TE Lvwg Erkenntnis 2022/9/1 VGW-042/093/18174/2021, VGW-042/093/18176/2021, VGW-042/093/18179/2021

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.09.2022
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Entscheidungsdatum

01.09.2022

Index

60/03 Kollektives Arbeitsrecht
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

ArbVG §171 Abs1
ArbVG §174 Abs1 Z2
ArbVG §176 Abs2
ArbVG §176 Abs3
ArbVG §184 Abs2 Z5
ArbVG §186
ArbVG §194 Abs2
ArbVG §197
ArbVG §207 Abs1
ArbVG §207 Abs2
VStG §45 Abs1 Z
  1. ArbVG § 171 heute
  2. ArbVG § 171 gültig ab 15.12.1999 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 14/2000
  3. ArbVG § 171 gültig von 22.09.1996 bis 14.12.1999 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 601/1996
  4. ArbVG § 171 gültig von 21.08.1996 bis 21.09.1996 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 417/1996
  5. ArbVG § 171 gültig von 18.06.1994 bis 20.08.1996 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 450/1994
  6. ArbVG § 171 gültig von 30.07.1993 bis 17.06.1994 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 502/1993
  1. ArbVG § 174 heute
  2. ArbVG § 174 gültig ab 06.06.2011 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 101/2010
  3. ArbVG § 174 gültig von 22.09.1996 bis 05.06.2011 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 601/1996
  1. ArbVG § 176 heute
  2. ArbVG § 176 gültig ab 06.06.2011 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 101/2010
  3. ArbVG § 176 gültig von 01.08.2010 bis 05.06.2011 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 58/2010
  4. ArbVG § 176 gültig von 22.09.1996 bis 31.07.2010 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 601/1996
  1. ArbVG § 176 heute
  2. ArbVG § 176 gültig ab 06.06.2011 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 101/2010
  3. ArbVG § 176 gültig von 01.08.2010 bis 05.06.2011 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 58/2010
  4. ArbVG § 176 gültig von 22.09.1996 bis 31.07.2010 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 601/1996
  1. ArbVG § 184 heute
  2. ArbVG § 184 gültig ab 22.09.1996 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 601/1996
  1. ArbVG § 186 heute
  2. ArbVG § 186 gültig ab 06.06.2011 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 101/2010
  3. ArbVG § 186 gültig von 22.09.1996 bis 05.06.2011 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 601/1996
  1. ArbVG § 194 heute
  2. ArbVG § 194 gültig ab 06.06.2011 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 101/2010
  3. ArbVG § 194 gültig von 22.09.1996 bis 05.06.2011 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 601/1996
  1. ArbVG § 197 heute
  2. ArbVG § 197 gültig ab 22.09.1996 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 601/1996
  1. ArbVG § 207 heute
  2. ArbVG § 207 gültig ab 06.06.2011 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 101/2010
  3. ArbVG § 207 gültig von 01.01.2002 bis 05.06.2011 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 98/2001
  4. ArbVG § 207 gültig von 22.09.1996 bis 31.12.2001 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 601/1996
  1. ArbVG § 207 heute
  2. ArbVG § 207 gültig ab 06.06.2011 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 101/2010
  3. ArbVG § 207 gültig von 01.01.2002 bis 05.06.2011 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 98/2001
  4. ArbVG § 207 gültig von 22.09.1996 bis 31.12.2001 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 601/1996

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Dr.in Oswald, LL.M. über die Beschwerden des Eurobetriebsrates A. X., vertreten durch den Vorsitzenden, Herrn B. C., dieser vertreten durch Rechtsanwalt, 1) gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 9.12.2021, Zl. MBA/...3/2021, 2) gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 9.12.2021, Zl. MBA/...6/2021, und 3) gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 9.12.2021, Zl. MBA/...8/2021, jeweils betreffend die Einstellung eines Verwaltungsstrafverfahrens gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (VStG) (mitbeteiligte Parteien: Herr Dr. D. E. als Beschuldigter im Verfahren zur GZ VGW-042/093/18174/2021, Herr Mag. F. G. als Beschuldigter im Verfahren zur GZ VGW-042/093/18176/2021, Herr MMag. H. I. als Beschuldigter im Verfahren zur GZ VGW-042/093/18179/2021, A. Y. Aktiengesellschaft als haftungsbeteiligte Gesellschaft in allen drei Verfahren, alle vertreten durch Rechtsanwälte) nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 26.8.2022 durch Verkündung des Erkenntnisses

zu Recht e r k a n n t:

I.     Die zur GZ VGW-042/093/18174/2021 protokollierte Beschwerde gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 9.12.2021, Zl. MBA/...3/2021, wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass das gegen Herrn Dr. D. E. hinsichtlich des im Spruch des angefochtenen Bescheides genannten Tatvorwurfes eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 3 VStG eingestellt wird.

II.    Die zur GZ VGW-042/093/18176/2021 protokollierte Beschwerde gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 9.12.2021, Zl. MBA/...6/2021, wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass das gegen Herrn Mag. F. G. hinsichtlich des im Spruch des angefochtenen Bescheides genannten Tatvorwurfes eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 3 VStG eingestellt wird.

III.   Die zur GZ VGW-042/093/18179/2021 protokollierte Beschwerde gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 9.12.2021, Zl. MBA/...8/2021, wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass das gegen Herrn MMag. H. I. hinsichtlich des im Spruch des angefochtenen Bescheides genannten Tatvorwurfes eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 3 VStG eingestellt wird.

IV.    Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang

1.       Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien (im Folgenden: belangte Behörde) vom 9.12.2021, Zl. MBA/...3/2021, (dem Beschwerdeführer zugestellt am 13.12.2021) wurde ein gegen Herrn Dr. D. E. eingeleitetes Verwaltungsstrafverfahren wegen einer ihm angelasteten Übertretung des § 174 Abs. 1 Z 2 des Arbeitsverfassungsgesetzes – ArbVG gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 – VStG eingestellt. Im – eingestellten – Verwaltungsstrafverfahren war dem Beschuldigten angelastet worden, er habe es als Vorstand und somit als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen Berufender der A. Y. Aktiengesellschaft mit Sitz in Wien, zu verantworten, dass diese Gesellschaft als zentrale Leitung der Unternehmensgruppe „A.“ in der Zeit von 29.7.2021 bis 18.8.2021 die im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Europäischen Betriebsrates dieser Unternehmensgruppe angefallenen Barauslagen „Gerichtspauschalgebühr“ betreffend die näher beschriebene Rechtssache zur Zl. ... in der Höhe von € 1.459,-- trotz Aufforderung vom 15.7.2021 nicht getragen hat.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird zusammengefasst ausgeführt, dass das dem Beschuldigten vorgeworfene Verhalten nicht strafbar sei, da nur die Verletzung der Verpflichtung der zentralen Leitung, die Mittel für die Errichtung des Europäischen Betriebsrates bereitzustellen, nicht jedoch die Verletzung der Verpflichtung, die Kosten seiner Tätigkeit zu tragen, einen Verwaltungsstraftatbestand bilde.

2.       Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien (im Folgenden: belangte Behörde) vom 9.12.2021, Zl. MBA/...6/2021, (dem Beschwerdeführer zugestellt am 13.12.2021) wurde ein gegen Herrn Mag. F. G. eingeleitetes Verwaltungsstrafverfahren wegen einer ihm angelasteten Übertretung des § 174 Abs. 1 Z 2 ArbVG gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG eingestellt. Im – eingestellten – Verwaltungsstrafverfahren war dem Beschuldigten angelastet worden, er habe es als Vorstand und somit als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen Berufender der A. Y. Aktiengesellschaft mit Sitz in Wien, zu verantworten, dass diese Gesellschaft als zentrale Leitung der Unternehmensgruppe „A.“ in der Zeit von 29.7.2021 bis 18.8.2021 die im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Europäischen Betriebsrates dieser Unternehmensgruppe angefallenen Barauslagen „Gerichtspauschalgebühr“ betreffend die näher beschriebene Rechtssache zur Zl. ... in der Höhe von € 1.459,-- trotz Aufforderung vom 15.7.2021 nicht getragen hat.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird zusammengefasst ausgeführt, dass das dem Beschuldigten vorgeworfene Verhalten nicht strafbar sei, da nur die Verletzung der Verpflichtung der zentralen Leitung, die Mittel für die Errichtung des Europäischen Betriebsrates bereitzustellen, nicht jedoch die Verletzung der Verpflichtung, die Kosten seiner Tätigkeit zu tragen, einen Verwaltungsstraftatbestand bilde.

3.       Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien (im Folgenden: belangte Behörde) vom 9.12.2021, Zl. MBA/...8/2021, (dem Beschwerdeführer zugestellt am 13.12.2021) wurde ein gegen Herrn MMag. H. I. eingeleitetes Verwaltungsstrafverfahren wegen einer ihm angelasteten Übertretung des § 174 Abs. 1 Z 2 ArbVG gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG eingestellt. Im – eingestellten – Verwaltungsstrafverfahren war dem Beschuldigten angelastet worden, er habe es als Vorstand und somit als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen Berufender der A. Y. Aktiengesellschaft mit Sitz in Wien, zu verantworten, dass diese Gesellschaft als zentrale Leitung der Unternehmensgruppe „A.“ in der Zeit von 29.7.2021 bis 18.8.2021 die im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Europäischen Betriebsrates dieser Unternehmensgruppe angefallenen Barauslagen „Gerichtspauschalgebühr“ betreffend die näher beschriebene Rechtssache zur Zl. ... in der Höhe von € 1.459,-- trotz Aufforderung vom 15.7.2021 nicht getragen hat.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird zusammengefasst ausgeführt, dass das dem Beschuldigten vorgeworfene Verhalten nicht strafbar sei, da nur die Verletzung der Verpflichtung der zentralen Leitung, die Mittel für die Errichtung des Europäischen Betriebsrates bereitzustellen, nicht jedoch die Verletzung der Verpflichtung, die Kosten seiner Tätigkeit zu tragen, einen Verwaltungsstraftatbestand bilde.

4.       Gegen diese Bescheide brachte der Beschwerdeführer jeweils eine Beschwerde bei der belangten Behörde ein (Datum der Postaufgabe jeweils: 16.12.2021).

In den (inhaltsgleichen) Beschwerden bringt der Beschwerdeführer auf das Wesentliche zusammengefasst vor, dass eine Weigerung der zentralen Leitung, die Kosten des Europäischen Betriebsrates gemäß § 197 ArbVG iVm § 186 ArbVG zu tragen unter den Verwaltungsstraftatbestand des § 207 Abs. 1 ArbVG subsumierbar sei, ohne dass es dafür einer Analogie bzw. Lückenfüllung bedürfte. So werde § 174 ArbVG – auf den § 207 Abs. 1 ArbVG verweise – als Generalklausel durch u.a. § 197 ArbVG konkretisiert, welcher die Verpflichtung der zentralen Leitung zur Beistellung von Sacherfordernissen und zur Kostentragung für die Tätigkeit des Europäischen Betriebsrates normiere. Von der Errichtung des Europäischen Betriebsrates iSd § 174 Abs. 1 Z 2 ArbVG sei die Aufrechterhaltung der Voraussetzungen für seine Tätigkeit mitumfasst. Eine unionsrechtskonforme Auslegung des Straftatbestandes des § 207 Abs. 1 iVm § 174 ArbVG führe zur Subsumtion der Verletzung der Verpflichtung der zentralen Leitung, die bei der Aufgabenerfüllung durch den Europäischen Betriebsrat entstehenden Kosten zu tragen, unter den Verwaltungsstraftatbestand des § 207 Abs. 1 ArbVG. Nur so werde den Vorgaben der Richtlinie 2009/38/EG über die Einsetzung eines Europäischen Betriebsrates oder die Schaffung eines Verfahrens zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in gemeinschaftsweit operierenden Unternehmen Rechnung getragen, zumal bei anderer Auslegung keine wirksamen, abschreckenden und angemessenen Sanktionen für diese Pflichtverletzungen der zentralen Leitung vorgesehen wären. Ein Schadenersatz komme demgegenüber als Sanktion nicht in Betracht, da der Europäische Betriebsrat nicht vermögensfähig sei. Zwar könne der Europäische Betriebsrat seinen Anspruch auf Kostentragung gegenüber der zentralen Leitung durch zivilgerichtliche Klage geltend machen. Mangels vorläufigen Rechtsschutzes sei der Europäische Betriebsrat bis zur Erlangung eines Exekutionstitels aber in seiner Aufgabenbesorgung behindert. Die bloße gerichtliche Durchsetzbarkeit der Verpflichtungen der zentralen Leitung würde – mangels Sanktionscharakter – dazu führen, dass das Risiko der Weigerung der Tragung der Kosten für die zentrale Leitung kalkulierbar sei. So habe diese lediglich zu befürchten, zur Tragung jener Kosten verpflichtet zu werden, die sie nach dem Gesetz ohnehin tragen müsste.

Hinsichtlich der Regelung der Privatanklagelegitimation liege ein offensichtliches Versehen des Gesetzgebers vor, wenn in § 207 Abs. 2 Z 3 ArbVG normiert werde, dass lediglich das besondere Verwaltungsgremium einen Strafantrag einbringen kann, da nach Errichtung des Europäischen Betriebsrates dann niemand einen Strafantrag einbringen könnte, obwohl ein Verwaltungsstraftatbestand erfüllt sei. § 207 Abs. 2 Z 3 ArbVG sei daher dahingehend auszulegen, dass nach Errichtung des Europäischen Betriebsrates diesem die Privatanklagelegitimation zukomme.

Weiters regt der Beschwerdeführer an, näher genannte Fragen dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung vorzulegen.

5.       Die belangte Behörde sah jeweils von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung ab und legte die Beschwerden samt bezughabendem Verwaltungsakt dem Verwaltungsgericht Wien vor.

6.       Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Verwaltungsgerichtes Wien vom 30.5.2022 wurden die Beschwerdesachen dem zunächst zuständig gewesenen Mitglied des Verwaltungsgerichtes Wien am 9.5.2022 abgenommen und in der Folge der erkennenden Richterin zugewiesen.

7.       Das Verwaltungsgericht Wien machte gemäß § 10 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes – VwGVG den Beschuldigten jeweils Mitteilung von der Beschwerde und räumte ihnen Gelegenheit ein, dazu Stellung zu nehmen.

8.       Mit (inhaltsgleichen) Schreiben vom 7.7.2022 traten die Beschuldigten dem Beschwerdevorbringen mit näherer Argumentation entgegen.

9.       Das Verwaltungsgericht Wien hat die Beschwerdesachen wegen ihres persönlichen, sachlichen und rechtlichen Zusammenhanges gemäß § 17 VwGVG iVm § 39 Abs. 2 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 – AVG zur gemeinsamen Behandlung und Entscheidung verbunden.

10.      Das Verwaltungsgericht Wien führte am 26.8.2022 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der Vorsitzende des Beschwerdeführers, der rechtsfreundliche Vertreter des Beschwerdeführers und der rechtsfreundliche Vertreter der Beschuldigten teilnahmen.

Am Schluss der Verhandlung wurde das Ermittlungsverfahren auf Grund von Entscheidungsreife gemäß § 17 VwGVG iVm § 39 Abs. 3 AVG für geschlossen erklärt.

Im Anschluss an die Verhandlung wurde das Erkenntnis mit den wesentlichen Entscheidungsgründen verkündet.

11.      Mit am 30.8.2022 beim Verwaltungsgericht Wien eingebrachtem Schriftsatz beantragte der Beschwerdeführer die Ausfertigung des am 26.8.2022 verkündeten Erkenntnisses.

II.      Feststellungen

Für das Verwaltungsgericht Wien steht folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt als erwiesen fest:

1.       Die A. Y. Aktiengesellschaft mit Sitz in Wien ist als Konzernmutter in zwei Sparten (Divisionen) – Division „X.“ und Division „Y.“ – tätig, wobei sie in jeder Sparte an mehreren Unternehmen mit Sitz in unterschiedlichen Mitgliedstaaten der Europäischen Union und in Drittstaaten beteiligt ist. Aufgrund ihrer Beteiligungen hat die A. Y. Aktiengesellschaft einen beherrschenden Einfluss auf die anderen Unternehmen der Unternehmensgruppe.

Die Beschuldigten sind und waren im Zeitraum 29.7.2021 bis 18.8.2021 Vorstände der A. Y. Aktiengesellschaft.

2.       Der Beschwerdeführer ist (durch seinen Vorsitzenden vertretener) Europäischer Betriebsrat der Division „X.“ der Unternehmensgruppe. Ab 2008 bestand für die Division „X.“ ein Europäischer Betriebsrat kraft Vereinbarung, die zwischen einem besonderen Verhandlungsgremium und der Unternehmensleitung ausgehandelt worden war. Nach Aufkündigung der Vereinbarung am 29.6.2016 mit Wirksamkeit 31.12.2017 wurde erneut ein besonderes Verhandlungsgremium konstituiert und wurden Verhandlungen mit der Unternehmensleitung zur Errichtung eines Europäischen Betriebsrates aufgenommen. Für die Division „Y.“ wurde eine Vereinbarung zur Errichtung eines Europäischen Betriebsrates abgeschlossen. Für die Division „X.“ scheiterten die Verhandlungen im Jahr 2018. Am 18.4.2018 konstituierte sich der nunmehr bestehende Europäische Betriebsrat kraft Gesetzes für die Division „X.“.

3.       Beim Beschwerdeführer sind im Jahr 2020 Kosten für unterschiedliche Beratungsleistungen, Dolmetscherleistungen und Leistungen für Rechtsanwälte entstanden. Diesbezüglich hat der Beschwerdeführer am 6.4.2021 eine Klage auf Freistellung in eventu Zahlung gegen die A. Y. Aktiengesellschaft beim Arbeits- und Sozialgericht (im Folgenden: ASG) Wien über einen Gesamtbetrag von EUR 36.277,12 eingebracht.

Mit Urteil des ASG Wien vom 21.2.2021, Zl. ..., wurde der Klage teilweise stattgegeben. Das Urteil ist nicht rechtskräftig; das Verfahren ist beim Oberlandesgericht Wien zur Zl. ... anhängig. Weiters erging ein Anerkenntnisurteil in Bezug auf bestimmte Dolmetscherkosten.

Aufgrund der Einbringung der genannten Klage wurde dem Beschwerdeführer eine Gerichtspauschalgebühr iHv EUR 1.459,-- vorgeschrieben und vom rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers beglichen. Mit Schreiben vom 15.7.2021 forderte der Beschwerdeführer die A. Y. Aktiengesellschaft auf, diese Kosten binnen 14 Tagen zu begleichen. Mit Schreiben vom 19.7.2021 wurde seitens des rechtsfreundlichen Vertreters der A. Y. Aktiengesellschaft der Kostenersatz abgelehnt.

4.       Am 19.8.2021 brachte der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde einen Strafantrag gegen die Beschuldigten jeweils wegen einer Übertretung des § 207 Abs. 1 iVm § 174 Abs. 1 Z 2 ArbVG ein. Darin wird den Beschuldigten angelastet, es zu vertreten zu haben, dass die A. Y. Aktiengesellschaft als zentrale Leitung die Gerichtspauschalgebühr in Höhe von EU 1.459,-- nicht entrichtet habe, obwohl sie gemäß § 174 Abs. 1 Z 2 ArbVG dazu verpflichtet gewesen wäre.

5.       Am 26.8.2021 brachte der Beschwerdeführer in Bezug auf die genannten Gerichtspauschalgebühren gegen die A. Y. Aktiengesellschaft eine Klage auf Freistellung in eventu Zahlung beim ASG Wien ein. Das Verfahren ist beim ASG Wien zur Zl. ... anhängig.

III.    Beweiswürdigung

Die Feststellungen gründen sich auf den gesamten Akteninhalt (Gerichts- und Behördenakten), insbesondere auf das Beschwerdevorbringen, das Vorbringen der Beschuldigten im Schriftsatz vom 7.7.2022, den am 19.8.2021 eingebrachten Strafantrag und den Inhalt der beigeschafften Akten des ASG Wien zur Zl. ... und zur Zl. ..., an deren Richtigkeit und Vollständigkeit kein Zweifel entstanden ist, sowie auf die Erörterung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien am 26.8.2022.

Die Feststellungen zur Unternehmensstruktur der A. Y. Aktiengesellschaft, zur Entstehungsgeschichte des Europäischen Betriebsrates und zur Stellung der Beschuldigten als Vorstände dieser Gesellschaft ergeben sich insbesondere aus einem eingeholten Firmenbuchauszug, aus dem übereinstimmenden Parteienvorbringen, aus den – unbestrittenen – Darlegungen des Vorsitzenden des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung, aus einem dem am 19.8.2021 eingebrachten Strafantrag beigelegten (auf die Verletzung der Verpflichtung zur Tragung anderer Kosten gerichteten) Strafantrag vom 9.3.2021 und aus den beigeschafften Akten des ASG Wien zur Zl. ... und zur Zl. .... Die Parteien gaben übereinstimmend an, dass Hintergrund des gegenständlichen Strafantrages ein (Rechts-)streit der Parteien darüber ist, welche spezifischen Ausgaben des Beschwerdeführers von der A. Y. Aktiengesellschaft zu ersetzen sind; dies deckt sich mit dem Inhalt der herbeigeschafften Akten des ASG Wien; der Verfahrensstand der arbeitsgerichtlichen Verfahren konnte im Übrigen durch telefonische Nachfrage beim Oberlandesgericht Wien festgestellt werden (Aktenvermerk vom 18.8.2022).

Der festgestellte Sachverhalt ist, soweit im vorliegenden Verfahren entscheidungswesentlich, zwischen den Parteien unstrittig. Die Höhe der konkreten Ausgaben des Beschwerdeführers und deren jeweiliger spezifischer Grund sind im gegenständlichen Verfahren nicht entscheidungsrelevant.

IV.      Rechtliche Beurteilung

1. Im V. Teil des Arbeitsverfassungsgesetzes – ArbVG, BGBl. Nr. 22/1974 idF BGBl. I Nr. 12/2017, wird in Umsetzung der Richtlinie 2009/38/EG über die Einsetzung eines Europäischen Betriebsrats oder die Schaffung eines Verfahrens zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in gemeinschaftsweit operierenden Unternehmen und Unternehmensgruppen, ABl. L 122/2009, 28, modifiziert durch die Richtlinie (EU) 2015/1794, ABl. L 263/2015, 1, die Europäische Betriebsverfassung geregelt (vgl. ErlRV 318 Blg. NR 20. GP, S. 19 unter Bezugnahme auf die Vorgänger-Richtlinie 94/45/EG).

In Unternehmen bzw. Unternehmensgruppen mit einer bestimmten Anzahl an Arbeitnehmern in mindestens zwei Mitgliedstaaten der Europäischen Union, deren zentrale Leitung im Inland liegt (§ 171 ArbVG), sind die im V. Teil des ArbVG vorgesehen Organe der Arbeitnehmerschaft zu bilden. So ist nach Maßgabe der Bestimmungen des V. Teiles des ArbVG ein besonderes Verhandlungsgremium einzusetzen sowie ein Europäischer Betriebsrat zu errichten oder ein Verfahren zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer zu schaffen (§ 173 Abs. 1 ArbVG). Konkret ist vorgesehen, dass nach Maßgabe der Bestimmungen des 2. Hauptstückes des V. Teiles des ArbVG ein besonderes Verhandlungsgremium zu konstituieren ist, dessen Aufgabe darin besteht, mit der zentralen Leitung eine schriftliche Vereinbarung über die Errichtung eines Europäischen Betriebsrates oder über die Durchführungsmodalitäten eines Verfahrens zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer abzuschließen (§ 187 ArbVG). Wenn die zentrale Leitung und das besondere Verhandlungsgremium einen entsprechenden Beschluss fassen (§ 191 Abs. 1 Z 1 ArbVG), die zentrale Leitung Verhandlungen verweigert oder nicht innerhalb bestimmter Fristen aufnimmt (siehe § 191 Abs. 1 Z 2 ArbVG) oder innerhalb bestimmter Fristen eine Vereinbarung nicht zustande kommt (siehe § 191 Abs. 1 Z 3 ArbVG), ist ein Europäischer Betriebsrat kraft Gesetzes nach Maßgabe des 3. Hauptstückes des V. Teiles des ArbVG zu errichten.

Die zentrale Leitung treffen im Zusammenhang mit der Errichtung und Tätigkeit der Organe der Arbeitnehmerschaft unterschiedliche Verpflichtungen.

Gemäß § 174 Abs. 1 Z 1 ArbVG hat die zentrale Leitung die für die Einsetzung eines besonderen Verhandlungsgremiums notwendigen Voraussetzungen zu schaffen und die erforderlichen Mittel bereitzustellen. Gemäß § 174 Abs. 1 Z 2 ArbVG hat die zentrale Leitung die für die Errichtung eines Europäischen Betriebsrates oder die Schaffung eines Verfahrens zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer notwendigen Voraussetzungen zu schaffen und die erforderlichen Mittel bereitzustellen. § 174 Abs. 2 ArbVG normiert die Verpflichtung der zentralen Leitung sowie jeder Leitung eines zu einer Unternehmensgruppe gehörenden Unternehmens, die für die Aufnahme von Verhandlungen erforderlichen Informationen zu erheben und an die Parteien, auf die die Richtlinie Anwendung findet, sowie an die übrigen Unternehmensleitungen weiterzuleiten, wobei bestimmte Informationspflichten demonstrativ aufgezählt sind.

§ 186 ArbVG regelt die Verpflichtung der zentralen Leitung, dem besonderen Verhandlungsgremium – nach Maßgabe der näheren Regelungen dieser Bestimmung – zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Aufgaben Sacherfordernisse zur Verfügung zu stellen und die für die ordnungsgemäße Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen Verwaltungsausgaben zu tragen.

Im Fall einer Vereinbarung über einen Europäischen Betriebsrat, sind gemäß § 189 Z 6 ArbVG in der Vereinbarung die für den Europäischen Betriebsrat bereitzustellenden finanziellen und materiellen Mittel festzulegen.

In Bezug auf den Europäischen Betriebsrat kraft Gesetzes nach Maßgabe des 3. Hauptstückes des V. Teiles des ArbVG regelt § 197 ArbVG die Verpflichtung der zentralen Leitung, die im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Europäischen Betriebsrates und seines engeren Ausschusses (§ 195 ArbVG) anfallenden Kosten gemäß § 186 ArbVG zu tragen.

2. Gemäß § 207 Abs. 1 ArbVG begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist, eine Verwaltungsübertretung, wer den Bestimmungen der §§ 174, 177 Abs. 2 und 3, 181 Abs. 1 und 4, 190 Abs. 2, 204 Abs. 1 und 206 Abs. 2 ArbVG zuwiderhandelt, und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe von bis zu EUR 20.000,-- im Wiederholungsfall von bis zu EUR 40.000,-- zu bestrafen.

Gemäß § 207 Abs. 2 ArbVG sind Verwaltungsübertretungen nach § 207 Abs. 1 ArbVG nur zu verfolgen und zu bestrafen, wenn im Falle der §§ 174 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2, 181 Abs. 1 und 206 Abs. 2 ArbVG die im Unternehmen bzw. in der Unternehmensgruppe bestehenden Arbeitnehmervertretungen (§ 207 Abs. 2 Z 1 ArbVG), im Falle des § 177 Abs. 2 und 3 ArbVG die gemäß § 177 Abs. 1 ArbVG zur Antragstellung berechtigten Arbeitnehmer bzw. Arbeitnehmervertreter (§ 207 Abs. 2 Z 2 ArbVG), im Falle der §§ 174 Abs. 1 Z 2 und 181 Abs. 4 ArbVG das besondere Verhandlungsgremium (§ 207 Abs. 2 Z 3 ArbVG), im Falle des § 190 Abs. 2 ArbVG die nach der Vereinbarung gemäß § 190 Abs. 1 ArbVG zuständige Arbeitnehmervertretung (§ 207 Abs. 2 Z 4 ArbVG) und im Falle des § 204 Abs. 1 ArbVG die zentrale Leitung (§ 207 Abs. 2 Z 5 ArbVG) binnen sechs Wochen ab Kenntnis von der Übertretung und der Person des Täters bei der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde einen Strafantrag stellt. Gemäß § 207 Abs. 3 ArbVG ist auf das Strafverfahren § 56 Abs. 2 bis 4 VStG anzuwenden.

3. Im Strafantrag des Beschwerdeführers wird den Beschuldigten zur Last gelegt, es als zur Vertretung nach außen Berufene nach § 9 Abs. 1 VStG der A. Y. Aktiengesellschaft zu verantworten zu haben, dass diese Gesellschaft als zentrale Leitung der Unternehmensgruppe „A.“ gegen ihre Verpflichtung zur Tragung der Kosten der Tätigkeit des Europäischen Betriebsrates verstoßen habe, indem sie die im näher genannten Verfahren vor dem ASG Wien angefallenen Gerichtspauschalgebühren iHv € 1.459,-- trotz Zahlungsaufforderung nicht ersetzt habe. Darin erblickt der Beschwerdeführer eine Verletzung des § 174 Abs. 1 Z 2 ArbVG.

Es ist im Verfahren unstrittig, dass die A. Y. Aktiengesellschaft als Konzernspitze die Eigenschaften eines herrschenden Unternehmens im Sinne des§ 176 Abs. 2 und 3 ArbVG aufweist. Sie ist zweifelsohne zentrale Leitung iSd V. Teiles des ArbVG.

Eine Verletzung der Verpflichtungen nach § 174 Abs. 1 Z 2 ArbVG stellt, wie dargelegt, gemäß § 207 Abs. 1 und Abs. 2 ArbVG ein Privatanklagedelikt dar. Eine Verletzung von § 174 Abs. 1 Z 2 ArbVG (eine Verletzung von § 174 Abs. 1 Z 1 oder § 174 Abs. 2 ArbVG steht nicht in Rede) ist gemäß § 207 Abs. 2 Z 3 ArbVG nur zu verfolgen und zu bestrafen, wenn das besondere Verhandlungsgremium binnen sechs Wochen ab Kenntnis von der Übertretung und der Person des Täters einen Strafantrag stellt.

Der Beschwerdeführer ist – auch das ist im Verfahren unstrittig – Europäischer Betriebsrat kraft Gesetzes iSd 3. Hauptstückes des V. Teiles des ArbVG und wird gemäß § 194 Abs. 2 ArbVG von seinem Vorsitzenden vertreten.

Das besondere Verhandlungsgremium ist freilich nach den Bestimmungen des V. Teiles des ArbVG ein vom Europäischen Betriebsrat zu unterscheidendes Organ. Das besondere Verhandlungsgremium wird nach den Bestimmungen des 2. Hauptstückes des V. Teiles des ArbVG errichtet und hat als zentrale Aufgabe, mit der zentralen Leitung eine Vereinbarung über die Errichtung des Europäischen Betriebsrates oder über die Durchführungsmodalitäten eines Verfahrens zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer abzuschließen. Die Tätigkeitsdauer des besonderen Verhandlungsgremiums endet u.a. mit Abschluss einer Vereinbarung über einen Europäischen Betriebsrat oder einer Vereinbarung über ein Verfahren zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer (§ 184 Abs. 2 Z 4 ArbVG) und mit der Errichtung eines Europäischen Betriebsrates kraft Gesetzes nach § 191 Abs. 1 Z 1-3 ArbVG (§ 184 Abs. 2 Z 5 ArbVG).

Der Beschwerdeführer ist kein besonderes Verhandlungsgremium im Sinne des 2. Hauptstückes des V. Teiles des ArbVG; vielmehr besteht in der in Rede stehenden Unternehmensgruppe schon aufgrund von § 184 Abs. 2 Z 5 ArbVG kein besonderes Verhandlungsgremium (mehr). Der Beschwerdeführer ist somit nach § 207 Abs. 2 Z 3 ArbVG nicht legitimiert, einen Strafantrag aufgrund einer mutmaßlichen Übertretung des § 207 Abs. 1 iVm § 174 Abs. 1 Z 2 ArbVG zu stellen.

Das den Beschuldigten im Strafantrag angelastete Verhalten stellt auch sonst keine Verwaltungsübertretung dar, die im Wege eines Strafantrages des Beschwerdeführers oder von Amts wegen zu verfolgen wäre. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 207 Abs. 2 ArbVG sind die in § 207 Abs. 1 ArbVG genannten Übertretungen nur zu verfolgen und zu bestrafen, wenn die in den Z 1-4 des § 207 Abs. 2 ArbVG genannten Organe rechtzeitig einen Strafantrag stellen. Der Europäische Betriebsrat ist in Bezug auf keine dieser Übertretungen privatanklagelegitimiert.

4. Strafrechtsquelle ist ausschließlich das geschriebene Gesetz und eine Ergänzung desselben durch Analogie oder jede andere Art von Lückenschließung (etwa durch Größenschluss) zum Nachteil des Täters ist untersagt. Dies schließt zwar eine Auslegung des Gesetzes nach Inhalt, Sinn und Tragweite eines bestehenden Rechtssatzes nicht aus, doch muss die Auslegung jedenfalls ihre äußerste Grenze stets im möglichen Wortsinn der auszulegenden Norm haben; sie muss immer noch im Wortlaut des Gesetzes eine Stütze finden (siehe z.B. VwGH 30.4.1992, 92/02/0103; VwSlg. 14.597 A/1997; 7.7.2017, Ra 2016/03/0099; 22.1.2021, Ra 2020/02/0139 uva). Dies unabhängig davon, ob das Ergebnis mit dem Unionsrecht im Einklang steht (VwGH 7.7.2017, Ra 2016/03/0099).

Es kann im gegenständlichen Fall dahingestellt bleiben, ob das Verbot ergänzender Gesetzesauslegung im (Verwaltungs-)Strafrecht vor dem Hintergrund, dass gemäß § 207 Abs. 2 ArbVG nicht nur die Verfolgung, sondern auch die Bestrafung der Verwaltungsübertretungen des § 207 Abs. 1 ArbVG von der Stellung eines zulässigen Strafantrages abhängt, auch für die Regelung der Privatanklagelegitimation gelten muss. Denn in Bezug auf die mangelnde Privatanklagelegitimation des Beschwerdeführers nach § 207 Abs. 2 Z 3 ArbVG ist nicht von einer planwidrigen Lücke auszugehen.

4.1. Zunächst ist kein – planwidriger – Widerspruch zwischen dem materiellen Gehalt der Verwaltungsübertretung des § 207 Abs. 1 iVm § 174 Abs. 1 Z 2 ArbVG und der in § 207 Abs. 2 Z 3 ArbVG normierten Privatanklagelegitimation (nur) des besonderen Verhandlungsgremiums zu erkennen.

§ 207 Abs. 1 ArbVG enthält keinen Verweis auf die die Tragung der Kosten der laufenden Tätigkeit eines Europäischen Betriebsrates näherhin regelnde Bestimmung des § 197 ArbVG, sondern verweist (u.a.) auf § 174 ArbVG. Nach dem Wortlaut des § 174 Abs. 1 Z 2 ArbVG ist von der dort normierten Verpflichtung die Schaffung der notwendigen Voraussetzungen und die Bereitstellung der erforderlichen Mittel für die Errichtung eines Europäischen Betriebsrates oder die Schaffung eines Verfahrens zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer erfasst.

Auch wenn im Schrifttum § 174 ArbVG mitunter als Generalklausel in Bezug auf die u.a. durch § 197 ArbVG konkretisierten Verpflichtungen der zentralen Leitung bezeichnet wird (z.B. Naderhirn/Ritzberger-Moser/Mandl in Jabornegg/Resch, ArbVG § 174 [Stand 1.4.2020, rdb.at] Rz. 1); A. Ritzberger-Moser in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 174 ArbVG [Stand 1.1.2018, rdb.at] Rz. 1), ist aus dem undifferenzierten Verweis auf diese Bestimmung in § 207 Abs. 1 ArbVG nicht auf die Strafbarkeit auch der Verletzung der Verpflichtung nach § 197 ArbVG zu schließen.

So wird nach der Systematik des V. Abschnittes des ArbVG grundsätzlich zwischen der Verpflichtung der Bereitstellung der Mittel für die Errichtung der Organe der Arbeitnehmerschaft einerseits und der Verpflichtung der Tragung der Kosten für die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung dieser Organe andererseits unterschieden (vgl. Naderhirn/Ritzberger-Moser/Mandl in Jabornegg/Resch, ArbVG § 186 [Stand 1.4.2020, rdb.at] Rz. 4). Dies zeigt sich schon darin, dass sich § 174 ArbVG im 1. Hauptstück des V. Teiles des ArbVG „Allgemeine Bestimmungen“ befindet und die Kostentragungspflichten in Bezug auf laufende Verwaltungsausgaben in jenen Hauptstücken des V. Teiles des ArbVG geregelt sind, in welchen u.a. auch die Aufgaben und Tätigkeit dieser Organe geregelt sind – im 2. Hauptstück für das besondere Verhandlungsgremium (§ 186 ArbVG) und im 3. Hauptstück für den Europäischen Betriebsrat kraft Gesetzes (§ 197 ArbVG, wobei hier in Bezug auf die konkret zu tragenden Kosten auf § 186 ArbVG verwiesen wird). Für einen Europäischen Betriebsrat kraft Vereinbarung ist normiert, dass die Frage der Kostentragung in der Vereinbarung zu regeln ist (§ 189 Z 6 ArbVG).

Diese Systematik entspricht auch jener der Richtlinie 2009/38/EG. Die in § 174 ArbVG umgesetzte Regelung des Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie, wonach die zentrale Leitung dafür verantwortlich ist, dass „die Voraussetzungen geschaffen und die Mittel bereitgestellt werden, damit nach Maßgabe des Artikels 1 Absatz 2 für gemeinschaftsweit operierende Unternehmen und Unternehmensgruppen der Europäische Betriebsrat eingesetzt oder das Verfahren zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer geschaffen werden kann“ zielt ihrem Wortlaut nach klar auf die Einsetzung der Organe der Arbeitnehmerschaft ab. Die in § 186 ArbVG umgesetzte Verpflichtung der Tragung der Kosten für die Tätigkeit des besonderen Verwaltungsgremiums ist in Abs. 6 der das besondere Verhandlungsgremium regelnden Bestimmung des Art. 5 und die in § 197 ArbVG umgesetzte Regelung der Verpflichtung der Tragung der Verwaltungsausgaben eines Betriebsrates kraft Gesetztes (bzw. kraft subsidiärer Vorschriften, siehe Art. 7 der Richtlinie) in Anhang I Abs.6 geregelt.

Die Gesetzessystematik lässt somit darauf schließen, dass die Pflichten des § 174 Abs. 1 ArbVG auf die Ermöglichung der Erschaffung der Organe der Arbeitnehmerschaft überhaupt gerichtet sind. Würde darunter ganz allgemein auch die Kostentragungspflicht für die laufende Tätigkeit dieser Organe zu subsumieren sein, wären eigene diesbezügliche Regelungen nicht notwendig. Dabei ist zu berücksichtigen, dass § 186 und § 197 ArbVG nicht nur den Umfang der Kostentragungspflicht konkretisieren, sondern die rechtliche Grundlage der Pflicht, die Kosten zu tragen, darstellen (vgl. ErlRV 318 Blg. NR 20. GP, S. 32 und S. 36).

Auch eine teleologische Auslegung des § 207 Abs. 1 iVm § 174 Abs. 1 Z 2 ArbVG führt zu keinem anderen Ergebnis. Es versteht sich von selbst, dass die Einrichtung der im V. Teil des ArbVG vorgesehenen Organe der Arbeitnehmerschaft wie auch deren Aufgabenerfüllung davon abhängen, dass die Arbeitgeberseite – insbesondere die zentrale Leitung iSd § 171 Abs. 3 ArbVG – die Errichtung und Aufgabenerfüllung zulässt und ermöglicht. Dementsprechend gravierend sind aus Sicht der Arbeitnehmerschaft Pflichtverletzungen der Arbeitgeberseite, die schon die Erschaffung der genannten Organe verunmöglichen. Der Zweck des § 174 Abs. 1 Z 2 ArbVG ist daher darin zu erblicken – in Umsetzung des Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2009/38/EG – die Einrichtung der im Rahmen der europäischen Betriebsverfassung zu bildenden Organe durch Normierung entsprechender Verpflichtungen der zentralen Leitung zu ermöglichen (siehe auch EuGH 13.1.2004, Rs. C-440/00, Kühne und Nagel, Rz. 49 zur – Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2009/38/EG inhaltlich entsprechenden – Bestimmung des Art. 4 Abs. 1 der Vorgänger-Richtlinie 94/45/EG). Aufgrund der besonderen Bedeutung dieser Verpflichtung wird ihre Verletzung in § 207 Abs. 1 ArbVG zur Verwaltungsübertretung erklärt.

Es ist auch nicht zu sehen, dass der Gesetzgeber durch den in § 207 Abs. 1 ArbVG enthaltenen Verweis auf § 174 ArbVG die Anordnung der Strafbarkeit auch von Verletzungen der Verpflichtung der Tragung der laufenden Kosten iSd § 197 und § 186 ArbVG vor Augen hatte. So wird in den Gesetzesmaterialien zu § 174 ArbVG ausgeführt, dass diese Bestimmung die Verpflichtung der zentralen Leitung „die Errichtung der im Rahmen der Europäischen Betriebsverfassung zu bildenden Organe der Arbeitnehmerschaft zu ermöglichen“ regelt (vgl. ErlRV 318 Blg. NR 20. GP, S. 27).

Diese Intention des Gesetzgebers wird auch bei einer Betrachtung der übrigen in § 207 Abs. 1 ArbVG aufgezählten Pflichten der zentralen Leitung oder der örtlichen Unternehmensleitung, deren Verletzungen Verwaltungsstraftatbestände darstellen, deutlich. Strafbar sind insbesondere Verletzungen von Pflichten im Zusammenhang mit der Ermöglichung der Errichtung des besonderen Verhandlungsgremiums (insb. § 177 Abs. 2 ArbVG – Weiterleitung des Antrages auf Errichtung des besonderen Verhandlungsgremiums; § 177 Abs. 3 ArbVG – Bekanntgabe der Zahl der Beschäftigten zum Zweck der Prüfung, ob ein Antrag auf Errichtung des besonderen Verhandlungsgremiums gestellt werden darf; § 181 Abs. 1 ArbVG – Einladung zur konstituierenden Sitzung des besonderen Verhandlungsgremiums) und der Ermöglichung der Errichtung eines Europäischen Betriebsrates bzw. eines Abschlusses einer entsprechenden Vereinbarung (§ 181 Abs. 4 ArbVG – Einberufung einer Sitzung mit dem besonderen Verhandlungsgremium, um eine Vereinbarung nach § 187 ArbVG abzuschließen). Lediglich die Verletzung der Pflichten nach § 190 Abs. 2 ArbVG im Zusammenhang mit einem Verfahren zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer (anstatt der Einrichtung eines Europäischen Betriebsrates) wird als Pflichtverletzung, die nicht im Zusammenhang mit der Errichtung von Organen der Arbeitnehmerschaft steht, zur Verwaltungsübertretung erklärt. § 206 Abs. 2 ArbVG, auf den in § 207 ArbVG ebenfalls verwiesen wird, stellt wiederum eine spezifische, im Zusammenhang mit Übergangsbestimmungen stehende Verpflichtung dar. Folglich wird in § 207 Abs. 2 ArbVG auch jeweils jenes Organ legitimiert, einen Strafantrag zu stellen, das in der Phase vor Errichtung der jeweiligen Organe der Arbeitnehmerschaft dazu berufen ist, diese Errichtung in Zusammenarbeit mit der zentralen Leitung (vgl. § 175 ArbVG) durchzuführen.

Aus § 207 Abs. 1 ArbVG ergibt sich somit im Ergebnis nach Wortlaut, Gesetzessystematik, Telos und gesetzgeberischer Intention, dass jene Pflichtverletzungen der zentralen Leitung eine Verwaltungsübertretung darstellen, die die Errichtung eines Europäischen Betriebsrates an sich beeinträchtigen. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer ist eine Verletzung der Pflichten nach § 197 ArbVG nicht vom äußersten Wortsinn des Verwaltungsstraftatbestandes erfasst.

Eine Auslegung des Verwaltungsstraftatbestands des § 207 Abs. 1 ArbVG über den äußersten Wortsinn hinaus dahingehend, dass auch die Verpflichtung zur Tragung der laufenden Kosten nach § 197 ArbVG davon erfasst sei, ist vor dem Hintergrund des Verbots ergänzender Gesetzesauslegung im Strafrecht nicht angezeigt (siehe wiederum die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, z.B. VwGH 30.4.1992, 92/02/0103; VwSlg. 14.597 A/1997; 7.7.2017, Ra 2016/03/0099; 22.1.2021, Ra 2020/02/0139 uva). Dementsprechend ist bei Beurteilung der Strafbarkeit der Pflichtverletzung unter „Errichtung“ in § 174 Abs. 1 Z 2 ArbVG nicht auch die Kostentragung zur Aufrechterhaltung des Europäischen Betriebsrates während seiner gesamten Bestandsdauer bzw. Ermöglichung seiner laufenden Aufgabenerfüllung zu verstehen (siehe etwa zum Abschluss von Verträgen einer- und deren Aufrechterhaltung andererseits: VwGH 30.4.1992, 92/02/0103). Bei der Auslegung ist überdies zu berücksichtigen, dass Strafbestimmungen möglichst unzweideutig zu sein haben und bei Normadressaten so wenig Zweifel wie möglich entstehen lassen dürfen (VwSlg. 13.848 A/1993). Nach dem unzweideutigen Wortlaut des § 207 Abs. 1 ArbVG wird eine Verletzung der Pflichten nach § 197 ArbVG nicht zur Verwaltungsübertretung erklärt und nach dem oben Gesagten lässt sich der materielle Gehalt des § 197 ArbVG auch nicht aus § 174 Abs. 1 Z 2 ArbVG ableiten.

Konsequenterweise kommt dem – in der Phase der möglichen Verwirklichung dieses Verwaltungsstraftatbestandes noch nicht bestehenden – Europäischen Betriebsrat selbst in Bezug auf die Verletzung der Verpflichtungen nach § 174 Ab

Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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