TE Vwgh Beschluss 2022/10/18 Ro 2021/16/0004

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Veröffentlicht am 18.10.2022
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Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma und die Hofräte Mag. Straßegger und Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision der G H in E, vertreten durch Dr. Martin Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 5, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 17. Februar 2021, RV/5101016/2020, betreffend Familienbeihilfe (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Finanzamt Österreich), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Bescheid vom 21. Jänner 2020 wies das Finanzamt den Antrag der Revisionswerberin auf (Weiter-)Gewährung von Familienbeihilfe für ihren Sohn für den Zeitraum ab dem 1. August 2019 ab. Die vom Sohn absolvierte Ausbildungsphase bzw. Grundausbildung eines (Grenz-)Polizisten stelle keine Berufsausbildung im Sinne des FLAG dar.

2        Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde der Revisionswerberin wies das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung ab. Die Revisionswerberin stellte einen Vorlageantrag.

3        Mit dem angefochtenen Erkenntnis änderte das Bundesfinanzgericht den angefochtenen Bescheid dahingehend ab, dass der Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe für den Zeitraum ab November 2019 abgewiesen werde. Es sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.

4        Das Bundesfinanzgericht führte nach Wiedergabe des Verfahrensgeschehens - auf das Wesentliche zusammengefasst - aus, der im März 1996 geborene Sohn der Revisionswerberin habe in der Zeit vom 1. März 2018 bis 29. Februar 2020 die Grundausbildung für den Exekutivdienst (Polizeigrundausbildung) absolviert. In der Zeit der Grundausbildung, die 24 Monate dauere und zwei auf Polizeidienststellen zu absolvierende Praxisphasen enthalte, sei der Sohn der Revisionswerberin aufgrund eines Sondervertrages gemäß § 36 VBG 1948 für die exekutivdienstliche Ausbildung Vertragsbediensteter des Bundes gewesen.

5        Zur Polizeigrundausbildung führte das Bundesfinanzgericht aus, diese sei in der - aufgrund der Bestimmungen der §§ 26 und 144 BDG, des § 67 VBG und des § 1 Abs. 4 SPG erlassenen - Verordnung des Bundesministers für Inneres über die Grundausbildungen für den Exekutivdienst (Grundausbildungsverordnung - Exekutivdienst BMI), BGBl. II Nr. 153/2017 (in der Folge kurz: VO), geregelt.

6        Ausbildungsziel der Grundausbildung sei die inhaltliche und methodische Vermittlung jener Kompetenzen, die erforderlich seien, um den Anforderungen des jeweiligen Aufgabenbereichs professionell und verantwortungsvoll nachzukommen. Der Lehrstoff sei entsprechend dem neuesten Stand der Wissenschaft, den dienstlichen Erfordernissen sowie den aktuellen pädagogisch-didaktischen Grundsätzen zu vermitteln (§ 2 der VO). Die Grundausbildung sei in Form von Lehrgängen zu gestalten. Die Inhalte und die Mindeststundenanzahl der Lehrgegenstände der Grundausbildungslehrgänge seien in den Anlagen 1 bis 3 festgelegt (§ 4 Abs. 1 der VO).

7        Die Grundausbildung werde durch die Ablegung einer - in den Anlagen1 bis 3 der VO näher geregelten - Dienstprüfung vor einem Prüfungssenat (§ 11 der VO) abgeschlossen. Voraussetzung für die Zulassung zur Dienstprüfung sei das Erreichen der gemäß § 4 Abs. 2 der VO definierten Lernziele aller Ausbildungsmodule der Grundausbildung (§ 9 Abs. 1 und 2 der VO).

8        Nach Wiedergabe der in der Anlage 1 der VO geregelten Lehrgegenstände führte das Bundesfinanzgericht weiters aus, die zweijährige Grundausbildung gliedere sich laut Ausbildungsplan (zur Grundausbildung für den Exekutivdienst) der Sicherheitsakademie des Bundesministeriums für Inneres in die Basisausbildung (12 Monate Theorie), das Berufspraktikum I (3 Monate), die Vertiefung der Ausbildung (5 Monate Theorie mit anschließender Dienstprüfung) und das viermonatige Berufspraktikum II. Im Ausbildungsplan seien die Struktur und die Ausbildungsziele näher beschrieben. Dabei werde das Berufspraktikum I wie folgt beschrieben:

„BERUFSPRAKTIKUM I - KENNENLERNEN DES DIENSTBETRIEBES - 3 MONATE

Das Berufspraktikum dient zur Vermittlung des für die Verwendung in einer Polizeiinspektion nötigen dienstbetrieblichen Wissens sowie der Beurteilung der persönlichen und fachlichen Eignung für den exekutiven Außendienst. Die Polizeibediensteten werden dabei, ohne zum Personalstand der Praktikumsdienststelle zu zählen, von Exekutivbediensteten geschult und betreut.“

9        Demgegenüber laute die Beschreibung für das Berufspraktikum II wie folgt:

„BERUFSPRAKTIKUM II - EINFÜHRUNG IN DEN DIENSTBETRIEB - 4 MONATE

Während der Einführung in den Dienstbetrieb werden die Auszubildenden von Exekutivbediensteten kontinuierlich in den Dienstbetrieb ihrer Polizeidienststelle eingeführt.“

10       Die gesamte Grundausbildung sei vom Sohn der Revisionswerberin bereits absolviert und die Dienstprüfung sei am Ende des zweiten Theorie-Ausbildungsblockes, konkret am 24. Oktober 2019, abgelegt worden. Anschließend habe der Sohn das viermonatige Berufspraktikum II auf einer Polizeiinspektion absolviert. Auf dieser Polizeiinspektion verrichte er auch nach seiner Übernahme in ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis weiterhin seinen Dienst.

11       Schließlich stellte das Bundesfinanzgericht die Höhe des vom Sohn der Revisionswerberin in den jeweiligen Phasen der Grundausbildung erzielten Ausbildungsbeitrags fest.

12       In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesfinanzgericht - unter Verweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - aus, die im Rahmen der Polizeigrundausbildung vorgesehene zwölfmonatige Basisausbildung (laut Ausbildungsplan „12 Monate Theorie“) und die fünfmonatige Vertiefung dieser Basisausbildung (laut Ausbildungsplan „5 Monate Theorie mit anschließender Dienstprüfung“) seien als Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG anzusehen. Ebenso sei das zwischen diesen beiden Theorie-Ausbildungsblöcken und somit noch vor der Ablegung der Dienstprüfung zu absolvierende Berufspraktikum I - das nach dem Ausbildungsplan der Vermittlung des für die Verwendung in einer Polizeiinspektion nötigen dienstbetrieblichen Wissens sowie der Beurteilung der persönlichen und fachlichen Eignung für den exekutiven Außendienst diene - als typische Form der Vermittlung praktischer Grundkenntnisse und damit als Berufsausbildung im Sinne des FLAG anzusehen.

13       Hingegen sei das - nach Ablegung der Dienstprüfung zu absolvierende - Berufspraktikum II mit dem von einer Absolventin eines Lehramtsstudiums geleisteten Unterrichtspraktikum am Arbeitsplatz vergleichbar, insofern keine Berufsausbildung mehr vorliege, sondern bereits eine Einschulung im Beruf des Polizisten am Arbeitsplatz.

14       Insgesamt gesehen seien daher lediglich die ersten drei Teile der im Ausbildungsplan der Sicherheitsakademie des Bundesministeriums für Inneres zur Grundausbildung für den Exekutivdienst angeführten Teile (Basisausbildung, Berufspraktikum I und Vertiefung der Basisausbildung samt Dienstprüfung) eine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG, womit der Beihilfenanspruch der Revisionswerberin mit Ablauf des Monates Oktober 2019 (Ende des zweiten Theorie-Ausbildungsblockes mit erfolgreicher Ablegung der Dienstprüfung am 24. Oktober 2019) ende.

15       Die Frage, ob der Ausbildungsbeitrag, den ein Polizeischüler während seiner Berufsausbildung erhalte, einer Entschädigung aus einem anerkannten Lehrverhältnis im Sinne des § 5 Abs. 1 lit. b FLAG gleichzuhalten sei, bejahte das Bundesfinanzgericht mit Verweis auf die Begründung eines anderen Erkenntnisses des Bundesfinanzgerichtes. Da die Grundausbildung für den Exekutivdienst durch eine generelle Norm - die Verordnung des Bundesministers für Inneres, BGBl. II Nr. 153/2017 - geregelt sei, liege nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ein „anerkanntes Ausbildungsverhältnis“ vor, das als „anerkanntes Lehrverhältnis“ im Sinne des § 5 Abs. 1 lit. b FLAG einzustufen sei. Bei einer anderen Sichtweise käme es zu unsachlichen Ergebnissen, weil der Zeitraum, für den Familienbeihilfe letztlich bezogen würde, entscheidend allein vom zufälligen Zeitpunkt des Beginns der Grundausbildung abhängen würde.

16       Der Revisionswerberin stehe daher unabhängig von der Höhe des von ihrem Sohn bezogenen Ausbildungsbeitrages für den Zeitraum März 2018 bis Oktober 2019 Familienbeihilfe zu.

17       Die Zulässigkeit der Revision begründete das Bundesfinanzgericht mit der vom Verwaltungsgerichtshof - in seinem Erkenntnis vom 18. Dezember 2018, Ra 2018/16/0203 - ausdrücklich offen gelassenen Frage, ob die Bezüge des Polizeischülers als Entschädigungen aus einem anerkannten Lehrverhältnis im Sinne des § 5 Abs. 1 lit. b FLAG anzusehen seien.

18       Die dagegen erhobene Revision legte das Bundesfinanzgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens - eine Revisionsbeantwortung sei nicht eingebracht worden - dem Verwaltungsgerichtshof vor.

19       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

20       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

21       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

22       Der Revisionswerber hat auch bei Erhebung einer ordentlichen Revision von sich aus die Zulässigkeit der Revision darzulegen, wenn er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichts für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht oder er andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet (vgl. VwGH 21.6.2022, Ro 2021/15/0023, mwN).

23       Der Verwaltungsgerichtshof hat weder Gründe für die Zulässigkeit der Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen noch ist er berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision führen könnten, aufzugreifen (vgl. VwGH 24.4.2020, Ra 2019/16/0175, mwN).

24       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes zur Kontrolle der Entscheidungen der Verwaltungsgerichte nämlich nicht nur für den Fall einer außerordentlichen Revision, sondern auch bei ordentlichen Revisionen auf die Wahrnehmung von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne dieser Bestimmung begrenzt (vgl. VwGH 7.2.2022, Ro 2020/17/0005, mwN).

25       Auf eine Rechtsfrage, die das Verwaltungsgericht bei der Zulassung der Revision als grundsätzlich erachtet hat, die in der Revision aber nicht angesprochen wird oder der in der Revision gar die Eignung als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abgesprochen wird, ist vom Verwaltungsgerichtshof nicht einzugehen (vgl. etwa VwGH 21.6.2022, Ro 2021/15/0022; 11.6.2021, Ro 2020/13/0005, jeweils mwN).

26       Das Bundesfinanzgericht erblickt in der Frage der Einstufung der von Polizeischülern bezogenen Ausbildungsbeiträge als „Entschädigungen aus einem anerkannten Lehrverhältnis“ gemäß § 5 Abs. 1 lit. b FLAG eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung. In der Revision wird dazu - in der Zulässigkeitsbegründung - ausgeführt, zu dieser Frage liege soweit ersichtlich zwar keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vor, jedoch sei diese Frage bereits aus dem Gesetz und der Literatur bejahend zu beantworten. Im gegenständlichen Fall liege entsprechend der bereits ergangenen Rechtsprechung des Bundesfinanzgerichtes (mit Verweis auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes) ein „anerkanntes Lehrverhältnis“ im Sinne des § 5 Abs. 1 lit. b FLAG vor. Die Rechtsansicht des Bundesfinanzgerichtes, wonach im konkreten Fall das Überschreiten der im § 5 Abs. 1 FLAG normierten Einkommensgrenze nicht beihilfeschädlich sei, werde demnach geteilt, sodass es hierzu keiner höchstgerichtlichen Klärung bedürfte.

27       Mit diesen Ausführungen bringt die Revisionswerberin klar zum Ausdruck, dass der vom Bundesfinanzgericht bei der Zulassung der Revision als grundsätzlich erachteten Rechtsfrage die Eignung als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG abgesprochen wird. Aus diesem Grund ist auf diese Rechtsfrage in Folge nicht mehr einzugehen (vgl. erneut VwGH 21.6.2022, Ro 2021/15/0022). Im Übrigen stellt sich diese Frage im vorliegenden Revisionsfall nicht, wie nachfolgend aufgezeigt wird.

28       Die Revisionswerberin bringt zur Zulässigkeit der Revision zunächst ergänzend vor, es sei klärungsbedürftig, wie verfahrensrechtlich im Falle der Bejahung des Anspruches auf Familienbeihilfe (mit oder ohne Anrechnung gemäß § 5 Abs. 1 FLAG) vorzugehen sei. Das Bundesfinanzgericht habe im angefochtenen Erkenntnis mit Aufhebung und dem „sinngemäßen“ Auftrag an das Finanzamt entschieden, die dargelegte Rechtsanschauung herzustellen, anstatt - nach Rechtsansicht der Revisionswerberin - sogleich eine inhaltliche betragsmäßige Entscheidung über die gebührende Familienbeihilfe zu treffen.

29       Entgegen diesen Ausführungen hat das Bundesfinanzgericht den von der Revisionswerberin bekämpften Bescheid allerdings nicht ersatzlos aufgehoben, sondern dahingehend abgeändert, dass der Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe für den Zeitraum ab November 2019 abgewiesen werde. Diese Vorgehensweise entspricht § 13 FLAG, wonach ein Bescheid nur zu ergehen hat, wenn einem Antrag auf Familienbeihilfe nicht oder nicht vollinhaltlich stattgegeben wird, während die Stattgabe eines Antrags durch die Gewährung (Auszahlung) der Familienbeihilfe erfolgt (vgl. VwGH 25.3.2021, Ra 2018/16/0164). Das angefochtene Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes tritt somit - als Entscheidung in der Sache gemäß § 279 Abs. 1 BAO - an die Stelle des von der Revisionswerberin bekämpften Bescheides. Fragen im Zusammenhang mit der Bindung der Abgabenbehörde an die Rechtsanschauung des Bundesfinanzgerichtes gemäß § 279 Abs. 3 BAO stellen sich vorliegend - anders, als die Revisionswerberin vermeint - nicht. Die Abgabenbehörde ist gemäß § 282 BAO unmittelbar verpflichtet, mit den ihr zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Bundesfinanzgerichtes entsprechenden Rechtszustand - im konkreten Fall somit die Auszahlung der Familienbeihilfe für den Zeitraum August 2019 bis Oktober 2019 ohne Vornahme einer Kürzung gemäß § 5 Abs. 1 FLAG (aufgrund der vom Bundesfinanzgericht vorgenommenen Einstufung der vom Sohn der Revisionswerberin bezogenen Ausbildungsbeiträge als „Entschädigungen aus einem anerkannten Lehrverhältnis“ gemäß § 5 Abs. 1 lit. b FLAG) - herzustellen.

30       Die Revisionswerberin erblickt die Zulässigkeit der Revision schließlich auch in der ungeklärten Frage, ob die (gesamte) zweijährige Grundausbildung für den Exekutivdienst - ungeachtet der einzelnen Ausbildungsabschnitte - als einheitliche Ausbildungsphase anzusehen sei, für die durchgehend Familienbeihilfe im ungekürzten Ausmaß zustehe.

31       Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof zur Frage der Abgrenzung der Berufsausbildung gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG von der Berufsausübung bereits in mehreren Erkenntnissen Stellung bezogen hat.

32       So fallen nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unter den im Gesetz nicht definierten Begriff der Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG jedenfalls alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird (vgl. etwa VwGH 25.3.2021, Ra 2018/16/0164, mwN). Ihren Abschluss findet eine Berufsausbildung jedenfalls mit dem Beginn der Ausübung eines bestimmten Berufes, auch wenn für den konkreten Arbeitsplatz noch eine spezifische Einschulung erforderlich sein mag (vgl. schon VwGH 18.11.1987, 87/13/0135).

33       Dies schließt allerdings nicht aus, dass auch bei bereits berufstätigen Personen eine Berufsausbildung vorliegen kann (vgl. VwGH 4.11.2020, Ra 2020/16/0039).

34       So ist einerseits die Gewährung der Familienbeihilfe nicht auf eine einzige Berufsausbildung beschränkt, sondern Familienbeihilfe ist auch (etwa nach Abschluss einer Berufsausbildung) im Rahmen der übrigen Anspruchsvoraussetzungen bei einer weiteren Berufsausbildung zu gewähren. Andererseits hat der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen, dass es für die Qualifikation einer Berufsausbildung nicht darauf ankommt, ob eine schulische oder kursmäßige Ausbildung berufsbegleitend organisiert ist. Dies lässt eine Berufsausbildung neben der Ausübung eines Berufes zu. Bei bereits berufstätigen Personen ist demnach zwischen einer Berufsausbildung (für einen anderen als den ausgeübten Beruf) und einer Fortbildung im erlernten Beruf zu unterscheiden (vgl. zu alldem VwGH 4.11.2020, Ra 2020/16/0064, mwN).

35       Dienstrechtliche Begriffe im Zusammenhang mit einer Ausbildung sind dabei nicht ausschlaggebend (vgl. auch VwGH 18.12.2018, Ra 2018/16/0203). Entscheidend ist auf den Inhalt der Tätigkeit abzustellen (vgl. erneut VwGH 4.11.2020, Ra 2020/16/0039).

36       An der Qualifikation einer Tätigkeit als Berufsausübung vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass im Rahmen der „praktischen Verwendung“ in der Ausbildungsphase noch die für die Erfüllung der Aufgaben erforderlichen Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten erlangt werden sollen (vgl. VwGH 25.3.2021, Ra 2018/16/0164; 18.12.2018, Ra 2018/16/0203).

37       Entsprechend diesen Grundsätzen hat der Verwaltungsgerichtshof das Unterrichtspraktikum nach dem (damaligen) Unterrichtspraktikumsgesetz, BGBl. Nr. 145/1988, nicht als Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG angesehen. Das Unterrichtspraktikum - als Teil einer (nach den Materialien zum Unterrichtspraktikumsgesetz, ErlRV 461 BlgNR 27. GP 10 f) „zweigliedrigen Ausbildung“, in der auf die „wissenschaftliche Ausbildung“ eine „Einführung in das praktische Lehramt“ folge - stelle sich seinem Inhalt nach „als typischer Fall einer Einschulung am Arbeitsplatz dar“, wie „im Allgemeinen am Beginn jeder Berufstätigkeit von Schulabgängern oder Universitätsabsolventen“. Dass diese Einschulung - aus berufsspezifischen Gründen - gesetzlich als Ausbildungsverhältnis deklariert worden sei, rechtfertige keine „unterschiedliche Behandlung der Unterrichtspraktikanten gegenüber anderen Berufsanfängern in Bezug auf den Anspruch auf Familienbeihilfe“ (vgl. VwGH 27.8.2008, 2006/15/0080).

38       Demgegenüber wurde die Tätigkeit eines Rechtspraktikanten nach dem Rechtspraktikantengesetz, BGBl. Nr. 644/1987, ihrem Inhalt nach nicht als „Einschulung am Arbeitsplatz“, sondern als „Berufsvorbildung“ und damit als Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG eingestuft (vgl. VwGH 18.11.2009, 2008/13/0015).

39       Bei der Grundausbildung der Bediensteten der Finanzverwaltung - nach der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Grundausbildung für die Bediensteten des Ressortbereiches (Grundausbildungsverordnung-BMF), BGBl. II Nr. 464/2015 - verneinte der Verwaltungsgerichtshof das Vorliegen einer Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG, weil diese Ausbildung während der Verwendung der betreffenden Personen als Finanzbedienstete (etwa am Finanzamt) und somit während einer den Familienbeihilfeanspruch ausschließenden Berufsausübung absolviert wurde (vgl. VwGH 25.3.2021, Ra 2018/16/0164).

40       Auch in Bezug auf die im vorliegenden Revisionsfall absolvierte Grundausbildung für den Exekutivdienst (Polizeigrundausbildung) hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 4. November 2020, Ra 2020/16/0039 (mit Verweis auf VwGH 18.12.2018, Ra 2018/16/0203, sowie die im damaligen Revisionsfall getroffenen Feststellungen des Bundesfinanzgerichtes zum Inhalt der Ausbildung), ausgesprochen, diese sei „noch“ als Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG anzusehen, wenn sie in einer „Basisausbildung“ mit einem Lehrplan und einer Stundentafel sowie - abgesehen allenfalls von einer Ausbildung im Waffengebrauch, in Selbstverteidigung oder im Sport - in theoretischen Unterweisungen, Aufgabenstellungen, Übungen und Arbeiten bestehe.

41       Die Frage, ob eine konkrete Tätigkeit auf Grundlage der in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entwickelten Kriterien als Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG einzustufen ist, stellt daher eine fallbezogene Beurteilung dar, die in ihrer Bedeutung über den Einzelfall in der Regel nicht hinausgeht. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG läge damit nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis geführt hätte.

42       Vor dem Hintergrund der angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat das Bundesfinanzgericht die ersten drei Ausbildungsblöcke der Polizeigrundausbildung (Basisausbildung, Berufspraktikum I und Vertiefung der Basisausbildung samt Dienstprüfung) als Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG eingestuft. Beim letzten, nach der Ablegung der Dienstprüfung zu absolvierenden, Teil der Polizeigrundausbildung - dem Berufspraktikum II - handle es sich hingegen um eine Einschulung im Beruf des Polizisten am Arbeitsplatz. Im konkreten Fall sei der Sohn der Revisionswerberin auf jener Polizeiinspektion eingeschult worden, auf der er nach seiner Übernahme in das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis seinen Dienst versehen habe. Diese Einschulung sei nicht mehr als Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG anzusehen.

43       Die Revisionswerberin erachtet es in diesem Zusammenhang lediglich für „klärungsbedürftig“, ob die (gesamte) zweijährige Grundausbildung für den Exekutivdienst als „einheitliche Ausbildungsphase“ (gemeint wohl: als Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG) anzusehen sei, sie behauptet allerdings nicht, das Bundesfinanzgericht sei mit seiner Beurteilung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen; das ist für den Verwaltungsgerichtshof auch nicht erkennbar.

44       Bei diesem Ergebnis stellt sich auch die - vom Bundesfinanzgericht als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung angesehene - Frage der Einstufung der vom Sohn der Revisionswerberin bezogenen Ausbildungsbeiträge als „Entschädigungen aus einem anerkannten Lehrverhältnis“ im Sinne des § 5 Abs. 1 lit. b FLAG nicht: Wird der letzte Teil der Polizeigrundausbildung (das Berufspraktikum II) nicht als Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG, sondern als Berufsausübung angesehen, besteht in dieser Zeit - im konkreten Fall für den Zeitraum ab November 2019 - kein Anspruch auf Familienbeihilfe, womit Fragen im Zusammenhang mit der Anwendbarkeit des § 5 Abs. 1 FLAG keine Relevanz haben. Für die davorliegende Zeit - ab Beginn der Polizeigrundausbildung bis zur Ablegung der Dienstprüfung (im konkreten Fall für den Zeitraum ab März 2018 bis Oktober 2019) - hat das Bundesfinanzgericht die Ausbildungsbeiträge hingegen als „Entschädigungen aus einem anerkannten Lehrverhältnis“ im Sinne des § 5 Abs. 1 lit. b FLAG eingestuft, womit die Revisionswerberin diesbezüglich durch das angefochtene Erkenntnis nicht beschwert ist.

45       In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 18. Oktober 2022

Schlagworte

Auswertung in Arbeit!

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RO2021160004.J00

Im RIS seit

16.11.2022

Zuletzt aktualisiert am

16.11.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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