Die Kundmachung ist in die bereits bestehende 30 km/h - Zone zu integrieren.“

in eventu

die „Neuverordnung“ des Magistrates der Stadt Wien vom 14.06.2022, MA46-DEF/550207/2018/ARA, insoweit als gesetzwidrig aufheben, als damit folgendes verordnet wurde:

„6.7

in Wien 14., Ameisbachzeile von Flötzersteig bis ON. 44 ist das Überschreiten der Fahrgeschwindigkeit von 30 km/h verboten. Die Kundmachung ist in die bereits bestehende 30 km/h - Zone zu integrieren.“

Begründung

I. Anlassfall

Das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien, Polizeikommissariat ..., vom 22.06.2022, Zl. ..., hat auszugsweise folgenden Spruch:

„1. Datum/Zeit: 09.04.2022,10: 17:00 Uhr

Ort: Wien, 14., Ameisbachzeile Höhe Nr. 86, Richtung

Hütteldorfer Straße

Betroffenes Fahrzeug: Pkw, Kennzeichen: W-... (A)

Sie haben die durch Zonenbeschränkung im Ortsgebiet in diesem Bereich kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h um 12 km/h überschritten. Die in Betracht kommende Messtoleranz wurde bereits zu Ihren Gunsten abgezogen.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

1.   § 52 lit. a Z 11 StVO“

Über dem Beschwerdeführer wurde wegen dieser Verwaltungsübertretung gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960 eine Geldstrafe von € 76 im Nichteinbringungsfall ein Tag und 11 Stunden Ersatzfreistrafen verhängt und gemäß § 64 VStG die Kosten des Verfahrens in der Höhe von € 10 vorgeschrieben.

Der Beschwerdeführer erhob gegen dieses Straferkenntnis fristgerecht Beschwerde und begründete seine Beschwerde im Wesentlichen damit, dass die der Bestrafung zugrunde liegende Verordnung gesetzwidrig sei.

II. Rechtslage

BGBl. Nr. 159/1960 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 77/2019, lautet auszugsweise:

§ 43. Verkehrsverbote, Verkehrserleichterungen und Hinweise.

(1) Die Behörde hat für bestimmte Straßen oder Straßenstrecken oder für Straßen innerhalb eines bestimmten Gebietes durch Verordnung

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

a)

wenn ein Elementarereignis bereits eingetreten oder nach den örtlich gewonnenen Erfahrungen oder nach sonst erheblichen Umständen mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, die zum Schutze der Straßenbenützer oder zur Verkehrsabwicklung erforderlichen Verkehrsverbote oder Verkehrsbeschränkungen zu erlassen;

b)

wenn und insoweit es die Sicherheit, Leichtigkeit oder Flüssigkeit des sich bewegenden oder die Ordnung des ruhenden Verkehrs, die Lage, Widmung, Pflege, Reinigung oder Beschaffenheit der Straße, die Lage, Widmung oder Beschaffenheit eines an der Straße gelegenen Gebäudes oder Gebietes oder wenn und insoweit es die Sicherheit eines Gebäudes oder Gebietes und/oder der Personen, die sich dort aufhalten, erfordert,

1.

dauernde oder vorübergehende Verkehrsbeschränkungen oder Verkehrsverbote, insbesondere die Erklärung von Straßen zu Einbahnstraßen, Maß-, Gewichts- oder Geschwindigkeitsbeschränkungen, Halte- oder Parkverbote und dergleichen, zu erlassen,

2.

den Straßenbenützern ein bestimmtes Verhalten vorzuschreiben, insbesondere bestimmte Gruppen von der Benützung einer Straße oder eines Straßenteiles auszuschließen oder sie auf besonders bezeichnete Straßenteile zu verweisen;

c)

wenn ein erhebliches wirtschaftliches Interesse von einem oder von mehreren umliegenden Unternehmungen vorliegt, Straßenstellen für die unbedingt notwendige Zeit und Strecke für Ladetätigkeiten durch Parkverbote, wenn jedoch eine Ladetätigkeit unter Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden Abstellflächen und deren beste Ausnützung erfahrungsgemäß durch ein Parkverbot nicht gewährleistet ist, durch Halteverbote freizuhalten (Ladezonen);

d)

für Menschen mit Behinderungen, die wegen ihrer Behinderung darauf angewiesen sind, das von ihnen selbst gelenkte Kraftfahrzeug oder ein Kraftfahrzeug, das sie als Mitfahrer benützen, in unmittelbarer Nähe ihrer Wohnung oder ihrer Arbeitsstätte oder in unmittelbarer Nähe von Gebäuden, die von solchen Personen in der Regel häufig besucht werden, wie etwa Invalidenämter, bestimmte Krankenhäuser oder Ambulatorien, Sozialversicherungseinrichtungen u. dgl., oder in unmittelbarer Nähe einer Fußgängerzone abstellen zu können, Straßenstellen für die unbedingt notwendige Zeit und Strecke zum Abstellen der betreffenden Kraftfahrzeuge durch ein Halteverbot freizuhalten.

(1a) Sofern es sich nicht um Arbeitsfahrten im Sinne des § 27 Abs. 1 handelt, hat die Behörde zur Durchführung von Arbeiten auf oder neben einer Straße, die zwar vorhersehbar sind und entsprechend geplant werden können, bei denen aber die für die Arbeitsdurchführung erforderlichen Verkehrsregelungen örtlich und/oder zeitlich nicht genau vorherbestimmbar sind, durch Verordnung die aus Gründen der Sicherheit, Leichtigkeit oder Flüssigkeit des Verkehrs oder zur Sicherheit der mit den Arbeiten beschäftigten Personen erforderlichen Verkehrsbeschränkungen, Verkehrsverbote und/oder Verkehrsgebote zu erlassen. In diesen Fällen sind die Organe des Bauführers ermächtigt, nach Maßgabe der Arbeitsdurchführung den örtlichen und zeitlichen Umfang der von der Behörde verordneten Verkehrsmaßnahmen durch die Anbringung oder Sichtbarmachung der betreffenden Straßenverkehrszeichen mit der Wirkung zu bestimmen, als ob der örtliche und zeitliche Umfang von der Behörde bestimmt worden wäre. Der Zeitpunkt und der Ort (Bereich) der Anbringung (Sichtbarmachung) ist von den Organen des Bauführers in einem Aktenvermerk (§ 16 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 – AVG, BGBl. Nr. 51/1991) festzuhalten.

(2) Zur Fernhaltung von Gefahren oder Belästigungen, insbesondere durch Lärm, Geruch oder Schadstoffe, hat die Behörde, wenn und insoweit es zum Schutz der Bevölkerung oder der Umwelt oder aus anderen wichtigen Gründen erforderlich ist, durch Verordnung

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

a)

für bestimmte Gebiete, Straßen oder Straßenstrecken für alle oder für bestimmte Fahrzeugarten oder für Fahrzeuge mit bestimmten Ladungen dauernde oder zeitweise Verkehrsbeschränkungen oder Verkehrsverbote zu erlassen,

b)

zu bestimmen, daß mit bestimmten Arten von Fahrzeugen oder mit Fahrzeugen mit bestimmten Ladungen nur bestimmte Straßen oder bestimmte Arten von Straßen befahren werden dürfen (Routenbindung) oder

c)

zu bestimmen, daß in bestimmten Gebieten oder auf bestimmten Straßen Vorrichtungen zur Abgabe von Schallzeichen nicht betätigt werden dürfen, es sei denn, daß ein solches Zeichen das einzige Mittel ist, um Gefahren von Personen abzuwenden (Hupverbot).

 

Bei der Erlassung solcher Verordnungen ist einerseits auf den angestrebten Zweck und andererseits auf die Bedeutung der Verkehrsbeziehungen und der Verkehrserfordernisse Bedacht zu nehmen.

Die Verordnung des Magistrates der Stadt Wien vom 06.06.2019, MA 46-DEF/550207/2018, lautet auszugsweise:

                                    

                                            

Diese Verordnung wurde am 21.10.2019 kundgemacht und lautet der hier maßgebliche Punkt 6.1 wie folgt:

„in Wien 14., Ameisbachzeile von Flötzersteig bis ON. 44 ist das Überschreiten der Fahrgeschwindigkeit von 30 km/h verboten. Die Kundmachung ist in die bereits bestehende 30 km/h - Zone zu integrieren.“

Mit Punkt 6.6 der Neuverordnung vom 14.06.2022, MA46-DEF/550207/2018/ARA, wurde Punkt 6.1 der Verordnung vom 06.06.2019, MA 46-DEF/550207/2018, aufgehoben.

die „Neuverordnung“ des Magistrates der Stadt Wien vom 14.06.2022, MA46-DEF/550207/2018/ARA, lautet auszugsweise:

Der hier maßgeblichen Punkte 6.6 und 6.7 lauten:

„6.6

die Verordnung der in Wien 14., Armesbachzeile von Flötzersteig bis ONr. 44 bestehende Fahrgeschwindigkeitsbeschränkung (das Überschreiten der Fahrgeschwindigkeit von 30 km/h ist verboten, die Kundmachung ist in die bereits bestehende 30 km/h - Zone zu integrieren.) wird aufgehoben. Die Verordnung wird mit der Neuverordnung außer Kraft gesetzt.

6.7

in Wien 14., Ameisbachzeile von Flötzersteig bis ON. 44 ist das Überschreiten der Fahrgeschwindigkeit von 30 km/h verboten. Die Kundmachung ist in die bereits bestehende 30 km/h - Zone zu integrieren.“

III. Zur Zulässigkeit des Antrages

Die angefochtene Verwaltungsbestimmung bildet eine der Rechtsgrundlagen für das beim Verwaltungsgericht Wien angefochtene Straferkenntnis; das Verwaltungsgericht Wien hat sie bei seiner Entscheidung über die Beschwerde gegen dieses Straferkenntnis anzuwenden. Da der angefochtene Punkt 6.1 (im Eventualantrag Punkt 6.7) von den übrigen Verordnungsbestimmungen trennbar ist, wird nur diese Verordnungsbestimmung angefochten.

Der Eventualantrag wurde gestellt, falls der Verfassungsgerichtshof zur Auffassung gelangt, dass mit der „Neuverordnung“ vom 14.06.2022 in Wahrheit keine Aufhebung von Punkt 6.1 der Verordnung vom 06.06.2019 vorliegt, sondern aufgrund des gleichlautenden Punkt 6.7 der „Neuverordnung“ und der unveränderten gebliebenen Kundmachung der gegenständlichen Geschwindigkeitsbeschränkung in Wahrheit Punkt 6.1 unter der geänderten Bezeichnung 6.7 noch in Geltung steht.

Sollte der Verfassungsgerichtshof antragsgemäß aussprechen, dass die angefochtene Bestimmung gesetzwidrig war bzw. die angefochtene Bestimmung aufheben, hätte das Verwaltungsrecht Wien mangels Strafbarkeit des dem Beschwerdeführer angelasteten Verhaltens zum Tatzeitpunkt das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen. Daher ist die Gesetzmäßigkeit der angefochtenen Verwaltungsbestimmung im Sinne des § 57 Abs. 2 VfGG eine Vorfrage für die Entscheidung der beim Verwaltungsgericht Wien anhängigen Rechtssache.

IV. Bedenken

Die angefochtene Bestimmung stützt sich auf § 43 Abs. 2 lit. a StVO 1960. Gemäß § 43 Abs. 2 lit. a StVO hat die Behörde zur Fernhaltung von Gefahren und Belästigungen, insbesondere durch Lärm, Geruch oder Schadstoffe, wenn und soweit es zum Schutz der Bevölkerung oder der Umwelt oder aus anderen wichtigen Gründen erforderlich ist, durch Verordnung für bestimmte Gebiete, Straßen oder Straßenstrecken für alle oder für bestimmte Fahrzeugarten oder für Fahrzeuge mit bestimmten Ladungen dauernde oder zeitweise Verkehrsbeschränkungen oder Verkehrsverbote zu erlassen.

Bei Erlassung einer solchen Verordnung ist einerseits auf den angestrebten Zweck und andererseits auf die Bedeutung der Verkehrsbeziehungen und der Verkehrserfordernisse Bedacht zu nehmen.

Bei der Prüfung der Erforderlichkeit einer Verordnung nach § 43 StVO 1960 sind die bei einer bestimmten Straße oder Straßenstrecke, für welche die Verordnung erlassen werden soll, anzutreffenden, für den spezifischen Inhalt der betreffenden Verordnung relevanten Umstände mit jenen Umständen zu vergleichen, die für eine nicht bedeutende Anzahl anderer Straßen zutreffen (VfGH 18.3.1993, V 24/92; 3.3.1995, V 24/93 u.a.).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes hat die Behörde die Erlassung der Verordnung nach § 43 StVO 1960 die im Einzelnen umschriebenen Interessen an der Verkehrsbeschränkung mit den Interessen an der ungehinderten Benützung der Straße abzuwägen und dabei die Bedeutung des Straßenzuges zu berücksichtigen (vgl. VfSlg. 8086/1977 u.a.). Die sohin gebotene Interessensabwägung erfordert sowohl die nähere sachverhaltsmäßige Klärung der Gefahren oder Belästigungen für Bevölkerung und Umwelt, von denen die Verkehrsbeschränkung schützen soll, als auch eine Untersuchung der Verkehrsbeziehungen und der Verkehrserfordernisse durch ein entsprechendes Anhörungs-und Ermittlungsverfahren (vgl. VfSlg 12.485/1990 u.a.). Das Ermittlungsverfahren bildet die Grundlage der gemäß § 43 StVO 1960 vor Verordnungserlassung gebotenen Interessenabwägung zwischen den Interessen an der Verkehrsbeschränkung und dem Interesse an der ungehinderten Benützung der Straße. Ein versäumtes Ermittlungsverfahren kann auch nicht nach Verordnungserlassung nachgeholt werden (vgl. V 54/2015 ua).

Aus § 43 Abs. 2 StVO 1960 ergibt sich sohin die Verpflichtung, aufgrund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens die Erforderlichkeit einer verkehrsbeschränkten Maßnahme nachvollziehbar darzulegen.

Aus dem vom Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 46 übermittelten Verordnungsakt ist zu entnehmen, dass der Magistrat der Stadt Wien am 06.06.2019 zum Gegenstand „Überprüfung der Verkehrssituation in Wien 16, Ameisbachzeile, hinsichtlich der Kundmachung einer 30 km/h Geschwindigkeitsbeschränkung“ eine Verhandlung durchgeführt hat. In der anlässlich dieser Verhandlung angefertigte Niederschrift ist unter der Rubrik „Sachverhalt“ folgendes festgehalten:

„Der Antrag wurde den Verhandlungsteilnehmern zur Kenntnis gebracht und die örtlichen Verhältnisse eingehend geprüft. Aufgrund eines Ansuchens der Bezirksvorstehung für den 16. Bezirk, wurde die Verkehrssituation in Wien 16., Ameisbachzeile, ab der Bezirksgrenze vom 14. Bezirk, bis zur Demuthgasse, hinsichtlich der Kundmachung einer 30 km/h Geschwindigkeitsbegrenzung überprüft. Festzuhalten ist, dass die Ameisbachzeile sowohl durch den 14. als durch den 16. Bezirk verläuft. Im Bereich des 14. Bezirks ist die Ameisbachzeile bereits durch eine 30er - Zone kundgemacht. Es gab bereits einige Beschwerden und auch Anregungen sowohl von Privatpersonen (Anrainer) als auch seitens der Bezirksvorstehung, da die Ameisbachzeile, im Bereich des 16. Bezirks, oft mit höherer Geschwindigkeit befahren wird, als mit den derzeit erlaubten 50 km/h. Im Zuge der Verhandlung konnte seitens der gesamten Amtsabordnung festgestellt werden, dass die Erweiterung der 30 km/h Geschwindigkeitsbegrenzung absolut sinnvoll und notwendig ist. Nach eingehender Diskussion, bei der sämtliche Verhandlungsteilnehmer ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme hatten, wurde dem unter Punkt 6 festgehaltenen Verhandlungsergebnis, einhellig zugestimmt.“

Im Vorlageschreiben vom 18.07.2022 betreffend Übermittlung des Verordnungsaktes hat der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 46 in seiner Stellungnahme zum Vorbringen des Beschwerdeführers hinsichtlich der relevierten Gesetzwidrigkeit der Verordnung auf diese Sachverhaltsfeststellung verwiesen.

Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes Wien mangelt es dem gegenständlichen Verordnungsverfahren an einer ausreichenden nachvollziehbaren sachverhaltsmäßigen Grundlage im Sinne der oben dargestellten Judikatur des Verfassungsgerichtshofes, aus der hervorgeht, welche Interessen der Bevölkerung an der Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 Km/h maßgeblich waren und welche Gründe dafür den Ausschlag gegeben haben, diesen Interessen – sollten sie vorliegen - höheres Gewicht beizumessen als jenen an der ungehinderten Benützung des betreffenden Abschnittes der den 14. Bezirk mit den 16. Bezirk verbindenden Ameisbachzeile.

Begründend wurde die Beschränkung der Geschwindigkeit auf 30 km/h lediglich damit, dass die Ameisbachzeile im Bereich des 16. Bezirkes des Öfteren mit höherer Geschwindigkeit als der erlaubten 50 km/h befahren worden sei und es dadurch schon zu Anrainerbeschwerden gekommen sei. Aus dieser Sachverhaltsfeststellung lässt sich aber nicht nachvollziehbar entnehmen, warum es notwendig sein soll, die Geschwindigkeit für den in Punkt 6.1 der Verordnung betreffenden Bereich der Ameisbachzeile im 14. Bezirk auf 30 km/h zu reduzieren, wenn Verkehrsteilnehmer in der Ameisbachzeile im Bereich des 16. Bezirkes die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h nicht einhalten. Aber selbst dann, wenn sich Verkehrsteilnehmer auch in der Ameisbachzeile im Bereich des 14. Bezirks nicht an die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h halten sollten, ließe sich alleine daraus kein nachvollziehbarer Grund ableiten, warum die Geschwindigkeit auf 30 km/h reduziert werden muss und man nicht danach trachtet und entsprechende Maßnahmen setzt, dass die erlaubte Geschwindigkeit von 50 km/h eingehalten wird; nach der Sachverhaltsfeststellung in der Verhandlung vom 06.06.2019 war offenbar nur störend, dass in der Ameisbachzeile öfter schneller als 50 km/h gefahren wird. Auch fehlt die vom Verfassungsgerichtshof vor Erlassung einer solchen verkehrsberuhigenden Maßnahme geforderte Interessenabwägung, eine solche lässt sich dem Verfahren zu Erlassung der gegenständlichen Verordnung nicht entnehmen.

Die gegenständliche Geschwindigkeitsbegrenzung ist daher nach Auffassung des antragstellenden Verwaltungsgerichtes Wien unter Verletzung der Verpflichtung, aufgrund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens die Erforderlichkeit einer verkehrsbeschränkten Maßnahme nachvollziehbar darzulegen, erlassen worden und war (ist) daher gesetzwidrig.

Es wird daher wie oben beantragt.

Schlagworte

Normprüfungsantrag; Geschwindigkeitsbeschränkung; Verordnung; Erforderlichkeit; Interessensabwägung; verkehrsbeschränkende Maßnahme; nachvollziehbarer Grund; Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2022:VGW.031.010.8639.2022.4

Zuletzt aktualisiert am

21.11.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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