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L37154 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
BauO OÖ 1976 §32;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):96/05/0018Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerden 1. des H und der GD in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in L, und
2. des A und der CL in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 4. Dezember 1992, Zl. BauR - 010858/1 - 1992 Stö/Vi, betreffend Nachbareinwendungen in einem Bauverfahren (mitbeteiligte Parteien: 1. Ing. O, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W;
2. Gemeinde Thalheim bei Wels, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Oberösterreich hat den Erstbeschwerdeführern insgesamt Aufwendungen in der Höhe von S 13.010,-- und den Zweitbeschwerdeführern insgesamt Aufwendungen in der Höhe von S 13.070,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren der Zweitbeschwerdeführer wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid vom 27. Jänner 1992 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde dem Erstmitbeteiligten aufgrund seines Ansuchens vom 29. August 1990 die Baubewilligung für den Neubau eines Seniorenheimes und den Abbruch des Nebengebäudes auf Parzelle Nr. n2 bzw. .nn, EZ n1, KG X. Die Einwendungen u.a. der Beschwerdeführer wurden als unbegründet abgewiesen.
Aufgrund von dagegen erhobenen Berufungen der Beschwerdeführer wurde mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 14. August 1992 der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides dahin geändert, daß die Baubewilligung für das Seniorenheim "für den gemeinsamen Bauplatz n2 und .nn, KG X", gelte. Die in den Berufungen erhobenen Einwendungen der Beschwerdeführer wurden abgewiesen.
Auch den dagegen von den Beschwerdeführern erhobenen Vorstellungen wurde mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge gegeben. Die Beschwerdeführer seien in keinen Rechten verletzt worden. Es liege auch kein Widerspruch mit der rechtswirksamen Flächenwidmung "Wohngebiet" vor. Wohngebiete seien gemäß § 16 Abs. 3 Oö ROG Flächen, die für Wohngebäude bestimmt seien, andere Bauten und sonstige Anlagen dürften in Wohngebieten nur errichtet werden, wenn sie wirtschaftlichen, sozialen oder kulturellen Bedürfnissen dienten und ihre ordnungsgemäße Benützung keine Gefahren oder unzumutbare Belästigungen für die Bewohner mit sich bringen. Selbst wenn das beantragte Projekt, ein Seniorenheim, in Form eines Gewerbebetriebes geführt werden sollte, handle es sich um ein Wohngebäude. Das geplante Projekt rufe keine schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des § 23 Abs. 2 Oö Bauordnung hervor, wie sich dies aus entsprechenden im Verfahren eingeholten Gutachten ergeben habe. In der Vorstellung werde diesen Gutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. Für das vorliegende Projekt sei in bezug auf die Gebäudehöhe und den Abstand der Bebauungsplan Nr. 1.1. "X", Änderung Nr. 3, maßgeblich, der vom Gemeinderat am 22. September 1988 beschlossen, von der Landesregierung mit Bescheid vom 27. Dezember 1988 genehmigt und vom 2. bis 17. Jänner 1989 kundgemacht worden sei. Dieser sehe ein Gebäude mit maximal drei Vollgeschoßen und einem Dachgeschoß vor. Die maximale Firsthöhe werde mit 15,5 m festgelegt. Auch wenn einzelne Gebäudeteile, die im Bebauungsplan eingetragene Firsthöhe geringfügig überschritten, bestehe kein Widerspruch zu dem Bebauungsplan, da der für die Gebäudehöhe maßgebliche Dachfirst die maximal zulässige Firsthöhe einhalte. Auch die Umbenennung des dritten Obergeschosses in Dachgeschoß könne daran nichts ändern, das im übrigen tatsächlich - unbeschadet seiner Benennung in den Einreichplänen - als Dachgeschoß im Sinne des Bebauungsplanes anzusehen sei. In den gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerden, die aufgrund ihres sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden werden, wird die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Die belangte Behörde hat - wie die erstmitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift erstattet, die Verwaltungsakten vorgelegt und jeweils eine kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Aus Anlaß dieser Bescheidbeschwerdeverfahren sind beim Verwaltungsgerichtshof Bedenken in bezug auf die Gesetzmäßigkeit und die Verfassungsmäßigkeit (Gleichheitssatz) gegen die angeführte Änderung Nr. 3 des Bebauungsplanes Nr. 1.1. "Aigen-Aschet", soweit sie das Grundstück Nr. n2 und die Baufläche .nn, EZ n1, KG X, betrifft, entstanden, weshalb beim Verfassungsgerichtshof ein Antrag gemäß Art. 139 Abs. 1 B-VG gestellt worden ist, den angeführten Teil des in den vorliegenden Beschwerdeverfahren präjudiziellen Bebauungsplanes Nr. 1.1. "X", Änderung Nr. 3, als gesetzwidrig aufzuheben. Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 2. Dezember 1995, V 146/94-7, wurde der angeführte Teil der genannten Verordnung im Sinne des Antrages des Verwaltungsgerichtshofes als gesetzwidrig aufgehoben.
Gemäß Art. 139 Abs. 6 B-VG ist eine vom Verfassungsgerichtshof als gesetzwidrig aufgehobene Verordnung - anders als bei allen anderen vor der Aufhebung verwirklichten Tatbeständen - in bezug auf den Anlaßfall nicht anzuwenden. Da es sich bei den vorliegenden Beschwerdefällen um Anlaßfälle im Sinne des Art. 139 Abs. 6 B-VG handelt, waren diese im fortgesetzten Beschwerdeverfahren beim Verwaltungsgerichtshof anhand der bereinigten Rechtslage nach Wegfall des angeführten Teiles des verfahrensgegenständlichen Bebauungsplanes zu prüfen.
Entsprechend der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (vgl. u.a. das Erkenntnis vom 10. Juni 1983, Slg. 9690) und auch des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. insbesondere das hg. Erkenntnis vom 8. März 1994, Zl. 93/05/0276) bewirkt die Aufhebung einer Änderung einer Verordnung nicht, daß diese Verordnung in der Form vor ihrer Änderung durch die aufgehobene Verordnung wieder in Kraft tritt. Dies wird insbesondere daraus abgeleitet, daß Art. 140 Abs. 6 erster Satz B-VG ausdrücklich im Zusammenhang mit der Aufhebung von Gesetzen vorsieht, daß grundsätzlich die gesetzlichen Bestimmungen wieder in Kraft treten, die durch das vom Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig erkannte Gesetz aufgehoben worden waren, sofern der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis nicht anderes ausspricht. Im Gegensatz dazu hat der Bundesverfassungsgesetzgeber in Art. 139 B-VG im Zusammenhang mit der Aufhebung gesetzwidriger Verordnungen durch den Verfassungsgerichtshof eine gleichartige Regelung nicht angeordnet. Es ist daher in den vorliegenden Beschwerdefällen davon auszugehen, daß für die verfahrensgegenständlichen Grundstücke kein Bebauungsplan besteht.
Gemäß § 49 Abs. 2 Oö Bauordnung, LGBl. Nr. 35/1976 in der im Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides (im August 1992) maßgeblichen Stammfassung, ist die beantragte Baubewilligung, sofern nicht eine Zurückweisung oder eine Abweisung nach § 45 zu erfolgen hat, zu erteilen, wenn die erforderliche Zustimmung des Grundeigentümers vorliegt und das Bauvorhaben in allen seinen Teilen den Bestimmungen des Flächenwidmungsplanes und des Bebauungsplanes sowie, unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 4, dem § 23, den hiezu erlassenen Durchführungsvorschriften und sonstigen baurechtlichen Vorschriften nicht widerspricht. Andernfalls ist die beantragte Baubewilligung zu versagen. Im vorliegenden Fall wurde durch die Aufhebung des angeführten Teiles des Bebauungsplanes durch den Verfassungsgerichtshof eine maßgebliche materielle Rechtsgrundlage für die Erteilung der verfahrensgegenständlichen Baubewilligung und die Abweisung der Einwendungen der Beschwerdeführer beseitigt. Durch die Anwendung der als gesetzwidrig erkannten Änderung des Bebauungsplanes in den vorliegenden Beschwerdefällen wurden die Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in Rechten verletzt, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben war.
Angemerkt wird, daß nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes der Verordnungsgeber verpflichtet ist, eine dem angeführten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes Rechnung tragende Ergänzung des Bebauungsplanes betreffend die verfahrensgegenständlichen Grundstücke zu erlassen, um so den für das Gebiet der Gemeinde "X" erlassenen Bebauungsplan wieder dem Gleichheitssatz entsprechend zu vervollständigen. Sollte der Verordnungsgeber dieser Verpflichtung nicht nachkommen, so wird darauf hingewiesen, daß sich bei einer allfälligen Heranziehung des § 32 Oö Bauordnung im fortgesetzten Verfahren einzig für die verfahrensgegenständlichen Grundstücke dieselbe Unsachlichkeit, die der Verfassungsgerichtshof für die aufgehobene Änderung des Bebauungsplanes festgestellt hat, im Hinblick auf diese gesetzliche Norm in Bezug auf Fälle der vorliegenden Art ergeben wird.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren der Zweitbeschwerdeführer war im Hinblick darauf, daß in den in der angeführten Verordnung genannten Pauschalbeträgen die Umsatzsteuer enthalten ist und Stempelgebühren für die Beschwerde in vierfacher Ausfertigung und den angefochenen Bescheid in einfacher Ausfertigung zustehen, abzuweisen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1996050017.X00Im RIS seit
03.05.2001Zuletzt aktualisiert am
08.08.2009