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Auswertung in Arbeit!Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision der Mag. B in H, vertreten durch Mag.rer.soc.oec. Mag. Christian Mertens, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Templstraße 6, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 26. Juli 2022, Zl. RV/3100408/2022, betreffend Haftung gemäß § 9 BAO, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin war Geschäftsführerin der P GmbH. Am 2. Dezember 2015 erließ das Finanzamt gegenüber der Revisionswerberin einen Haftungsbescheid für die Umsatzsteuer der Jahre 2003 bis 2006 der P GmbH. Zur Vorgeschichte des Umsatzsteuerverfahrens der P GmbH wird auf die Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. September 2012, 2008/15/0285, und vom 18. Oktober 2018, Ra 2016/15/0038, zu jener des Haftungsverfahrens auf die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Mai 2021, Ra 2019/13/0046, sowie vom 22. Juni 2022, Ra 2021/13/0132, verwiesen.
2 Der Verwaltungsgerichtshof hat mit letztgenanntem Erkenntnis die Entscheidung des Bundesfinanzgerichts wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben, weil es bei der Ermessensübung den (langen) Zeitraum zwischen dem Entstehen des Abgabenanspruches und der bescheidmäßigen Haftungsinanspruchnahme überhaupt nicht berücksichtigt hatte.
3 Im fortgesetzten Verfahren führte das Bundesfinanzgericht zum Ermessen aus, dass nach Gewichtung der langen Zeitspanne zwischen Entstehen des Abgabenanspruches gegenüber der Primärschuldnerin und Haftungsinanspruchnahme der Revisionswerberin, der Haftungsinanspruchnahme durch das Finanzamt zum erstmöglichen Zeitpunkt, dem groben und fortgesetzten Verschulden der Revisionswerberin an der Nichtentrichtung von Abgaben der Primärschuldnerin und der nicht erfolgten Schadensminderung durch die Revisionswerberin bei Verfügung über entsprechende Unterlagen sich ein pauschaler Abschlag von der Haftungssumme im Ausmaß von 20 % als angemessen erweise.
4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, die Haftungsinanspruchnahme gemäß § 9 BAO setze Verschulden voraus. Bei der Gesetzesauslegung sei Unionsrecht zu beachten. Nach der Rechtsprechung des EuGH in der Rs Unitel, C-653/18, setze die Steuerfreiheit einer Ausfuhrlieferung nicht voraus, dass der tatsächliche Abnehmer einer Lieferung identifiziert sein müsse. Es müssten lediglich die materiellen Voraussetzungen erfüllt sein. Weiters habe das Bundesfinanzgericht bei der Ermessensübung den Umstand, dass zwischen dem Entstehen der Abgabenschuld oder der Feststellung der Uneinbringlichkeit ein langer zeitlicher Abstand liege, falsch interpretiert, indem es den Abgabenzahlungsanspruch mit dem Abgabenanspruch gleichgesetzt habe. Auch zum Zeitpunkt des Feststehens der Uneinbringlichkeit habe das Bundesfinanzgericht keine Feststellungen getroffen. Von einer objektiven Uneinbringlichkeit sei bereits im Jahr 2009 auszugehen gewesen, weil seit damals keine Umsätze mehr getätigt worden seien.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Die Revision enthält weitgehend dasselbe Zulässigkeitsvorbringen, das bereits im Revisionsverfahren zu Ra 2021/13/0132 erstattet wurde. Dazu hat der Verwaltungsgerichtshof bereits im Erkenntnis vom 22. Juni 2022 ausgesprochen, dass mit dem unionsrechtlichen Vorbringen der Abgabenanspruch betreffend die Primärschuldnerin bekämpft wird; dafür sieht § 248 BAO einen effektiven Rechtschutz vor, der von der Revisionswerberin nicht genutzt wurde. Das Bundesfinanzgericht ist in seiner Entscheidung vom 11. August 2015, RV/3100670/2012, davon ausgegangen, dass die Erfüllung der materiellen Voraussetzungen für die Steuerfreiheit der Lieferungen der Primärschuldnerin gerade nicht nachgewiesen werden konnte. Diese Feststellungen wurden von der Revisionswerberin nicht im Rahmen eines Verfahrens gemäß § 248 BAO bekämpft.
9 Ebenso hat der Verwaltungsgerichtshof schon im Erkenntnis vom 22. Juni 2022 darauf verwiesen, dass mit dem Vorbringen in der Revision, eine objektive Uneinbringlichkeit habe bereits ab 2009 vorgelegen, weil ab diesem Zeitpunkt keine Umsätze mehr erzielt worden seien, keine Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung des Bundesfinanzgerichts aufgezeigt wird, da mit dem Fehlen von Umsätzen nicht zwangsläufig die Uneinbringlichkeit von Abgaben verbunden ist.
10 Auch mit dem Vorbringen zur fehlerhaften Ermessensübung ist die Revision nicht im Recht. Im Gegensatz zur vorhergehenden Entscheidung hat das Bundesfinanzgericht diesmal die (lange) Zeitspanne von neun bis zwölf Jahren zwischen Entstehen des Abgabenanspruches und Geltendmachung der Haftung in seine Ermessensentscheidung miteinbezogen und aus diesem Grund die Haftungssumme um 20 % reduziert. Die Revision vermag nicht aufzuzeigen, dass die Ermessensübung des Bundesfinanzgerichts mit vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Fehlern behaftet wäre.
11 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 12. Oktober 2022
Schlagworte
Auswertung in Arbeit!European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022130092.L00Im RIS seit
11.11.2022Zuletzt aktualisiert am
11.11.2022