TE Vwgh Beschluss 2022/10/19 Ro 2021/04/0029

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Veröffentlicht am 19.10.2022
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Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger, Hofrätin Mag. Hainz-Sator und den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Vonier, über die Revision der Ö AG in W, vertreten durch die Schönherr Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schottenring 19, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. Juli 2021, Zl. W211 2235654-1/10E, betreffend Feststellungsantrag nach dem Datenschutzgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Datenschutzbehörde; mitbeteiligte Partei: Dr. F B in V), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Revisionswerberin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 553,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        1. Aus dem Akteninhalt ergibt sich folgender unstrittiger Sachverhalt:

2        1.1. Die Revisionswerberin verfügt über eine Gewerbeberechtigung als „Adressenverlag und Direktwerbeunternehmen“. Sie betreibt eine Datenanwendung „DAM-Zielgruppenadressen“, um werbetreibenden Kunden personenbezogene Daten für zielgerichtete Marketingmaßnahmen entgeltlich zur Verfügung zu stellen.

3        Soweit hier von Relevanz wurden zumindest folgende Informationen über den Mitbeteiligten verwendet und Dritten weitergegeben: Vor- und Nachname, Adresse, Geburtsdatum und Parteiaffinität. Letztere enthielt die Angabe der auf den Mitbeteiligten bezogenen Einschätzung seiner Affinität zu fünf in Österreich wahlwerbenden Parteien, indem ihm unter der Rubrik „mögliche Zielgruppe für Wahlwerbung“ hinsichtlich fünf wahlwerbender Parteien jeweils einer der Werte „sehr niedrig“ bzw. „niedrig“, zugeordnet wurde.

4        1.2. Der Mitbeteiligte stellte am 15. Februar 2019 ein Auskunftsersuchen an die Revisionswerberin gemäß Art. 15 DSGVO.

5        Mit Schreiben vom 9. Mai 2019 gab die Revisionswerberin dem Mitbeteiligten bekannt, welche Daten über ihn verarbeitet würden. Darunter befanden sich Angaben zum Namen, Geburtsdatum, Adresse, sowie auch zur „möglichen Zielgruppe für Wahlwerbung“ bezogen auf fünf in Österreich wahlwerbende Parteien mit dem Vermerk „statistisch hochgerechnet“ und jeweils mit der Bewertung „sehr niedrig“ oder „niedrig“.

6        Mit seiner Beschwerde an die Datenschutzbehörde vom 26. September 2019 machte der Mitbeteiligte eine Verletzung in seinem Grundrecht auf Geheimhaltung gemäß § 1 Datenschutzgesetz (DSG) geltend, weil die Revisionswerberin sensible personenbezogene Daten - insbesondere politische - gemäß Art. 9 DSGVO unrechtmäßigerweise verarbeitet habe.

7        1.3. Mit Bescheid vom 18. Juni 2020 gab die belangte Behörde der Beschwerde des Mitbeteiligten statt und traf die Feststellung, dass die Revisionswerberin den Mitbeteiligten dadurch in seinem Recht auf Geheimhaltung verletzt habe, dass sie zumindest bis zum 9. Mai 2019 Daten betreffend dessen „Parteiaffinität“ verarbeitet habe (Spruchpunkt 1.). Der Antrag, das Verfahren bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über eine vergleichbare Beschwerde auszusetzen, wurde zurückgewiesen (Spruchpunkt 2.).

8        Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung - hier kurz zusammengefasst - dahingehend, dass die Revisionswerberin durch die Verarbeitung von Daten betreffend die politische Affinität des Mitbeteiligten besondere Kategorien personenbezogener Daten im Sinne von Art. 9 Abs. 1 DSGVO verarbeitet habe. Dies sei mangels eines diese Verarbeitung rechtfertigenden Erlaubnistatbestands zu Unrecht geschehen. Die zwischenzeitige Löschung der Daten vermöge an der Verletzung der Geheimhaltung nichts zu ändern.

9        1.4. Die Revisionswerberin erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und brachte insbesondere vor, es bestehe der Feststellungsanspruch nicht mehr zu Recht, da die Daten zur „Parteiaffinität“ des Mitbeteiligten bis 9. Mai 2019 verarbeitet worden seien. Die DSGVO kenne keinen eigenständigen Feststellungsanspruch, insbesondere nicht über in der Vergangenheit liegende Rechtsverletzungen. Zudem würden die Angaben über die „Parteiaffinität“ keine personenbezogenen Daten darstellen, weil es sich dabei um Statistiken bzw. Marketingklassifikationen handle. Zudem könne aus diesen Angaben nicht auf eine politische Meinung geschlossen werden. § 151 Gewerbeordnung 1994 beinhalte Schutzbestimmungen gegen eine missbräuchliche Verwendung von Marketingklassifikationen. Adressaten von Direktmarketingmaterialien seien zudem einer datenbasierenden Diskriminierung - worauf der Schutzzweck von Art. 9 DSGVO abziele - nicht ausgesetzt. Mit der Löschung der verfahrensgegenständlichen Daten sei die Beschwerde des Mitbeteiligten und damit jegliches Rechtschutzinteresse weggefallen.

10       2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 30. Juli 2021 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde der Revisionswerberin als unbegründet ab. Die Revision erklärte es für zulässig.

11       Ausgehend von den bereits oben wiedergegebenen Sachverhaltsfeststellungen führte das Bundesverwaltungsgericht in rechtlicher Hinsicht - hier zusammengefasst - unter Verweis auf das Urteil des Obersten Gerichtshofs vom 18. Februar 2021, Zl. 6 Ob 127/20z, begründend aus, es handle sich bei den gegenständlich verarbeiteten Daten um personenbezogene Daten gemäß Art. 4 Z 1 DSGVO. § 151 Abs. 6 Gewerbeordnung 1994 regle zwar die Verwendung von Marketinginformationen und -klassifikationen, könne jedoch nichts daran ändern, dass es sich dabei um von der DSGVO erfasste personenbezogene Daten handle. Unter Verweis auf das Teilerkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. August 2020, Zl. W 2582217446-1, schloss das Bundesverwaltungsgericht auch im vorliegenden Fall, dass die Daten zur „Parteiaffinität“ als besondere Kategorien personenbezogener Daten im Sinne des Art. 9 Abs. 1 DSGVO anzusehen seien und dem dort normierten Verarbeitungsverbot unterlägen. Ein Erlaubnistatbestand für die Verarbeitung liege fallbezogen nicht vor.

12       Ein Eingriff in das Recht auf Geheimhaltung könne nicht durch eine nachträgliche Löschung der Daten geheilt werden. Im Falle einer (behaupteten) Verletzung im Recht auf Geheimhaltung bestehe daher - anders als etwa im Zusammenhang mit den von der Revisionswerberin erwähnten Leistungsrechten auf Auskunft oder Löschung - ein Feststellungsanspruch. Überdies gebe die Revisionswerberin selbst an, die Daten im Rahmen ihrer Tätigkeit als Adressverlag verwendet - insbesondere diese Geschäftskunden für Marketingzwecke angeboten - zu haben. Auch deshalb könne vom Fehlen einer Beschwer auch nach Löschung durch die Revisionswerberin nicht die Rede sein. Da eine Heilung durch eine nachträgliche Löschung der Daten nicht eingetreten sein könne, mache es auch keinen Unterschied, ob die Löschung der Daten durch die Revisionswerberin vor oder nach Einbringung der Beschwerde stattgefunden habe. Ebensowenig könne es sich auf den Feststellungsanspruch auswirken, dass die Revisionswerberin eine Erklärung anbiete, zukünftig von der Verarbeitung der Marketingklassifikation „Parteiaffinität“ abzusehen. Die Beschwerde sei daher abzuweisen. Die Zurückweisung des Antrags der Revisionswerberin auf Aussetzung des Verfahrens sei zu Recht erfolgt, da gemäß ständiger Rechtsprechung § 38 AVG der Partei keinen Rechtsanspruch auf Aussetzung des Verfahrens einräume.

13       Die Revision sei zulässig, weil es an Rechtsprechung zu der Frage fehle, ob die aus Durchschnittswerten ermittelte Einschätzung des Interesses natürlicher Personen an der Werbung bestimmter politischer Parteien, um diese in bestimmter Weise behandeln zu können, eine besondere Kategorie personenbezogener Daten im Sinne des Art. 9 DSGVO darstelle, auch wenn diese Einschätzung nicht auf ein Verhalten gründe, das die betreffende Person selbst gesetzt habe.

14       3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die ordentliche Revision. Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung.

15       4.1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

16       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

17       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

18       4.2. Betreffend die zu beurteilenden Rechtsfragen, ob es sich bei den strittigen Daten über die „Parteiaffinität“ um personenbezogene Daten im Sinne des Art. 4 Z 1 DSGVO handelt, wobei der Betrachtung zugrunde liegt, dass diese Daten den insofern unstrittigen Feststellungen zufolge durch die Einordnung einer konkreten Person in eine bestimmte Marketinggruppe und der daraus resultierenden Zuordnung berechneter Wahrscheinlichkeitswerte aggregiert werden, und ferner ob es sich bei diesen Daten um besondere Kategorien personenbezogener Daten im Sinne des Art. 9 Abs. 1 DSGVO handelt, weil aus ihnen die politische Meinung einer natürlichen Person hervorgehe, kann gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Ausführungen im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 14. Dezember 2021, Ro 2021/04/0007, verwiesen werden, dem ein in den maßgeblichen tatsächlichen Aspekten gleichgelagerter Fall zugrunde lag.

19       Im Ergebnis ist für den vorliegenden Fall festzuhalten, dass die verfahrensgegenständlichen Daten über den Mitbeteiligten unter Art. 9 Abs. 1 DSGVO zu subsumieren sind und aus diesem Grund deren Verarbeitung mangels Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes verboten war.

20       4.3. Die Revision wendet sich ferner gegen die Feststellung der Verletzung des Mitbeteiligten in seinem Recht auf Geheimhaltung im Sinne des § 1 Abs. 1 DSG, weil dieser die verfahrensgegenständliche Datenschutzbeschwerde erst erhoben habe nachdem die ihn betreffenden Daten bereits gelöscht worden seien. Der Mitbeteiligte habe aus diesem Grund kein Feststellungs- und kein Rechtsschutzinteresse mehr. Mangels Beschwer bestehe kein Anspruch auf Feststellung einer in der Vergangenheit liegenden Rechtsverletzung. Da der Feststellungsanspruch bei gleichem Rechtsschutzeffekt subsidiär zu einem ebenfalls bestehenden Leistungsanspruch sei, müsse hinterfragt werden, ob eine Feststellung zulässig sei, wenn ein Leistungsauftrag erteilt werden könne. Im vorliegenden Fall könne ein Löschungsauftrag nicht mehr erteilt werden, da die Daten bereits gelöscht seien, weshalb auch davon auszugehen sei, dass der Mitbeteiligte nicht mehr beschwert sein könne. Seien die inkriminierten Daten gelöscht, so verbleibe kein Platz für die Feststellung einer allfälligen Rechtswidrigkeit in der Vergangenheit. Ferner habe das Verwaltungsgericht die gebotene mündliche Verhandlung unterlassen.

21       Hinsichtlich dieser Vorbringen kann gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die rechtlichen Ausführungen im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom heutigen Tag, Ro 2022/04/0001, verwiesen werden, dem ein in den maßgeblichen tatsächlichen Aspekten gleichgelagerter Fall zugrunde lag.

22       4.4. Zur Zurückweisung des Antrags auf Aussetzung des Verfahrens enthält die Revision keine gegen die rechtliche Beurteilung des Verwaltungsgerichts gerichteten Ausführungen, weshalb sich ein Eingehen auf diesen Spruchpunkt erübrigt.

23       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

24       Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 19. Oktober 2022

Schlagworte

Auswertung in Arbeit!

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RO2021040029.J00

Im RIS seit

14.11.2022

Zuletzt aktualisiert am

14.11.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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