Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
LMG 1975 §74 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde des Mag. E in T, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 7. September 1992, Zl. SanRB-120051/2-1992-Kie/Rö, betreffend Übertretung des Lebensmittelgesetzes 1975, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Gesundheit und Konsumentenschutz) Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer vorgeworfen, er habe als gemäß § 9 Abs. 2 VStG verantwortlich Beauftragter der Firma H-GmbH, ..., am 5. März 1990 mindestens eine Packung "Schoko-Tortenmischung" bei der Internationalen Spedition M-GmbH, ..., gelagert und damit in Verkehr gebracht, welche als falsch bezeichnet zu beurteilen sei, da laut Gutachten der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung in Linz vom 7. August 1990 das Durchschnittsgewicht der als Proben eingereichten Packungen 335,3 g - anstatt dem auf der Packung angegebenen Gewicht von 400 g - betragen habe und somit auf der Verpackung zur Irreführung geeignete Angaben über Umstände, die nach der Verkehrsauffassung, insbesondere nach der Verbrauchererwartung wesentlich seien, angebracht gewesen seien. Der Beschwerdeführer habe dadurch § 7 Abs. 1 lit. c in Verbindung mit § 8 lit. f und § 74 Abs. 1 des Lebensmittelgesetzes 1975 (LMG 1975) verletzt, weshalb über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von S 3.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 3 Tagen) verhängt werde.
Nach der Begründung sei davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer zum lebensmittelrechtlich Verantwortlichen der im Spruch genannten Gesellschaft bestellt worden sei, wobei seine lebensmittelrechtliche Verantwortung für Back-Produkte bereits ab 1. März 1988 bestehe. Der Beschwerdeführer habe seiner Bestellung nachweislich zugestimmt. Nach den im Verwaltungsverfahren vorgelegten Bestellungsurkunden habe er für die Einhaltung der lebensmittelrechtlichen Bestimmungen (LMKV und LMG samt Verordnungen) im Wege der Warenkontrolle zu sorgen. Er habe im Verwaltungsverfahren selbst vorgebracht, daß er bei der Lagerung von Waren eine entsprechende Anordnungsbefugnis dahingehend habe, daß er bereits beim Spediteur auf Lager befindliche Waren "sperren" lassen könne, wodurch die Waren nicht mehr ausgeliefert werden dürften. Daraus ergebe sich für die belangte Behörde schlüssig, daß er für das Inverkehrbringen durch Lagern verantwortlich Beauftragter und demnach hiefür verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich sei. Es sei am Beschwerdeführer gelegen gewesen, glaubhaft zu machen, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschriften kein Verschulden treffe. Hinsichtlich der ausreichenden Kontrolle der Ware habe der Beschwerdeführer darauf verwiesen, daß er sich von der effizienten Durchführung der Qualitätskontrolle überzeugt habe. Daß diese nicht ausreichend sei, habe jedoch das Ermittlungsverfahren der Behörde erster Instanz ergeben.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsstrafakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 7 Abs. 1 lit. c LMG 1975 ist es verboten, Lebensmittel, Verzehrprodukte und Zusatzstoffe in Verkehr zu bringen, die falsch bezeichnet sind.
Lebensmittel, Verzehrprodukte und Zusatzstoffe sind nach § 8 lit. f LMG 1975 falsch bezeichnet, wenn sie mit zur Irreführung geeigneten Angaben über Umstände, die nach der Verkehrsauffassung, insbesondere nach der Verbrauchererwartung, wesentlich sind, wie über Art, Herkunft, Verwendbarkeit, Haltbarkeit, Zeitpunkt der Herstellung, Beschaffenheit, Gehalt an wertbestimmenden Bestandteilen, Menge, Maß, Zahl oder Gewicht, oder in solcher Form oder Aufmachung oder mit verbotenen gesundheitsbezogenen Angaben (§ 9) in Verkehr gebracht werden.
Unter Inverkehrbringen ist nach § 1 Abs. 2 LMG 1975 das Gewinnen, Herstellen, Behandeln, Einführen, Lagern, Verpacken, Bezeichnen, Feilhalten, Ankündigen, Werben, Verkaufen, jedes sonstige Überlassen und das Verwenden für andere zu verstehen, sofern es zu Erwerbszwecken oder für Zwecke der Gemeinschaftsversorgung geschieht.
Wer Lebensmittel, Verzehrprodukte oder Zusatzstoffe, kosmetische Mittel oder Gebrauchsgegenstände der im § 6 lit. a, b oder e bezeichneten Art falsch bezeichnet, oder Lebensmittel, Verzehrprodukte oder Zusatzstoffe, kosmetische Mittel, die falsch bezeichnet sind, oder solche falsch bezeichnete Gebrauchsgegenstände in Verkehr bringt, macht sich, sofern die Tat nicht nach § 63 Abs. 2 Z. 1 einer strengeren Strafe unterliegt, nach § 74 Abs. 1 LMG einer Verwaltungsübertretung schuldig und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu S 50.000,-- zu bestrafen.
§ 74 Abs. 1 LMG enthält keine Bestimmung über das Verschulden. Zum Tatbestand des Inverkehrbringens eines falsch bezeichneten Lebensmittels gehört weder der Eintritt eines Schadens noch einer Gefahr; es handelt sich somit um ein sogenanntes Ungehorsamsdelikt. Dies bedeutet, daß der Beschwerdeführer glaubhaft zu machen hatte, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden traf (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 3. August 1995, Zlen. 95/10/0056 bis 0059).
In der Beschwerde wird zunächst gerügt, im Spruch des angefochtenen Bescheides werde nicht konkretisiert, ob es sich bei der "Schoko-Tortenmischung" um ein Lebensmittel, ein Verzehrprodukt oder einen Zusatzstoff oder allenfalls auch einen anderen, dem Lebensmittelgesetz unterliegenden oder nicht unterliegenden Stoff handle. Der Spruch des angefochtenen Bescheides lasse somit ein ganz wesentliches Tatbestandsmerkmal vermissen.
Der Vorschrift des § 44a Z. 1 VStG ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dann entsprochen, wenn im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, daß er im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren, gegebenenfalls auch in einem Wiederaufnahmeverfahren, in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (vgl. etwa das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, VwSlg. 11.894/A). Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage kann in der nicht näheren Spezifizierung der "Schoko-Tortenmischung" keine Rechtswidrigkeit des Spruches der belangten Behörde erblickt werden, zumal weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde vorgebracht wurde, daß die genannte Tortenmischung dem Lebensmittelgesetz nicht unterliegt.
In der Beschwerde wird ferner vorgebracht, daß der Beschwerdeführer zwar "grundsätzlich lebensmittelrechtlich verantwortlich", aber mit der Gewichtskontrolle nicht unmittelbar befaßt sei. Diese liege in den Händen des Produktionsleiters und der Leiterin der Qualitätskontrolle. Die Abteilung Qualitätskontrolle nehme zu Beginn der Produktion eine größere Anzahl von Packungen, die einer Gewichtskontrolle unterzogen würden. Dies sei auch an dem im Beschwerdefall interessierenden Produktionstag, dem 10. Jänner 1990, der Fall gewesen. Um 07.48 Uhr seien 15 und um 10.44 Uhr 14 Proben der in Rede stehenden Ware gewogen worden, wobei sämtliche Proben im Schnitt über 400 g gewogen hätten. Weiters seien die Maschinistinnen bei der Abfüllung angewiesen, alle 5 Minuten eine Gewichtskontrolle vorzunehmen. Bei normalem Verlauf werde von den Maschinistinnen auf einer neben der Abfüllanlage stehenden geeichten Waage laufend ca. jede sechste bis zehnte Packung abgewogen. Dreimal täglich komme ein Kontrollor aus dem Labor und überprüfe, ob auch tatsächlich regelmäßige Gewichtskontrollen durchgeführt würden. Zusätzlich kontrolliere noch ein Vorarbeiter und ein Linienleiter laufend, ob die Produktion ordnungsgemäß ablaufe bzw. regelmäßige Gewichtskontrollen durchgeführt würden. Bei Gewichtsdifferenzen würde ein Schlosser geholt, der den Störfall behebe. Die Abteilung Qualitätskontrolle überprüfe auch regelmäßig, ob die im Labor verwendete, nicht geeichte Waage mit der neben der Abfüllanlage geeichten Waage in den Werten übereinstimme. Der Beschwerdeführer könne sich daher hinsichtlich der Gewichtskontrolle auf eine Organisation stützen, die in geradezu vorbildlicher Weise geeignet sei, allfälligen Mängeln wirksam vorzubeugen. Solange der Verantwortliche keine zur Vorsicht gemahnenden Fehlleistungen habe feststellen können, brauche seine Überwachungspflicht "keine den Geschäftsbetrieb jederzeit und nach allen Richtungen durchdringende" zu sein; vielmehr genüge die Vornahme stichenprobenweiser Kontrollen.
Was das Vorbringen des Beschwerdeführers anlangt, er sei als lebensmittelrechtlich Verantwortlicher mit der Gewichtskontrolle nicht unmittelbar befaßt, so ist darauf zu verweisen, daß er nach dem von der belangten Behörde ermittelten Aufgabenbereich für die Einhaltung der lebensmittelrechtlichen Bestimmungen der im Spruch genannten Gesellschaft verantwortlich ist (vgl. die in den Verwaltungsakten erliegende "Notiz" vom 12. November 1991). Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 20. Dezember 1990, Zl. 90/10/0116, mit Hinweis auf Vorjudikatur) die Auffassung, daß einem Verpflichteten, der nicht selbst in der Lage ist, für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften zu sorgen, dann kein Verschulden trifft, wenn er beweist, daß er es bei der Auswahl der von ihm Beauftragten und deren Überwachung nicht an der pflichtgemäßen Aufmerksamkeit hat fehlen lassen. Das vom Beschwerdeführer geschilderte Vorbringen mag ihn jedoch schon deshalb nicht zu entlasten, weil er damit nicht einmal die Behauptung aufstellt, daß er seiner Pflicht zur Überwachung der von ihm betrauten Personen nachgekommen wäre (vgl. auch dazu das bereits genannte Erkenntnis). Die bloß stichprobenartige Überprüfung der Einhaltung von Weisungen genügt der Anforderung an ein wirksames Kontrollsystem nicht (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 16. Dezember 1991, Zl. 91/19/0345). Die Einvernahme des vom Beschwerdeführer beantragten Zeugen P. war insofern entbehrlich, da dieser Zeuge nicht bezüglich der Kontrollpflicht des Beschwerdeführers, sondern bezüglich der Überprüfung der Gewichtskontrollen an der Abfüllanlage namhaft gemacht worden ist. Eine wesentliche Verletzung von Verfahrensvorschriften liegt daher nicht vor.
Schließlich bringt der Beschwerdeführer vor, nicht er habe am 5. März 1990 die Tortenmischung bei der im Spruch genannten Spedition gelagert und damit die Handlung des Inverkehrbringens gesetzt, sondern die Spedition. Ihm selbst könne höchstens die Außerachtlassung seiner Verpflichtung bei der Qualitätskontrolle am Tag der Produktion der Ware
(10. Jänner 1990) vorgeworfen werden. Diesbezüglich fehle es jedoch an einer entsprechenden Verfolgungshandlung.
Bei diesem Vorbringen übersieht der Beschwerdeführer, daß zu seinen Aufgaben als lebensmittelrechtlich Verantwortlicher nach der bereits erwähnten "Notiz" vom 12. November 1991 auch die ordnungsgemäße Lagerung zählt. Nach seiner schriftlichen Stellungnahme vom 12. August 1992 vor der belangten Behörde ist er auch befugt, bereits beim Spediteur auf Lager befindliche Ware "sperren" zu lassen. Die von einem Organ der Lebensmittelaufsicht am 5. März 1990 bei der Spedition vorgefundene Tortenmischung befand sich in deren Lager. Lagern stellt eine Form des Inverkehrbringens dar (vgl. das bereits genannte Erkenntnis vom 3. August 1995). Da auch die Warenlagerung zum Aufgabenbereich des Beschwerdeführers zählte, handelte die belangte Behörde nicht rechtswidrig, wenn sie davon ausging, daß der Beschwerdeführer das Inverkehrbringen der Tortenmischung zu verantworten hatte.
Aufgrund dieser Erwägungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Verantwortung für Handeln anderer Personen Besondere Rechtsgebiete Arbeitsrecht ArbeiterschutzEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1992100446.X00Im RIS seit
20.11.2000