TE Vwgh Erkenntnis 2022/9/29 Ra 2021/10/0039

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Veröffentlicht am 29.09.2022
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Index

L92009 Sozialhilfe Grundsicherung Mindestsicherung Wien
001 Verwaltungsrecht allgemein
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
67 Versorgungsrecht

Norm

AVG §56
HOG 2017
HOG 2017 §1
HOG 2017 §2
HOG 2017 §2 Abs3
KOVG 1957
MSG Wr 2010 §10
MSG Wr 2010 §10 Abs6 Z2
MSG Wr 2010 §12
MSG Wr 2010 §12 Abs2 Z2
MSG Wr 2010 §12 Abs3
MSG Wr 2010 §24 Abs2
MSG Wr 2010 §9
VwGG §42 Abs1
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §17
VwRallg

Beachte


Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ra 2021/10/0040

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer, die Hofrätin Dr. Leonhartsberger und den Hofrat Dr. Eisner als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Derfler, über die Revisionen der R R in W, vertreten durch Dr. Johannes Öhlböck, LL.M., Rechtsanwalt in 1080 Wien, Wickenburggasse 26/5, gegen die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtes Wien jeweils vom 8. September 2020, Zlen. 1. VGW-141/035/4512/2020-5 (protokolliert zu Ra 2021/10/0039) und 2. VGW-141/035/4495/2020-17 (protokolliert zu Ra 2021/10/0040), betreffend Mindestsicherung bzw. Kostenersatz für geleistete Mindestsicherung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision gegen das erstangefochtene Erkenntnis wird als unbegründet abgewiesen.

Das zweitangefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Das Land Wien hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1        1. Mit dem erstangefochtenen (zu Ra 2021/10/0039 protokollierten) Erkenntnis vom 8. September 2020 wies das Verwaltungsgericht Wien - im Beschwerdeverfahren - einen (Folge-)Antrag der Revisionswerberin vom 16. September 2019 auf Zuerkennung von Mietbeihilfe gemäß § 9 Wiener Mindestsicherungsgesetz - WMG ab.

2        Mit dem zweitangefochtenen (zu Ra 2021/10/0040 protokollierten) Erkenntnis vom selben Tag verpflichtete das Verwaltungsgericht - im Beschwerdeverfahren - die Revisionswerberin gemäß § 24 WMG dazu, € 2.288,81 an in der Zeit vom 1. Oktober 2016 bis 31. Oktober 2018 aufgewendeten Kosten für Leistungen der Mindestsicherung zu ersetzen.

3        Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde in beiden Fällen nicht zugelassen.

4        Das Verwaltungsgericht legte seinen Entscheidungen - soweit für die vorliegenden Revisionsverfahren von Interesse - zugrunde, die Revisionswerberin beziehe eine Pension von monatlich € 651,52; ihr verblieben pro Monat an Mietkosten € 480,02. Bis zum 30. September 2019 habe sie eine Mietbeihilfe nach dem WMG (in Höhe von zuletzt € 178,45 monatlich) bezogen.

5        Am 13. Juni 2018 habe die NÖ Landesregierung der Revisionswerberin € 10.000,-- als pauschalierte Entschädigungsleistung „Opferschutz Neu“ überwiesen.

6        Mit Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt vom 5. November 2018 sei der Revisionswerberin ab 1. Juli 2017 für die Dauer der Zuerkennung der Eigenpension eine Heimopferrente gemäß § 1 und 2 Heimopferrentengesetz - HOG von (derzeit) € 325,90 monatlich zuerkannt worden. Am 7. November 2018 habe die Revisionswerberin aufgrund dessen eine Nachzahlung an Heimopferrente in Höhe von € 4.866,-- erhalten; ihr Gerichtsdepotkonto habe mit 7. November 2018 ein Guthaben von € 9.193,91, mit 2. September 2019 ein Guthaben von € 10.710,46 sowie mit 14. November 2019 ein Guthaben von € 9.997,32 aufgewiesen.

7        Im Zeitraum vom 1. Oktober 2016 bis 31. Oktober 2018 seien an die Revisionswerberin insgesamt Mindestsicherungsleistungen in Höhe von € 2.288,81 ausbezahlt worden.

8        In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, zwar sei die der Revisionswerberin angewiesene pauschalierte Entschädigungsleistung „Opferschutz Neu“ in Höhe von € 10.000,-- als „anrechenfreies Vermögen“ zu werten (Hinweis auf § 10 Abs. 6 Z 2 WMG).

9        Nach ständiger Rechtsprechung zu den Vorschriften der Sozialhilfegesetze der Länder über die Heranziehung des Vermögens bei der Vorschreibung eines Kostenbeitrages zu den Kosten der Sozialhilfe seien allerdings Ersparnisse als Vermögen des Hilfeempfängers zu behandeln; dabei sei es nicht maßgeblich, aus welchen Quellen Ersparnisse gebildet worden seien. Auch wenn die Ersparnisse aus Einkommensteilen gebildet worden seien, die bei der Gewährung von Sozialhilfe außer Ansatz zu bleiben haben, seien sie als Vermögen im Sinne der Regelungen über die Heranziehung des Vermögens bei der Leistung von Kostenersatz anzusehen (Hinweis u.a. auf VwGH 19.12.2005, 2003/10/0200, und 23.4.2007, 2007/10/0011).

10       Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung sei auch das von der Revisionswerberin zum Teil aus dem am 7. November 2018 gutgeschriebenen Rentennachzahlungsbetrag gebildete Vermögen als ein Vermögen im Sinne der Regelungen über die Mindestsicherung anzusehen.

11       Unter Berücksichtigung des Vermögensfreibetrages (für 2018) errechne sich per 7. November 2018 ein verwertbares Vermögen von € 4.015,67, aus welchem - so das Verwaltungsgericht im zweitangefochtenen Erkenntnis - gemäß § 24 WMG Kostenersatz für die im Zeitraum bis 31. Oktober 2018 erhaltene Mindestsicherung (in Höhe von € 2.288,81) zu leisten sei.

12       Da das per 2. September 2019 angesparte Vermögen von € 10.710,46 abzüglich des Vermögensfreibetrages von € 4.427,35 (§ 3 WMG-VO 2019) und des vorgeschriebenen Kostenersatzes im Ausmaß von € 2.288,81 ein verwertbares Vermögen von € 3.994,30 ergebe, habe die belangte Behörde - so das Verwaltungsgericht im erstangefochtenen Erkenntnis - in ihrem vor dem Verwaltungsgericht bekämpften Bescheid den Mindestsicherungsantrag der Revisionswerberin betreffend Mietbeihilfe zu Recht abgewiesen.

13       2. Gegen diese Erkenntnisse richten sich die vorliegenden außerordentlichen Revisionen.

14       Die belangte Behörde hat jeweils von der Erstattung einer Revisionsbeantwortung abgesehen, dies unter Hinweis „auf die einschlägige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zum § 24 Wiener Mindestsicherungsgesetz“.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen des persönlichen und sachlichen Zusammenhangs zur gemeinsamen Beschlussfassung verbundenen Revisionssachen erwogen:

15       1. Für die vorliegenden Revisionsfälle sind folgende Bestimmungen in den Blick zu nehmen:

Wiener Mindestsicherungsgesetz - WMG:

Mindeststandards

§ 8. (1) Die Bemessung der Leistungen zur Deckung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs erfolgt auf Grund der Mindeststandards gemäß Abs. 2, die bei volljährigen Personen auch einen Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs im Ausmaß von 25 vH des jeweiligen Mindeststandards enthalten.

[...]

Mietbeihilfe

§ 9. (1) Ein über den Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs nach § 8 Abs. 1 hinausgehender Bedarf wird an die anspruchsberechtigten Personen als Bedarfsgemeinschaft in Form einer monatlichen Geldleistung (Mietbeihilfe) zuerkannt, wenn dieser nachweislich weder durch eigene Mittel noch durch Leistungen Dritter gedeckt werden kann. [...]

[...]

Anrechnung von Einkommen und sonstigen Ansprüchen

§ 10. (1) Auf den Mindeststandard ist das Einkommen der Person, für die der jeweilige Mindeststandard gilt, anzurechnen. [...]

[...]

(6) Von der Anrechnung ausgenommen sind:

1.   Leistungen nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 mit Ausnahme von Zuwendungen aus dem Familienhospizkarenz-Härteausgleich und Kinderabsetzbeträge nach § 33 Abs. 3 EStG 1988,

2.   Schmerzensgeld, Entschädigungsleistungen für Opfer, Leistungen des Sozialentschädigungsrechts (Kriegsopferversorgungsgesetz 1957, Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz, Opferfürsorgegesetz, Heeresentschädigungsgesetz, Verbrechensopfergesetz, Impfschadengesetz, Conterganhilfeleistungsgesetz, Heimopferrentengesetz), sofern es sich nicht um eine einkommensabhängige Rentenleistung mit Mindestsicherungscharakter handelt,

[...]

Anrechnung von Vermögen

§ 12. (1) Auf die Summe der Mindeststandards ist das verwertbare Vermögen von anspruchsberechtigten Personen der Bedarfsgemeinschaft anzurechnen.

(2) Soweit keine Ausnahmeregelung nach Abs. 3 anzuwenden ist, gelten als verwertbar:

1.   unbewegliches Vermögen;

2.   Ersparnisse und sonstige Vermögenswerte.

(3) Als nicht verwertbar gelten:

1.   Gegenstände, die zu einer Erwerbsausübung oder der Befriedigung angemessener kultureller Bedürfnisse der Hilfe suchenden Person dienen;

2.   Gegenstände, die als angemessener Hausrat anzusehen sind;

3.   Kraftfahrzeuge, die berufsbedingt oder auf Grund besonderer Umstände (insbesondere Behinderung, unzureichende Infrastruktur) erforderlich sind;

4.   unbewegliches Vermögen, wenn dieses zur Deckung des angemessenen Wohnbedarfs der Bedarfsgemeinschaft dient;

5.   verwertbares Vermögen nach Abs. 2 bis zu einem Freibetrag in Höhe des Fünffachen des Mindeststandards nach § 8 Abs. 2 Z 1 (Vermögensfreibetrag);

6.   sonstige Vermögenswerte, solange Leistungen der Wiener Mindestsicherung nicht länger als für eine Dauer von sechs Monaten bezogen wurden. Dabei sind alle ununterbrochenen Bezugszeiträume im Ausmaß von mindestens zwei Monaten innerhalb von zwei Jahren vor der letzten Antragstellung zu berücksichtigen.

[...]

Kostenersatz bei Vermögen oder Einkommen, das nicht aus eigener Erwerbstätigkeit stammt

§ 24. (1) Für Kosten, die dem Land Wien als Träger der Mindestsicherung durch die Zuerkennung von Leistungen zur Mindestsicherung entstehen, ist dem Land Wien als Träger der Mindestsicherung nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen Ersatz zu leisten. Ein Anspruch auf Mindestsicherung schließt dabei einen Kostenersatzanspruch des Trägers der Wiener Mindestsicherung nicht aus.

(2) Ersatzpflichtig sind alle Personen, die Leistungen der Mindestsicherung bezogen haben, soweit sie nach Zuerkennung der Leistung zu Vermögen oder Einkommen, das nicht aus eigener Erwerbstätigkeit stammt, gelangen, unabhängig davon, ob sie Hilfe empfangen oder das Vermögen noch vorhanden ist. [...]

[...]“

Bundesgesetz betreffend die Rentenleistung für Opfer von Gewalt in Heimen (Heimopferrentengesetz - HOG):

Personenkreis

§ 1. (1) Personen, die eine pauschalierte Entschädigungsleistung wegen nach dem 9. Mai 1945 bis zum 31. Dezember 1999 erlittener Gewalt im Rahmen einer Unterbringung in Kinder- oder Jugendheimen, als Kinder oder Jugendliche in Kranken-, Psychiatrie- und Heilanstalten beziehungsweise in vergleichbaren Einrichtungen der Gebietskörperschaften oder Gemeindeverbände, in entsprechenden privaten Einrichtungen, sofern diese funktional für einen Jugendwohlfahrtsträger tätig wurden, in entsprechenden Einrichtungen der Kirchen oder in Pflegefamilien von einem Heim-, Jugendwohlfahrts-, Krankenhausträger oder Träger der vergleichbaren Einrichtung beziehungsweise den von diesen mit der Abwicklung der Entschädigung beauftragten Institutionen erhalten haben, haben ab dem Zeitpunkt und für die Dauer der Zuerkennung einer Eigenpension, spätestens aber mit Beginn des Monats, der auf die Erreichung des Regelpensionsalters (§§ 253 und 617 Abs. 11 ASVG) folgt, Anspruch auf eine monatliche Rentenleistung nach diesem Bundesgesetz.

(2) Personen, die eine Eigenpension beziehen oder das Regelpensionsalter erreicht haben, aber kein Ansuchen auf eine Entschädigung beim Heim- oder Jugendwohlfahrtsträger oder bei den von diesen mit der Abwicklung der Entschädigung beauftragten Institutionen gestellt haben, oder deren Ansuchen nicht entsprochen wurde, erhalten die Rentenleistung unter den sonstigen Voraussetzungen des Abs. 1, wenn sie wahrscheinlich machen, dass sie nach dem 9. Mai 1945 bis zum 31. Dezember 1999 in einem der genannten Heime oder in Pflegefamilien Opfer eines vorsätzlichen Gewaltdeliktes im Sinne des Strafgesetzbuches - StGB, BGBl. Nr. 60/1974, in der geltenden Fassung, wurden.

[...]

Leistung

§ 2. (1) Die monatliche Rentenleistung beträgt 300 €. Auf die Rentenleistung ist ein nach dem Verbrechensopfergesetz (VOG), BGBl. Nr. 288/1972, wegen einer Schädigung in einem Heim, in Pflegefamilien oder in einer Krankenanstalt oder vergleichbaren Einrichtung erbrachter Ersatz des Verdienstentganges samt einer einkommensabhängigen Zusatzleistung anzurechnen und die Rentenleistung bei Änderung der Höhe des Ersatzes des Verdienstentganges und der einkommensabhängigen Zusatzleistung neuzubemessen. [...]

(2) Der Leistungsbetrag ist mit Wirkung ab 1. Jänner 2018 und in der Folge mit Wirkung vom 1. Jänner eines jeden Jahres mit dem für den Bereich des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes festgesetzten Anpassungsfaktor zu vervielfachen. [...]

(3) (Verfassungsbestimmung) Die Rentenleistung gilt nicht als Einkommen nach den Mindestsicherungsgesetzen der Länder und den sonstigen landesgesetzlichen Regelungen.“

16       2. Zur Zulässigkeit beider Revisionen bringt die Revisionswerberin vor, es gebe noch keine hg. Rechtsprechung zu Rentenleistungen nach dem Heimopferrentengesetz, welchen „Entschädigungscharakter“ zukomme. Die vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegte Rechtsprechung betreffe die Anrechnung von Familienbeihilfe; der Familienlastenausgleich durch Beihilfen verfolge allerdings einen gänzlich anderen Zweck als Sozialentschädigungen wie gegenständlich eine Rente nach dem Heimopferrentengesetz.

17       Zur Zulässigkeit ihrer Revision gegen das zweitangefochtene Erkenntnis bringt die Revisionswerberin darüber hinaus vor, darin sei das Verwaltungsgericht von hg. Rechtsprechung (Hinweis auf VwGH 29.3.2017, Ra 2015/10/0108) abgewichen, welche eine Rückforderung nach § 24 (Abs. 2) WMG insoweit zeitlich beschränke, als davon nur Vermögen umfasst sei, welches nach der Sozialhilfeleistung erworben worden sei.

18       3. Mit Blick auf dieses Vorbringen sind die Revisionen zulässig; allerdings erweist sich nur die Revision gegen das zweitangefochtene Erkenntnis als begründet.

19       4.1. In ihrer gegen beide angefochtenen Erkenntnisse gerichteten Rechtsrüge vertritt die Revisionswerberin die Auffassung, aus dem besonderen Charakter einer Heimopferrente als Sozialentschädigungsleistung und dem Zweck des Heimopferrentengesetzes (Hinweis auf die Verfassungsbestimmung des § 2 [Abs. 3] HOG) folge, dass auf einem Konto gutgeschriebene nicht verbrauchte Heimopferrenten weiterhin als „Einkommen“ zu behandeln seien, welches gemäß § 10 Abs. 6 Z 2 WMG von der Anrechnung ausgenommen sei.

20       Der nach Einnahmen und Ausgaben jeweils fluktuierende Guthabenstand auf dem Gerichtsdepotkonto der Revisionswerberin könne nicht als Vermögen (iSd WMG) angesehen werden, sondern bilde lediglich eine „Einkommensreserve“ für außergewöhnliche oder unerwartete Ausgaben. Erst durch die Einzahlung dieser „vorläufigen Einkommensreserve“ auf ein Sparbuch würden die erhaltenen Entschädigungsrenten zu einem Vermögen im Sinn des WMG.

21       4.2. Dem ist nicht zu folgen.

22       Die Revisionswerberin stützt ihre Auffassung im Wesentlichen auf die Verfassungsbestimmung des § 2 Abs. 3 HOG, der zufolge die (nach diesem Bundesgesetz zu gewährende) Rentenleistung (vgl. §§ 1 und 2 HOG) „nicht als Einkommen nach den Mindestsicherungsgesetzen der Länder und den sonstigen landesgesetzlichen Regelungen gilt“.

23       Dieser bundesverfassungsgesetzlichen Vorgabe werden die Bestimmungen des § 10 WMG über die „Anrechnung von Einkommen und sonstigen Ansprüchen“ gerecht, indem gemäß § 10 Abs. 6 Z 2 WMG (unter anderem) „Leistungen des Sozialentschädigungsrechts (Kriegsopferversorgungsgesetz 1957, [...], Heimopferrentengesetz), sofern es sich nicht um eine einkommensabhängige Rentenleistung mit Mindestsicherungscharakter handelt, von der Anrechnung ausgenommen sind“.

24       Der die „Anrechnung von Vermögen“ regelnde § 12 WMG erklärt in Abs. 2 Z 2 (u.a.) „Ersparnisse und sonstige Vermögenswerte“ als verwertbares und damit anzurechnendes Vermögen. Davon ist als „nicht verwertbar“ lediglich ausgenommen, was in der Aufzählung des § 12 Abs. 3 WMG genannt wird. Das Gesetz trifft insofern eine klare Anordnung (vgl. VwGH 27.5.2014, Ro 2014/10/0064). Der Landesgesetzgeber sah sich nicht veranlasst, in § 12 Abs. 3 WMG eine Ausnahme hinsichtlich von aus Renten nach dem HOG gebildeten Ersparnissen zu normieren, stellt doch § 2 Abs. 3 HOG lediglich auf „Einkommen nach den Mindestsicherungsgesetzen der Länder“ ab (vgl. ebenso die Begründung des Initiativantrags vom 16. Mai 2017, 2155/A, XXV. GP NR, S.7).

25       Der Einsatz eigener Mittel (nämlich des Einkommens und des verwertbaren Vermögens) im Mindestsicherungs- bzw. Sozialhilferecht ist grundsätzlich unabhängig davon vorzunehmen, von wem und aus welchem Rechtsgrund bzw. Titel der Hilfesuchende dieses Einkommen und/oder Vermögen erhält bzw. erhalten hat. Der wesentliche Unterschied zwischen diesen beiden Arten eigener Mittel besteht lediglich darin, dass es sich beim Einkommen um laufende, aber nicht unbedingt regelmäßige Einnahmen in Geld handelt, beim Vermögen hingegen um (im jeweiligen Zeitraum) bereits vorhandene Werte, mögen sie auch aus dem Überschuss nicht verbrauchten Einkommens entstanden sein (vgl. etwa VwGH 28.2.2018, Ra 2016/10/0055, oder 5.11.2020, Ra 2019/10/0199, jeweils mwN).

26       Zutreffend hat bereits das Verwaltungsgericht auf die ständige hg. Rechtsprechung verwiesen, wonach bei der Berücksichtigung von Ersparnissen des Hilfesuchenden nicht maßgeblich ist, aus welchen Quellen die Ersparnisse gebildet worden sind. Auch dann, wenn die Ersparnisse aus Einkommensteilen gebildet worden sind, die bei der Gewährung von Sozialhilfe außer Ansatz zu bleiben haben, sind die Ersparnisse als Vermögen des Betreffenden zu behandeln (vgl. neben den Judikaturhinweisen in Rz 9 wiederum etwa VwGH Ro 2014/10/0064, mwN); dies gilt beispielsweise auch für ein aus der Nachzahlung von Familienbeihilfe (vgl. § 10 Abs. 6 Z 1 WMG) entstandenes Vermögen (vgl. etwa VwGH 31.5.2006, 2003/10/0203, oder wiederum VwGH 2007/10/0011, jeweils mwN).

27       Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist die Auffassung des Verwaltungsgerichtes, die zum Teil auf eine Nachzahlung von Heimopferrente am 7. November 2018 zurückzuführenden Ersparnisse der Revisionswerberin seien verwertbares Vermögen iSd § 12 WMG, nicht zu beanstanden; das wiedergegebene Revisionsvorbringen vermag daher eine Rechtswidrigkeit der angefochtenen Erkenntnisse nicht aufzuzeigen.

28       5.1. Gegen das zweitangefochtene Erkenntnis bringt die Revisionswerberin darüber hinaus vor, das Verwaltungsgericht habe nicht berücksichtigt, dass nach der hg. Rechtsprechung § 24 Abs. 2 WMG die Ersatzpflicht des Hilfeempfängers insoweit beschränke, als ein Ersatz nur aus (verwertbarem) Vermögen oder Einkommen zu leisten sei, welches der Hilfeempfänger nach Empfang der Leistungen aus der Mindestsicherung erhalten habe (Hinweis u.a. auf das bereits erwähnte Erkenntnis VwGH Ra 2016/10/0055).

29       5.2. Mit diesem zutreffenden Hinweis auf die hg. Rechtsprechung (vgl. auch das bereits erwähnte Erkenntnis Ra 2015/10/0108) zeigt die Revisionswerberin eine Rechtswidrigkeit des zweitangefochtenen Erkenntnisses auf:

30       Mit diesem Erkenntnis verpflichtete das Verwaltungsgericht die Revisionswerberin gemäß § 24 WMG dazu, € 2.288,81 an in der Zeit vom 1. Oktober 2016 bis 31. Oktober 2018 aufgewendeten Kosten für Leistungen der Mindestsicherung zu ersetzen.

31       In diesem Zusammenhang ging das Verwaltungsgericht von einem auf dem Gerichtsdepotkonto der Revisionswerberin am 7. November 2018 erliegenden Guthaben von € 9.193,91 aus, welches die Nachzahlung an Heimopferrente in Höhe von € 4.866,-- vom selben Tag enthielt. Dabei unterließ das Verwaltungsgericht allerdings - entgegen § 24 Abs. 2 WMG - eine Auseinandersetzung damit, zu welchen Zeitpunkten die Revisionswerberin zu den am 7. November 2018 über den Nachzahlungsbetrag hinaus vorhandenen Ersparnissen (restlichen € 4.327,91) gelangt war, durfte die Revisionswerberin doch lediglich für jeweils davor entstandene Kosten aus erbrachten Leistungen der Mindestsicherung zum Ersatz herangezogen werden (vgl. auch VwGH Ra 2015/10/0108 Rz 19).

32       6. Nach dem Gesagten war die Revision gegen das erstangefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Das zweitangefochtene Erkenntnis war gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufzuheben.

33       Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich - im Umfang des ausdrücklichen Kostenbegehrens - auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 29. September 2022

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Besondere Rechtsgebiete Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021100039.L00

Im RIS seit

15.11.2022

Zuletzt aktualisiert am

15.11.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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