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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §45 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde des W in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in N, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 31. Mai 1995, Zl. I/7-St-H-9423, betreffend Befristung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde die dem Beschwerdeführer erteilte Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppe B gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 bis 17. Februar 1996 befristet (das ist ein Jahr ab Erstellung des von der belangten Behörde eingeholten Gutachtens der ärztlichen Amtssachverständigen).
In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, nach der Untersuchung des Beschwerdeführers durch die ärztliche Amtssachverständige am 22. November 1994 sei die Einholung eines Befundes der verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle des Kuratoriums für Verkehrssicherheit veranlaßt worden. Am 17. Februar 1995 habe die ärztliche Amtssachverständige ihr Gutachten erstattet. In diesem werde ausgeführt, daß der Befund der genannten verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle vom 27. Jänner 1995 gut durchschnittliche Ergebnisse der visuellen Überblicksgewinnung und Konzentrationsleistung, jedoch Leistungsschwächen der Entscheidungs- und Reaktionszeit und Leistungsschwankungen bei der sensomotorischen Koordination ergeben habe und die Aussage enthalte, daß die intellektuellen Voraussetzungen im Normbereich lägen. Die klinische Untersuchung, der verkehrspsychologische Befund und die Aktenlage ergäben keinen Hinweis auf chronischen Alkoholabusus. Nachdem die kraftfahrspezifischen Eigenschaften im wesentlichen den Anforderungen entsprächen, bzw. Leistungsschwächen durch gute Ergebnisse in anderen Teilbereichen kompensiert werden könnten, bestehe eine bedingte Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe B. Bedingung sei eine Befristung des Führerscheins auf ein Jahr unter Vorlage von Leberfunktionswerten.
Auf Grund dieses schlüssigen, vom Beschwerdeführer nicht bestrittenen Gutachtens der ärztlichen Amtssachverständigen sei der Beschwerdeführer zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe B geeignet, wobei jedoch die Lenkerberechtigung zeitlich auf die Dauer von 12 Monaten, gerechnet ab dem 17. Februar 1995, somit bis 17. Februar 1996 zu befristen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 ist Besitzern einer Lenkerberechtigung, die nicht mehr im Sinne des § 66 verkehrszuverlässig, nicht mehr geistig oder körperlich geeignet oder nicht mehr fachlich befähigt sind, ein Kraftfahrzeug zu lenken, die Lenkerberechtigung entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit ganz oder nur hinsichtlich bestimmter Gruppen zu entziehen oder durch Befristungen, Auflagen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen der Gültigkeit einzuschränken; dies gilt auch sinngemäß, wenn die geistige und körperliche Eignung nicht mehr in vollem Umfang gegeben ist oder nur für eine bestimmte Zeit angenommen werden kann und Nachuntersuchungen erforderlich sind. Das ärztliche Gutachten über die geistige und körperliche Eignung hat zufolge § 69 Abs. 1 lit. b leg. cit. unter anderem für solche Personen "bedingt geeignet" zu lauten, deren Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer oder mehrerer Gruppen nur für eine bestimmte Zeit angenommen werden kann und bei denen Nachuntersuchungen erforderlich sind.
Um eine bloß bedingte Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen im Sinne des zuletzt Gesagten annehmen zu können, bedarf es konkreter Sachverhaltsfeststellungen darüber, daß die geistige und körperliche Eignung zwar noch in ausreichendem Maß für eine bestimmte Zeit vorhanden ist, daß aber zumindest hinsichtlich einer der Komponenten der geistigen und körperlichen Eignung (siehe dazu die §§ 30 ff KDV 1967) eine Beeinträchtigung besteht, nach deren Art in Zukunft mit einer Verschlechterung gerechnet werden muß. Nur dann kann von einer "Krankheit" gesprochen werden, bei der unter Hinweis auf ihre Natur die Notwendigkeit einer Nachuntersuchung begründet werden kann. Ist jedoch ein solcher Zustand ("Krankheit") nicht objektivierbar, kann auch nicht von der Gefahr einer relevanten Verschlechterung die Rede sein. Die Befristung der Lenkerberechtigung mit der Begründung, es seien Nachuntersuchungen erforderlich, ist in einem solchen Fall rechtswidrig (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 22. Mai 1990, Zl. 89/11/0215, mit Hinweisen auf die Gesetzesmaterialien zu der durch die 7. KFG-Novelle, BGBl. Nr. 631/1982, eingeführten Regelung des letzten Halbsatzes des § 73 Abs. 1 KFG 1967).
Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde, die sich dem Gutachten der ärztlichen Amtssachverständigen angeschlossen hat, ausgeführt, daß kein Hinweis auf chronischen Alkoholabusus bestehe. Sie hat damit das Vorliegen einer "Krankheit" im Sinn des § 34 Abs. 1 lit. d KDV 1967 verneint. Sie hat das Vorliegen der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit angenommen, dennoch aber eine Befristung der Lenkerberechtigung ausgesprochen, und zwar deshalb, weil die ärztliche Amtssachverständige ohne nähere Begründung die Vorlage von Leberfunktionswerten für notwendig erachtete, obwohl sie selbst ausgeführt hatte, daß die klinische Untersuchung, der verkehrspsychologische Befund und die Aktenlage keinen Hinweis auf chronischen Alkoholabusus ergeben hätten. Die Voraussetzungen für die Befristung der Lenkerberechtigung des Beschwerdeführers lagen nach dem Gesagten nicht vor. Dies hat die belangte Behörde verkannt und damit ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren auf Ersatz der Umsatzsteuer für den Schriftsatzaufwand war abzuweisen, weil die Umsatzsteuer in den in der zitierten Verordnung enthaltenen Pauschalbeträgen für Schriftsatzaufwand bereits enthalten ist.
Schlagworte
Anforderung an ein Gutachten Beweismittel Sachverständigenbeweis Medizinischer Sachverständiger Gutachten Beweiswürdigung der Behörde Sachverständiger ArztEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995110237.X00Im RIS seit
12.06.2001