TE Vwgh Beschluss 2022/10/13 Ro 2021/21/0005

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Veröffentlicht am 13.10.2022
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AVG §56
FrPolG 2005 §52
FrPolG 2005 §56 Abs1
FrPolG 2005 §56 Abs2 Z2
VwGG §33 Abs1
VwGVG 2014 §17
VwRallg
  1. VwGG § 33 heute
  2. VwGG § 33 gültig ab 01.07.2021 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 2/2021
  3. VwGG § 33 gültig von 01.01.2014 bis 30.06.2021 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  4. VwGG § 33 gültig von 01.03.2013 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  5. VwGG § 33 gültig von 01.07.2008 bis 28.02.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 4/2008
  6. VwGG § 33 gültig von 05.01.1985 bis 30.06.2008

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulzbacher und den Hofrat Dr. Pfiel als Richter sowie die Hofrätin Dr. Wiesinger als Richterin, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des D M, vertreten durch DDr. Rainer Lukits, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 19/5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Dezember 2020, L525 2168824-2/2E, betreffend Erteilung einer Auflage nach § 56 FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von 1.106,40 € binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Der vom Revisionswerber, einem pakistanischen Staatsangehörigen, nach seiner Einreise in das Bundesgebiet im Juli 2014 gestellte Antrag auf internationalen Schutz wurde mit dem im Beschwerdeweg ergangenen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG) vom 26. August 2020 - verbunden mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung, der Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat und Setzung einer Frist für die freiwillige Ausreise von zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung - zur Gänze abgewiesen.

2        Daraufhin trug das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) dem Revisionswerber mit Mandatsbescheid vom 16. September 2020 auf, sich gemäß § 56 Abs. 1 und 2 Z 2 FPG jeden zweiten Tag in der Zeit zwischen 08:00 Uhr und 12:00 Uhr bei einer näher genannten Polizeiinspektion regelmäßig zu melden.

3        Über die vom Revisionswerber dagegen erhobene Vorstellung verpflichtete das BFA den Revisionswerber mit Bescheid vom 2. November 2020 gemäß § 56 Abs. 1 und 2 Z 2 FPG, sich „für den Zeitraum der mit diesem Bescheid festgelegten Frist für die freiwillige Ausreise bzw. bis zur tatsächlichen Ausreise aus Österreich“ beginnend mit 24. September 2020 jeden zweiten Tag in der Zeit zwischen 08:00 Uhr und 12:00 Uhr bei der näher genannten Polizeiinspektion regelmäßig zu melden.

4        Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das BVwG mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 14. Dezember 2020 als unbegründet ab. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das BVwG aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei, da sich der Verwaltungsgerichtshof noch nicht mit der Frage auseinander gesetzt habe, ob die Auferlegung einer Auflage gemäß § 56 FPG auch nach Ablauf der Frist für die freiwillige Ausreise möglich ist.

5        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die gegenständliche, nach Bewilligung der Verfahrenshilfe durch das BVwG rechtzeitig erhobene Revision.

6        Gemäß § 33 Abs. 1 VwGG ist die Revision, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, dass die revisionswerbende Partei klaglos gestellt wurde, nach Anhörung der revisionswerbenden Partei mit Beschluss als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen. Ein Einstellungsfall (wegen Gegenstandslosigkeit) liegt insbesondere auch dann vor, wenn die revisionswerbende Partei kein rechtliches Interesse mehr an einer Sachentscheidung des Gerichtshofes hat.

7        Das Rechtsschutzinteresse ist immer dann zu verneinen, wenn es (auf Grund der geänderten Umstände) für die Rechtsstellung der revisionswerbenden Partei keinen Unterschied mehr macht, ob die angefochtene Entscheidung aufrecht bleibt oder aufgehoben wird, bzw. wenn die Erreichung des Verfahrenszieles für sie keinen objektiven Nutzen hat, die in der Revision aufgeworfenen Rechtsfragen somit insoweit nur (mehr) theoretische Bedeutung besitzen. Der Verwaltungsgerichtshof ist, wenn er zur Erkenntnis gelangt, dass die revisionswerbende Partei durch die angefochtene Entscheidung unabhängig von der Frage ihrer Gesetzmäßigkeit in ihrem Recht nicht verletzt sein kann, zu einer rein abstrakten Prüfung der Rechtmäßigkeit einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung nicht berufen (vgl. etwa VwGH 5.4.2022, Ra 2021/21/0253, Rn. 8, mwN).

8        Mit Schriftsatz vom 28. Juli 2022 gab der Revisionswerber im Wege seiner Rechtsvertretung bekannt, dass das im Asylverfahren des Revisionswerbers ergangene Erkenntnis des BVwG vom 26. August 2020 mit dem Erkenntnis VwGH 17.5.2022, Ra 2021/19/0064, aufgehoben wurde. Demzufolge habe das BFA die verfahrensgegenständliche Meldeverpflichtung mit Schreiben vom 26. Juli 2022 „aufgehoben“, weshalb der Revisionswerber „im Sinne von § 33 Abs. 1 VwGG klaglos gestellt“ worden sei. Der Revisionswerber begehrt daher die Einstellung des Verfahrens gemäß § 33 Abs. 1 VwGG sowie den Zuspruch von „Kostenersatz“ gemäß § 55 erster Satz VwGG. Damit hat der Revisionswerber rechtzeitig im Sinne des § 59 Abs. 3 dritter Satz VwGG „bis zur Entscheidung“ des Verwaltungsgerichtshofes einen (in der Revision noch nicht enthaltenen) allgemeinen Antrag auf Zuerkennung von Aufwandersatz gestellt (vgl. dazu, dass es in diesem Fall auf die in § 59 Abs. 2 Z 1 VwGG genannte Frist nicht ankommt, VwGH 31.1.2006, 2005/05/0028, und allgemein zuletzt etwa VwGH 23.2.2021, Ro 2020/12/0003, Rn. 6, mwN).

9        Der Organwalter des BFA, der auch den Bescheid vom 2. November 2020 unterfertigt hatte, hielt in dem erwähnten Schreiben an den Rechtsvertreter des Revisionswerbers vom 26. Juli 2022 eingangs ausdrücklich fest, „die Meldeverpflichtung gem. § 56 FPG kann formlos aufgehoben werden.“ Daran anschließend heißt es unter Bezugnahme auf das im Asylverfahren ergangene, in Rn. 8 erwähnte, aufhebende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes, dass „mit ggst. Schreiben die Meldeverpflichtung gem. § 56 FPG, bzgl. die im Betreff genannte Verfahrenspartei [= Revisionswerber], aufgehoben“ werde.

10       Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass das BFA die Wirkungen seines Bescheides vom 2. November 2020 sistieren wollte, weshalb sich der Revisionswerber nunmehr durch das angefochtene, diese Entscheidung bestätigende Erkenntnis nicht mehr in Rechten verletzt erachtet. Demzufolge war die Revision wegen Wegfalls des Rechtsschutzinteresses unter sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen ist.

11       Die Entscheidung über den Kostenzuspruch gründet sich auf § 58 Abs. 2 VwGG. Die danach vorzunehmende Beurteilung des (hypothetischen) Erfolges der Revision führt nämlich dazu, dass sie erfolgreich gewesen wäre. Die Erteilung der gegenständlichen Auflage knüpfte fallbezogen nämlich an das Bestehen einer rechtskräftigen Rückkehrentscheidung an, die jedoch rückwirkend beseitigt wurde, sodass sich der Auflagenbescheid im Nachhinein schon deshalb als rechtswidrig erweist (vgl. zu ähnlichen Konstellationen VwGH 29.2.2012, 2009/21/0198, und VwGH 11.5.2010, 2008/22/0662; siehe im Übrigen auch VwGH 5.10.2017, Ra 2017/21/0161, 0162, Rn. 10, mwN).

Wien, am 13. Oktober 2022

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3 Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RO2021210005.J00

Im RIS seit

15.11.2022

Zuletzt aktualisiert am

15.11.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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