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Auswertung in Arbeit!Norm
Auswertung in Arbeit!Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pelant sowie den Hofrat Dr. Mayr und die Hofrätin Dr. Holzinger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, in der Revisionssache des L S, vertreten durch Mag. Julian A. Motamedi, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Baumannstraße 9/12A, gegen das am 26. Mai 2020 mündlich verkündete und am 24. Juni 2020 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien, VGW-151/059/12288/2019-89, betreffend Aufenthaltstitel (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein türkischer Staatsangehöriger, stellte am 21. Jänner 2014 erstmals einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot - Karte“ (sonstige Schlüsselkraft) gemäß § 41 Abs. 2 Z 2 Niederlassungs- und Aufenhaltsgesetz (NAG). Dieser Antrag wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 5. März 2014 mit der Begründung abgewiesen, dass der Revisionswerber die Voraussetzungen für den begehrten Aufenthaltszweck nicht erfülle. Das Verfahren über einen weiteren Antrag des Revisionswerbers vom 24. April 2014 auf Ausstellung einer „Rot-Weiß-Rot - Karte“ (Fachkraft in Mangelberufen), der später in einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot - Karte“ (sonstige Schlüsselkraft) geändert wurde, wurde - nach Abweisung des Antrags auf Zulassung als Schlüsselkraft gemäß § 12b Z 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) durch das Arbeitsmarktservice Wien mit Bescheid vom 27. Februar 2015 - mit Aktenvermerk der belangten Behörde vom 18. Mai 2015 formlos eingestellt.
2 Am 27. Februar 2015 heiratete der Revisionswerber die österreichische Staatsbürgerin S K. Am 28. Mai 2015 stellte er unter Hinweis auf diese Eheschließung einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“. Diesem Antrag wurde ebenso wie einem am 31. Mai 2016 eingebrachten Verlängerungsantrag stattgegeben.
3 Am 23. September 2016 wurde die Ehe des Revisionswerbers und der S K rechtskräftig geschieden. Unter Hinweis darauf beantragte der Revisionswerber am 21. November 2016 die Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot - Karte plus“. Diesem Antrag wurde ebenso wie einem am 12. Dezember 2017 eingebrachten Verlängerungsantrag stattgegeben.
4 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 14. August 2019 wurden sämtliche Verfahren, in denen dem Revisionswerber ein Aufenthaltstitel erteilt worden war, wieder aufgenommen und die zugrunde liegenden Anträge jeweils abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass zwischen dem Revisionswerber und S K eine Aufenthaltsehe bestanden habe. Damit habe der Revisionswerber bewusst unrichtige Angaben zu seiner vorgeblichen Ehe gemacht und sich durch die Vorgabe eines Ehelebens durch unrichtige Meldedaten einen Aufenthaltstitel erschlichen, der ihm bei Kenntnis der wahren Gegebenheiten und wahren Umstände nicht erteilt worden wäre.
5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht Wien die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet ab und sprach aus, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
6 In seiner Begründung verwies das Verwaltungsgericht darauf, dass die Ehe zwischen dem Revisionswerber und S K nur zu dem Zweck geschlossen worden sei, diesem eine Aufenthaltsberechtigung in Österreich zu verschaffen. Ein tatsächliches Ehe- und Familienleben sei seitens beider Eheleute nicht beabsichtigt gewesen und sei ein solches von diesen auch zu keinem Zeitpunkt geführt worden. Diese Feststellung gründete das Verwaltungsgericht insbesondere auf Widersprüchlichkeiten in den Aussagen des Revisionswerbers und S K, den Umstand, dass diese von den jeweiligen Lebensumständen des angeblichen Partners vor der Eheschließung keine oder nur wenig Kenntnis hatten, Widersprüche in deren Ausführungen zur Phase des Kennenlernens und des angeblichen ehelichen Zusammenlebens selbst.
7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision.
8 In deren Zulässigkeitsausführungen macht der Revisionswerber zunächst geltend, dass die Übersetzungsleistungen des Dolmetschers in der Beschwerdeverhandlung vom 26. Mai 2020 derart mangelhaft gewesen seien, dass darauf keine Sachverhaltsfeststellungen hätten gegründet werden dürfen. Weiters moniert der Revisionswerber, dass nicht berücksichtigt worden sei, dass S K offensichtlich psychisch äußerst instabil sein dürfte, worauf er mittels Schriftsatzes vom 11. Februar 2020 hingewiesen habe. Das Erkenntnis erweise sich schließlich auch deshalb als rechtswidrig, weil dem Revisionswerber ein Aufenthaltsrecht nach dem ARB 1/80 zukomme und weil der Stattgabe des Zweckänderungsantrags vom 21. November 2016 nicht die Ehe mit S K zugrunde gelegen wäre. Im Übrigen beanstandet der Revisionswerber, dass das Verwaltungsgericht nicht inhaltlich über die Beschwerde abgesprochen habe, für eine Zurückweisung hätte kein Raum bestanden.
9 Nach Art. 133 Abs. 4-B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
12 Mit dem oben wiedergegebenen Vorbringen (Rn. 8) wird das Vorliegen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nicht dargetan.
13 Was die als mangelhaft beanstandeten Übersetzungsleistungen in der Tagsatzung vom 26. Mai 2020 anlangt, so unterbleibt eine Konkretisierung; der in diesem Zusammenhang allein angesprochene „Fehler“ (Bratislava statt richtig Bad Vöslau) beruht nach der insoweit nicht in Frage gestellten Protokollierung nur auf einem „Missverständnis“ der vernommenen S K, das sie dann über Vorhalt aufgeklärt hat („Das [Bad Vöslau] meine ich mit Bratislava.“).
14 Soweit der Revisionswerber dartut, das Verwaltungsgericht hätte - vor Verwertung ihrer Aussage - von Amts wegen den psychischen Zustand von S K überprüfen müssen, ist darauf hinzuweisen, dass die Frage, ob das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner amtswegigen Ermittlungspflicht weitere Ermittlungsschritte setzen muss, einer einzelfallbezogenen Beurteilung unterliegt. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge insoweit nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre (vgl. VwGH 26.2.2021, Ra 2021/14/0044, mwN). Dass dies vorliegend der Fall wäre, ist nicht zu sehen, zumal mit der Stellungnahme vom 11. Februar 2020 dem Verwaltungsgericht medizinische Unterlagen lediglich im Zusammenhang mit physischen Beschwerden von S K vorgelegt wurden. Vor diesem Hintergrund vermag der Revisionswerber dann aber insgesamt nicht aufzuzeigen, dass die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes unvertretbar wäre.
15 Ausgehend vom Vorliegen einer Aufenthaltsehe und der so erschlichenen Bewilligung zum Aufenthalts kommt ein vom Revisionswerber ins Treffen geführtes unmittelbares Aufenthaltsrecht nach Art. 6 ARB 1/80 (Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrates vom 19. September 1980 über Entwicklung der Assoziation) von vornherein nicht in Betracht (VwGH 9.7.2021, Ra 2021/22/0120, Rn. 22, mwN).
16 Ebenso wenig zielführend ist der Hinweis darauf, dass Grundlage des Zweckänderungsantrags vom 21. November 2016 nicht die Ehe mit S K gewesen sei, weshalb die Voraussetzungen des § 30 NAG nicht erfüllt wären, hat sich das Verwaltungsgericht bei Abweisung dieses Antrags (zur Wiederaufnahme siehe etwa VwGH 14.7.2021, Ra 2018/22/0017, Punkt 7.) doch gar nicht auf die erwähnte Bestimmung, sondern auf § 27 Abs. 1 NAG gestützt.
17 Schließlich entbehrt die Behauptung des Revisionswerbers, das Verwaltungsgericht hätte nicht inhaltlich über seine Beschwerde abgesprochen, jeglicher Grundlage. Der Sache nach geltend gemachte Begründungsmängel sind nach dem Vorgesagten jedenfalls nicht relevant.
18 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 19. Oktober 2022
Schlagworte
Auswertung in Arbeit!European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2020220197.L00Im RIS seit
21.11.2022Zuletzt aktualisiert am
21.11.2022