TE Vwgh Erkenntnis 1996/2/23 95/02/0174

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Veröffentlicht am 23.02.1996
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
VStG §19;
VStG §24;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde der Waltraud R in W, vertreten durch Mag. Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 9. März 1994, Zl. UVS-07/03/00102/92, betreffend Übertretung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Beschwerdeführerin für schuldig erkannt, sie habe es als handelsrechtliche Geschäftsführerin und somit als zur Vertretung nach außen Berufene im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG einer als Arbeitgeberin fungierenden näher bezeichneten Gesellschaft m.b.H. zu verantworten, daß in einer näher bezeichneten Betriebsanlage, wie anläßlich einer Überprüfung durch ein Organ des Arbeitsinspektorates am 11. Juni 1991 festgestellt worden sei, ua. die Vorschriften

"II) der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung insoferne nicht eingehalten wurden als

1) in den Bürocontainern zumindest in einem Büroraum ständige Arbeitsplätze eingerichtet wurden, obwohl die Raumhöhe in diesem Raum nicht mindestens 2,6 Meter beträgt, sondern nur ca. 2,24 Meter.

2) der Ausgang aus dem Büroraum nicht mindestens 0,8 Meter breit war, sondern nur 0,67 Meter.

3) der Keilriementrieb (Doppelriemen) der im Freien aufgestellten Kreissäge nicht verkleidet war. Der Riementrieb war im Verkehrsbereich vollkommen offen.

4) nicht jedem Arbeitnehmer zur Aufbewahrung und zur Hinderung gegen Wegnahme seiner Straßen-, Arbeits- und Schutzbekleidung ein ausreichend großer, luftiger und versperrbarer Kasten zur Verfügung gestellt wurde.

Vorgefunden wurde eine Kleiderablage ca. 2,5 Meter lang (Brett mit Nägel als Aufhängemöglichkeit). 3 Kästen entsprechend, 2 Kästen nicht versperrbar und im Büro zwei Doppelhaken.

III) die Maschinenschutzvorrichtungsverordnung insoferne nicht eingehalten wurde, als der zum Schneiden nicht benützte Teil des Zahnkranzes

a)

der im Freien aufgestellten Kreissäge und

b)

der im Lager aufgestellten kombinierten Kreis- und Fräsmaschine oberhalb des Auflagetisches nicht verdeckt war."

Sie habe hiedurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

    zu II) Allgemeine Arbeitnehmerschutzverordnung, und zwar

            zu 1) § 4 Abs. 1 iVm Abs. 2

            zu 2) § 21 Abs. 3

            zu 3) § 33 Abs. 2

            zu 4) § 86 Abs. 1

    zu III) § 10 Abs. 1 der Maschinenschutzvorrichtungs-

            verordnung;

Über sie wurden wegen dieser Verwaltungsübertretungen nach § 31 Abs. 2 lit. p - wegen Pkt. II 4) nach § 31 Abs. 3 lit. b - Arbeitnehmerschutzgesetz Geldstrafen - zu den Pkten. II 1) bis

              3)              von je S 15.000,--, zu Pkt. II 4) von S 10.000,-- und zu Pkt. III von zweimal S 15.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die Beschwerdeführerin sieht Verfahrensvorschriften dadurch verletzt, daß die belangte Behörde einen namhaft gemachten Zeugen nicht einvernommen und einen Lokalaugenschein nicht durchgeführt habe und bringt vor, daß insbesondere der Lokalaugenschein jedenfalls zu einem anders lautenden Bescheid geführt hätte. Mit diesem Vorbringen vermag die Beschwerdeführerin die behauptete Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht darzutun. Sie übersieht dabei, daß Verletzungen von Verfahrensvorschriften nur dann zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen können, wenn sie wesentlich sind und ihre Wesentlichkeit vom Beschwerdeführer dargelegt wird. Wenn die Beschwerdeführerin der belangten Behörde daher Verfahrensverstöße vorwirft, hätte sie durch konkretes tatsächliches Vorbringen aufzuzeigen gehabt, zu welchem anderen Ergebnis die Behörde bei Einhaltung dieser Verfahrensvorschriften hätte kommen können (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. September 1983, Zl. 83/02/0138). Das allgemein gehaltene Vorbringen, der Lokalaugenschein hätte zu einem anders lautenden Bescheid geführt, wird den dargestellten Anforderungen jedenfalls nicht gerecht. Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß auf die Durchführung eines Lokalaugenscheins in der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde seitens des Vertreters der Beschwerdeführerin verzichtet wurde, sodaß das diesbezügliche Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht nachvollzogen werden kann.

Wenn die Beschwerdeführerin weiters ausführt, daß es zwar zutreffe, daß der Rechtsvertreter der Beschuldigten keinerlei Angaben über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse gemacht habe, die belangte Behörde jedoch dieses Einkommen amtswegig zu ermitteln oder in der Begründung auszuführen gehabt hätte, warum die ziffernmäßige Einschätzung an sich nicht möglich gewesen sei, übersieht sie, daß ein Beschuldigter im Verwaltungsstrafverfahren nicht der Verpflichtung enthoben ist, zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes beizutragen, wobei ihm diese Verpflichtung insbesondere dort zukommt, wo ein Sachverhalt nur im Zusammenhang mit ihm geklärt werden kann, wenn also der amtswegigen behördlichen Erhebung im Hinblick auf die nach den materiell-rechtlichen Verwaltungsvorschriften zu beachtenden Tatbestandsmerkmale faktische Grenzen gesetzt sind. Unterläßt ein Beschuldigter somit die entsprechenden Angaben über sein Einkommen, so hat die Behörde eine Schätzung des Einkommens vorzunehmen. Moniert der Beschuldigte diesen Schätzungsvorgang, so hat er insbesondere durch konkretisierte Ausführungen dazutun, weshalb die von der Strafbehörde getroffenen Feststellungen den für die Errechnung seines Einkommens maßgeblichen Umständen nicht entsprechen und darf sich nicht auf allgemein gehaltene Formulierungen beschränken (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 17. Februar 1987, Zl. 86/04/0160, und vom 15. Dezember 1987, Zl. 86/04/0122).

Da die Beschwerdeführerin jegliches Vorbringen zu ihrer finanziellen Situation unterließ, vermag der Verwaltungsgerichtshof keine Rechtswidrigkeit darin zu erkennen, daß die belangte Behörde ausgehend von der Position der Beschwerdeführerin als Geschäftsführerin eines Unternehmens "günstige Einkommens- und Vermögensverhältnissen" annahm (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 3. April 1989, Zl. 88/10/0182, und vom 19. Februar 1992, Zl. 91/03/0320) und die verhängten Strafen angesichts des bis S 50.000,-- gehenden Strafrahmens im unteren Bereich der Strafbestimmung des § 31 Abs. 2 Arbeitnehmerschutzgesetz angesetzt hat. Diese Erwägungen sind auch hinsichtlich der gemäß § 31 Abs. 3 Arbeitnehmerschutzgesetz verhängten Geldstrafe anzustellen (Strafrahmen i.d. Fall bis zu S 20.000,--). Auch der Hinweis auf die schlechte Vermögenslage bzw. den mit Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 12. April 1994 zu GZ 4 S 67/94 eröffneten Konkurs über das Vermögen der Gesellschaft m.b.H., als deren Geschäftsführerin die Beschwerdeführerin aufgetreten ist, vermag in der Frage der Strafbemessung im Rahmen der auf Verfahrensfehler und sinnwidrige Ermessensübung beschränkten Kontrolle des Verwaltungsgerichtshof zu keinem für die Beschwerdeführerin günstigeren Ergebnis zu führen, weil sie trotz gebotener Gelegenheit im Verwaltungsstrafverfahren ihre schlechte Vermögenslage nicht begründet und offengelegt hat und ferner die Eröffnung des Konkurses mit Beschluß vom 12. April 1994, also erst nach der Erlassung des angefochtenen Bescheides erfolgt ist.

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die von der Beschwerdeführerin behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne abzuweisen.

Schlagworte

Ermittlungsverfahren AllgemeinVerfahrensgrundsätze im Anwendungsbereich des AVG Offizialmaxime Mitwirkungspflicht Manuduktionspflicht VwRallg10/1/1Persönliche Verhältnisse des BeschuldigtenSachverhalt Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995020174.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

10.11.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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