TE Vwgh Erkenntnis 1996/2/26 95/10/0041

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Veröffentlicht am 26.02.1996
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Index

82/04 Apotheken Arzneimittel;

Norm

ApG 1907 §10 Abs1 Z2;
ApG 1907 §10 Abs2 Z1;
ApG 1907 §10 Abs3;
ApG 1907 §10 Abs5;

Betreff

Der VwGH hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde 1. des Dr. H und

2. des Dr. U, beide in L, beide vertreten durch Dr. N, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz vom 21. Dezember 1994, Zl. 262.001/5-II/A/4/94, betreffend Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke in L (mP: Mag. K in L, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in X), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 13.010,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Hinsichtlich des Verwaltungsgeschehens wird zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen auf das hg. Erkenntnis vom 29. Oktober 1993, Zl. 90/10/0135, verwiesen. Mit diesem Erkenntnis wurde der Bescheid des Bundesministers für Gesundheit und öffentlicher Dienst vom 27. Juli 1987, betreffend die Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke in L wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrenvorschriften aufgehoben. Dies im wesentlichen mit der Begründung, daß die behördliche Feststellung, von der neuen öffentlichen Apotheke seien ca. 4.100 Einwohner von L zu versorgen, zwar nicht in Frage zu stellen sei, wohl aber die Richtigkeit der mit 2.872 Personen festgestellten und der neuen Apotheke zur Hälfte zugerechneten Gesamteinwohnerzahl von Z. In diesem Zusammenhang wurde für das fortgesetzte Verfahren bemerkt, daß bei der Aufteilung des Kundenpotentials von Z nach der Rechtsprechung nicht auf einen bestimmten Prozentsatz abzustellen sein werde, sondern daß sich die vorzunehmende Zuordnung der Wohnbevölkerung zu den in Betracht kommenden Apotheken an einer gedachten, nach den Gesichtspunkten der räumlichen Nähe und Erreichbarkeit zu ziehenden örtlichen Trennlinie zu orientieren habe.

Mit dem im fortgesetzten Verfahren ergangenen Ersatzbescheid des Bundesministers für Gesundheit, Sport und Konumentenschutz vom 21. Dezember 1994 wurde der Konzessionsbescheid des Landeshauptmannes von Steiermark mit der Maßgabe bestätigt, daß der Standort "Gebiet der Marktgemeinde L, begrenzt durch G-Straße, H-Straße, A-Straße, B-Gasse, G-Straße" laute und sich die Betriebsstätte der Apotheke an der Adresse Y-Gasse 2 in L befinde. Gleichzeitig wurden die von zwei Konzessionären öffentlicher Apotheken in M erhobenen Berufungen und die "zu berücksichtigenden Vorbringen" der Beschwerdeführer abgewiesen. Begründend wurde - nach Darlegung des Verfahrensablaufes und der vorgenommenen Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens - im wesentlichen ausgeführt, für das fortgesetzte Verwaltungsverfahren sei insoferne eine grundlegende Änderung des Sachverhaltes zu beachten gewesen, als die öffentliche Apotheke der mitbeteiligten Partei am 1. Juni 1990 eröffnet und seither ununterbrochen betrieben worden sei. Die Apotheke sei also über volle 4 Jahre im Betrieb und sie werde derzeit gemäß § 19a Abs. 2 ApG (bis zur rechtskräftigen Entscheidung über das Konzessionsansuchen) fortgeführt. Die mitbeteiligte Partei habe die Umsatzzahlen für das Jahr 1993 mit S 12,505.093,04 bekanntgegeben und die österreichische Apothekerkammer habe festgestellt, daß aufgrund des durchschnittlichen Arzneimittelverbrauchs eines Österreichers im Jahr 1992 von S 2.064,-- (der hochgerechnete Wert für 1993 werde bei rund S 2.200,-- liegen) sowie des - im Zuge einer Erhebung beobachteten - Umstandes, daß öffentliche Apotheken in den ersten Jahren nach Neueröffnung überdurchschnittliche Umsatzzuwachsraten aufwiesen, bereits jetzt nachvollziehbar sei, daß "tatsächlich mehr als 5.500 Personen versorgt" würden.

Gemäß § 10 ApG sei der Beurteilung durch die Konzessionsbehörde eine Bedarfsprognose mittels verschiedener Bedarfsparameter zu Grunde zu legen. Es solle also zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung über ein in der Zukunft liegendes Ereignis, nämlich den Betrieb einer neu zu errichtenden Apotheke abgesprochen werden, wobei nach den umschriebenene Bedarfskriterien ein künftig zu versorgender Personenkreis für die neue Apotheke resultieren solle, der über

5.500 liegen müsse, und diese Personenanzahl solle auch den bestehenden öffentlichen Apotheken (weiterhin) verbleiben. Wenn auch der Verwaltungsgerichtshof in seinem aufhebenden Erkenntnis grundsätzlich eine genaue Trennlinie bezüglich der zu versorgenden Personen insbesondere des Ortsteiles Z von M verlangt habe, so habe sich aufgrund der gegebenen Sachlage im nachhinein ganz offensichtlich herausgestellt, daß ein ausreichend großer zu versorgender Personenkreis tatsächlich vorhanden sei, "woher dieser tatsächlich nun versorgte Personenkreis auch immer resultieren" möge. Hiebei sei es nun nachträglich unerheblich, in welchem Prozentsatz diese Personen von Z stammten, von Einpendlern oder von Zweitwohnungsbesitzern. Durch die Tatsache, daß die beantragte Apotheke nun schon mehrere Jahre lang bestehe und nachweislich die seinerzeitige vom Bundesminister für Gesundheit und öffentlicher Dienst getroffene Bedarfsprognose erfülle, sei ein neuerlich zu führender Nachweis, welche Personen künftig welche der vorhandenen Apotheken oder der zu errichtenden Apotheke aufsuchen würden, als überholt anzusehen. Wenn nun schon der Nachweis eines tatsächlich versorgten Personenkreises anhand der Umsatzzahlen vorliege, erübrige sich die Erstellung einer weitläufigen und komplizierten Bedarfsprognose. Die Wirklichkeit ergebe nun, konkreter als je vor Eröffnung einer Apotheke abschätzbar, daß sich die Bedarfsvoraussetzungen gemäß § 10 ApG für die neu zu errichtende bzw. seit 1990 errichtete öffentliche Apotheke in L erfüllt hätten. Die sowohl von der mitbeteiligten Partei bekanntgegebenen als auch von der österreichischen Apothekerkammer bestätigten Umsatzdaten der Apotheke ließen eine Rückrechnung auf über 5.500 tatsächlich versorgte Personen zu. Die seinerzeitige Bedarfsprognose habe sich demnach bestätigt. Insoweit diese Art und Weise der Bedarfsermittlung bei bereits eröffneten Apotheken als ungesetzlich erachtet werde, sei darauf zu verweisen, daß sie vom Bundesministerium für Gesunheit, Sport und Konsumentenschutz "als objektivste Vorgangsweise" angesehen werde. Jedenfalls könne dadurch die Zahl der zu versorgenden Personen mit einer Sicherheit festgestellt werden, die durch noch so genaue Prognosen nicht erreicht werden könne.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Auch die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführer bringen im wesentlichen vor, die von der belangten Behörde gewählte Vorgangsweise der Rückrechnung aus Umsatzzahlen und "Rezept-Gleichwerten" entspreche weder der Bedarfsprüfung gemäß § 10 ApG noch sei sie nachvollziehbar. So bleibe - wie bereits im Verwaltungsverfahren eingewendet - offen, ob der Umsatz von 12,5 Mio. Schilling ausschließlich mit Medikamenten oder aber auch mit - von der mitbeteiligten Partei in der Apotheke geführten - Drogerieartikeln erzielt worden sei, ob in diesem Betrag die Umsatzsteuer enthalten oder auch der Taxabschlag berücksichtigt sei. Wenn überhaupt, so könne nur der Medikamentenumsatz von Bedeutung sein, der allerdings aus dem von der mitbeteiligten Partei bekanntgegebenen Gesamtumsatz nicht "herausgefiltert" worden sei. Abgesehen davon, daß auch völlig offen bleibe, wie die österreichische Apothekerkammer für das Jahr 1993 zu einem durchschnittlichen pro-Kopf-Arzneimittelverbrauch von ungefähr S 2.200,-- gelangt sei, sei es daher unzulässig, den von der mitbeteiligten Partei bekanntgegebenen Gesamtumsatz durch den durchschnittlichen pro-Kopf-Arzneimittelverbrauch zu dividieren. Eine weiter Ungenauigkeit dieser Vorgangsweise liege darin, daß ein "Rezept-Einwohner-Gleichwert" mit ungefähr S 2.200,-- angegeben worden sei, jedoch bereits ein Wert von S 2.280,-- der ebenso in diesem "Zirkabereich" liege, bereits zu einer Anzahl von bloß 5.482 versorgten Personen führe. Hingegen habe es die belangte Behörde in Nichtbeachtung der im zitierten hg. Erkenntnis vom 29. Oktober 1993, Zl. 90/10/0135, für das fortgesetzte Verfahren als erforderlich angesehenen Vorgangsweise unterlassen, die im Zeitpunkt der Bescheiderlassung in L sowie im Ortsteil Z der Stadtgemeinde M ansässigen Personen zu ermitteln, die als entscheidungswesentlich angeordnete Trennlinie zu eruieren und anhand dieser die Bevölkerung von Z den Apotheken M und L zuzuordnen. Hätte sie dies getan, so hätte sich ergeben, daß der Apotheke der mitbeteiligten Partei keinesfalls mehr als

5.200 Personen zuzuordnen seien.

§ 10 ApG lautet auszugsweise:

"Sachliche Voraussetzungen der Konzessionserteilung

§ 10 (1) Die Konzession für eine neu zu errichtende

öffentliche Apotheke ist zu erteilen, wenn

1.

in der Gemeinde des Standortes der öffentlichen Apotheke ein Arzt seinen ständigen Berufssitz hat und

2.

ein Bedarf an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke besteht.

(2) Ein Bedarf besteht nicht, wenn

1.

die Zahl der von der künftigen Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke aus zu versorgenden Personen weniger als 5.500 beträgt oder

2.

die Entfernung zwischen der künftigen Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke und der Betriebsstätte der nächstgelegenen bestehenden öffentlichen Apotheke weniger als 500 m beträgt oder

3.

die Zahl der von der Betriebsstätte einer der umliegenden bestehenden öffentlichen Apotheken aus weiterhin zu versorgenden Personen sich infolge der Neuerrichtung verringert und weniger als 5.500 betragen wird.

(3) Zu versorgende Personen gemäß Abs. 2 Z. 1 sind die ständigen Einwohner aus einem Umkreis von vier Straßenkilometern von der künftigen Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke, die aufgrund der örtlichen Verhältnisse aus der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke zu versorgen sein werden.

(4) Zu versorgende Personen gemäß Abs. 2 Z. 3 sind die ständigen Einwohner aus einem Umkreis von vier Straßenkilometern von der Betriebsstätte der bestehenden öffentlichen Apotheke, die aufgrund der örtlichen Verhältnisse aus dieser bestehenden öffentlichen Aptheke weiterhin zu versorgen sein werden.

(5) Beträgt die Zahl der ständigen Einwohner i.S.d. Abs. 3 oder 4 weniger als 5.500, so sind die aufgrund der Beschäftigung, der Inanspruchnahme von Einrichtungen und des Verkehrs in diesem Gebiet zu versorgenden Personen bei der Bedarfsfeststellung zu berücksichtigen."

Zu den Voraussetzungen für das Vorliegen eines Bedarfes an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke i.S.d. zitierten Bestimmung zählt u.a. ein Versorgungspotential für die Betriebsstätte dieser Apotheke von mindestens

5.500 Personen, und zwar bestehend aus den ständigen Einwohnern im 4 km-Umkreis, die aufgrund der örtlichen Verhältnisse ihren Arzneimittelbedarf voraussichtlich in dieser Apotheke decken werden, sowie allenfalls aus i.S.d. § 10 Abs. 5 ApG zu berücksichtigenden Personen. Das Gesetz stellt auf die prognostische Zuordnung konkreter KundenPOTENTIALE zur betreffenden Apotheke ab (vgl. die Erkenntnisse vom

26. Setpember 1994, Zl. 92/10/0459, und vom 23. Jänner 1995, Zl. 94/10/0123), die einerseits (§ 10 Abs. 3 ApG) an einer räumlichen Nahebeziehung des betreffenden Personenkreises zur Apotheke (vgl. 29 Mai 1995, Zl. 93/10/0056), andererseits (§ 10 Abs. 5 ApG) an Gesichtspunkten der Beschäftigung, der Inanspruchnahme von Einrichtungen und des Verkehrs (vgl. 26. September 1994, Zlen. 94/10/0042, 0045) zu orientieren ist. Die von der belangten Behörde angewendete Methode mag grundsätzlich geeignet sein, näherungsweise die Anzahl der tatsächlich von der betreffenden Apotheke mit Heilmitteln versorgten Kunden zu ermitteln; dem Gesetz entspräche diese Methode jedoch nur dann, wenn hinreichend konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß es sich bei den von der betreffenden Apotheke tatsächlich mit Heilmitteln versorgten Personen um den in § 10 Abs. 3 und 5 ApG umschriebenen, an Hand der dort genannten Gesichtspunkte zu ermittelnden Personenkreis handelt. Dies kann nicht ohne weiteres unterstellt werden; insbesondere ist darauf zu verweisen, daß die Prognose auf das objektivierte Kundenverhalten abzustellen ist, wobei persönliche Präferenzen für das Aufsuchen einer bestimmten Apotheke nicht berücksichtigt werden dürfen (vgl. 22. Mai 1990, Zl. 88/08/0257). Der angefochtene Bescheid setzt die an Hand des Umsatzes der Apotheke und des durchschnittlichen Arzneitmittelverbrauches pro Kopf ermittelte Anzahl von Kunden der Apotheke dem nach § 10 ApG zu ermittelnden Kundenpotential gleich, ohne auf die in Abs. 3 und 5 leg. cit. genannten Voraussetzungen der Zuordnung zum Kundenpotential Bedacht zu nehmen.

Indem die belangte Behörde daher in Verkennung der Rechtslage das Vorliegen eines Bedarfes für die Apotheke der mitbeteiligten Partei i.S.d. § 10 Abs. 1 Z. 2 ApG bejaht hat, ohne jedoch Feststellungen über das Versorgungspotential dieser Apotheke zu treffen, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.

Dieser war daher - ohne auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Existenzgefährdung Bedarfsbeurteilung Existenzgefährdung Prognose

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995100041.X00

Im RIS seit

25.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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