TE Dok 2022/9/20 2020-0.707.096

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Veröffentlicht am 20.09.2022
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Norm

BDG 1979 §§43 Abs1 und 2, 44 Abs1, 45 Abs1, 91 Abs1, 115, 118 Abs1 Z1 und 2, 126 Abs2 sowie §9 BHV

Schlagworte

Leiter einer Versuchsanstalt, Nebentätigkeit, Zeitaufzeichnung, Weisung, Anordnungsbefugnis (BHG), Befangenheit (BHV)

Text

Die Bundesdisziplinarbehörde, Senat 11, hat durch MR Mag. Franz Higatsberger-Urbanek, MA als Vorsitzenden sowie HR Mag. Markus Loibl und MMag. Daniel Piller als nebenberufliche Mitglieder in der Disziplinarsache gegen den Beamten nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 20. September 2022 beschlossen:

A) Der Beamte ist schuldig, er hat von 2015 bis 2017 in N.N. als Direktor an der N.N. N.N.

1.   Sondervergütungen angeordnet, bei denen die Bestätigungen der sachlichen und rechnerischen Richtigkeit der Zahlungen durch die Fachbereichsleiter bzw. die Buchhaltungsmitarbeiterin für sich selbst erfolgt ist sowie entgegen § 9 BHV 2013 auch die eigenen Zahlungen angeordnet;

2.   es verabsäumt, auf eine Zeitaufzeichnung für Nebenbeschäftigungen/-tätigkeiten von Verwaltungspersonal bzw. Lehrerpersonal im Rahmen der Versuchsanstalt zu achten;

3.   den Erlass 2014 “Aufgabenprofil und Verrechnung der Gebarung der Versuchsanstalten" (N.N.) nicht eingehalten bzw. deren Einhaltung nicht kontrolliert und entsprechende Mängel abgestellt, wobei dieser Erlass speziell in folgenden Punkten nicht eingehalten wurde:

-    Fehlende Auftragskalkulation, die die Berechnung eines Gemeinkostenstundensatzes vorsieht;

-    der Tätigkeitsbericht weicht erheblich von den Vorgaben des obigen Erlasses 2014 ab, da sowohl eine Erfolgsermittlung als auch eine Auflistung der geleisteten Stunden differenziert nach Qualifikation und verrechneten Stundenentgelten fehlt. Zudem finden sich weder die Ausgaben der VA noch der Gemeinkostenstundensatz samt Berechnung im Bericht;

4.   keine schriftlichen Verträge mit Bundesbediensteten über die Nebentätigkeit an der Versuchsanstalt und die Art und Höhe der Vergütung für diese Tätigkeit abgeschlossen.

Der Beamte hat hiedurch seine Dienstpflichten

?    nach § 43 Abs 1 BDG 1979, wonach er seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu und gewissenhaft zu besorgen hat,

?    nach § 43 Abs 2 BDG 1979, wonach er in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen hat, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt,

?    nach § 44 Abs 1 BDG 1979, wonach er seine Vorgesetzten zu unterstützen und ihre Weisungen, soweit verfassungsgesetzlich nicht anderes bestimmt ist, zu befolgen hat sowie

?    nach § 45 Abs 1 BDG 1979, wonach der Vorgesetzte darauf zu achten hat, dass seine Mitarbeiter ihre dienstlichen Aufgaben gesetzmäßig und in zweckmäßiger, wirtschaftlicher und sparsamer Weise erfüllen und er seine Mitarbeiter dabei anzuleiten, ihnen erforderlichenfalls Weisungen zu erteilen, aufgetretene Fehler und Missstände abzustellen und für die Einhaltung der Dienstzeit zu sorgen hat

schuldhaft verletzt und damit Dienstpflichtverletzungen gemäß § 91 Abs 1 BDG 1979 begangen.

Über den Beamten wird deswegen gemäß § 126 Abs 2 iVm § 115 BDG 1979 ein Schuldspruch ohne Strafe ausgesprochen.

B) Demgegenüber wird der Beamte von den Vorwürfen, er habe

1.   Sondervergütungen an Mitarbeiterinnen, namentlich für A.A. und B.B. für Tätigkeiten angeordnet, die Teil deren Arbeitsplatzbeschreibungen waren und somit mit dem Grundgehalt der Bediensteten als abgegolten zu betrachten sind, wobei die Gesamthöhe dieser Sondervergütungen in den Jahren 2015 bis 2017 für A.A. € 1.548,80.- und für B.B. € 1.700,10.- betrug, woraus sich ein Gesamtschaden von € 3.248,90.- ergibt;

2.   in den Jahren 2015 bis 2017 den Erlass 2014 “Aufgabenprofil und Verrechnung der Gebarung der Versuchsanstalten" (N.N.) nicht eingehalten bzw. deren Einhaltung nicht kontrolliert und entsprechende Mängel abgestellt zu haben, wobei dieser Erlass speziell in folgenden Punkten nicht eingehalten worden sei:

?    Fehlende Auftragskalkulation, die die Zahl der geleisteten Stunden vorsieht;

?    Berechnung der Aufteilung der vereinnahmten Mittel (=“Sondervergütungen“) aufgrund fehlender Zeitaufzeichnung ohne quantitative Parameter bei den Personengruppen „bearbeitende Expertise“, „operative Leitung“ und „Schulleitung"

gemäß § 126 Abs 2 iVm § 118 Abs 1 Z 1 und 2 BDG 1979 freigesprochen.

C) Kosten des Disziplinarverfahrens iSd § 117 Abs 2 BDG 1979 sind nicht angefallen.

Begründung:

Feststellungen und Beweiswürdigung

Der Beamte stand bis zur seiner Ruhestandsversetzung mit Ende November 2019 in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund und wurde ab dem Jahr 2000 bis zu seiner Ruhestandversetzung als Direktor der N.N. – N.N. und Leiter der angeschlossenen Versuchsanstalt verwendet. Er ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. Sorge- oder Unterhaltspflichten bestehen nicht. Sein Einkommen beläuft sich auf rund EUR 3.800,- netto pro Monat.

Zu A.) 1.:

Der Disziplinarbeschuldigte (DB) hat im Zuge einer Sammelanordnung die Auszahlung der Sondervergütungen (als Anordnungsbefugter iSd Haushaltsrechtes) angeordnet, obwohl dabei auch die Auszahlung an ihn selbst mitumfasst war und darüber hinaus die Bestätigung der sachlichen und rechnerischen Richtigkeit der Zahlungen durch die Bereichsleiter und die Buchhaltungsmitarbeiterin in deren eigener Sache anerkannt und dadurch gegen § 9 Abs 2 BHV verstoßen.

Diese Feststellungen ergeben sich zweifelsfrei aus dem Disziplinarakt und der geständigen Verantwortung des DB.

Zu A.) 2.:

Der DB hat es in den Jahren 2015 bis 2017 verabsäumt, auf eine Zeitaufzeichnung für Nebenbeschäftigungen/-tätigkeiten von Verwaltungspersonal bzw. Lehrerpersonal im Rahmen der Versuchsanstalt zu achten.

Entgegen der Verantwortung des DB reichen bloße Stundenaufzeichnungen dafür nicht aus, zumal die erforderliche Abgrenzung der Nebenbeschäftigungen/-tätigkeiten zur Dienstzeit nur möglich ist, wenn konkrete Zeitaufzeichnungen geführt werden.

Zu A.) 3.:

Der DB hat die im Erlass 2014 „Aufgabenprofil und Verrechnung der Gebarung der Versuchsanstalten“ vorgegebene Auftragskalkulation, die unter anderem die Berechnung eines Gemeinkostenstundensatzes vorsieht, nicht umgesetzt bzw auf deren Einhaltung geachtet.

Seiner diesbezüglichen Verantwortung, wonach sich ein Gemeinkostensatz nicht sinnvoll berechnen lasse, weil wesentliche Kostenfaktoren nicht eruierbar seien bzw. fehlen würden, ist entgegenzuhalten, dass alternative Kalkulationsmethoden nach dem Erlass nur in Absprache mit dem N.N. zulässig gewesen wären.

Darüber hinaus ist auch der Tätigkeitsbericht erheblich von den Vorgaben des obigen Erlasses 2014 abgewichen, da sowohl eine Erfolgsermittlung als auch eine Auflistung der geleisteten Stunden differenziert nach Qualifikation und verrechneten Stundenentgelten fehlten und sich weder die Ausgaben der VA noch der Gemeinkostenstundensatz samt Berechnung im Bericht finden.

Der DB zeigte sich dazu auch geständig, wobei seiner Verantwortung, wonach dem Erlass kein Musterbericht beigeschlossen und seitens seiner Vorgesetzten nie Beanstandungen zu den Tätigkeitsberichten gekommen seien, zu folgen war.

Zu A.) 4.:

Der DB hat keine schriftlichen Verträge mit Bundesbediensteten über die Nebentätigkeit an der Versuchsanstalt und die Art und Höhe der Vergütung für diese Tätigkeit abgeschlossen.

Der diesbezüglichen Verantwortung des DB, wonach diese Tätigkeiten für die VA auch bei Vertragsbediensteten als Nebentätigkeiten anzusehen und Dienstverträge darüber hinaus von der Personalstelle abzuschließen seien, ist entgegenzuhalten, dass Nebentätigkeiten bei Vertragsbediensteten einer vertraglichen Grundlage bedürfen und das Rundschreiben Nr. 18/2015 dazu eine Ermächtigung zum Abschluss von Verträgen im Bundesschulbereich vorsieht.

Zu B.) 1.:

Nicht festgestellt werden konnte demgegenüber, dass die Sondervergütungen für A.A. und B.B. für Tätigkeiten angeordnet wurden, die Teil deren Arbeitsplatzbeschreibungen waren und somit mit dem Grundgehalt der Bediensteten als abgegolten zu betrachten waren.

Das ergibt sich hinsichtlich B.B. aus dessen Arbeitsplatzbeschreibung sowie der Beschreibung jener Tätigkeiten, für die er Sondervergütungen erhalten hat, die sich inhaltlich nicht überschneiden. Von A.A. wurden zudem Zeitaufzeichnungen über ihre Nebentätigkeit geführt, aus denen sich zweifelsfrei ergibt, dass diese Tätigkeiten außerhalb der Dienstzeit ausgeführt wurden. Im Ergebnis kann in beiden Fällen daher nicht von einer doppelten Abgeltung und einem entsprechenden Schaden ausgegangen werden.

Zu B.) 2.:

Ebenso nicht festgestellt werden konnte, dass der Erlass 2014 „Aufgabenprofil und Verrechnung der Gebarung der Versuchsanstalten“ nicht eingehalten worden sei, will bei der Auftragskalkulation die Zahl der geleisteten Stunden gefehlt habe. Der DB konnte dazu in der mündlichen Verhandlung korrekte Auftragskalkulationen vorlegen.

Dementsprechend konnte bei der Berechnung der Aufteilung der vereinnahmten Mittel (= “Sondervergütungen“) auf quantitative Parameter soweit Rücksicht genommen werden, als dies aufgrund der Vorgaben im Erlass überhaupt möglich war (bei „operative Leitung“ und „Schulleitung" ist ohnehin von Fixbeträgen auszugehen).

Rechtliche Beurteilung

§ 43 Abs 1 und 2 BDG 1979 lauten:

Allgemeine Dienstpflichten

§ 43.

(1) Der Beamte ist verpflichtet, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft, engagiert und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen.

(2) Der Beamte hat in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, daß das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.

§ 44 Abs 1 BDG 1979 lautet:

Dienstpflichten gegenüber Vorgesetzten

§ 44.

(1) Der Beamte hat seine Vorgesetzten zu unterstützen und ihre Weisungen, soweit verfassungsgesetzlich nicht anderes bestimmt ist, zu befolgen. Vorgesetzter ist jeder Organwalter, der mit der Dienst- oder Fachaufsicht über den Beamten betraut ist.

§ 45 Abs 1 BDG 1979 lautet:

Dienstpflichten des Vorgesetzten und des Dienststellenleiters

§ 45.

(1) Der Vorgesetzte hat darauf zu achten, daß seine Mitarbeiter ihre dienstlichen Aufgaben gesetzmäßig und in zweckmäßiger, wirtschaftlicher und sparsamer Weise erfüllen. Er hat seine Mitarbeiter dabei anzuleiten, ihnen erforderlichenfalls Weisungen zu erteilen, aufgetretene Fehler und Mißstände abzustellen und für die Einhaltung der Dienstzeit zu sorgen. Er hat das dienstliche Fortkommen seiner Mitarbeiter nach Maßgabe ihrer Leistungen zu fördern und ihre Verwendung so zu lenken, daß sie ihren Fähigkeiten weitgehend entspricht.

Der Beamte hat in den im Spruch angeführten Fällen aufgrund der obigen Feststellungen gegen diese gesetzlichen Bestimmungen schuldhaft verstoßen und damit Dienstpflichtverletzungen begangen.

Gemäß § 93 Abs 1 BDG 1979 ist das Maß für die Höhe der Strafe die Schwere der Dienstpflichtverletzung. Dabei ist darauf Rücksicht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafe erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflicht-verletzungen abzuhalten oder der Begehung von Dienstpflichtverletzungen durch andere Beamte entgegenzuwirken. Die nach dem Strafgesetzbuch für die Strafbemessung maßgebenden Gründe sind dem Sinne nach zu berücksichtigen; weiters ist auf die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beamten Bedacht zu nehmen.

Hat der Beamte durch eine Tat oder durch mehrere selbständige Taten mehrere Dienstpflichtverletzungen begangen und wird über diese Dienstpflichtverletzungen gleichzeitig erkannt, so ist nur eine Strafe zu verhängen, die nach der schwersten Dienstpflichtverletzung zu bemessen ist, wobei die weiteren Dienstpflichtverletzungen als Erschwerungsgrund zu werten sind (§ 93 Abs 2 BDG 1979).

Ein Schuldspruch ohne Strafe gemäß § 115 BDG 1979 darf nur erfolgen, wenn von der Verhängung einer Strafe ohne Verletzung dienstlicher Interessen (also im Hinblick auf generalpräventive Erwägungen) abgesehen werden kann und nach den Umständen des Falles und nach der Persönlichkeit des Beamten angenommen werden kann, dass ein Schuldspruch allein genügen werde, den Beamten von weiteren Verfehlungen abzuhalten (N.N.).

Nach den Ergebnissen des Disziplinarverfahrens ist bei den Beamten zur Last liegenden Disziplinarvergehen von geringer Schuld und unbedeutenden Folgen der Tat auszugehen.

Bei der Strafbemessung waren das Zusammentreffen mehrerer Dienstpflichtverletzungen als erschwerend sowie die disziplinäre Unbescholtenheit und das reumütige Geständnis als mildernd zu werten.

In spezialpräventiver Hinsicht kann aufgrund der Verantwortungsübernahme und der Ruhestandsversetzung mit einem Schuldspruch ohne Strafe das Auslangen gefunden werden.

Aber auch in generalpräventiver Hinsicht kann mit einem Schuldspruch ohne Strafe das Auslangen gefunden werden, zumal die Dienstpflichtverletzungen durch eine unklare Erlasslage sowie fehlende Anleitung mitbegünstigt wurden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 117 BDG 1979.

Demgegenüber war der Beamte von den übrigen Vorwürfen gemäß § 126 Abs 2 iVm § 118 Abs 1 Z 1 und 2 BDG 1979 freizusprechen, weil die Sondervergütungen nicht für Tätigkeiten angeordnet wurden, die Teil der Arbeitsplatzbeschreibung waren bzw. außerhalb der Dienstzeit erfolgten, sowie die Vorgaben des Erlasses im Zusammenhang mit der Anzahl der geleisteten Stunden bei der Auftragskalkulation und somit auch die quantitativen Parameter bei der Berechnung der Sondervergütungen, soweit dies möglich war, eingehalten wurden.

Zuletzt aktualisiert am

17.11.2022
Quelle: Disziplinarkommissionen, Disziplinaroberkommission, Berufungskommission Dok, https://www.ris.bka.gv.at/Dok
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