TE Vwgh Erkenntnis 1996/2/23 94/17/0114

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Veröffentlicht am 23.02.1996
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Index

L34009 Abgabenordnung Wien;
L37039 Lustbarkeitsabgabe Vergnügungssteuer Wien;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §115;
BAO §201;
LAO Wr 1962 §149 Abs2;
LAO Wr 1962 §90;
VergnügungssteuerG Wr 1987 §18;
VergnügungssteuerG Wr 1987 §6 Abs4;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Puck, Dr. Höfinger, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde der XY-Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom 17. Dezember 1993, Zl. MD-VfR - P 11/93, betreffend Vorschreibung von Vergnügungssteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 17. Dezember 1993 schrieb die belangte Behörde der Beschwerdeführerin gemäß § 6 Abs. 4 des Vergnügungssteuergesetzes 1987, LGBl. für Wien Nr. 43 (im folgenden: Wr VergnStG 1987), in der geltenden Fassung, für das Halten eines Spielapparates der Type "Streetfighter II" für den Zeitraum vom 23. April 1992 bis 31. Juli 1992 Vergnügungssteuer im Betrag von S 56.000,-- vor. Gleichzeitig wurde der Beschwerdeführerin ein Säumniszuschlag in der Höhe von S 880,-- auferlegt.

Nach der Begründung dieses Bescheides habe ein Revisionsorgan des Magistrates anläßlich einer Überprüfung festgestellt:

"Auf dem Bildschirm wird unter der Bezeichnung "STREET FIGHTER II" der Untertitel "THE WORLD WARRIER" ersichtlich.

Beim Spielablauf handelt es sich um einen Kampf zwischen zwei "Kämpfern", die in Form eines Menschen oder einer mensch-/tierähnlichen Figur dargestellt werden. Am Bildschirmoberrand erscheint ein Feld, das in Form eines Balkens die vorhandene Energiemenge des "fighters" anzeigt.

Der Spielapparat kann von einem oder zwei Spielern mittels Joystick und Drucktasten betätigt werden, wobei für jeden Spieler die Möglichkeit besteht, einen von acht verschiedenen "Kämpfern" für den folgenden Zweikampf für sich auszuwählen. Aufgrund dieser Wahlmöglichkeit beinhaltet gegenständliche Platine eine entsprechend hohe Anzahl von Spielabläufen (Spielphasen).

Es sind sechs verschiedene Spielabläufe (Phasen) auf dem Bildschirm beobachtet worden. In jedem dieser sechs Spiele treten zwei "Kämpfer" gegeneinander an, die aufeinander losschlagen. Dies geschieht sowohl durch Kopfstöße, Faust- und Handkantenschläge und Fußtritte, als auch wie in einigen Phasen dargestellt, durch Werfen runder aber nicht näher definierbarer Gegenstände und solange, bis einer der Gegner durch die Feindeinwirkung am Boden liegen bleibt. Bei einer Vielzahl von Treffern wird dies durch "Bluten" am getroffenen Körperteil zusätzlich angezeigt.

Zu Beginn eines Kampfes erscheint auf dem Monitor der Schriftzug "Fight 1". Nach dem "Besiegen" eines Kämpfers wird eine neue Runde "ausgefightet", wobei auf dem Bildschirm "Fight 2" aufscheint (maximal können drei Kampfrunden durchgespielt werden).

Diese Kämpfe finden jedoch nicht wie bei den üblichen Kampfsportarten in einem eigens hiefür vorgesehenen Ringgeviert oder auf einer Ringmatte, sondern vor einer für die entsprechende Nation charakteristischen Örtlichkeit wie z.B. in einem Palast (roter Teppich, Elefanten) oder Dschungel, bei einem Hafen, auf einem Flugplatz, in einigen Phasen auch vor Zuschauern, jedoch keinesfalls vor einem Kampfrichter statt.

Sämtlich eingesehene Spielphasen lassen erkennen, daß mit dieser Platine lediglich das Darstellen von Zweikämpfen für den/die Spieler simuliert wird."

Dieser Darstellung habe die Beschwerdeführerin lediglich insoweit widersprochen, als sie in ihrem Schriftsatz vom 4. Oktober 1993 ausgeführt habe:

"Richtig ist die Beschreibung des Spielapparates, wonach sich jeweils in einem Zweikampf zwei Personen gegenüberstehen. Richtig ist auch, daß der Stand des Spiels jeweils am Bildschirmoberrand in Form zweier sich vergrößernder Balken für den jeweiligen Spieler dargestellt wird.

Unrichtig ist, daß bei einer Vielzahl von Treffern dies durch "Bluten" am getroffenen Körperteil zusätzlich angezeigt werde. Während des Spiels zeigt sich am Bildschirm kein Bluten, nach Spielbeendigung werden die beiden Spieler schematisch am Bildschirm gezeigt, wobei im Gesicht des verlierenden Spielers eine Wunde dargestellt ist."

In diesem Zusammenhang könne nicht davon gesprochen werden, daß ein nach bestimmten Regeln durchzuführender Wettkampf dargestellt werden solle. Vor allem gebe es bei der Gewaltanwendung keine Regeln und keine Person, die als Schiedsrichter einschreite. Ob das "Bluten" unmittelbar beim Kampf oder nach dessen Abschluß dargestellt werde, ändere nichts daran, daß durch die Betätigung des Apparates die Verletzung eines Menschen dargestellt werde, was den Steuertatbestand nach § 6 Abs. 4 Wr VergnStG 1987 erfülle.

Die Beschwerdeführerin habe im Wege der Selbstbemessung für den genannten Apparat lediglich Vergnügungssteuer in der Höhe von S 12.000,-- einbekannt und abgeführt. Sie habe daher Vergnügungssteuer in der Höhe von S 44.000,-- nicht zum Zeitpunkt der Fälligkeit (§ 17 Abs. 3 Wr VergnStG 1987) entrichtet, sodaß die Voraussetzungen für die Festsetzung eines Säumniszuschlages in der Höhe von 2 % gegeben seien.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht verletzt, daß ihr gegenüber Vergnügungssteuer nicht in Anwendung der Bestimmung des § 6 Abs. 4 Wr VergnStG 1987 vorgeschrieben werde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt die Beschwerdeführerin die Verletzung des Parteiengehöres sowie die Unterlassung der Vornahme eines von ihr beantragten Lokalaugenscheines. Bei Vermeidung dieser behaupteten Verfahrensfehler wäre die belangte Behörde zum Ergebnis gelangt, daß die Ausführungen im Revisionsbericht, bei einer Vielzahl von Treffern werde dies durch Bluten am getroffenen Körperteil angezeigt, unrichtig seien.

Diesen Ausführungen ist jedoch entgegenzuhalten, daß die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid insoweit nicht von der Richtigkeit des Revisionsberichtes ausging, sondern die Auffassung vertrat, auch bei Zutreffen der Darstellung der Beschwerdeführerin in ihrem Schriftsatz vom 4. Oktober 1993 sei der Steuertatbestand nach § 6 Abs. 4 Wr VergnStG 1987 erfüllt.

§ 6 Abs. 4 Wr VergnStG 1987 in der hier anwendbaren Fassung LGBl. Nr. 3/1990 lautet auszugsweise:

"Für das Halten von Apparaten, ..., oder von Apparaten, durch deren Betätigung optisch bzw. akustisch eine agressive Handlung, wie beispielsweise die Verletzung oder Tötung von Menschen oder die Bekämpfung von Zielen, womit üblicherweise die Verletzung oder Tötung von Menschen verbunden ist, dargestellt wird, beträgt die Steuer je Apparat und begonnenem Kalendermonat S 14.000,--."

Die zitierte Gesetzesbestimmung nennt als Beispiel einer durch die Betätigung des Apparates optisch bzw. akustisch verbundenen aggressiven Handlung ausdrücklich die Verletzung oder Tötung von Menschen. Unstrittig ist nun, daß sich im Zuge des Spielgeschehens zwei Personen in einem Zweikampf gegenüberstehen, welche einander Kopfstöße, Faust- und Handkantenschläge sowie Fußtritte versetzen und in einigen Phasen runde - nicht näher definierbare - Gegenstände aufeinander werfen, bis einer der Gegner durch die Feindeinwirkung am Boden liegen bleibt und daß nach Spielbeendigung die beiden Spieler schematisch am Bildschirm gezeigt werden, wobei im Gesicht des verlierenden Spielers eine Wunde dargestellt ist.

Aufgrund dieses Spielablaufes kann die dargestellte Wunde nur als Auswirkung der dem verlierenden Spieler vom Sieger versetzten Stöße, Schläge, Tritte oder Treffer mit Gegenständen aufgefaßt werden und stellt somit den von den Spielern angestrebten "Spielerfolg" dar. Da der Spielverlauf somit sowohl die Verletzungshandlungen, als auch - wenngleich nicht notwendigerweise in unmittelbarem Anschluß daran - den Verletzungserfolg darstellt, ist mit der Betätigung des Spielapparates optisch die Verletzung eines Menschen verbunden.

Unter Berufung auf das hg. Erkenntnis vom 14. Oktober 1993, Zl. 93/17/0269, vertritt die Beschwerdeführerin die Auffassung, der Tatbestand des § 6 Abs. 4 Wr VergnStG 1987 sei nicht erfüllt, zumal es sich bei den gezeigten Zweikämpfen um die Ausübung eines - strengen Regeln unterliegenden - Wettkampfsportes, nämlich des "Kickboxens" handle. Bei dieser Sportart sei auch eine Verletzung des Gegners nicht ausgeschlossen.

In dem zitierten Erkenntnis sprach der Verwaltungsgerichtshof aus, daß "aggressives, lautes Schreien, drohende Gesten, agressive, jedoch regelgebundene Sportarten allein" den Tatbestand des § 6 Abs. 4 Wr VergnStG 1987 nicht erfüllen.

Damit ist lediglich eine Aussage über agressive Sportarten, nicht jedoch über Kampfsportarten getroffen, deren Ausübung auf die Verletzung von Menschen abzielt, oder mit der eine solche Verletzung üblicherweise verbunden ist.

Der von der belangten Behörde festgestellte Spielablauf verbietet aber jedenfalls die Einordnung der dargestellten Kampfszenen unter die Sportart "Kickboxen" schon deshalb, weil sich "Kickboxer", die ihren Sport regelgemäß ausüben, nicht mit Gegenständen bewerfen. Hinzu kommt noch, daß die bei Ausübung dieser Sportart bloß mögliche Verletzungsfolge im Spielablauf nicht etwa zur Verminderung des agressiven Spielcharakters vermieden, sondern als eine notwendige Folge der Niederlage dargestellt wird. Aus diesen Erwägungen hat die belangte Behörde das Halten des gegenständlichen Apparates zutreffend dem Abgabentatbestand des § 6 Abs. 4 Wr VergnStG 1987 unterstellt.

Insoweit die Beschwerdeführerin die Auffassung vertritt, der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig, weil sie im Wege der Selbstbemessung die Abgabe mit S 3.000,-- pro Monat einbekannt und abgeführt habe und diese Selbstbemessung anläßlich einer Revision am 19. Mai 1992 vom Revisionsorgan nicht beanstandet worden sei, ist ihr zunächst zu entgegnen, daß eine materiell unrichtige Selbstbemessung durch bescheidmäßige Vorschreibung der Abgabe zu korrigieren ist (§ 149 Abs. 2 WAO). Der Erklärung eines Revisionsbeamten, wonach gegen die Selbstbemessung kein Einwand erhoben werde und dem Abhaken der entsprechenden Position in der Steuererklärung als richtig, kommt nicht der Charakter eines materieller Rechtskraft fähigen normativen Hoheitsaktes zu (vgl. Stoll, BAO II, 1302). Bei diesen - als bloße Wissenserklärungen zu qualifizierenden - Äußerungen handelt es sich auch nicht um ein auf den Abschluß einer Vereinbarung im Sinne des § 18 Wr VergnStG 1987 gerichtetes Offert durch das Revisionsorgan, weshalb die Frage, ob es überhaupt die Rechtsmacht besitzt, eine solche Vereinbarung mit Wirkung für den Magistrat abzuschließen, dahingestellt bleiben kann.

Aus dem von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten Grundsatz von Treu und Glauben ist für sie ebenfalls nichts zu gewinnen. Eine von den Organwaltern bei einer Betriebsprüfung geäußerte Rechtsauffassung kann prinzipiell weder als gegenüber dem Abgabepflichtigen verbindlich gewertet werden, noch auch die Bescheidbehörde bei Gestaltung ihrer Bescheide binden (vgl. Stoll a.a.O. 1303). Aber auch ein - ausschließlich im Zusammenhang mit Billigkeitsmaßnahmen, die nicht Gegenstand des vorliegenden Abgabenfestsetzungsverfahrens sind, zu berücksichtigender - Vertrauenstatbestand liegt nicht vor, zumal aus dem Unterbleiben einer Beanstandung für einen früheren Prüfungszeitraum auch nach dem Grundsatz von Treu und Glauben kein berechtigtes Vertrauen auf das Beibehalten einer von der Behörde geübten (unrichtigen) Vorgangsweise abzuleiten ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. November 1993, Zl. 90/14/0179, mwN).

Der - nicht zu beanstandenden - Berechnung der Abgabe der Höhe nach tritt die Beschwerdeführerin ebensowenig entgegen, wie den Ausführungen der belangten Behörde zum verhängten Säumniszuschlag.

Aus diesen Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der Durchführung der von der Beschwerdeführerin beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden, weil die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen ließen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten läßt.

Die Kostenentscheidung gründet auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1994170114.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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