Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
GewO 1994 §142 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde des U in I, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 4. September 1995, Zl. UVS-04/G/33/00392/95, betreffend Übertretung der GewO 1994, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.950,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 4. September 1995 wurde der Beschwerdeführer im Instanzenzug schuldig erkannt, er habe es als Komplementär und somit zur Vertretung nach außen Berufener der G-GesmbH & Co. KG zu verantworten, daß diese Gesellschaft vom 6. September 1994 bis 9. Dezember 1994 an einem näher bezeichneten Standort in W das Gastgewerbe in der Betriebsart eines Buffets durch den entgeltlichen Ausschank von alkoholischen und nichtalkoholischen Getränken sowie die entgeltliche Verabreichung von kalten angerichteten und warmen Speisen an einen größeren Kreis von Personen ausgeübt habe, ohne die hiefür erforderliche Gewerbeberechtigung erlangt zu haben. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 begangen, weshalb gemäß § 366 Einleitungssatz über ihn eine Geldstrafe von S 3.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe drei Tage) verhängt wurde. Zur Begründung führte die belangte Behörde, soweit dies für das verwaltungsgerichtliche Verfahren von Bedeutung ist, aus, die in Rede stehende Gesellschaft sei seit dem 11. Mai 1982 mit einem Standort in P zur Ausübung des Gewerbes "Erzeugung von tiefgekühlten Halbfertig- und Fertiggerichten in Form eines Industriebetriebes" berechtigt. Gewerberechtlicher Geschäftsführer sei Walter G. Der einzige Zusammenhang des Gewerbebetriebes in P, wo diese Gesellschaft die durch die Gewerbeberechtigung gedeckte Tätigkeit der Erzeugung von tiefgekühlten Halbfertig- und Fertiggerichten in Form eines Industriebetriebes ausübe, mit der gewerbeberechtlich nicht gedeckten Tätigkeit der Ausübung eines Gastgewerbes in der Betriebsart eines Buffets an einem Standort in W durch ebenfalls diese Gesellschaft habe darin bestanden, daß im Tatzeitraum vom Erzeugungsbetrieb in P - wie in etwa 3000 anderen Fällen auch - Fertigprodukte an den Standort nach W geliefert worden seien. Den gewerberechtlichen Geschäftsführer treffe die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung für die unbefugte Tätigkeit des Gewerbeinhabers nur dann, wenn diese Tätigkeit im sachlichen Zusammenhang mit einer durch eine vorhandene Gewerbeberechtigung gedeckte Tätigkeit stehe. Die festgestellte Liefertätigkeit stelle aber einen solchen sachlichen Zusammenhang der gewerberechtlich nicht gedeckten Tätigkeit mit der durch die vorhandene Gewerbeberechtigung gedeckten Tätigkeit nicht dar, sodaß für diese Tat der gewerberechtliche Geschäftsführer strafrechtlich nicht verantwortlich sei. Dies umsomehr, als der gewerberechtliche Geschäftsführer mangels Information durch die Unternehmensleitung von den unternehmerischen Aktivitäten der Gesellschaft an dem Standort in W gar keine Kenntnis habe haben können. Daß er nachträglich davon in Kenntnis gesetzt worden sei, vermöge daran nichts zu ändern. Da somit die Regelung des § 370 Abs. 2 GewO 1994 hinsichtlich der Delegierung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit an den gewerberechtlichen Geschäftsführer im vorliegenden Fall nicht anzuwenden sei, sei der Beschwerdeführer gemäß § 9 Abs. 1 VStG als Verantwortlicher für die unbefugten gewerblichen Tätigkeiten der Gesellschaft am Standort in W heranzuziehen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer in dem Recht verletzt, bei der gegebenen Sach- und Rechtslage nicht wegen der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung bestraft zu werden. In Ausführung des so formulierten Beschwerdepunktes macht der Beschwerdeführer im wesentlichen geltend, die belangte Behörde habe sich zu der für die Verantwortlichkeit des gewerberechtlichen Geschäftsführers nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entscheidenden Frage nach dem Zusammenhang der durch eine Gewerbeberechtigung gedeckten Tätigkeit mit der inkriminierten Tätigkeit auf bloß allgemeine Behauptungen beschränkt. Sie bleibe aber jeglichen konkreten Hinweis auf die tatsächliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes schuldig. Sie versuche auch nicht mit eigenen Argumenten zu erläutern, wieso im gegebenen Fall der erforderliche Zusammenhang nicht vorliege oder was sonst ihre Rechtsansicht im vorliegenden Fall rechtfertigen würde. Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes scheine die Ansicht der belangten Behörde jedenfalls nicht zu stützen, denn im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Juni 1973, Zl. 1811/72, sei etwa ein sachlicher Zusammenhang zwischen der gewerberechtlich gedeckten Wäscheerzeugung und Reinigung einerseits sowie der Herstellung und dem Verkauf von antistatischen Kunststoffbodenmatten und Fußbodenmops andererseits angenommen worden. Im vorliegenden Fall stehe der sachliche Zusammenhang zweier bedeutend ähnlicherer Aktivitäten zur Debatte, nämlich die Lieferung derselben Waren einerseits in tiefgefrorenem, andererseits in eßfertigem Zustand. Die in Rede stehende Gesellschaft besitze seit 1982 einen Gewerbeschein, der sie zur Erzeugung von tiefgekühlten Halbfertig- und Fertiggerichten berechtige. Seit 22. Februar 1995 habe sie die Berechtigung, diese Speisen auch zu verabreichen. Es sei nicht ersichtlich, welche Verknüpfung der Behörde abgehe, wenn sie zwischen der Lieferung von tiefgekühlten Fertiggerichten an den in Rede stehenden Standort und der anschließenden Verabreichung eben dieser Speisen im aufgewärmten Zustand keinen sachlichen Zusammenhang zu erblicken vermöge. Der Hinweis der belangten Behörde, der gewerberechtliche Geschäftsführer habe von den unternehmerischen Aktivitäten der Gesellschaft nichts gewußt, sei kein hinreichendes Argument für die Verneinung des sachlichen Zusammenhanges. Im übrigen bekämpft der Beschwerdeführer auch die Erwägungen der belangten Behörde zur subjektiven Tatseite.
Gemäß § 9 Abs. 1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder Personengemeinschaften ohne Rechtspersönlichkeit, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.
Gemäß § 370 Abs. 2 GewO 1994 sind Geldstrafen gegen den Geschäftsführer zu verhängen, wenn die Bestellung eines Geschäftsführers angezeigt oder genehmigt wurde. Diese Bestimmung stellt eine eigenständige Regelung der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit für Handlungen juristischer Personen oder Personengemeinschaften ohne Rechtspersönlichkeit für den Bereich des Gewerberechtes dar, sodaß im Gewerberecht § 9 Abs. 1 VStG nur zur Anwendung zu kommen hat, wenn ein gewerberechtlicher Geschäftsführer nicht bestellt wurde.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang in ständiger Rechtsprechung dargetan hat, trägt, wenn eine gewerberechtlich nicht gedeckte Tätigkeit im sachlichen Zusammenhang mit jener Tätigkeit steht, welche durch die vorhandene Gewerbeberechtigung gedeckt war, die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung der gewerberechtliche Geschäftsführer (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 29. Mai 1984, Slg. N. F. Nr. 11.453/A).
Eine verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit des im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung der juristischen Person oder Personengemeinschaft ohne Rechtspersönlichkeit nach außen Berufenen kommt in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem für die juristische Person oder die Personengemeinschaft ohne Rechtspersönlichkeit ein gewerberechtlicher Geschäftsführer bestellt ist, daher nur in Betracht, wenn die durch eine Gewerbeberechtigung nicht gedeckte Tätigkeit in keinem Zusammenhang mit der gewerberechtlich gedeckten Tätigkeit der juristischen Person oder Personengemeinschaft ohne Rechtspersönlichkeit besteht.
Die belangte Behörde hat diese Rechtslage zwar zutreffend erkannt, der Verwaltungsgerichtshof vermag sich allerdings ihrer Annahme, zwischen der Lieferung tiefgekühlter Halbfertig- und Fertiggerichte und deren Verabreichung im Rahmen der Ausübung eines Gastgewerbes in der Betriebsart eines Buffets bestehe kein derartiger sachlicher Zusammenhang, nicht anzuschließen, handelt es sich dabei doch um eine sich im Wirtschaftskreislaufbahn unmittelbar an die durch die gewerberechtlich gedeckte Tätigkeit anschließende Verwertung des durch diese Tätigkeit geschaffenen Produktes.
Besteht aber solcherart ein sachlicher Zusammenhang zwischen der durch eine Gewerbeberechtigung gedeckten Tätigkeit mit der inkriminierten Tat, so ist hiefür im Sinne des § 370 Abs. 2 GewO 1994 der für die Ausübung der gewerberechtlich gedeckten Tätigkeit bestellte gewerberechtliche Geschäftsführer verantwortlich.
Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995040212.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
22.12.2009