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Auswertung in Arbeit!Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn sowie die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Löffler, LL.M., über die Revision der Verlassenschaft nach Mag. K als Gesellschafterin der „S KG in 1030 Wien, Fasangasse 8/20, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 14. Dezember 2021, Zl. RV/4100297/2021, betreffend Wiederaufnahme hinsichtlich Feststellung von Einkünften 2008 und Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für das Jahr 2008 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Finanzamt Österreich, Dienststelle Klagenfurt, St. Veit, Wolfsberg), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die revisionswerbende Partei ist die Verlassenschaft nach Mag. K, der im streitgegenständlichen Zeitraum - nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts (BFG) - Kommanditist der S KG war, die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG 1988 durch Einnahmen-Ausgaben-Rechnung ermittelte. Die S KG bezahlte im Jahr 2008 der X GmbH 190.000 €. Zum Schein vereinbarte die S KG damals - so das BFG - mit der X GmbH (Vertrag vom 18. Dezember 2008), dass es sich um eine Anzahlung für die Lieferung einer Immobilie handle und die X GmbH bis Dezember 2013, später verlängert bis Dezember 2016, Zeit habe, die Immobilie liefern werde (Vereinbarung Immobilienanzahlung 2008 vom 18. Dezember 2008; Vereinbarung Immobilienanzahlung 2008 vom Dezember 2013; Einnahmen-Ausgaben-Rechnung S KG 2008). Die X GmbH hat diese Immobilie bis jedenfalls Dezember 2013 nicht geliefert (Vereinbarung Immobilienanzahlung 2008 vom Dezember 2013).
2 In Wirklichkeit war diese Zahlung der S KG vom 18. Dezember 2008 - so das BFG weiter - eine willkürliche Zahlung der S KG an die X GmbH ohne erkennbaren wirtschaftlichen Grund. Ziel dieser Vereinbarung war es aus der Sicht der S KG im Jahr 2008 nicht, tatsächlich in absehbarer Zeit eine konkrete Immobilie (ins Umlaufvermögen) zu erwerben, und aus der Sicht der X GmbH nicht, tatsächlich in absehbarer Zeit der S KG eine Immobilie zu liefern, sondern im bewussten und gewollten Zusammenwirken der S KG mit der X GmbH den Gewinn der S KG des Jahres 2008 um 190.000 € zu vermindern, um die Einkommensteuerpflicht der Kommanditisten der S KG zu minimieren. Die Lieferung einer Immobilie durch die X GmbH an die S KG war weder im Jahr 2008 noch später geplant.
3 Nach Durchführung einer Außenprüfung nahm das Finanzamt das Feststellungsverfahren 2008 wieder auf und versagte der Anzahlung die Anerkennung als Betriebsausgabe. Zur Begründung der Wiederaufnahme verwies das Finanzamt auf den Bericht der Außenprüfung, wo es in Textziffer 1 hieß: „Alle Anzahlungen, die im Prüfungszeitraum nicht durch konkrete Immobilienbereitstellungen abgerechnet wurden, werden im Zeitpunkt der Vorauszahlung nicht als Ausgabe anerkannt.“
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das BFG die dagegen erhobene Beschwerde ab. Begründend führte es aus, die Zahlung der S KG von 190.000 € sei nicht betrieblich veranlasst gewesen und könne deren nach § 4 Abs 3 EStG 1988 (idF vor BGBl I 2012/22) ermittelten Gewinn daher nicht schmälern. Niemand, der ernsthaft eine Immobilie erwerben wolle, werde einem Vertragspartner ohne jede Sicherungsmaßnahme eine Anzahlung in Höhe von 190.000 € leisten und diesem einräumen, er könne sich 5 Jahre, später verlängert auf insgesamt 8 Jahre, mit der Lieferung der in der Vereinbarung nicht einmal ihrer Art nach konkret beschriebenen Immobilie Zeit lassen. Vertragspartner, deren Verhältnis zueinander von einem Interessengegensatz geprägt sei, würden vielmehr üblicherweise vereinbaren, dass derjenige, der eine Zahlung für einen Immobilienerwerb leiste, gleichzeitig eine wirksame Sicherheit dafür erhalte, dass eine hinreichend genau determinierte Immobilie tatsächlich geliefert werde (z.B. Beschluss der Anmerkung der Rangordnung). Es handle sich daher bei der angeblichen Anzahlung von 190.000 € im Dezember 2008 für einen angeblich geplanten Immobilienkauf nach der damaligen Absicht der S KG und der X GmbH um eine willkürliche Zahlung ohne nachvollziehbaren wirtschaftlichen Grund.
5 Dieser Sachverhalt (willkürliche Zahlung nach der damaligen Absicht der S KG und der Empfängerin vom Dezember 2008, die sich bis zur Erlassung des Erstbescheides vom 22. März 2010 nicht mehr verändert habe) sei dem Finanzamt erstmals während der Betriebsprüfung für die Jahre 2005 bis 2010 (durchgeführt 2016 bis 22. Juni 2017) durch erstmalige Kenntnisnahme der Einnahmen-Ausgaben-Rechnung 2008 und durch erstmalige Kenntnisnahme von den Vereinbarungen „Immobilienanzahlung 2008“ vom Dezember 2008 und vom Dezember 2013 erkennbar gewesen.
6 Die Willkürlichkeit der Zahlung vom Dezember 2008 und das gänzliche Fehlen eines wirtschaftlichen Grundes dieser Zahlung vom Dezember 2008 würden auch durch die auffällige Art der Finanzierung verdeutlicht: Die S KG habe die Zahlung in Höhe von 190.000 € als angebliche Anzahlung am 18. Dezember 2008 an die X GmbH geleistet. Sodann habe eine 100%-Tochtergesellschaft der X GmbH eine Zahlung von 190.000 € wiederum an die S KG als angebliches Darlehen am selben Tag weitergeleitet. Dieses bei wirtschaftlicher Betrachtung sinnlose Hin- und Herschieben von 190.000 €, das durch erstmalige Kenntnisnahme von der Einnahmen-Ausgaben-Rechnung der S KG 2008 dem Finanzamt während der erwähnten Außenprüfung erkennbar geworden sei, zeige, dass die angebliche Anzahlung von Anfang an keinen wirtschaftlichen Sinn gehabt habe.
7 In dieses Bild füge sich, dass die Größenordnung der angeblichen Anzahlung der S KG vom 18. Dezember 2008 (190.000 €) vergleichbar hoch wie der Überschuss der S KG 2008 ohne diese Anzahlung gewesen sei. Dies offenbare den tatsächlichen Zweck der angeblichen Anzahlung vom Dezember 2008 nach der damaligen Absicht der S KG und der X GmbH, nämlich die Minimierung des Gewinnes der S KG, um die steuerpflichtigen Einkünfte der Kommanditisten der KG möglichst zu begrenzen. Die strittige Zahlung von 190.000 € sei zudem kurz vor dem Ablauf des Jahres 2008 am 18. Dezember geleistet worden, also zu einer Zeit, in der bereits erkennbar gewesen sei, wie hoch der Gewinn der S KG ohne diese Anzahlung sein würde.
8 Dieser gesamte Sachverhalt betreffend die vorgetäuschte Anzahlung der S KG von 190.000 € für einen angeblichen Immobilienerwerb, der tatsächlich damals durch die S KG nicht geplant gewesen sei, sei dem Finanzamt erst nach Erlassung des Erstbescheides vom 22. März 2010 während der im Jahr 2016 durchgeführten (und am spätestens 22. Juni 2017 abgeschlossenen) Außenprüfung bei der S KG für den Zeitraum 2005-2010 bekannt geworden. So sei dem Finanzamt während der Außenprüfung bei der S KG insbesondere durch erstmalige Kenntnisnahme der Einnahmen-Ausgabenrechnung 2008 der S KG bekannt geworden, dass die S KG an die X GmbH am 18. Dezember 2008 eine Zahlung in Höhe von 190.000 € geleistet habe, die die S KG als Anzahlung für einen Immobilienerwerb gewidmet habe. Während dieser Prüfung seien auch die „Vereinbarungen Immobilienanzahlung 2008“ vom 18. Dezember 2008 und vom Dezember 2013 zwischen der KG und der Empfängerin sowie die auffällige Art der Finanzierung dieser Zahlung der S KG bekannt geworden.
9 Zum ins Treffen geführten Wiederaufnahmegrund habe das Finanzamt im Wiederaufnahmebescheid auf Tz 1 des Berichts der Außenprüfung hingewiesen, wonach alle Anzahlungen, die im Prüfungszeitraum nicht durch konkrete Immobilienbereitstellungen abgerechnet worden seien, im Zeitpunkt der Vorauszahlung nicht als Ausgaben anerkannt würden. In diesem Zusammenhang habe das Finanzamt auch die hier strittige Zahlung von 190.000 € im Jahr 2008 erwähnt. Dieser vom Finanzamt im Bericht dargestellte Wiederaufnahmegrund beschreibe daher denselben Tatsachenkomplex wie die (ausführlichere) Begründung der Wiederaufnahme durch das BFG. Eine im Beschwerdeverfahren erfolgte Ergänzung der Begründung des Wiederaufnahmebescheides des Finanzamtes unter Zugrundelegung der tatsächlich vom Finanzamt herangezogenen Grundlagen der Wiederaufnahme (Nicht-Anerkennung einer Anzahlung von 190.000 € als Betriebsausgabe, weil es im Zusammenhang mit dieser Anzahlung keinen Immobilienerwerb gegeben habe) sei kein unzulässiges Auswechseln/Nachreichen eines Wiederaufnahmegrundes.
10 Die Wiederaufnahme führe in Bezug auf die S KG zu einer Gewinnerhöhung von 190.000 €, woraus sich nicht bloß geringfügige Änderungen der Einkünfte der Kommanditisten ergäben. Angesichts dieser erheblichen steuerlichen Auswirkungen des Wiederaufnahmebescheides werde im Rahmen des Ermessens (§ 20 BAO) dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit der Vorrang vor dem Interesse der KG und ihrer Kommanditisten auf Rechtsbeständigkeit eingeräumt.
11 Schließlich teile das BFG die Einschätzung nicht, wonach die verfahrensgegenständlichen Bescheide vom 23. Juni 2017 aufgrund einer mangelhaften Amtssignatur nicht wirksam ergangen seien, weil das Wirksamkeitserfordernis der Unterschrift fehle. Beide Bescheide seien mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung ergangen. Dies habe sich damals auch durch die DVR-Nummer am Ende der Texte der Bescheide ergeben; auch ohne die DVR-Nummer wäre es im Übrigen als notorische Tatsache anzusehen, dass alle Bescheide der Finanzverwaltung mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung ergingen. Die Ausfertigungen der strittigen Bescheide hätten daher weder einer Unterschrift noch einer Beglaubigung bedurft und gälten als durch den Leiter der auf der Ausfertigung bezeichneten Abgabenbehörde genehmigt (§ 96 BAO in der im Jahr 2017 geltenden Fassung). Beide bekämpften Bescheide seien auch mit Amtssignatur ergangen. Die Amtssignatur ersetze jedoch keine Unterschrift. Die Amtssignatur bekräftige lediglich, dass die Bescheide vom Finanzamt stammten. Ob die Amtssignatur allenfalls fehlerhaft gewesen sein könnte, sei ohne Bedeutung. Selbst wenn jeweils die Amtssignatur zur Gänze auf beiden bekämpften Bescheiden vom 23. Juni 2017 betreffend Wiederaufnahme des Feststellungsverfahrens und der Feststellung selbst für das Jahr 2008 gefehlt hätte, hätte dies nichts an der Wirksamkeit der Bescheide geändert. Ein mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung ergangener Bescheid benötige nun einmal keine auf der Bescheidausfertigung ersichtliche Unterschrift (§ 96 BAO in der im Jahr 2017 geltenden Fassung).
12 Die Revision ließ das BFG zu, weil es zur Frage, ob ein Bescheid bei allenfalls unzureichender Amtssignatur unwirksam sei, für den Bereich der BAO noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs gebe.
13 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision der revisionswerbenden Partei, in der zur Zulässigkeit ergänzend vorgebracht wird, im Revisionsfall stelle sich nicht nur die Frage, ob ein Bescheid bei allenfalls mangelhafter Amtssignatur infolge nicht valider Prüfinformation auf https://amtssignatur.brz.gv.at unwirksam sein könnte, was die Revision bejahe. Das BFG sei darüber hinaus auch gleich mehrfach von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Wiederaufnahme abgewichen. Insbesondere dürfe das BFG die Wiederaufnahme nicht aufgrund von Tatsachen bestätigen, die das Finanzamt gar nicht herangezogen habe, und solcherart Gründe für die Wiederaufnahme „nachschieben“.
14 Zur Amtssignatur brachte die Revision vor, das Finanzamt habe sowohl im Wiederaufnahme- als auch im Feststellungsbescheid vom 23. Juni 2017 die Amtssignatur https://amtssignatur.brz.gv.at verwendet. Dieser Link sei aber seit etwa 2018 nicht mehr existent, wodurch die Validierbarkeit der Amtssignatur iSd gesetzlichen Bestimmungen nicht möglich sei. Dadurch könne (nunmehr) nicht überprüft bzw. bewiesen werden, ob die Signatur im Zeitpunkt der Bescheiderlassung wirksam oder unwirksam gewesen sei. Die Rechtsgrundlagen der Amtssignatur seien im E-GovG enthalten, mit dem die Europäische elDAS-VO (VO EU 910/2014) innerstaatlich umgesetzt worden sei. Die elDAS-VO gebe dabei in Art. 26 zwingende Inhaltserfordernisse für fortgeschrittene elektronische Signaturen iSd § 19 E-GovG und damit für Amtssignaturen vor, die auch für den europäischen Rechtsverkehr gälten. Daraus folge, dass aufgrund des vorrangigen Europarechts nationale innerstaatliche Abweichungen von der elDAS-VO unzulässig seien. Aus dem Wortlautes von elDAS-VO und E-GovG folge, dass ein nicht existenter oder nicht valider Prüfhinweis auf der Amtssignatur zu deren Unwirksamkeit führe. Auch der Verwaltungsgerichtshof habe in seiner Rechtsprechung bereits wiederholt festgehalten, dass Voraussetzung für eine Amtssignatur die Prüfbarkeit (Validierbarkeit) der Rückführung des Dokuments aus der ausgedruckten auf die elektronische Form sei oder dies durch andere Vorkehrungen verifizierbar sein müsse. Behördlichen Erledigungen, die eine mangelhafte Amtssignatur aufwiesen, fehle das Unterschriftserfordernis des § 96 BAO, weshalb diese unwirksam ergangen seien.
15 Mit Beschluss vom 4. Mai 2022 wies das BFG die Revision mangels Beschwer zurück. Begründend führte es aus, im zeitgleich mit dem bekämpften Wiederaufnahmebescheid ergangenen, bekämpften Feststellungsbescheid vom 23. Juni 2017 betreffend Feststellung von Einkünften 2008 der S KG seien dem Gesellschafter der S KG Mag. K (Gesamtrechtsnachfolgerin heute: Verlassenschaft nach Mag. K) antragsgemäß Einkünfte in Höhe von 102,69 € zugewiesen worden. Die bekämpfte Wiederaufnahme habe somit in Bezug auf den Gesellschafter Mag. K (Gesamtrechtsnachfolgerin heute: Verlassenschaft nach Mag. K) dazu gedient, dass nur jene Einkünfte festgestellt worden seien, deren Feststellung bereits in der Steuererklärung begehrt worden sei. Weder der Wiederaufnahmebescheid noch der Feststellungsbescheid vom 23. Juni 2017 habe daher Rechte der revisionswerbenden Partei verletzt. Wenn - wie im gegenständlichen Fall - ein Bescheid keine steuerlichen Auswirkungen zu Lasten der revisionswerbenden Partei habe, sei eine Revision nicht zulässig.
16 Die Verlassenschaft nach Mag. K brachte daraufhin einen Vorlageantrag gemäß § 30b VwGG ein, den das BFG gemeinsam mit der Revision und den Akten des Verfahrens dem Verwaltungsgerichtshof vorlegte.
17 Aufgrund dieses vom BFG vorgelegten fristgerecht gestellten Vorlageantrags ist der Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung über die Revision berufen (vgl. zB VwGH 25.10.2016, Ro 2016/02/0008; 15.9.2016, Ro 2016/15/0019).
18 Die Revision erweist sich als unzulässig.
19 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).
20 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
21 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
22 Die Revision bringt vor, dass den dem Revisionsfall zu Grunde liegenden Wiederaufnahme- und Feststellungsbescheiden des Finanzamts aufgrund mangelhafter Amtssignatur (infolge eines nicht mehr wirksamen Validierungslinks) die Bescheidqualität abzusprechen sei. Behördlichen Erledigungen, die eine mangelhafte Amtssignatur aufwiesen, fehle das Unterschriftserfordernis des § 96 BAO.
23 Die gegenständlichen Bescheide wurden am 23. Juni 2017 erstellt.
24 § 96 BAO in der damals gültigen Fassung vor dem Steuerreformgesetz 2020 (StRefG 2020), BGBl. I Nr. 103/2019 lautet:
„Alle schriftlichen Ausfertigungen der Abgabenbehörden müssen die Bezeichnung der Behörde enthalten sowie mit Datum und mit der Unterschrift dessen versehen sein, der die Erledigung genehmigt hat. An die Stelle der Unterschrift des Genehmigenden kann, soweit nicht in Abgabenvorschriften die eigenhändige Unterfertigung angeordnet ist, die Beglaubigung treten, daß die Ausfertigung mit der genehmigten Erledigung des betreffenden Geschäftsstückes übereinstimmt und das Geschäftsstück die eigenhändig beigesetzte Genehmigung aufweist. Ausfertigungen, die mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellt werden, bedürfen weder einer Unterschrift noch einer Beglaubigung und gelten, wenn sie weder eine Unterschrift noch eine Beglaubigung aufweisen, als durch den Leiter der auf der Ausfertigung bezeichneten Abgabenbehörde genehmigt.“
25 Der die Bescheiderfordernisse regelnde § 96 BAO enthielt damit keinerlei Regelung über die verpflichtende Verwendung einer Amtssignatur bei Bescheiden im Anwendungsbereich der BAO.
26 Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 29. Mai 2015, 2012/17/0197, ausgesprochen hat, kann es angesichts dieser Bestimmung auch dahingestellt bleiben, ob eine vom Finanzamt allenfalls verwendete Amtssignatur das rechtliche Erfordernis einer eigenhändigen Unterschrift erfüllt, weil diese nur nach Maßgabe des § 96 BAO neben der Bezeichnung der Behörde und dem Spruch ein unverzichtbares Merkmal eines Bescheides darstellt (vgl. VwGH 21.12.2005, 2004/14/0111). Einer Unterschrift oder Beglaubigung bedürfen Ausfertigungen, die mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellt wurden, gemäß § 96 letzter Satz BAO nicht. Der vor dem BFG bekämpfte Bescheid weist - nach den Feststellungen des BFG - ausdrücklich eine Registernummer des Datenverarbeitungsregisters mit der näheren Kennzeichnung „DVR“ auf. Daraus ist erkennbar, dass die gegenständliche Ausfertigung mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellt wurde und ihr daher auch ohne Unterschrift oder Beglaubigung Bescheidcharakter zukommt (vgl. VwGH 10.5.1994, 93/14/0104, mwN).
27 Es ist dem BFG sohin nicht entgegen zu treten, wenn es im Revisionsfall - unabhängig vom Vorliegen gültiger Amtssignaturen - von rechtswirksamen Bescheiden ausgegangen ist.
28 Soweit die Revision ungeachtet dessen Fragen zur Erfüllung der Inhaltsanforderungen des Art. 26 VO EU 910/2014 durch die konkret verwendeten elektronischen Amtssignaturen aufwirft, zeigt sie deren Entscheidungserheblichkeit für den Revisionsfall nicht auf. Für die Lösung abstrakter oder hypothetischer Rechtsfragen ist der Verwaltungsgerichtshof auf Grund von Revisionen gemäß Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG jedoch nicht zuständig (VwGH 7.12.2020, Ra 2019/15/0122).
29 Die Revision wendet sich zudem gegen die Wiederaufnahme und rügt dazu insbesondere einen unzulässigen Austausch des Wiederaufnahmegrundes.
30 Bei einer Beschwerde gegen eine Wiederaufnahme von Amts wegen ist die Sache, über welche das Bundesfinanzgericht gemäß § 279 Abs. 2 BAO zu entscheiden hat, nur die Wiederaufnahme aus den vom Finanzamt herangezogenen Gründen. Entscheidend sind also jene wesentlichen Sachverhaltsmomente, die das Finanzamt als Wiederaufnahmegrund beurteilt hat. Unter Sache ist in diesem Zusammenhang die Angelegenheit zu verstehen, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Abgabenbehörde erster Instanz gebildet hatte. Die Identität der Sache, über die abgesprochen wurde, wird durch den Tatsachenkomplex begrenzt, der als neu hervorgekommen von der für die Wiederaufnahme zuständigen Behörde zur Unterstellung unter den von ihr gebrauchten Wiederaufnahmetatbestand herangezogen wurde (vgl. VwGH 13.9.2018, Ro 2016/15/0012, mwN; VwGH 6.4.2022, Ra 2021/15/0050).
31 Das BFG hat, sofern die Bescheidausführungen des wiederaufnehmenden Finanzamtes mangelhaft sind, ausgehend von einem vom Finanzamt herangezogenen Wiederaufnahmegrund, diesen zu prüfen und zu würdigen und gegebenenfalls erforderliche Ergänzungen vorzunehmen (vgl. VwGH 17.4.2008, 2007/15/0062). Die Ergänzung einer mangelhaften Begründung der auf Grund der Feststellungen einer abgabenbehördlichen Prüfung ergangenen Wiederaufnahmebescheide in Richtung der tatsächlich vom Finanzamt herangezogenen Wiederaufnahmegrundlagen stellt kein unzulässiges Auswechseln von Wiederaufnahmegründen dar (vgl. VwGH 26.11.2015, Ro 2014/15/0035).
32 Im Hinblick darauf, dass bei der Einnahmen-Ausgaben-Rechnung nach § 4 Abs. 3 EStG 1988 idF vor BGBl I 2012/22 Zahlungen für den Erwerb von Immobilien in das Umlaufvermögen grundsätzlich zu Betriebsausgaben führten, hatte die KG die Anzahlungen gewinnmindernd geltend gemacht. Das BFG ist im Revisionsfall davon ausgegangen, dass aus dem Wiederaufnahmebescheid (im Zusammenhang mit dem ausdrücklich verwiesenen, im wiederaufgenommenen Verfahren ergangenen Bescheiden), jener Tatsachenkomplex hinreichend zum Ausdruck kam, den das Finanzamt als neu hervorgekommen angesehen hat, nämlich dass „alle Anzahlungen, die im Prüfungszeitraum nicht durch konkrete Immobilienbereitstellungen abgerechnet wurden, im Zeitpunkt der Vorauszahlung nicht als Ausgabe anerkannt“ werden.
33 Die revisionswerbende Partei bekämpft zwar diese Beurteilung, legt aber nicht dar, dass das Finanzamt bereits aufgrund der Erklärungen der S KG die näheren Umstände der geleisteten Anzahlungen im Hinblick auf die tatsächlichen „konkreten Immobilienbereitstellungen“ hätte erkennen können. Der Annahme eines zulässigen Wiederaufnahmegrundes durch das Finanzamt ist vor diesem Hintergrund nicht entgegen zu treten.
34 In der Revision werden auch darüber hinaus keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher schon deshalb ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss, der an die Stelle des Zurückweisungsbeschlusses des BFG tritt, zurückzuweisen (vgl. VwGH 13.3.2018, Ro 2018/18/0002).
Wien, am 13. Oktober 2022
Schlagworte
Auswertung in Arbeit!European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RO2022150016.J00Im RIS seit
14.11.2022Zuletzt aktualisiert am
14.11.2022