TE Vfgh Beschluss 1994/2/28 G246/93

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Veröffentlicht am 28.02.1994
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Index

66 Sozialversicherung
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
ASVG §123 Abs9

Leitsatz

Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung einer Bestimmung des Sozialversicherungsrechts hinsichtlich der Angehörigeneigenschaft in der Krankenversicherung mangels Legitimation; Verwaltungsrechtsweg zumutbar

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. Die Antragstellerin bringt vor, sie sei in der Kanzlei ihres Ehemannes unselbständig beschäftigt und nach den Bestimmungen des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) krankenversichert; es komme ihr daher für ihre Angehörigen grundsätzlich eine Anspruchsberechtigung gemäß §123 ASVG zu. Da ihr Ehemann als Wirtschaftstreuhänder jedoch zu der Gruppe der in §2 Abs1 des Bundesgesetzes über die Sozialversicherung freiberuflich selbständig Erwerbstätiger (FSVG) angeführten Mitglieder der Kammer der Wirtschaftstreuhänder gehöre, komme aufgrund des §123 Abs9 lita ASVG, der die Anspruchsberechtigung für Angehörige auf Leistungen der Krankenversicherung derart einschränke, daß als Angehöriger nicht gelte, wer zu dem in dieser Vorschrift genannten Kreis zähle, die Anspruchsberechtigung für Angehörige im Sinne des §123 Abs1 ASVG bei ihm nicht zum Tragen.

§123 Abs9 lita ASVG sei für die Antragstellerin unmittelbar und ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden. Daran vermöge auch der Umstand nichts zu ändern, daß ihr Ehemann eine (freiwillige) Selbstversicherung in der Krankenversicherung nach §16 ASVG abgeschlossen habe, da es unzumutbar sei, die Beendigung dieser Versicherung zu verlangen.

Die Antragstellerin begehrt gemäß Art140 B-VG, §123 Abs9 lita ASVG (in eventu §123 Abs9 ASVG zur Gänze) aus den im Antrag näher dargelegten Gründen als verfassungswidrig aufzuheben.

II. Der Antrag ist unzulässig.

Gemäß Art140 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.

Der Verfassungsgerichtshof hat seit dem Beschluß VfSlg. 8009/1977 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt vertreten, die Antragslegitimation nach Art140 Abs1 B-VG setze voraus, daß durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden müssen und daß der durch Art140 Abs1 B-VG dem einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (z.B. VfSlg. 10481/1985, 11684/1988).

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt:

Der Antragstellerin ist es möglich und zumutbar, über die in Rede stehende Frage der Anspruchsberechtigung für ihren Ehegatten im Sinne des §123 Abs9 lita ASVG einen Bescheid des Krankenversicherungsträgers zu erwirken. Selbst wenn man die Möglichkeit einer Feststellung gemäß §410 Abs1 Z7 ASVG mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 29.6.1960, Z1361/56; 22.11.1967, Z1076/67; 10.1.1968, Z1370/67) verneint, ist die Frage der Anspruchsberechtigung für Angehörige jedenfalls in Leistungssachen als Vorfrage eines konkret geltend gemachten Leistungsanspruches zu klären (vgl. z.B. OLG Wien 28.7.1972, 20 R 116/72, ZAS 1974/4, und VfGH 22.3.1993 G204/93).

Für die Beschreitung dieser Wege ist es auch nicht erforderlich, daß der Ehemann der Antragstellerin seine (freiwillige) Selbstversicherung gemäß §16 ASVG aufkündigt. Selbst wenn der Krankenversicherungsträger die Leistungsberechtigung schon wegen Bestehens einer (freiwilligen) Krankenversicherung nach dem ASVG verneinen sollte, könnte dies den Verfassungsgerichtshof nicht hindern, auch die der Leistungsberechtigung allenfalls entgegenstehende Bestimmung des §123 Abs9 lita ASVG (gegebenenfalls auf Antrag des dazu berufenen Gerichtes) auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen, zumal sich die Frage, ob einem Angehörigen im Sinne des §123 ASVG ohnehin Leistungen kraft eigenen Rechts zustehen, erst dann stellt, wenn dessen Angehörigeneigenschaft bejaht wurde.

Der Antrag ist daher mangels Legitimation gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Krankenversicherung, Angehörigenverhältnis

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1994:G246.1993

Dokumentnummer

JFT_10059772_93G00246_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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