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E000 EU- Recht allgemeinNorm
AVG §56Rechtssatz
Art. 6 Abs. 4 Abfallrahmenrichtlinie steht einer innerstaatlichen Regelung nicht entgegen, wonach, wenn auf Ebene der Europäischen Union für eine bestimmte Art von Abfällen keine Kriterien für das Ende der Abfalleigenschaft festgelegt wurden, das Ende der Abfalleigenschaft davon abhängt, ob für eine konkrete Art von Abfällen Kriterien bestehen, die durch einen innerstaatlichen Rechtsakt mit allgemeiner Geltung festgelegt wurden, und diese unionsrechtliche Bestimmung einen Abfallbesitzer nicht berechtigt, von der zuständigen Behörde oder einem Gericht des Mitgliedstaats die Feststellung des Endes der Abfalleigenschaft zu verlangen. Angesichts des vom EuGH hervorgehobenen Ermessensspielraums in der Frage, für gewisse Abfallarten gar kein (vorzeitiges) Abfallende vorzusehen (vgl. EuGH 28.3.2019, Rs C-60/18, Tallinna Vesi AS gegen Keskkonnaamet), ist daher auch die Annahme von planwidrigen Lücken zur Begründung einer analogen Anwendung bestehender Abfallendeverordnungen auf Sachen oder Verwendungszwecke, die von diesen Verordnungen per se nicht erfasst sind, nicht geboten. Der EuGH hat zwar in seinem Urteil in der Rs Tallinna Vesi auch ausgeführt, dass die Mitgliedstaaten auch dafür zu sorgen haben, dass dieser Ermessungsspielraum der Verwirklichung der Ziele der Abfallrahmenrichtlinie nicht im Weg steht, nämlich der Förderung der Anwendung der Abfallhierarchie oder der Verwertung von Abfällen und der Verwendung verwerteter Materialien zur Erhaltung der natürlichen Rohstoffquellen und zur Schaffung einer Recycling-Wirtschaft (vgl. EuGH 28.3.2019, Rs C-60/18, Tallinna Vesi AS gegen Keskkonnaamet). In diesem Sinn ist es daher denkbar, dass bei einer hinsichtlich bestimmter Stoffe und Gegenstände fehlenden generellen Regelung zum Abfallende (in Verbindung mit der nicht vorgesehenen Möglichkeit zu einer Einzelfallentscheidung) eine richtlinienwidrige Umsetzung vorliegt. In diesem Kontext ist es jedoch Aufgabe der Kommission und gegebenenfalls der Mitgliedstaaten, sämtliche relevanten Umstände sowie den neusten Stand der wissenschaftlichen und technischen Kenntnisse zu berücksichtigen, um spezifische Kriterien festzulegen, die es den nationalen Behörden und Gerichten erlauben, das Ende der Abfalleigenschaft eines Abfalls festzustellen, der ein Verwertungsverfahren durchlaufen hat, das es ermöglicht, ihn nutzbar zu machen, ohne die menschliche Gesundheit zu gefährden und die Umwelt zu schädigen (vgl. EuGH 28.3.2019, Rs C-60/18, Tallinna Vesi AS gegen Keskkonnaamet). Diese Ausführungen stehen offenbar in Konnex mit der Judikatur des EuGH, wonach sich nicht bereits anhand der in Art. 6 Abs. 1 Abfallrahmenrichtlinie vorgesehenen Bedingungen, die spezifische Kriterien erfüllen müssen, anhand deren sich ermitteln lässt, welche Abfälle nach einem Verwertungs- oder Recyclingverfahren nicht mehr als Abfälle anzusehen sind, unmittelbar feststellen lässt, dass bestimmte Abfälle oder Kategorien von Abfällen nicht mehr als solche anzusehen sind (vgl. EuGH 28.3.2019, Rs C-60/18, Tallinna Vesi AS gegen Keskkonnaamet; EuGH 7.3.2013, C-358/11, Lapin iuonnonsuojelupiiri).
Gerichtsentscheidung
EuGH 62011CJ0358 Lapin luonnonsuojelupiiri VORABSchlagworte
Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung Feststellungsbescheide Ermessen VwRallg8 Gemeinschaftsrecht Richtlinie richtlinienkonforme Auslegung des innerstaatlichen Rechts EURallg4/3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021070068.L05Im RIS seit
21.11.2022Zuletzt aktualisiert am
21.11.2022