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L0350 GemeindewahlNorm
B-VG Art141 Abs1 litaLeitsatz
Zurückweisung einer Anfechtung der Wahl zum Gemeinderat einer Tiroler Gemeinde; Ausschluss von der Wahl aus in der Person des Wahlwerbers liegenden Gründen; keine Legitimation zur Geltendmachung von Mängeln betreffend die Ermittlung der Wahlzahl und die Gültigkeit von Vorzugsstimmen des nicht als Zustellbevollmächtigten, sondern als Wahlwerber auftretenden Anfechtungswerbers; Wahlanfechtung überdies mangels Stellung eines Antrags auf Nichtigerklärung des Wahlverfahrens unzulässig sowie auch verspätetSpruch
Die Anfechtung wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung
1. Die vorliegende Anfechtung richtet sich gegen die Wahl zum Gemeinderat der Gemeinde Kappl vom 27. Februar 2022. Der Anfechtungswerber scheint auf der Wahlwerberliste einer Wählergruppe auf, die einen gültigen Wahlvorschlag eingebracht hat. Das Wahlergebnis, demzufolge der Anfechtungswerber kein Mandat erlangt hat, wurde am 27. Februar 2022 kundgemacht.
Am 8. März 2022 brachte der Anfechtungswerber einen Überprüfungsantrag an die Bezirkswahlbehörde gemäß §72 Abs6 Tiroler Gemeindewahlordnung 1994 (TGWO 1994), LGBl 88/1994 idF LGBl 68/2020, ein. Darin machte er im Wesentlichen geltend, dass die Ermittlung der Wahlzahl und die Beurteilung der Gültigkeit von bestimmten Vorzugsstimmen rechtswidrig erfolgt seien.
Mit als "Bescheid" bezeichnetem Schreiben vom 9. März 2022 wies die Bezirkswahlbehörde Landeck diesen Überprüfungsantrag als verspätet zurück, weil er nach Ablauf der fünftägigen Frist gemäß §72 Abs6 TGWO 1994 eingebracht worden sei.
2. Mit der vorliegenden, auf Art141 B-VG gestützten Anfechtung wendet sich der Anfechtungswerber gegen die genannte Entscheidung der Bezirkswahlbehörde und wiederholt dabei im Wesentlichen seine im Überprüfungsantrag vorgebrachten Bedenken.
3. Gemäß Art141 Abs1 lita B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über Anfechtungen von Wahlen zu den allgemeinen Vertretungskörpern, somit auch über die Anfechtung von Wahlen zum Gemeinderat (vgl VfSlg 19.247/2010, 19.278/2010, 19.981/2015). Nach Art141 Abs1 zweiter Satz B-VG kann eine solche Anfechtung auf die behauptete Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens gegründet werden.
4. Nach §67 Abs2 zweiter Satz VfGG sind zur Anfechtung der Wahl grundsätzlich jene Wählergruppen berechtigt, die bei der Wahlbehörde rechtzeitig Wahlvorschläge für die angefochtene Wahl vorgelegt haben. Weiters kann eine Wahlanfechtung nach §67 Abs2 letzter Satz VfGG auch der Wahlwerber einbringen, der behauptet, dass ihm die Wählbarkeit im Wahlverfahren rechtswidrig aberkannt wurde.
4.1. Der Anfechtungswerber schreitet ausdrücklich nicht als Zustellungsbevollmächtigter einer Wählergruppe, sondern als Wahlwerber ein. Er begründet seine Anfechtungslegitimation der Sache nach damit, dass er auf Grund der Rechtswidrigkeit des Ermittlungsverfahrens kein Mandat erlangt habe und ihm dadurch die Wählbarkeit aberkannt worden sei.
4.2. Der Verfassungsgerichtshof hat in VfSlg 6739/1972 ausgesprochen, dass unter Aberkennung der Wählbarkeit nur solche Maßnahmen zu verstehen sind, durch die der Wahlwerber davon ausgeschlossen wird, gewählt zu werden; andere Maßnahmen im Verlaufe des Wahlverfahrens, mögen sie auch auf die Wahl und die durch diese bedingte Position des Wahlwerbers von Einfluss sein, haben keinen Einfluss auf die Wählbarkeit. Unter Aberkennung der Wählbarkeit ist demgemäß insbesondere auch die Nichtzulassung zur Wahl aus in der Person des Wahlwerbers gelegenen Gründen zu verstehen, nicht hingegen die Zurückweisung eines Wahlvorschlages aus anderen Gründen (vgl VfSlg 18.552/2008, 19.021/2010, 19.278/2010, 20.006/2015; 20.381/2020; VfGH 25.2.2021, WI14/2020).
Aus den Wahlakten geht eindeutig hervor, dass der unter anderem auf den Anfechtungswerber lautende Wahlvorschlag als gültig eingebracht angesehen und der Wahl zugrunde gelegt wurde. Insofern kann nicht erkannt werden, dass der Anfechtungswerber davon ausgeschlossen gewesen wäre, gewählt zu werden. Die Ermittlung der Wahlzahl und die Beurteilung der Gültigkeit von Vorzugsstimmen, gegen die sich der Anfechtungswerber wendet, betreffen vor dem Hintergrund, dass der Anfechtungswerber in keiner Weise dargelegt hat, inwiefern sich die behaupteten Rechtswidrigkeiten ausschließlich auf die Person des Anfechtungswerbers beziehen würden, einen Teil des Wahlverfahrens, der auf die Wählbarkeit keinen Einfluss hat. Der Anfechtungswerber ist daher zur Anfechtung der Wahl nicht legitimiert (vgl VfSlg 6739/1973 und 18.552/2008).
5. Vor diesem Hintergrund erweist sich die vorliegende Anfechtung auch als verspätet:
5.1. Nach §68 Abs1 VfGG ist die Wahlanfechtung – soweit das in Betracht kommende Gesetz nicht anderes bestimmt – binnen vier Wochen nach Beendigung des Wahlverfahrens oder, wenn sie auf die Rechtswidrigkeit eines Bescheides oder einer Entscheidung einer Verwaltungsbehörde oder eines Erkenntnisses oder Beschlusses eines Verwaltungsgerichtes gegründet wird, binnen vier Wochen nach Zustellung einzubringen. In den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde kann die Wahlanfechtung erst nach Erschöpfung des Instanzenzuges eingebracht werden.
5.2. Nun sieht zwar §72 Abs6 TGWO 1994 unter anderem für die Wahl der Mitglieder des Gemeinderates die Möglichkeit eines Überprüfungsantrages an die Bezirkswahlbehörde vor, jedoch sind dazu nur "Wählergruppen" legitimiert, "deren Wahlvorschlag für die Wahl des Gemeinderates kundgemacht wurde". Da der Anfechtungswerber ausdrücklich nicht als Zustellungsbevollmächtigter einer Wählergruppe einschreitet, kommt für ihn nur die unmittelbare Anfechtung der Wahl beim Verfassungsgerichtshof binnen vier Wochen nach Beendigung des Wahlverfahrens in Betracht.
Maßgebender Zeitpunkt für den Beginn des Laufes der vierwöchigen Anfechtungsfrist ist daher die Beendigung des Wahlverfahrens (vgl zB VfSlg 1904/1950, 17.146/2004, 20.043/2016), im vorliegenden Fall also die der Gemeindewahlbehörde obliegende unverzügliche Kundmachung des Wahlergebnisses gemäß §72 Abs4 TGWO 1994. Aus dem vorgelegten Wahlakt ergibt sich, dass die Gemeindewahlbehörde das Ergebnis der Wahl der Mitglieder des Gemeinderates am 27. Februar 2022 kundgemacht hat. Die am 4. April 2022 eingebrachte Anfechtung erweist sich daher – unabhängig davon, dass der Anfechtungswerber auch einen Überprüfungsantrag gestellt hat, den die Gemeindewahlbehörde zurückgewiesen hat (vgl zB VfSlg 20.139/2017 mwN) – als verspätet.
6. Im Übrigen hat die Wahlanfechtung nach §15 Abs2 iVm §67 Abs1 VfGG unter anderem ein bestimmtes Begehren, und zwar "den begründeten Antrag auf Nichtigerklärung des Wahlverfahrens oder eines bestimmten Teiles desselben zu enthalten". Fehlt ein solches Begehren, leidet die Wahlanfechtung an einem nicht verbesserungsfähigen inhaltlichen Mangel (vgl VfSlg 11.562/1987, 16.019/2000, 18.820/2009, 19.073/2010; VfGH 28.11.2000, WI-4/00; 1.7.2015, WI6/2015 ua; 25.9.2015, WI8/2015).
In der vorliegenden Wahlanfechtung wird lediglich "ersuch[t, …] eine Überprüfung vorzunehmen[,] um Klarheit in dieser Angelegenheit zu bekommen". Entgegen der zwingenden Bestimmung des §67 Abs1 VfGG lässt die Wahlanfechtung somit einen (begründeten) Antrag auf Nichtigerklärung des Wahlverfahrens (oder eines Teiles desselben) vermissen.
7. Die Wahlanfechtung ist aus den dargelegten Gründen zurückzuweisen.
8. Dieser Beschluss konnte gemäß §19 Abs3 Z2 litb und e sowie sinngemäß litc VfGG in nichtöffentlicher Sitzung gefasst werden.
Schlagworte
VfGH / Wahlanfechtung, Gemeinderat, VfGH / Legitimation, Wählergruppe, VfGH / Fristen, Wahlen, Zustellungsbevollmächtigter, VfGH / AntragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2022:WI3.2022Zuletzt aktualisiert am
18.11.2022