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41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, AsylrechtNorm
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1Leitsatz
Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Abweisung eines Antrags auf internationalen Schutz betreffend einen Staatsangehörigen des Iraks; mangelhafte Auseinandersetzung mit der Glaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens der Homosexualität und den LänderberichtenRechtssatz
Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) setzt sich nicht mit der Rsp des EuGH sowie den Länderberichten des UNHCR auseinander. Die Begründung des BVwG stellt maßgeblich darauf ab, dass der Beschwerdeführer nicht bereits zu Beginn des Verfahrens Angaben zu seiner behaupteten Homosexualität gemacht hatte und deshalb von einem "gesteigerten" Vorbringen auszugehen sei. Abgesehen davon, dass §19 Abs1 AsylG 2005 bestimmt, dass die Erstbefragung insbesondere der Ermittlung der Identität und der Reiseroute des Fremden dient und sich nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat, spricht aber der alleinige Umstand, dass eine Person nicht sofort ihre Homosexualität angegeben hat, angesichts des sensiblen Charakters von Themen, die die Sexualität betreffen, nicht gegen die Glaubwürdigkeit eines solchen Vorbringens.
Zudem führt das BVwG aus, dass selbst bei Zutreffen des Vorbringens des Beschwerdeführers zu seiner Homosexualität eine solche in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak keinen asylrelevanten Fluchtgrund darstelle. Homosexualität sei im Irak nicht strafbar. Die im Länderinformationsblatt Irak angeführten Ressentiments bestimmter Gruppen seien nicht derart, dass von einer ernstlichen Gefahr einer Verfolgung homosexueller Menschen auf Grund ihrer sexuellen Neigung auszugehen sei. Zudem sei es auf Grund der Tabuisierung der Sexualität durch die islamisch geprägte Gesellschaft, die auf strikter Geschlechtertrennung aufbaue, keinem Iraker und keiner Irakerin möglich, ihre Sexualität in der Öffentlichkeit auszuleben, sodass sowohl heterosexuelle als auch homosexuelle Paare ihre Sexualität im Privaten auslebten. Dieser Umstand sei somit nicht tauglich, eine Gefahr einer Verfolgung homosexueller Personen auf Grund ihrer sexuellen Orientierung als glaubhaft anzunehmen. Damit verkennt das BVwG seine eigenen Feststellungen zur Lage sexueller Minderheiten im Irak.
Im Ergebnis würde die Entscheidung des BVwG dazu führen, dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in den Irak gezwungen wäre, seine sexuelle Orientierung geheim zu halten, um sich nicht der Gefahr von Diskriminierung, Verfolgung und Gewalt auszusetzen. Dabei geht es nicht darum, ob es - wie das BVwG meint - im Irak üblich sei, dass sowohl heterosexuelle als auch homosexuelle Menschen ihre Sexualität im Privaten auslebten, sondern vielmehr um das Bekenntnis zur eigenen sexuellen Ausrichtung, dessen Verzicht von niemandem verlangt werden darf.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Asylrecht, Homosexualität, Ermittlungsverfahren, Entscheidungsbegründung, RückkehrentscheidungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2022:E2406.2021Zuletzt aktualisiert am
21.11.2022