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Auswertung in Arbeit!Norm
Auswertung in Arbeit!Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Mag. Stickler und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision der Wassergenossenschaft W in O, vertreten durch die Gheneff-Rami-Sommer Rechtsanwälte GmbH & Co KG in 1010 Wien, Johannesgasse 18, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 15. Juli 2021, 405-14/33/1/2-2021, betreffend Ausscheiden aus einer Wassergenossenschaft (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau; mitbeteiligte Parteien: 1. P A in K, 2. Ing. H B in S, 3. N Gesellschaft m.b.H. in P, 4. T GmbH in I, 5. H R in H und 6. A U in O, 5. und 6. vertreten durch die Rechtsanwalt Dr. Manfred Buchmüller GmbH in 5541 Altenmarkt, Untere Marktstraße 21), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die revisionswerbende Partei hat der fünft- und der sechstmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von insgesamt € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Die revisionswerbende Wassergenossenschaft (in der Folge: Wassergenossenschaft) wurde mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau (in der Folge: BH) vom 30. April 1997 aufgrund freier Vereinbarung der daran Beteiligten anerkannt und die Satzung genehmigt.
2 Die §§ 1 und 3 der Satzung der Wassergenossenschaft lauten samt Überschriften auszugsweise (sprachliche Fehler im Original):
„Sitz und Zweck der Genossenschaft
§ 1 Die Genossenschaft ist aufgrund freier Vereinbarungen der Beteiligten nach den einschlägigen Bestimmungen des Wasserrechtsgesetzes gebildet [...] und bezweckt die Errichtung und Erhaltung einer Wasserversorgungsanlage zur Versorgung der Liegenschaften und Anlagen ihrer Mitglieder mit Trink-, Nutz-und Löschwasser.
Mitgliedschaft
§ 3 (1) Mitglieder der Genossenschaft sind die freiwillig beigetretenen Eigentümer von Liegenschaften und Anlagen, die an die genossenschaftliche Wasserversorgungsanlage angeschlossen haben oder anzuschließen sind.
(2) Im Einvernehmen zwischen der Genossenschaft und den betreffenden Eigentümern können Liegenschaften auch nachträglich einbezogen werden.
(3) [...]
(4) [...]
(5) Das genossenschaftliche Unternehmen erstreckt sich auf das Gebiet einer gedachten Linie vom Kraftwerk O[...] nördlich, und entlang der Grundgrenze zwischen den Parzellen 505/1 und 511/1 und der westlichen Grundgrenze der Parzelle 505/1, KG [...], und kann nach Bedarf und nach Erteilung der erforderlichen behördlichen Genehmigungen auch ausgedehnt werden.
Hinweis 1: Die Genossenschaft ist verpflichtet, soweit der Zweck der Genossenschaft nicht geändert wird, benachbarte oder im Bereich des genossenschaftlichen Unternehmens befindliche Anlagen auf Antrag ihre Eigentümer nachträglich einzubeziehen, wenn [...]
Hinweis 2: Einzelne Liegenschaften oder Anlagen können im Einvernehmen zwischen ihren Eigentümern und der Genossenschaft wieder ausgeschieden werden.
Hinweis 3: [...]
Hinweis 4: Auf Antrag der Genossenschaft kann die Wasserrechtsbehörde, soweit öffentliche Interessen dem nicht entgegenstehen, einzelne Liegenschaften, aus deren weiterer Teilnahme der Genossenschaft wesentliche Nachteile erwachsen, ausscheiden.“
3 Mit Schreiben vom 19. Oktober 2020 beantragte die Wassergenossenschaft, vertreten durch ihren Obmann, mehrere Grundstücke - darunter die der mitbeteiligten Parteien - gemäß § 82 Abs. 5 WRG 1959 aus der Wassergenossenschaft auszuscheiden. Dazu brachte sie vor, die auszuscheidenden Liegenschaften seien - im Gegensatz zu den anderen in die Genossenschaft einbezogenen Grundstücken - noch unbebaut, sodass von ihnen auch kein Wasser der Genossenschaft in Anspruch genommen werde. Sollte eine Bebauung in Zukunft stattfinden, so reiche das vorhandene Wasserdargebot nicht mehr aus, um die Versorgung aller Grundstücke zu gewährleisten. Damit wären Nachteile für die Genossenschaftsmitglieder verbunden.
4 Mit Bescheid der BH vom 17. Mai 2021 wurde dem Antrag der Wassergenossenschaft nicht stattgegeben. In der Begründung wurde ausgeführt, die Eigentümer der auszuscheidenden Liegenschaften seien dem Antrag entgegengetreten. Es treffe wohl zu, dass nach trockenen Witterungsperioden das Wasserdargebot stark zurückgehe und nur mehr der derzeitige Wasserverbrauch abgedeckt werden könne. Insoweit bestehe aber eine Problematik, die alle Mitglieder der Genossenschaft betreffe. Es liege an der Genossenschaft, dieses Problem zu lösen. Insoweit bestehe auch bereits eine Vereinbarung zur Versorgung bei Wasserknappheit durch eine Notwasserleitung einer anderen Wassergenossenschaft. Im Übrigen stehe die Möglichkeit der Erschließung weiterer Quellen offen.
5 Mit dem in Revision gezogenen Bescheid wies das Landesverwaltungsgericht Salzburg die Beschwerde der Wassergenossenschaft als unbegründet ab. Die Revision erklärte es für nicht zulässig.
6 Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, ein Ausscheiden von Mitgliedern aus der Wassergenossenschaft sei nur im Wege einer Satzungsänderung möglich. Der Antrag, eine Satzungsänderung zu genehmigen, die das Versorgungsbiet der Wassergenossenschaft beschränkt hätte, sei rechtskräftig mit Bescheid der BH vom 16. April 2019 abgewiesen worden. Im Übrigen sei Zweck der Wassergenossenschaft die Versorgung der Liegenschaften ihrer Mitglieder mit Wasser. In der Erfüllung dieser Aufgabe gegenüber einzelnen Mitgliedern könne kein Nachteil der Wassergenossenschaft im Sinn des § 82 Abs. 5 WRG 1959 erkannt werden. Es liege an der Wassergenossenschaft, dafür Sorge zu tragen, dass sie ihrem satzungsgemäßen Zweck nachkommen könne. Das herangezogene Kriterium für die Auswahl der Grundstücke, die nach dem Antrag aus der Genossenschaft ausgeschieden werden sollten - nämlich die fehlende Bebauung -, sei auch willkürlich und finde keine Deckung in Gesetz oder Satzung. Ferner bedürfe ein auf § 82 Abs. 5 WRG 1959 gestützter Antrag auf Ausscheiden von Mitgliedern aus der Wassergenossenschaft einer Beschlussfassung in der Mitgliederversammlung, die nicht erfolgt sei.
7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Revision der Wassergenossenschaft. Nach Einleitung des Vorverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof haben die BH sowie die dritt-, fünft- und sechstmitbeteiligten Parteien Revisionsbeantwortungen eingebracht.
8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.
11 Zur Zulässigkeit der Revision wird vorgebracht, seit der WRG-Novelle 1999 sei weder für die Neuaufnahme noch für das Ausscheiden der Mitglieder einer Wassergenossenschaft eine Satzungsänderung erforderlich. Das habe das Verwaltungsgericht verkannt, soweit es darauf abgestellt habe, dass die Satzung der Revisionswerberin nicht geändert worden sei. Es liege auch ein wesentlicher Nachteil vor, der im Sinn des § 82 Abs. 5 WRG 1959 zum Ausscheiden einzelner Mitglieder auf Antrag führe. Der Verwaltungsgerichtshof (Hinweis auf VwGH 23.5.1996, 96/07/0039; 29.10.1998, 96/07/0048) habe nämlich bereits zu § 81 Abs. 2 WRG 1959 ausgesprochen, dass jedenfalls das Hinzukommen weiterer Verbraucher einen wesentlichen Nachteil darstellen könne, wenn deren Bedarf nicht gestillt werden könne. Diese Rechtsprechung sei auf § 82 Abs. 5 WRG zu übertragen.
12 Die Revision ist damit im Recht, dass seit der WRG-Novelle 1999, BGBl. I Nr. 155/1999, eine Änderung im Mitgliederstand einer Wassergenossenschaft keiner Änderung der Satzung und damit auch keiner Einholung der behördlichen Genehmigung für eine solche Satzungsänderung mehr bedarf (vgl. VwGH 26.1.2012, 2009/07/0067; 24.7.2008, 2005/07/0028; sowie die Materialien zur WRG-Novelle 1999: ErlRV 1199 BlgNR 20. GP 31 [zu Punkt 25]).
13 Nach § 77 Abs. 3 lit. b WRG 1959 hat die Satzung Kriterien für die Mitgliedschaft zu enthalten. Eine Benennung der Mitglieder in der Satzung ist dagegen nicht vorgesehen. Dem entspricht auch im vorliegenden Fall die Satzung der Wassergenossenschaft, die in ihrem § 3 Abs. 5 wohl ein bestimmtes örtliches Versorgungsgebiet festlegt, aber - entsprechend dem Charakter als freiwillige Genossenschaft - nicht zwingend die Einbeziehung aller Liegenschaften, auf die dieses Kriterium zutrifft, verlangt.
14 Eine Revision ist jedoch auch dann nicht zulässig, wenn das angefochtene Erkenntnis auf einer tragfähigen Alternativbegründung beruht und im Zusammenhang damit keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgezeigt wird (vgl. etwa VwGH 29.7.2022, Ro 2020/07/0003, mwN). Das ist hier der Fall:
15 Nach § 82 Abs. 5 WRG 1959 kann die Wasserrechtsbehörde auf Antrag der Genossenschaft, soweit öffentliche Interessen nicht entgegenstehen, einzelne Liegenschaften oder Anlagen, aus deren weiterer Teilnahme der Genossenschaft wesentliche Nachteile erwachsen, ausscheiden.
16 Der Verwaltungsgerichtshof hat zu dieser Bestimmung ausgeführt, dass unter dem Begriff der „Nachteile aus einer weiteren Teilnahme“ Nachteile aller Art für die Genossenschaft zu verstehen sind. Zur Ermittlung, ob ein wesentlicher Nachteil für die Genossenschaft aus der weiteren Teilnahme eines bestimmten Grundstückes erwächst, können daher alle Vorgänge, die im Zusammenhang mit dem Verhältnis zwischen der Wassergenossenschaft und dem betroffenen Mitglied stehen, herangezogen werden. So können wesentliche Nachteile zB auch in einem aus den Vorfällen der Vergangenheit erschließbaren und daher auch in Zukunft erwartbaren Verhalten eines Mitgliedes liegen, die Kommunikation mit der Wassergenossenschaft zu verweigern, oder zu satzungskonformem Verhalten erst durch Bescheide der Wasserrechtsbehörde zu bewegen zu sein. Auch die durch ein solches Verhalten ausgelösten und auch in weiterer Zukunft zu erwartenden umfangreichen administrativen Tätigkeiten seitens der Wassergenossenschaft können wesentliche Nachteile im Sinne des § 82 Abs. 5 WRG 1959 darstellen. Dabei ist stets einzelfallbezogen das Gesamtbild entscheidend, das sich in Bezug auf das Verhältnis zwischen dem Mitglied und der Genossenschaft aus den Vorgängen der Vergangenheit ergibt; daraus kann auf das Vorliegen eines wesentlichen Nachteils in der Zukunft bei Verbleib des Mitglieds geschlossen werden (vgl. VwGH 25.7.2013, 2013/07/0040, mwN).
17 Darauf, dass von den Eigentümern der Grundstücke, auf deren Ausscheidung als Mitglieder der Antrag der Wassergenossenschaft abzielt, ein nachteiliges Verhalten in diesem Sinn gesetzt worden wäre, wurde der Antrag nicht gegründet. Es ist aber nicht zweifelhaft, dass allein die Schwierigkeit, dem satzungsgemäßen Zweck - hier dem Versorgungsauftrag - gegenüber einem oder mehreren Mitgliedern nachzukommen, noch keinen wesentlichen Nachteil der Genossenschaft im Sinn des § 82 Abs. 5 WRG 1959 darstellt, der dazu berechtigt, diese Liegenschaft auszuscheiden.
18 Soweit die Revision sich insoweit auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH 23.5.1996, 96/07/0039; 29.10.1998, 96/07/0048) zur Frage beruft, wann die Wassergenossenschaft nach § 81 Abs. 2 WRG 1959 verpflichtet ist, Liegenschaften und Anlagen auf Antrag ihrer Eigentümer oder Berechtigten nachträglich einzubeziehen, übersieht sie, dass § 81 Abs. 2 WRG 1959 auch darauf abstellt, ob den anderen Mitgliedern der Genossenschaft wesentliche Nachteile aus der Einbeziehung erwachsen. Ein Ausscheiden von Mitgliedern nach § 82 Abs. 5 WRG 1959 erfordert dagegen wesentliche Nachteile, die sich aus dem Verhältnis zwischen der Wassergenossenschaft selbst - somit der Gemeinschaft als Ganzer - und dem betroffenen Mitglied ergeben. Nicht ausreichend ist dagegen, dass Mitglieder der Wassergenossenschaft aus dem Ausscheiden anderer Mitglieder einen Vorteil erlangen; ihnen also etwa insbesondere - wie im vorliegenden Fall geltend gemacht - bei Nutzung der gemeinsamen Anlagen ein größerer Anteil verbleibt.
19 Da die Revision sich schon aus diesem Grund als nicht zulässig erweist, kann dahingestellt bleiben, ob der im Außenverhältnis wirksamen Antragstellung nach § 82 Abs. 5 WRG 1959 durch den Obmann der Wassergenossenschaft (vgl. zur Vertretungsbefugnis VwGH 19.12.2019, Ra 2019/07/0099 und 0100) eine gesetzes- und satzungskonforme Willensbildung im Innenverhältnis zugrunde gelegen ist.
20 Es werden daher keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
21 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 20. Oktober 2022
Schlagworte
Auswertung in Arbeit!European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021070073.L00Im RIS seit
14.11.2022Zuletzt aktualisiert am
14.11.2022