Entscheidungsdatum
17.05.2021Index
40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
VStG §27Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Mag. Nussgruber über die Beschwerde der Frau Mag. A. B., C., D.-straße, vertreten durch Rechtsanwalt, gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 4. und 5. Bezirk, vom 03.09.2020, Zahl …, wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 7 Abs. 1 erster Satz, 3. Fall iVm §§ 2 Abs. 5 und 4 Abs. 1 RGG,
zu Recht e r k a n n t:
I. Gemäß § 50 iVm § 27 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis wegen örtlicher Unzuständigkeit der belangten Behörde gemäß § 27 VStG aufgehoben.
II. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat die Beschwerdeführerin keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Artikel 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. 1. Mit Straferkenntnis vom 03.09.2020 wurde der Beschwerdeführerin zur Last gelegt, dass sie am 20.03.2020 in 1040 Wien, Operngasse 20B, folgende Verwaltungsübertretung begangen habe:
Sie habe ihren Wohnsitz in C., D.-straße, wobei für diese Wohnung keine rundfunkgebührenrechtliche Meldung vorläge und sie habe trotz Aufforderung des mit der Einbringung der Gebühren beauftragten Rechtsträgers, nämlich der GIS Gebühren Info Service GmbH (als beliehene Gesellschaft) mit dem Sitz in 1040 Wien, vom 04.11.2019, ihr zugestellt am 13.11.20019, und der entsprechenden Mahnung der GIS Gebühren Info Service GmbH vom 02.03.2020, ihr zugestellt am 06.03.2020, bis dato die Meldung verweigert, welche Rundfundfunkempfangseinrichtungen an ihrem Standort betrieben worden seien, obwohl sie die Auskunft binnen 14 Tagen nach der Zustellung der Mahnung (sohin bis zum 20.03.2020) zu erteilen gehabt habe. Die Beschwerdeführerin habe dadurch die Rechtsvorschrift des § 7 Abs. 1 erster Satz, 3. Fall in Verbindung mit §§ 2 Abs. 5 und 4 Abs. 1 RGG verletzt und wurde über sie eine Geldstrafe in der Höhe von 100,- Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 2 Stunden, gemäß § 7 Abs. 1 RGG, BGBl. I Nr. 159/1999 idgF., verhängt sowie 10,- Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens festgesetzt.
2. In der dagegen frist- und formgerecht erhobenen Beschwerde der anwaltlich vertretenen Beschwerdeführerin wird unter anderem die Unzuständigkeit der belangten Behörde mit näherer Begründung vorgebracht und die Aufhebung des Straferkenntnisses sowie die Verfahrenseinstellung, in eventu der Ausspruch einer Mahnung, in eventu die Herabsetzung der Strafhöhe, beantragt.
3.1. Das Verwaltungsgericht Wien nimmt den folgenden Sachverhalt als erwiesen an:
Die Beschwerdeführerin ist in C., D.-straße, zum Hauptwohnsitz gemeldet und wohnhaft. Sie wurde mit Schreiben der „GIS Gebühren Info Service GmbH“ vom 04.11.2019, adressiert an diese Anschrift, aufgefordert, binnen 14 Tagen gemäß § 2 Abs. 5 RGG bekannt zu geben, ob bzw. welche Rundfunkempfangseinrichtungen an diesem Standort betrieben werden. Auf der im Verwaltungsakt einliegenden Kopie des Rückscheins ist vermerkt, dass dieses Schreiben beim Postamt … C. hinterlegt und ab 13.11.2020 zur Abholung bereitgehalten worden ist. Die geforderte Auskunft wurde nicht erteilt. Mit Mahnung der „GIS Gebühren Info Service GmbH“ vom 02.03.2020 wurde die Beschwerdeführerin erneut aufgefordert, binnen 14 Tagen gemäß § 2 Abs. 5 RGG bekannt zu geben, ob bzw. welche Rundfunkempfangseinrichtungen an der Meldeanschrift betrieben werden. Auf der im Verwaltungsakt einliegenden Kopie des Rückscheins ist vermerkt, dass dieses Schreiben der Beschwerdeführerin am 06.03.2020 nach einem erfolglosen Zustellversuch am 05.03.2020 beim Postamt … hinterlegt und ab dem 06.03.2020 zur Abholung bereitgehalten wurde. Vermerkt ist auch, dass eine Verständigung der Hinterlegung an der Abgabestelle zurückgelassen worden sei. Die Beschwerdeführerin hat das hinterlegte Schriftstück nicht behoben, sodass die Postsendung ungeöffnet an den Absender retourniert wurde.
Die Beschwerdeführerin behauptet, die Übertretung nicht begangen zu haben, weil ihr die Hinterlegungsanzeige niemals in den Briefkasten eingelegt worden sei.
3.2. Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem Inhalt des unbedenklichen behördlichen Verwaltungsstrafaktes, in den Einsicht genommen wurde.
II. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Rundfunkgebührengesetzes - RGG, BGBl. I Nr. 159/199 idgF BGBl. I Nr. 70/2016, lauten – auszugsweise – wie folgt:
„Gebührenpflicht, Meldepflicht[...]
III. 1. Der Beschwerdeführerin wurde zur Last gelegt, eine Mitteilung gemäß § 2 Abs. 5 RGG trotz erfolgter Mahnung verweigert und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 7 Abs. 1 erster Satz 4. Fall RGG begangen zu haben. Die zitierte Strafnorm des § 7 Abs. 1 RGG beinhaltet folgende Straftatbestände:
1. die Nichtabgabe einer Meldung nach § 2 Abs. 3 RGG,
2. die unrichtige Abgabe einer Meldung nach § 2 Abs. 3 RGG,
3. die unrichtige Abgabe einer Mitteilung gemäß § 2 Abs. 5 RGG
4. die – hier maßgebliche und vorgeworfene - Verweigerung einer Mitteilung gemäß § 2 Abs. 5 RGG.
2. Im Erkenntnis vom 01.09.2015, Zahl Ra 2015/15/0038, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass strafbar iSd § 7 Abs. 1 RGG nicht die Unterlassung einer (formgerechten) Mitteilung ist, sondern die "Verweigerung" der Mitteilung.
An die Differenzierung der in § 7 Abs. 1 RGG typisierten Tatbilder anknüpfend hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 31.01.2019, Zahl Ra 2018/15/0073, ausgesprochen, dass der Gesetzgeber für den Fall der Unterlassung der Meldung oder Mitteilung unterschiedliche Begriffe verwende; betreffend die Meldung sei die bloße Nichtabgabe tatbildlich, betreffend die Mitteilung werde hingegen die Verweigerung (trotz Mahnung) verlangt. Wenn der Gesetzgeber hier - im gleichen Satz - unterschiedliche Begriffe verwende, sei davon auszugehen, dass damit Verschiedenes gemeint sei, auch wenn in den Erläuterungen zum Initiativantrag zum RGG, BGBl. I Nr. 159/1999, (1163/A BlgNR 20. GP 8 und 10) insoweit übereinstimmend jeweils eine "Verletzung" der Meldepflicht bzw. "Verletzung" der Mitteilungspflicht genannt werde. Eine Bestrafung nach dem zuletzt genannten Tatbestand habe nur dann zu erfolgen, wenn die Mitteilung vorsätzlich nicht erstattet wurde, wobei hierzu allerdings - wie im Allgemeinen auch hier - bedingter Vorsatz (§ 5 Abs. 1 StGB) ausreiche.
Zusammenfassend ergibt sich somit, dass tatbildlich iSd vierten Variante des § 7 Abs. 1 RGG nicht das Unterlassen der Mitteilung entsprechend einem Auskunftsbegehren der GIS ist, sondern vielmehr der Willensentschluss (die „Weigerung“), die abverlangte Auskunft zu erstatten. Dass beim anfragenden Rechtsträger eine derartige Auskunft nicht einlangt, ist lediglich eine Folge des Willensentschlusses des Auskunftspflichtigen, die begehrte Auskunft nicht zu erteilen. Damit stellt sich die Frage, wo die verpönte Tathandlung tatsächlich gesetzt respektive an welchem Tatort die Tat begangen worden ist.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist nach § 27 Abs. 1 VStG jene Strafbehörde örtlich zuständig, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist, auch wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg in einem anderen Sprengel eingetreten ist. Eine Verwaltungsübertretung gemäß § 27 Abs. 1 VStG wird dort begangen, wo der Täter gehandelt hat oder hätte handeln sollen (§ 2 Abs. 2 VStG), (z.B. VwGH vom 13.09.2016, Fe 2016/01/0001).
Zwar ist zutreffend, dass nach ständiger höchstgerichtlicher Judikatur bei Verstößen gegen Auskunfts-, Anzeige- oder Meldepflichten als Tatort regelmäßig der Sitz jener Behörde, an die die Auskunft, Anzeige oder Meldung zu erstatten ist (vgl. VwGH 25.4.1997, 95/02/0547; 26.06.2001, 2000/04/0138; 23.11.2001, 99/02/0369) anzusehen ist; das wäre in diesem Falle Wien. Dieser Auffassung folgend, wurde offenkundig auch von der belangten Behörde eine Zuständigkeit zur Führung des Verwaltungsstrafverfahrens erblickt, gleichwohl die Beschwerdeführerin ihren Hauptwohnsitz nicht in deren Zuständigkeitssprengel hat und keine Anhaltspunkte die Annahme zu tragen vermögen, sie würde sich regelmäßig dort aufhalten.
Nach der hier vertretenen Auffassung kann das aber rücksichtlich der in § 7 Abs. 1 RGG zum Ausdruck gebrachten Typisierung mehrerer Tatbilder für den Fall einer Übertretung nach § 7 Abs. 1 erster Satz vierter Fall RGG nicht gelten. Wollte man annehmen, dass auch bei dieser Verwaltungsübertretung auf die tatsächliche Übermittlung einer Auskunft bzw. Meldung abzustellen ist, bliebe unverständlich, weshalb sich der Gesetzgeber in § 7 Abs. 1 RGG bei den in Betracht kommenden Tatbildern unterschiedlicher Formulierungen bedient. Wollte man auch im letztgenannten Falle darauf abstellen, dass als Anknüpfungspunkt für die Ermittlung des Tatortes gleichfalls das Nichteinlangen einer Auskunft bei der GIS anzusehen wäre, hätte der Gesetzgeber dies wohl in gleicher Weise zu formulieren gehabt („Eine Verwaltungsübertretung begeht …. wer …. eine Mitteilung gemäß § 2 Abs. 5 trotz Mahnung (vorsätzlich) nicht abgibt“). Bedient sich der Gesetzgeber in derselben Strafnorm dagegen einer Formulierung, nach der im Unterschied zu den sonst in Betracht kommenden Tatbildern die Verweigerung der Mitteilung unter Strafe gestellt wird, folgert daraus wohl, dass sich hierbei das tatbestandsmäßige Handeln in der inneren Tatseite erschöpft, und die Tathandlung bereits damit abgeschlossen ist. Dass eine Auskunft beim anfragenden Rechtsträger sodann nicht einlangt, ist demnach eine bloße Folge der Verwirklichung des Tatbildes.
Da regelmäßig davon auszugehen ist, dass der Willensentschluss eines Verpflichteten an jenem Ort gefasst wird, an dem von der Verpflichtung Kenntnis erlangt wurde und an welchem sich der Verpflichtete regelmäßig aufhält, ist davon auszugehen, dass dies im Falle der Beschwerdeführerin allenfalls an ihrem Wohnsitz, wo sie sich offenkundig ständig aufhält und wo auch die Aufforderungen der GIS zugestellt wurden, der Fall gewesen sein kann; jedenfalls trägt aktenkundig nichts die Annahme, die Beschwerdeführerin habe sich zu irgend einem hier in Betracht kommenden Zeitpunkt im Zuständigkeitsbereich der belangten Behörde, aufgehalten.
Für die hier vertretene Annahme spricht ferner auch die Formulierung des § 7 Abs. 2 RGG („Verwaltungsstrafen sind durch die Bezirksverwaltungsbehörden zu verhängen.“). Ausgehend davon, dass die GIS ihren Sitz gemäß § 5 Abs. 2 RGG in Wien hat, würde es keinen Sinn machen, die Führung von Verwaltungsstrafverfahren den (mehreren) Bezirksverwaltungsbehörden zu überantworten, da bei der Annahme, in § 7 RGG wären ausschließlich Delikte umschrieben, bei denen es sich um Verstöße gegen Auskunfts- bzw. Meldepflichten handle, die erst verwirklicht seien, wenn entsprechende Auskünfte oder Meldungen nicht beim zur Anfrage legitimierten Rechtsträger einlangen, als zur Ahndung von Verwaltungsübertretungen zuständige Behörde lediglich eine einzige Behörde (der Magistrat der Stadt Wien) denkmöglich in Betracht käme. Der Gesetzgeber würde sich diesfalls in § 7 Abs. 2 RGG nicht des Plurals bedient haben. Schon nach der Wortinterpretation des Gesetzes ist daher auszuschließen, dass nur eine örtlich zuständige Behörde, nämlich jene, in deren Zuständigkeitsbereich sich der Sitz der GIS Gebühren Info Service GmbH findet, somit einzig die für das Bundesland Wien zuständige Behörde, in Frage kommt.
Weiters ist auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 01.09.2015, Zahl Ra 2015/15/0038, hinzuweisen, in dem dieser nicht weiter thematisiert hat, dass betreffend Übertretung des § 7 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 5 RGG seitens einer in Niederösterreich ansässigen Person die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht Niederösterreich die Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf war. Demnach geht offenbar auch der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass eine andere Zuständigkeit als jene des Magistrates der Stadt Wien im Verfahren nach § 2 Abs. 5 RGG iVm § 7 Abs. 1 und 2 RGG bestehen kann und sich die örtliche Zuständigkeit somit nicht nach dem Sitz des anfragenden Rechtsträgers richtet, andernfalls eine Unzuständigkeit der Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf vom Verwaltungsgerichtshof aufgegriffen werden hätte müssen.
In weiteren Fällen (vgl. VwGH 24.10.2008, 2008/02/0020; insbesondere aber 29.01.2004, 2002/11/0075) hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass im Falle einer Weigerung für den Tatort entscheidend sei, wo die Weigerung erfolgte, und nicht darauf, wo die verweigerte Leistung hätte vorgenommen werden sollen. Da bei der Prüfung der Frage, wo der Täter gehandelt hat oder hätte handeln sollen, stets auf das betreffende Tatbild Bedacht zu nehmen ist (vgl. dazu VwGH vom 27.03.2019, Ra 2017/10/0147, mit weiteren Hinweisen), ist all dies zusammenfassend davon auszugehen, dass als Tatort der hier gegenständlichen Verwaltungsübertretung nur der Ort in Betracht kommen kann, an dem die zur Auskunft Verpflichtete den Verweigerungsentschluss gefasst (und beibehalten) hat. Im vorliegenden Fall finden sich keinerlei Anhaltspunkte, dass dieser Tatort in Wien gelegen sein könnte. Die von der Beschwerdeführerin allfällig zu verantwortende Tat wurde somit nicht in Wien begangen.
Da gemäß § 27 VwGVG die Aufhebung eines Straferkenntnisses wegen Unzuständigkeit der Verwaltungsstrafbehörde der Entscheidung in der Sache vorgeht (vgl. dazu VwGH 28.01.2016, Ra 2015/07/0140) war spruchgemäß vorzugehen.
3. Die ordentliche Revision ist zulässig, da die Rechtsfrage, welcher Ort als Tatort bei einer Übertretung nach § 7 Abs. 1 letzter Fall RGG angesehen werden muss, in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes noch nicht zweifelsfrei geklärt wurde. Die Klärung einer Behördenzuständigkeit ist aus Gründen der Rechtssicherheit schon per se von grundsätzlicher Bedeutung.
Schlagworte
Rundfunkgebühren; Gebührenpflicht; Meldepflicht; Mitteilung; Verweigerung; örtliche ZuständigkeitAnmerkung
VwGH v. 19.10.2022, Ro 2021/15/0014; AufhebungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2021:VGW.001.076.12020.2020Zuletzt aktualisiert am
18.11.2022