TE Vwgh Erkenntnis 2022/10/18 Ra 2022/03/0077

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Veröffentlicht am 18.10.2022
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Norm

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Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Mag. Nedwed, Mag. Samm, Dr. Faber und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der revisionswerbenden Parteien 1. M B in Z, 2. F R in R, 3. A A in Z, 4. J M in U, 5. F G in S, 6. S F in H und 7. M E in Z, alle vertreten durch Mag. Max Fankhauser, Rechtsanwalt in 6284 Ramsau im Zillertal, Raiffeisenplatz 1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 23. Februar 2022, Zl. LVwG-2022/44/0263-4, betreffend die Feststellung eines Eigenjagdgebietes nach dem Tiroler Jagdgesetz 2004 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Schwaz; mitbeteiligte Partei: Ö AG in P, vertreten durch die Finanzprokuratur), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat den revisionswerbenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

1        Die revisionswerbenden Parteien sind die sieben Miteigentümer/innen einer Liegenschaft (der sogenannten „Falm“) in der Katatstralgemeinde G.

2        Am 12. Dezember 2017 brachten fünf von ihnen unter der Bezeichnung „Miteigentümergemeinschaft Falm“ bei der Bezirkshauptmannschaft Schwaz (belangte Behörde) einen Antrag auf Feststellung der gegenständlichen Liegenschaft als Eigenjagdgebiet gemäß § 4 Abs. 2 in Verbindung mit § 5 Abs. 5 Tiroler Jagdgesetz 2004 (TJG 2004) ein.

3        Mit Bescheid vom 23. Dezember 2021 wies die Bezirkshauptmannschaft Schwaz (belangte Behörde) diesen Antrag - mit näherer Begründung - als unbegründet ab.

4        Die dagegen erhobene Beschwerde der revisionswerbenden Parteien wies das Landesverwaltungsgericht Tirol mit dem angefochtenen Erkenntnis mit der Maßgabe ab, dass der verfahrenseinleitende Feststellungsantrag als unzulässig zurückzuweisen sei, und erklärte die Revision für nicht zulässig.

Begründend hielt das Verwaltungsgericht fest, aufgrund der Übergangsbestimmung des § 69 Abs. 3 TJG 2004 wäre der Antrag auf Feststellung einer Eigenjagd nach § 5 Abs. 5 TJG 2004 bei sonstiger Unzulässigkeit bis zum Ablauf des 31. Dezember 2017 bei der belangten Behörde einzubringen gewesen. Das verfahrensgegenständliche Grundstück stehe im Miteigentum der erst- bis siebtrevisionswerbenden Parteien. Am 12. Dezember 2017 habe die „Miteigentümergemeinschaft“ den verfahrenseinleitenden Antrag eingebracht. Die Miteigentümergemeinschaft eines Grundstücks sei weder eine physische noch eine juristische Person, weshalb ihr die Rechtspersönlichkeit fehle und sie auch nicht berechtigt sei, einen Antrag wie den gegenständlichen zu stellen. Der von der Miteigentümergemeinschaft eingebrachte Antrag sei daher mangels Rechtsfähigkeit und Prozessfähigkeit der Miteigentümergemeinschaft als unzulässig zurückzuweisen. Ein Verbesserungsauftrag zur Klarstellung des Kreises der Antragsteller sei entgegen der Auffassung der revisionswerbenden Parteien nicht erforderlich gewesen, weil der Antrag unmissverständlich der (keine Rechtspersönlichkeit besitzenden) Miteigentümergemeinschaft zuzurechnen gewesen sei. Auch wenn man davon ausginge, dass der Antrag von den darin angeführten fünf Miteigentümern gestellt worden sei, würde es an einer fristgerechten Antragstellung der zwei übrigen Miteigentümerinnen fehlen. Die revisionswerbenden Parteien hätten zwar nachgewiesen, dass auch diese beiden übrigen Miteigentümerinnen der Antragstellung zugestimmt hatten. In einem antragsbedürftigen Verwaltungsverfahren könne jedoch die Zustimmung zur Antragstellung durch andere die eigene Antragstellung nicht ersetzen.

5        Dagegen wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zur Zulässigkeit und in der Sache unter anderem geltend macht, das Verwaltungsgericht sei von einschlägiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, wonach bei einem Grundstück im Miteigentum mehrerer Personen eine Antragstellung auch von einzelnen Miteigentümern mit Zustimmung der übrigen erfolgen könne (Hinweis auf VwGH 4.7.1986, 86/18/0163; VwGH 24.11.2005, 2002/07/0057). Die in der höchtsgerichtlichen Rechtsprechung geforderte Antragstellung einzelner Miteigentümer mit Zustimmung der übrigen sei auch im gegenständlichen Fall vorgelegen.

6        Die belangte Behörde hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt. Die mitbeteiligte Partei hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der sie die Zurückweisung, hilfsweise die Abweisung der Revision beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

7        Die Revision ist entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts zulässig, weil zur Antragslegitimation nach § 4 Abs. 2 TJG 2004 bei einer im Miteigentum stehenden Liegenschaft noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt und die Rechtslage einer Klarstellung durch den Verwaltungsgerichtshof bedarf.

8        Die Revision ist auch begründet.

9        Die maßgeblichen Bestimmungen des Tiroler Jagdgesetzes 2004, LGBl. Nr. 41/2004 idF LGBl Nr. 26/2017 (TJG 2004), lauten:

„§ 4 Feststellung des Jagdgebietes

(1) Die Jagd darf - unbeschadet der Bestimmungen des § 9 Abs. 5 - nur auf einem festgestellten Jagdgebiet ausgeübt werden. Die Jagdgebiete sind entweder Eigenjagdgebiete oder Genossenschaftsjagdgebiete.

(2) Die Bezirksverwaltungsbehörde hat festzustellen, ob nach Maßgabe der Bestimmungen der §§ 5 und 6 ein Eigenjagdgebiet oder ein Genossenschaftsjagdgebiet vorliegt. Die Feststellung eines Eigenjagdgebietes hat jedoch nur auf Antrag des Grundeigentümers zu erfolgen. ...

§ 5

Eigenjagdgebiet

...

(4) Sofern nicht die Voraussetzungen der Abs. 1 bis 3 vorliegen, ist ein Eigenjagdgebiet eine demselben Eigentümer (physische oder juristische Person oder Mehrheit von Personen) gehörige zusammenhängende land- oder forstwirtschaftlich nutzbare Grundfläche von mindestens 300 Hektar, gleichgültig, ob sie in der gleichen Ortsgemeinde liegt oder nicht.

(5) Abweichend vom Abs. 4 ist eine demselben Eigentümer (physische oder juristische Person oder Mehrheit von Personen) gehörige zusammenhängende land- oder forstwirtschaftlich nutzbare Grundfläche im Ausmaß von mindestens 115 Hektar dann ein Eigenjagdgebiet, wenn

a)   sich nach Einstands- und Äsungsbedingungen zumindest eine Schalenwildart ganzjährig als Standwild halten kann und die abschussplanmäßige Nutzung zumindest einer Schalenwildart möglich ist,

b)   Interessen der Landeskultur der Feststellung als Eigenjagdgebiet nicht entgegenstehen,

c)   die ordnungsgemäße Jagdausübung auf den betroffenen Grundflächen und den benachbarten Jagdgebieten nicht wesentlich erschwert wird und

d)   Dritte dadurch in ihren rechtlichen und wirtschaftlichen Interessen nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt werden.

...

Übergangsbestimmungen

§ 69

...

(3) Ein Antrag auf Feststellung einer Eigenjagd nach § 5 Abs. 5 in der Fassung des Gesetzes LGBl. Nr. 64/2015 ist bei sonstiger Unzulässigkeit bis zum Ablauf des 31. Dezember 2017 bei der Bezirksverwaltungsbehörde einzubringen. ...“

10       Gemäß § 4 Abs. 2 TJG 2004 hat die Feststellung eines Eigenjagdgebietes „auf Antrag des Grundeigentümers“ zu erfolgen. Wer „Grundeigentümer“ im Sinne dieser gesetzlichen Vorschrift ist, hat die Behörde bzw. das nachprüfende Verwaltungsgericht als zivilrechtliche Vorfrage nach den Bestimmungen des ABGB zu beurteilen. Auch die Frage, wer über prozessuale Rechts- und Handlungsfähigkeit verfügt, ist - mangels anderslautender Regelungen in den maßgeblichen Verwaltungsvorschriften - gemäß § 9 AVG nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen.

11       Auf dieser Grundlage ist dem Verwaltungsgericht zunächst zuzustimmen, dass der verfahrenseinleitende Antrag nicht von der dort genannten „Miteigentümergemeinschaft Fußalm“ gestellt werden konnte, weil ihr weder nach den hier maßgebenden Vorschriften des TJG 2004 noch nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts Rechts- und Handlungsfähigkeit zukam. Damit fehlte ihr auch die Partei- und Prozessfähigkeit für das Verwaltungsverfahren (vgl. dazu etwa auch VwGH 18.11.2003, 2000/03/0387).

12       Angesichts der Unterfertigung des Antrags durch fünf Miteigentümer der Liegenschaft in eigenem Namen ohne Hinweis auf ein Vertretungsverhältnis kann jedoch der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts, es hätten aus seiner Sicht keine Zweifel daran bestehen müssen, wer im gegenständlichen Fall als Antragsteller aufgetreten sei, nicht beigepflichtet werden. Eine Aufklärung dieser Frage war daher geboten und führte letztlich dazu, dass fünf der Miteigentümer als Antragsteller auftraten und der belangten Behörde für die übrigen beiden Miteigentümerinnen Zustimmungserklärungen zur Antragstellung vorgelegt wurden.

13       Dem Verwaltungsgericht erschien diese Vorgangsweise nicht ausreichend, um eine Antragstellung durch den „Grundeigentümer“ im Sinne des § 4 Abs. 2 TJG 2004 zu dokumentieren, sondern es vertrat die Rechtsansicht, dass nur ein (fristgerechter) Antrag sämtlicher Miteigentümer/innen der Liegenschaft ausreichend gewesen wäre. Dem tritt die Revision unter Hinweis auf einschlägige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in anderen Rechtsbereichen entgegen und ist damit im Recht:

14       § 4 Abs. 2 TJG 2004 trifft keine näheren Regelungen für den Fall, dass das Grundstück im Miteigentum mehrerer Personen steht. Die Norm lässt daher auch offen, ob im Falle einer im Miteigentum mehrerer Personen stehenden Liegenschaft sämtliche Miteigentümer als Antragsteller auftreten müssen oder es ausreicht, wenn ein (oder mehrere) Miteigentümer den Antrag stellen und die übrigen Miteigentümer - bei einer Maßnahme der außerordentlichen Verwaltung der gemeinschaftlichen Sache, wie sie unstrittig auch hier vorliegt (vgl. zur Abgrenzung von ordentlicher und außerordentlicher Verwaltung im jagdrechtlichen Zusammenhang etwa VwGH 26.6.2013, 2011/03/0240) - dieser Antragstellung bloß zugestimmt haben. Der Wortlaut und Sinn des § 4 Abs. 2 TJG 2004 führt daher nicht zwingend zu dem vom Verwaltungsgericht aufgestellten Erfordernis einer Antragstellung durch alle Miteigentümer/innen.

15       In der höchstgerichtlichen Judikatur wurde die Antragstellung durch einzelne Miteigentümer einer Liegenschaft bei Vorliegen der Zustimmung der übrigen auch bereits als ausreichend erkannt, und zwar insbesondere bei gesetzlichen Vorschriften, die - wie im gegenständlichen Fall - eine Antragstellung durch den Grundeigentümer erforderlich machen.

16       So weist die Revision zutreffend auf einschlägige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Tiroler Höfegesetz, LGBl. Nr. 47/1900 (zuletzt geändert durch LGBl. Nr. 96/2016), hin, das in seinem § 7 einen „Antrag des Eigentümers“ auf Aufhebung der Hofgemeinschaft vorsieht. Der Verwaltungsgerichtshof verlangte im Falle von Miteigentum am betroffenen Hof unter Hinweis auf vergleichbare Sichtweisen im Baurecht die Antragstellung entweder durch alle Miteigentümer gemeinsam oder durch einzelne Miteigentümer mit Zustimmung der übrigen (vgl. VwGH 16.9.1965, 1126/65; VwGH 4.7.1986, 86/18/0163; VwGH 11.9.1997, 97/07/0106).

17       Im Zusammenhang mit § 3 Tiroler Straßengesetz, LGBl. Nr. 13/1989 idF LGBl. Nr. 37/2013, der vorsieht, dass die Behörde auf Antrag des Eigentümers einer betroffenen Grundfläche festzustellen hat, ob diese Bestandteil einer öffentlichen Straße ist oder nicht, hat der Verwaltungsgerichtshof zwar ausgeführt, dass der Antrag nicht von einem einzelnen Miteigentümer (ohne Zustimmung der anderen) gestellt werden kann. Der gleichzeitige Hinweis auf „(vergleichbare) baurechtliche Bestimmungen“ und auf höchstgerichtliche Judikate, in denen Anträge infolge fehlender Zustimmung der übrigen Miteigentümer zurückgewiesen wurden (VwGH 24.11.2005, 2002/07/0057), lässt aber erkennen, dass die Zustimmung der übrigen Miteigentümer für die Antragstellung auch in diesem Rechtsbereich ausgereicht hätte (vgl. VwGH 24.10.2017, Ra 2016/06/0027).

18       Auch für den gegenständlichen Fall ist daher festzuhalten: Der Antrag auf Feststellung eines Eigenjagdgebietes ist vergleichbar den genannten Fällen entweder von sämtlichen Miteigentümern/innen gemeinsam oder von einzelnen dieser Miteigentümer mit Zustimmung der übrigen einzubringen.

19       Auf dieser Grundlage erweist sich die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtes, es hätte im gegenständlichen Fall der Einbringung des Antrages durch alle Miteigentümer/innen der Liegenschaft bedurft, als nicht zutreffend.

20       Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

21       Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Das auf Ersatz von „ERV-Kosten“ gerichtete Mehrbegehren war abzuweisen, weil der durch die Verordnung pauschaliert festgesetzte Schriftsatzaufwand auch diese abdeckt (vgl. etwa VwGH 8.4.2021, Ra 2020/02/0055, mwN).

Wien, am 18. Oktober 2022

Schlagworte

Auswertung in Arbeit!

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022030077.L00

Im RIS seit

14.11.2022

Zuletzt aktualisiert am

14.11.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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