TE Lvwg Erkenntnis 2022/10/12 LVwG-2022/40/2483-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.10.2022
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

12.10.2022

Index

50/01 Gewerbeordnung

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Mag. Piccolroaz über die Beschwerde des AA, vertreten durch Rechtsanwalt BB, Adresse 1, **** Z, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Z vom 09.08.2022, Zl ***, betreffend die Erteilung einer Nachsicht vom Gewerbeausschlussgrund nach der GewO 1994,

zu Recht:

1.       Der Beschwerde wird Folge gegeben und der Spruch des angefochtenen Bescheides dahingehend abgeändert, dass er wie folgt zu lauten hat:

„Gemäß § 26 Abs 1 GewO 1994 wird Herrn AA die Nachsicht vom Ausschluss von der Gewerbeausführung wegen gerichtlicher Verurteilung für die Ausübung des Gewerbes „Hausbetreuung, bestehend in der Durchführung einfacher Reinigungstätigkeiten einschließlich objektbezogener einfacher Wartungstätigkeiten“ erteilt.“

2.       Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision nach Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang und Sachverhalt:

Mit Eingabe vom 29.06.2022 suchte der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde um Erteilung einer Nachsicht vom Gewerbeausschlussgrund wegen der ergangenen gerichtlichen Verurteilungen für die Ausübung des Gewerbes „Hausbetreuung, bestehend in der Durchführung einfacher Reinigungstätigkeiten einschließlich objektbezogener einfacher Wartungstätigkeiten“ an.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 09.08.2022, Zl ***, wurde die Nachsicht vom Ausschluss von der Gewerbeausübung wegen der gerichtlichen Verurteilungen verweigert. Aufgrund der Verurteilungen des Landesgerichtes Z Zl *** vom 11.04.2005 sei der Beschwerdeführer gemäß § 146, § 147 Abs 1 und 2 und § 198 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt worden, weiters aufgrund des Urteiles des BG Z Zl *** vom 06.12.2011 wegen § 83 Abs 1 StGB zu einer Geldstrafe von 200 Tagessätzen und aufgrund des Urteils des LG Z Zl *** vom 01.06.2012 sei der Beschwerdeführer gemäß § 83 Abs 1 und § 83 Abs 1 und § 84 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Der Beschwerdeführer sei daher von der Ausübung eines Gewerbes gemäß § 13 Abs 1 Z 1 lit b und Z 2 GewO 1994 ausgeschlossen. Bei der Ausübung des Gewerbes könne die Begehung einer gleichen oder ähnlichen Straftat nicht ausgeschlossen werden. Aufgrund der mit der selbständig unternehmerischen Tätigkeit verbundenen Kontakte mit Geschäftspartnern, Kunden und weiteren im geschäftlichen Zusammenhang stehenden Personen könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Nachsichtswerber wiederum gleiche oder ähnliche Delikte, welche den Gewerbeausschluss darstellten, begehe. Der Zeitraum zwischen der Verurteilung und der Antragstellung mit 10 Jahren sei durchaus ein langer, doch um ein Wohlverhalten bzw eine wiederhergestellte Vertrauenswürdigkeit zu beurteilen, müsse der gesamte Strafverlauf herangezogen werden. Weiters sei die Gefahr einer Wiederbegehung im Zusammenhang mit der Ausübung eines Gewerbes gegeben.

In der dagegen fristgerecht eingebrachten Beschwerde bringt der rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführer im Wesentlichen zusammengefasst vor, dass der Beschwerdeführer fast zehn Jahre nicht mehr strafrechtlich aufgefallen sei. Er bemühe sich seit Jahren mit unselbständigen Tätigkeiten seinen Lebensunterhalt zu verdienen und seinen Unterhaltspflichten nachzukommen. Die Tilgung der Verurteilung würde in absehbarer Zeit eintreten, nämlich am 26.05.2024 (in 19 Monaten).

II.      Beweiswürdigung:

Der vorhin festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem verwaltungsbehördlichen Akt und ist insofern auch unstrittig.

III.     Rechtslage:

Die verfahrensgegenständlich relevanten Bestimmungen der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994), BGBl Nr 194/1994, zuletzt geändert durch BGBl I Nr 108/2022 lauten:

„§ 13. (1) Natürliche Personen sind von der Ausübung eines Gewerbes ausgeschlossen, wenn sie

1. von einem Gericht verurteilt worden sind

a)  wegen betrügerischen Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen und Zuschlägen nach dem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz (§ 153d StGB), organisierter Schwarzarbeit (§ 153e StGB), betrügerischer Krida, Schädigung fremder Gläubiger, Begünstigung eines Gläubigers oder grob fahrlässiger Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen (§§ 156 bis 159 StGB) oder

b)  wegen einer sonstigen strafbaren Handlung zu einer drei Monate übersteigenden Freiheitsstrafe oder zu einer Geldstrafe von mehr als 180 Tagessätzen und

2.  die Verurteilung nicht getilgt ist.

Von der Ausübung eines Gastgewerbes sind natürliche Personen ausgeschlossen, wenn gegen sie eine nicht getilgte gerichtliche Verurteilung wegen Übertretung der §§ 28 bis 31a des Suchtmittelgesetzes, BGBl. I Nr. 112/1997, in der jeweils geltenden Fassung, vorliegt. Bei Geldstrafen, die nicht in Tagessätzen bemessen sind, ist die Ersatzfreiheitsstrafe maßgebend. Bei Verhängung einer Freiheitsstrafe und einer Geldstrafe sind Freiheitsstrafe und Ersatzfreiheitsstrafe zusammenzuzählen. Dabei ist ein Monat dreißig Tagen gleichzuhalten. Die Bestimmungen dieses Absatzes gelten auch, wenn mit den angeführten Ausschlussgründen vergleichbare Tatbestände im Ausland verwirklicht wurden.

(…)

5. Nachsicht von den Voraussetzungen für die Ausübung von Gewerben

§ 26 (1) Die Behörde hat im Falle des Ausschlusses von der Gewerbeausübung gemäß § 13 Abs. 1 oder 2 die Nachsicht von diesem Ausschluß zu erteilen, wenn nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes nicht zu befürchten ist.

(…)“

IV.      Erwägungen:

Gemäß § 26 Abs 1 GewO 1994 hat die Behörde im Fall des Ausschlusses von der Gewerbeausübung gemäß § 13 Abs 1 oder Abs 2 GewO 1994 die Nachsicht von diesem Ausschluss zu erteilen, wenn nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes nicht zu befürchten ist. Demnach hat also die Behörde bei der Prüfung der Frage, ob die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes zu befürchten ist, sowohl auf die Eigenart der strafbaren Handlung als auch auf das Persönlichkeitsbild des Verurteilten Bedacht zu nehmen.

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht die von der belangten Behörde herangezogenen Verurteilungen des Landesgerichtes Z bzw des Bezirksgerichtes Z wegen der Verbrechen der schweren Körperverletzung nach den § 83 Abs 1 und § 84 Abs 1 StGB sowie des schweren Betruges gemäß § 147 Abs 1 und 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 5 bzw 10 Monaten und zu einer unbedingten Geldstrafe von 200 Tagessätzen verurteilt worden zu sein. Damit hat der Beschwerdeführer den Gewerbeausschluss aufgrund des § 13 Abs 1 Z 1 lit b GewO 1994 verwirklicht.

Der Beschwerdeführer steht in diesem Zusammenhang auf dem Standpunkt, dass ein Wohlverhalten von mehr als zehn Jahren seit der letzten Tatbegehung ausreichend wäre, um von einer Wandlung des Persönlichkeitsbildes ausgehen zu können, sodass die Befürchtung der Begehung einer gleichen oder ähnlichen Straftat bei Ausübung des in Aussicht genommenen Gewerbes nicht mehr bestehen würde.

Betrachtet man nun die in den § 147 bzw § 84 StGB vorgesehenen Strafrahmen (Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren) und vergleicht dies mit den rechtskräftigen Urteilen, so fällt auf, dass die verhängten Strafen im unteren Bereich des Strafrahmens angesetzt wurden und daher die Taten offensichtlich nicht von besonderer Verwerflichkeit gekennzeichnet waren.

In Bezug auf das weiters zu prüfende Persönlichkeitsbild des Beschwerdeführers ist festzuhalten, dass – wie der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Beschwerde zutreffend ausführt – seit der letzten Tatbegehung am 13.01.2012 ein Zeitraum von über 10 ½ Jahren vorliegt, in welchem sich der Beschwerdeführer wohlverhalten hat. Eine ergänzende Einsichtnahme in das Verwaltungsstrafregister durch das Landesverwaltungsgericht hat ergeben, dass der Beschwerdeführer verwaltungsstrafrechtlich bisher nicht in Erscheinung getreten ist. Wenngleich der Beschwerdeführer in den Jahren 2002 bis 2012 in sieben Fällen rechtskräftig von einem inländischen Gericht verurteilt worden ist, so ist dennoch festzuhalten, dass sich der Beschwerdeführer innerhalb der letzten 10 ½ Jahre wohlverhalten hat und sieht das erkennende Gericht diesen Zeitraum gerade im Zusammenhang mit den vom Beschwerdeführer verwirklichten Delikten in diesem konkreten Einzelfall als gerade noch ausreichend an, um eine günstige Zukunftsprognose anstellen zu können.

Infolge der glaubwürdigen Angaben des Beschwerdeführers, dass er zahlreiche Unterhaltspflichten zu leisten hat und sich zukünftig um stabile finanzielle Verhältnisse bemühen möchte, sieht es das Landesverwaltungsgericht als vertretbar an, die Nachsicht vom Gewerbeausschlussgrund gemäß § 26 Abs 1 GewO 1994 zu erteilen, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

V.       Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen. Soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Mag. Piccolroaz

(Richter)

Schlagworte

Wohlverhalten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2022:LVwG.2022.40.2483.1

Zuletzt aktualisiert am

15.11.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten