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Auswertung in Arbeit!Norm
Auswertung in Arbeit!Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn sowie die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Löffler, LL.M., über die Revision des I P, vertreten durch die Hochstöger Nowotny Wohlmacher Rechtsanwälte OG in 4020 Linz, Breitwiesergutstraße 10, gegen den Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom 7. Dezember 2020, Zl. RV/7500408/2020, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien - Abteilung 6 Rechnungs- und Abgabenwesen DII), den Beschluss
Spruch
gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Revisionswerber hat der Stadt Wien Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Wien (im Folgenden nur: Magistrat) vom 9. September 2019 wurden dem Revisionswerber als verantwortlichem Vertreter der Firma X 14 Verwaltungsübertretungen nach § 3 in Verbindung mit § 2 Abs. 3 des Wiener Glücksspielautomatenabgabegesetzes zur Last gelegt, und es wurden über ihn 14 Geldstrafen verhängt.
2 Das Straferkenntnis wurde dem Revisionswerber mit Rückscheinbrief (RSb) zugestellt. Der in den Verwaltungsakten einliegende Rückscheinbrief kam - mit den Vermerken „in Abgabeeinrichtung eingelegt“, „Beginn der Abholfrist 12092019“ und „Nicht behoben“ - ungeöffnet an den Magistrat zurück.
3 Der Vertreter des Revisionswerbers gab am 10. Februar 2020 dem Magistrat bekannt, sein Mandant habe einen Zahlschein erhalten, ihm sei jedoch ein allfällig zugrundeliegendes Straferkenntnis nicht bekannt.
4 Am 27. Februar 2020 stellte der Magistrat dem Vertreter ein Duplikat des Straferkenntnisses unter Hinweis auf § 6 ZustellG, wonach die zweite Zustellung nicht neuerlich den Lauf der Rechtsmittelfrist auslöst, zu. Im Hinblick auf die Berufungsfrist wies der Magistrat darauf hin, dass bei mehrmals gültiger Zustellung des gleichen Schriftstückes die erste Zustellung maßgeblich sei. Laut Rückschein sei das Straferkenntnis am 12. September 2019 beim Postamt hinterlegt und am selben Tag erstmals zur Abholung bereitgehalten worden. Eine Berufung sei daher nur zielführend, wenn in Bezug auf die Zustellung vom 12. September 2019 ein Zustellmangel glaubhaft gemacht werde. Geeignete Beweismittel für einen Zustellmangel (Reiserechnungen, Zeugen etc.) könnten dann gleichzeitig angeboten werden.
5 Mit Schriftsatz vom 28. Februar 2020 brachte der Revisionswerbers eine Beschwerde gegen das Straferkenntnis des Magistrats vom 9. September 2019, zugestellt am 27. Februar 2020, ein und führte zur Begründung aus, er habe die ihm vorgeworfene Tat nicht zu verantworten. Die Firma X habe an dem im Straferkenntnis angeführten Standort keine Glücksspielautomaten gehalten.
6 Der Magistrat erließ am 11. März 2020 einen Verspätungsvorhalt, in dem er neuerlich auf die erfolgte Hinterlegung sowie darauf hinwies, dass das Straferkenntnis nur dann nicht als am 12. September 2019 zugestellt gelte, wenn der Revisionswerber vom Zustellvorgang wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig habe Kenntnis erlangen können. Der Revisionswerber werde daher ersucht, bekanntzugeben, ob er zum Zeitpunkt der Hinterlegung des Straferkenntnisses nicht nur vorübergehend von der Abgabestelle abwesend gewesen sei und insbesondere durch eine Reise, einen Urlaub oder einen Krankenhausaufenthalt daran gehindert worden sei, von der Zustellung Kenntnis zu nehmen. Diesfalls werde um Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel binnen zwei Wochen ersucht.
7 Der Verspätungsvorhalt wurde dem Vertreter des Revisionswerbers am 16. März 2020 nachweislich zugestellt. Eine Stellungnahme erfolgte nicht.
8 Mit Beschwerdevorentscheidung vom 23. April 2020 wies der Magistrat die Beschwerde als verspätet zurück und führte zur Begründung aus, das Straferkenntnis vom 9. September 2019 sei dem Revisionswerber am 12. September 2019 durch Hinterlegung zugestellt worden. Die Beschwerde sei jedoch trotz richtiger und vollständiger Rechtsmittelbelehrung erst am 5. März 2020 und damit nach Ablauf der im § 7 Abs. 4 VwGVG festgesetzten vierwöchigen Beschwerdefrist, per Post eingebracht worden. Ein Zustellmangel sei vom Revisionswerber trotz gebotener Gelegenheit nicht geltend gemacht worden.
9 Die Beschwerdevorentscheidung wurde dem Vertreter des Revisionswerbers am 29. April 2020 zugestellt. Mit E-Mail vom selben Tag gab der Vertreter dem Magistrat bekannt, seinem Mandanten sei die im Verspätungsvorhalt angesprochene Hinterlegung nicht bekannt. Überdies sei ihm nicht bekannt, wo und wann eine Hinterlegungsanzeige platziert worden sei, zumal im Postkasten keine Hinterlegungsanzeige vorgefunden worden sei.
10 Mit dem angefochtenen Beschluss, in dem eine Revision für nicht zulässig erklärt worden ist, wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde vom 28. Februar 2020 zurück. Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und der bezughabenden Gesetzesstellen führte es zur Begründung aus, die Behörde habe, bevor sie die Zurückweisung eines Rechtsmittels als verspätet ausspreche, entweder von Amts wegen zu prüfen, ob ein Zustellmangel unterlaufen sei oder dem Rechtsmittelwerber die Verspätung seines Rechtsmittels vorzuhalten. Unterlasse sie dies, trage sie das Risiko der Aufhebung des Bescheides wegen unterlaufener Verfahrensmängel.
11 Der Magistrat habe den Revisionswerber mit Verspätungsvorhalt vom 11. März 2020 über das nach der Aktenlage verspätete Rechtsmittel in Kenntnis gesetzt. Für den Fall, dass er einen Zustellmangel geltend mache, habe es ihm, eine Frist von zwei Wochen ab Zustellung des Schreibens für die Beibringung von Bescheinigungsmitteln (Aufenthaltsbestätigungen, Hotelrechnungen etc.) eingeräumt.
12 Der ordnungsgemäße Zustellnachweis sei eine öffentliche Urkunde und mache Beweis über die Zustellung; ein Gegenbeweis sei möglich. Es sei Sache des Empfängers, Umstände vorzubringen, die geeignet seien, Gegenteiliges zu beweisen oder zumindest berechtigte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Zustellvorganges aufkommen zu lassen.
13 Der Magistrat habe zu Recht von einer rechtswirksamen Zustellung des Straferkenntnisses ausgehen können.
14 Die bloße Behauptung des Revisionswerbers, die Hinterlegung sei ihm nicht bekannt, weil er im Postkasten keine Hinterlegungsanzeige vorgefunden habe, sei nicht geeignet, die gesetzliche Vermutung einer rechtswirksamen Zustellung zu widerlegen. Für die Wirksamkeit der Zustellung sei ohne Belang, ob ihm die Verständigung von der Hinterlegung zugekommen sei oder nicht. Voraussetzung für die Zurückweisung eines Rechtsmittels als verspätet sei allein die Versäumung der Rechtsmittelfrist und nicht auch ein Verschulden der Partei an der Verspätung.
15 Das Bundesfinanzgericht sehe es somit den gesetzlichen Vorgaben und der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes folgend als erwiesen an, dass dem Revisionswerber das Straferkenntnis vom 9. September 2019 rechtswirksam zustellt worden sei und die vierwöchige Beschwerdefrist am 10. Oktober 2020 geendet habe. Der Magistrat habe die am 28. Februar 2020 eingebrachte Beschwerde daher zu Recht als verspätet zurückgewiesen.
16 Gegen diesen Beschluss wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, zu der der Magistrat nach Einleitung des Verfahrens eine Revisionsbeantwortung erstattet hat.
17 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).
18 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
19 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
20 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit zunächst vor, der Revisionswerber sei vom Bundesfinanzgericht nicht dazu eingeladen worden, eine Stellungnahme zur verspätet eingebrachten Beschwerde abzugeben. Das Bundesfinanzgericht habe den Revisionswerber auch nicht mit den Ermittlungsergebnissen konfrontiert. Damit habe das Bundesfinanzgericht gegen die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verstoßen, wonach es sich bei der Prüfung der Rechtzeitigkeit einer Beschwerde um eine Rechtsfrage gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG 2014 handle, die es wenn Anhaltspunkte für die Verspätung vorlägen, von Amts wegen zu prüfen habe. Das Verwaltungsgericht habe dazu nach amtswegigen Erhebungen Tatsachen festzustellen. Dabei sei der Partei gemäß den nach § 38 VwGVG 2014 iVm § 24 VStG anwendbaren §§ 37 erster Satz und 45 Abs. 3 AVG vom Verwaltungsgericht auch außerhalb einer mündlichen Verhandlung bereits im Rahmen der amtswegigen Prüfung der Rechtzeitigkeit der Beschwerde Gelegenheit zu geben, zu den hervorkommenden Tatsachen und Ermittlungsergebnissen Stellung zu nehmen. Der Revisionswerber bestreite ausdrücklich, dass das zugrundeliegende Straferkenntnis bereits am 12. September 2019 zugegangen sei. Eine Hinterlegungsanzeige habe er - wie bereits öfters vorgekommen - nicht erhalten.
21 Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt, weil die Frage der Rechtzeitigkeit der Beschwerde nicht erst vom Bundesfinanzgericht aufgegriffen worden ist. Die amtswegige Prüfung der Rechtzeitigkeit ist bereits durch den Magistrat erfolgt, der am 11. März 2020 einen Verspätungsvorhalt erlassen hat, in dem darauf hingewiesen wird, dass am 12. September 2019 eine Hinterlegung erfolgt sei und das Straferkenntnis nur dann nicht als an diesem Tag zugestellt gelte, wenn der Revisionswerber vom Zustellvorgang wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig Kenntnis erlangt habe. Der Revisionswerber wurde ersucht, bekannt zu geben, ob er zum Zeitpunkt der Hinterlegung des Straferkenntnisses nicht nur vorübergehend von der Abgabenstelle abwesend und insbesondere durch eine Reise, einen Urlaub oder einen Krankenhausaufenthalt daran gehindert worden sei, von der Zustellung Kenntnis zu nehmen.
22 Eine fristgerechte Stellungnahme zu diesem Vorhalt, der dem Vertreter des Revisionswerbers am 16. März 2020 nachweislich zugestellt wurde, erfolgte nicht. Der Magistrat erließ daher mit der Begründung, der Revisionswerber habe trotz gebotener Gelegenheit keinen Zustellmangel geltend gemacht, eine Beschwerdevorentscheidung, mit der die Beschwerde als verspätet zurückgewiesen worden ist.
23 Auch im Vorlageantrag wurde kein Zustellmangel geltend gemacht, obwohl eine Beschwerdevorentscheidung nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als Vorhalt gilt (vgl. z.B. VwGH 29.6.2022, Ro 2021/15/0007).
24 Mit der im Zulässigkeitsvorbringen aufgestellten Behauptung, der Revisionswerber habe keine Hinterlegungsanzeige erhalten, wird implizit die Richtigkeit der Angabe des Zustellers am Rückschein bestritten, wonach die Verständigung von der Hinterlegung in das Hausbrieffach eingelegt worden sei.
25 Die vom Zusteller erstellten Zustellnachweise sind öffentliche Urkunden, die den Beweis dafür erbringen, dass die Zustellung vorschriftsmäßig erfolgt ist. Wird - wie in dem E-Mail vom 29. April 2020 und im Zulässigkeitsvorbringen der außerordentlichen Revision - behauptet, es würden Zustellmängel vorliegen, so ist diese Behauptung auch entsprechend zu begründen und sind Beweise dafür anzuführen, die die vom Gesetz aufgestellte Vermutung zu widerlegen geeignet erscheinen lassen. Die bloße Behauptung, keine Hinterlegungsanzeige vorgefunden zu haben, ist nicht als Angebot eines Gegenbeweises anzusehen (vgl. VwGH 2.5.2016, Ra 2016/16/0028, mwN).
26 Das Vorbringen des Revisionswerbers, keine Hinterlegungsanzeige vorgefunden zu haben, ist - worauf im angefochtenen Beschluss zutreffend hingewiesen wurde - nicht ausreichend, die sich aus dem Rückschein ergebenden Angaben des Postzustellers, es sei eine solche Anzeige im Hausbrieffach des Empfängers eingelegt worden, zu entkräften. Auch die Relevanz des im Zulässigkeitsvorbringen der Revision geltend gemachten Verfahrensmangels, der Revisionswerber habe keine Möglichkeit bekommen, im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht eine Stellungnahme abzugeben, wird mit diesem nicht weiter präzisierten Vorbringen nicht dargetan.
27 Soweit die Revision die Zulässigkeit auf eine allgemeine Verletzung der Begründungspflicht stützt, ist sie zwar insoweit im Recht, als die Sachverhaltsfeststellungen und Erwägungen der Beweiswürdigung disloziert an unterschiedlichen Stellen des Erwägungsteiles des angefochtenen Erkenntnisses erfolgt sind. Die Zulässigkeit der Revision wird damit aber nicht dargetan, weil dem angefochtenen Beschluss noch hinreichend klar zu entnehmen ist, aus welchen Gründen das Bundesfinanzgericht von welchem Sachverhalt ausgegangen ist und welche Rechtsfolgen es daraus ableitet.
28 Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 13. Oktober 2022
Schlagworte
Auswertung in Arbeit!European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021150028.L00Im RIS seit
14.11.2022Zuletzt aktualisiert am
14.11.2022