TE Vwgh Beschluss 2022/10/12 Ra 2022/07/0167

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Veröffentlicht am 12.10.2022
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Auswertung in Arbeit!

Norm

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Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. Bachler und Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision der revisionswerbenden Parteien 1. D R, 2. C R, 3. G G, 4. M K, 5. H K, 6. Ma K, 7. G S, 8. I K, 9. E W, 10. U S, 11. M S, 12. MMag. A J, 13. G H, 14. J S und 15. Natur- und Umweltschutzverein S, alle in N, alle vertreten durch die Auer Bodingbauer Leitner Stöglehner Rechtsanwälte OG in 4020 Linz, Spittelwiese 4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 17. Juni 2022, Zlen. LVwG-552017/26/Kü/MG-552033/2 und LVwG-552034/22/Kü/MG-552050/2, betreffend eine abfallwirtschaftsrechtliche Genehmigung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Oberösterreich; mitbeteiligte Partei: H GmbH in E, vertreten durch die Saxinger Chalupsky & Partner Rechtsanwälte GmbH in 4020 Linz, Böhmerwaldstraße 14), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Spruchpunkt I. des Bescheids der belangten Behörde vom 30. Dezember 2020 (in der Fassung des Berichtigungsbescheids vom 26. Jänner 2021) wurde der mitbeteiligten Partei gemäß näher genannten Bestimmungen des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 (AWG 2002) die abfallwirtschaftsrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Baurestmassen- und Bodenaushubdeponie auf den Grundstücken Nrn. 676, 680/1, 681/2 und 691/2, alle KG S., sowie dem Grundstück Nr. 341/2, KG N., nach Maßgabe von Nebenbestimmungen erteilt. In Spruchpunkt II. dieses Bescheids wurde die Anzeige der mitbeteiligten Partei betreffend die Errichtung und den Betrieb der Deponie aus naturschutzbehördlicher Sicht gemäß § 6 Oö. Natur- und Landschaftsschutzgesetz 2001 (Oö. NSchG 2001) unter Vorschreibung von Auflagen zur Kenntnis genommen.

2        Dagegen erhoben (unter anderen) die erst- bis vierzehntrevisionswerbenden Parteien als Nachbarn (§ 42 Abs. 1 Z 3 AWG 2002) und die fünfzehntrevisionswerbende Partei als nach § 19 Abs. 7 Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 anerkannte Umweltorganisation (§ 42 Abs. 1 Z 13 AWG 2002) gemeinsam Beschwerde.

3        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde der revisionswerbenden Parteien als unbegründet ab. Es bestätigte den Bescheid der belangten Behörde vom 30. Dezember 2020 mit der Maßgabe, dass die nachträglich (von der mitbeteiligten Partei) vorgelegten und als solche gekennzeichneten „Sickerwasserberechnungen - Deponieprojekt [H.] in [S.]“, die Austauschpläne „Gesamtlageplan BRM-Deponie mit Basisentwässerung, Anlage Nr.: 5.2 vom 09.02.2022“ und „Längs- und Querprofile, Anlage Nr.: 7.1 vom 09.02.2022“ einen Bestandteil des Projekts bildeten, und in Spruchpunkt I.A) des Bescheids „Aus Sicht der Wasserwirtschaft und des Grundwasserschutzes“ eine näher umschriebene Auflage eingefügt werde. Die Revision erklärte es für nicht zulässig.

4        Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts.

5        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

7        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8        Nach der ständigen hg. Rechtsprechung ist in den gemäß § 28 Abs. 3 VwGG bei einer außerordentlichen Revision gesondert vorzubringenden Gründen konkret auf die vorliegende Rechtsache bezogen aufzuzeigen, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung über die Revision zu lösen hätte. In den „gesonderten“ Gründen ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch nicht beantwortet hat. Die Beurteilung der Zulässigkeit der außerordentlichen Revision durch den Verwaltungsgerichtshof erfolgt ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulässigkeitsbegründung (vgl. VwGH 16.5.2022, Ra 2021/07/0049, mwN).

9        Ist die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig, liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG vor, und zwar selbst dann, wenn zu einer Frage der Auslegung der anzuwendenden Normen noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen ist (vgl. VwGH 14.7.2020, Ra 2019/07/0128, 0129, mwN).

10       In der Zulässigkeitsbegründung der Revision wird zunächst vorgebracht, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 21 Abs. 1 Z 1 Deponieverordnung 2008 (DVO 2008). Nach Ansicht der revisionswerbenden Parteien räume diese Bestimmung den Nachbarn und Umweltorganisationen ein subjektives öffentliches Recht auf Einhaltung/Berücksichtigung angemessener Entfernungen bei der Standortwahl ein. Die Klärung der Frage, welche Entfernungen einzuhalten seien, sei nicht nur rein theoretischer Natur, sondern stelle sich hier konkret aufgrund der tatsächlich vorhandenen Wohn- und Erholungsgebiete im betreffenden Gebiet. Die revisionswerbenden Parteien verstünden den Begriff „Entfernung“ nicht in Form der konkreten Auswirkungen einer Deponie auf Wohn- und Erholungsgebiete, sondern als Längenangabe entsprechend der Bedeutung des Begriffs „Entfernung“ in der deutschen Rechtschreibung (Distanz, Strecke zwischen zwei Punkten, Abstand von einem bestimmten Punkt). Ausgehend von diesem Begriffsverständnis seien die revisionswerbenden Parteien der Ansicht, dass im vorliegenden Fall die Entfernungen zu den Wohn- und Erholungsgebieten (nämlich zwischen 40 und 60 m zu den Wohngebieten „bzw. direkte Angrenzung an Erholungsgebiete“) zu gering seien und daher die Genehmigung per se nicht hätte erteilt werden dürfen.

11       Nach § 21 Abs. 1 Z 1 DVO 2008 müssen bei der Standortwahl für eine Deponie die Entfernungen von der Deponiebegrenzung zu (unter anderen) Wohn- und Erholungsgebieten berücksichtigt werden. Diese Bestimmung setzt Anhang 1 Nr. 1.1. lit. a) der Richtlinie 1999/31/EG des Rates vom 26. April 1999 über Abfalldeponien (Deponie-RL) um.

12       Wie das Verwaltungsgericht in der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses zutreffend festhielt, sieht diese Bestimmung aber keine Mindestentfernungen zu Wohngebieten vor, weshalb schon deshalb nicht zu sehen ist, dass die Verordnung den Nachbarn oder Umweltorganisationen ein subjektives Recht auf Einhaltung konkreter Entfernungen zu Wohngebieten einräume. Nach dem Wortlaut des § 21 Abs. 1 Z 1 DVO 2008 müssen bei der Standortwahl für eine Deponie die Entfernungen von der Deponiebegrenzung zu (unter anderen) Wohn- und Erholungsgebieten „berücksichtigt“ werden. Nach den Ausführungen des Verwaltungsgerichts im gegenständlichen Fall seien die (von den revisionswerbenden Parteien angeführten) Entfernungen der geplanten Deponie der mitbeteiligten Partei zu Wohngebieten berücksichtigt und einer fachlichen Begutachtung unterzogen worden.

13       Dem wird in der Revision nichts entgegengesetzt. Mit dem Verwaltungsgericht ist davon auszugehen, dass bei der Standortwahl für die gegenständliche Deponie die Entfernung zu Wohngebieten insofern berücksichtigt wurde, als diese in die fachliche Beurteilung der Deponieauswirkungen einfloss. Ausgehend davon zeigen die revisionswerbenden Parteien nicht auf, inwiefern der Wortlaut des § 21 Abs. 1 Z 1 DVO 2008 einer näheren Auslegung bedürfe.

14       In der Zulässigkeitsbegründung wird zudem fehlende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 21 Abs. 1 Z 2 und 5 DVO 2008 geltend gemacht. Die revisionswerbenden Parteien erblicken fehlende Rechtsprechung konkret zur Frage, „welche Kriterien bei der Beurteilung des § 21 Abs. 1 Z 2 und 5 DVO 2008 zu berücksichtigen sind und ob es sich hier um Versagungsgründe handelt.“ Auch sei zu klären, was unter Naturschutzgebieten und natürlichem oder kulturellem Erbe im Sinn dieser Bestimmungen zu verstehen sei. Auch sei nicht klar, welche Mindestentfernungen zu Naturschutzgebieten (etc.) einzuhalten seien und ab wann eine Genehmigung für eine Deponie erteilt bzw. nicht erteilt werden dürfe. Die Klärung dieser Frage sei nicht nur rein theoretischer Natur, vielmehr existierten das Naturdenkmal „S.“ und Konglomeratwände im betreffenden Gebiet. Am Projektstandort lebten Fledermäuse, Wildtiere, auch sei ein Biotop von Schnecken, Insekten, Schlangen, etc. vorhanden. Darüber hinaus sei am projektierten Standort Grundwasser vorhanden, wobei es sich hier um ein potentielles Grundwasserreservoir für das dortige Wohngebiet handle.

15       Nach § 21 Abs. 1 Z 2 und 5 DVO 2008 müssen bei der Standortwahl für eine Deponie das Vorhandensein von Grundwasser oder Naturschutzgebieten in dem Gebiet sowie der Schutz des natürlichen oder kulturellen Erbes des Gebietes berücksichtigt werden. Diese Bestimmung setzt Anhang I Nr. 1.1. lit. b) und e) Deponie-RL um.

16       Das Verwaltungsgericht hat sich auch mit diesen Vorgaben ausführlich auseinandergesetzt. So hielt es fest, dass schon die belangte Behörde insbesondere aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen für Natur- und Landschaftsschutz die in Spruchpunkt II. ihres Bescheids vom 30. Dezember 2020 erwähnte Kenntnisnahme aus naturschutzrechtlicher Sicht (im Anzeigeverfahren nach § 6 Oö. NSchG 2001) ausgesprochen habe. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts habe der Sachverständige schlüssig und nachvollziehbar ausgeführt, dass im vorliegenden Projekt der mitbeteiligten Partei hinsichtlich der Rekultivierung auf der Gesamtfläche die Herstellung magerer Standortverhältnisse (Schotterrohböden bzw. durchlässige Böden) vorgesehen und eine Begrünung mit Magerwiesensamen aus angrenzenden Ökoflächen bzw. dem Naturdenkmal „K.“ angedacht sei. In fachlicher Hinsicht bleibe durch die geplante Nachnutzung daher die Entwicklung naturschutzfachlich wertvoller Biotopflächen gewährleistet. Durch die Einebnung der Fläche auf die ursprünglich ebenen, natürlichen Geländeverhältnisse gingen in diesem Landschaftsausschnitt zwar die durch den Abbau entstandenen, markanten Steilböschungen mit Konglomeratwänden verloren. Um diesen Aspekt auszugleichen, seien aber als Ersatz unter fachlicher Beteiligung des Sachverständigen in der Grube W./S. auf Grundstück Nr. 634, KG P., in der Nachnutzung Konglomeratsteilwände vorgesehen, weshalb aus naturschutzfachlicher Sicht unter Berücksichtigung der ursprünglichen, ebenen Geländeverhältnisse der mit dem gegenständlichen Vorhaben verbundene Eingriff in das Landschaftsbild als vertretbar eingestuft werden könne und damit dem öffentlichen Interesse am Natur- und Landschaftsschutz nicht zuwiderlaufe.

17       Dem Einwand der fünfzehntrevisionswerbenden Umweltorganisation, wonach die Lage des Vorhabens in unmittelbarer Nähe zum Naturdenkmal „S.“ nicht berücksichtigt worden sei, hielt schon das Verwaltungsgericht entgegen, dass dieser sehr allgemein gehalten sei. Es sei in keiner Weise näher erläutert worden, worin die Beeinträchtigung durch den Deponiebetrieb liege. Auch sei vom Sachverständigen für Wasserwirtschaft eine Gefährdung des Grundwassers durch die zu errichtenden Schutzvorkehrungen ausgeschlossen worden.

18       Diesen Ausführungen wird in der Zulässigkeitsbegründung der Revision nicht substantiiert entgegengetreten. Das Verwaltungsgericht hat das Vorhandensein von Grundwasser oder Naturschutzgebieten und den Schutz des natürlichen oder kulturellen Erbes im Projektsgebiet berücksichtigt, weshalb nicht zu sehen ist, aus welchem Grund die Z 2 und 5 des § 21 Abs. 1 DVO 2008 einer darüber hinausgehenden Auslegung bedürften.

19       Ferner wird in der Zulässigkeitsbegründung vorgebracht, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 24 DVO 2008.

20       Dazu bringen die revisionswerbenden Parteien zunächst vor, es fehle Rechtsprechung zur Frage, welche Kriterien bei der Prüfung, ob geeignete Maßnahmen im Sinn des Anhangs 1 Nr. 2 Deponie-RL - der durch § 24 DVO 2008 umgesetzt werde - getroffen worden seien, zu berücksichtigen seien. Dem ist zu entgegen, dass damit kein erkennbarer Bezug zum vorliegenden Revisionsfall hergestellt wird. Für die Lösung abstrakter Rechtsfragen ist der Verwaltungsgerichtshof nicht zuständig (vgl. VwGH 18.2.2021, Ra 2018/07/0347, mwN).

21       Zudem bringen die revisionswerbenden Parteien vor, im gegenständlichen Genehmigungsverfahren sei eine natürliche Vorflut (im Sinn des § 24 Abs. 1 DVO 2008) nicht vorhanden. Die Deponiesickerwässer würden von einem Sickerwassersammelschacht abgepumpt und in einem höher gelegenen Speicherbecken zwischengespeichert. Dieses Becken sei nicht im freien Gefälle erreichbar, sondern liege 40 m höher als der Sammelschacht. Dieser Schacht sei nicht frei zugänglich und keine Speichereinrichtung im Sinn des § 24 Abs. 2 DVO 2008. Auch liege er laut Einreichplan innerhalb der Bodenaushubdeponie. Zwar sei im Wege einer Projektsänderung während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens der Stützkeil, der den Sammelschacht überdecke, außerhalb desselben situiert worden; dies ändere aber nichts an der Unvereinbarkeit der gesamten Konstruktion mit § 24 Abs. 2 DVO 2008.

22       Nach § 24 Abs. 1 DVO 2008 ist bei jeder Deponie, ausgenommen einer Bodenaushubdeponie, eine freie Deponiesickerwasservorflut zu gewährleisten. Ist (unter anderen) bei einer Baurestmassendeponie eine natürliche Vorflut nicht vorhanden, müssen nach § 24 Abs. 2 DVO 2008 gesammelte Deponiesickerwässer jedenfalls in außerhalb des Deponiekörpers liegende, frei zugängliche Speichereinrichtungen in freiem Gefälle abfließen können.

23       Auf dem Boden dieser Bestimmung hat aber schon das Verwaltungsgericht dem Vorbringen der revisionswerbenden Parteien entgegengehalten, dass bereits vom Sachverständigen für Deponiebautechnik im behördlichen Verfahren im Gutachten klar und eindeutig zum Ausdruck gebracht worden sei, dass die im (ursprünglich eingereichten) Projekt der mitbeteiligten Partei vorgesehene Sickerwasserfassung und Sammlung im Sickerwassersammelschacht sowie die anschließende Speicherung des Sickerwassers in einem höhergelegenen, freizugänglichen Sickerwasserbecken, in dem die aus dem Schacht abgepumpten Sickerwässer gesammelt würden, den fachlichen Vorgaben des § 24 DVO 2008 entsprächen.

24       Dessen ungeachtet hat die mitbeteiligte Partei im Rahmen des Beschwerdeverfahrens die (von den revisionswerbenden Parteien angesprochene) Projektsänderung hinsichtlich der Situierung des Sickerwassersammelschachts vorgenommen. Konkret wurde der Schacht nach Norden verlegt, weshalb er nunmehr weder den Schüttkörper der Baurestmassendeponie, noch den zur Absicherung des Schüttkörpers vorgesehenen Stützkeil berührt. Dass es sich bei der Projektsänderung um eine wesentliche Änderung des verfahrenseinleitenden Antrags der mitbeteiligten Partei gehandelt hätte, wird von den revisionswerbenden Parteien nicht behauptet (vgl. dazu die Rechtsprechung zu § 13 Abs. 8 AVG VwGH 29.7.2022, Ro 2020/07/0003, mwN).

25       Nach den Ausführungen des im Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgericht neuerlich beauftragten Sachverständigen für Deponiebautechnik werde durch die neue Situierung des Sickerwassersammelschachts außerhalb des Stützkeils nunmehr auch dem Wortlaut des § 24 Abs. 2 DVO 2008 entsprochen und sei somit das von der DVO 2008 geforderte technische Niveau der frei zugänglichen Speichereinrichtung, in der die gesammelten Sickerwässer im freien Gefälle abfließen könnten, gegeben. Für das Verwaltungsgericht stand ausgehend davon fest, dass auch in deponiebautechnischer Hinsicht durch die Art und Weise der vorgesehenen Sickerwassersammlung den Vorgaben der DVO 2008 entsprochen werde. Den von den revisionswerbenden Parteien dargestellten Bedenken sei vom Sachverständigen in fachlicher Hinsicht schlüssig und nachvollziehbar entgegengetreten worden und seien zudem die Ausführungen in der Beschwerde nicht auf gleicher fachlicher Ebene erfolgt. Der Sachverständige könne nachvollziehbar den technischen Hintergrund der einschlägigen Regelungen der DVO 2008 darstellen und es gewährleiste die vorgesehene Form der Sickerwasserfassung einen Schutz der technischen Schadstoffbarrieren. Diesem Gesichtspunkt hätten die revisionswerbenden Parteien jedenfalls nicht Rechnung getragen; es werde bloß der Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen der DVO 2008 als Argument für die Nichterfüllung der Regelungen vorgebracht. Durch die geänderte Situierung des Sickerwassersammelschachts sei aber auch diesem Argument der Boden entzogen worden. Die vorgesehene Form der Sickerwasserfassung und Sammlung entspreche somit den technischen Vorgaben der DVO 2008, weshalb der Einwand der revisionswerbenden Parteien ins Leere gehe. Die geänderten Planunterlagen der mitbeteiligten Partei seien daher, wie im Spruch ersichtlich, als Projektsbestandteil zu bezeichnen und als der abfallwirtschaftsrechtlichen Genehmigung zugrundeliegend zu kennzeichnen gewesen.

26       Diesen auf die fachliche Beurteilung des deponiebautechnischen Sachverständigen gestützten Ausführungen des Verwaltungsgerichts, wonach bei der gegenständlichen Baurestmassendeponie die gesammelten Deponiesickerwässer in einem außerhalb des Deponiekörpers liegenden, frei zugänglichen Sickerwassersammelschacht in freiem Gefälle abfließen können, wird in der Zulässigkeitsbegründung ebenso nichts Substantielles entgegengesetzt.

27       In der Zulässigkeitsbegründung wird auch ein Fehlen von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 43 Abs. 2 Z 5 lit. f AWG 2002 ins Treffen geführt. Das wasserwirtschaftliche Planungsorgan habe im behördlichen Verfahren (in der Zulässigkeitsbegründung wörtlich wiedergegebene) Bedenken gegen die Ableitung der Deponiesickerwässer des gegenständlichen Vorhabens der mitbeteiligten Parteien gehabt. Es wäre sicherzustellen, dass die Ableitung über eine natürliche Vorflut erfolge, andernfalls das Vorhaben nicht genehmigungsfähig erscheine. Auch könne aus Sicht des Planungsorgans eine Grundwasserverunreinigung über das Geringfügigkeitsausmaß hinaus nicht ausgeschlossen werden. Nach Dafürhalten der revisionswerbenden Parteien hätte aufgrund unüberbrückbarer Hindernisse bei richtiger Würdigung der Stellungnahme des Planungsorgans die Genehmigung für die Deponie der mitbeteiligten Partei nicht erteilt werden dürfen.

28       Nach § 43 Abs. 2 Z 5 lit. f AWG 2002 ist eine Genehmigung für ein Deponieprojekt zu erteilen, wenn zu erwarten ist, dass die Behandlungsanlage hinsichtlich des Schutzgutes Gewässer die Voraussetzung, dass kein Widerspruch zu den Interessen der wasserwirtschaftlichen Planung an der Sicherung der Trink- und Nutzwasserversorgung vorliegt, erfüllt.

29       Vor diesem Hintergrund hat das Verwaltungsgericht zur Abklärung der Auswirkungen des geplanten Deponiebetriebs auf das Grundwasser nochmals ein Gutachten eines Amtssachverständigen für Wasserwirtschaft eingeholt. Es gelangte aufgrund dieser neuerlichen Begutachtung zum Ergebnis, dass die Ausführungen des wasserwirtschaftlichen Planungsorgans im Zuge der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde zu relativieren seien, zumal durch die zu errichtenden Schadstoffbarrieren und das geplante Sickerwassererfassungssystem gewährleistet sei, dass es zu keinen Beeinträchtigungen des Grundwassers und somit der Trink- und Nutzwasserversorgung im Nahbereich der geplanten Deponie kommen könne.

30       Das Zulässigkeitsvorbringen, welches sich ausschließlich auf die Ausführungen des wasserwirtschaftlichen Planungsorgans im behördlichen Verfahren stützt, setzt dieser Begründung des Verwaltungsgerichts, wonach das gegenständliche Deponievorhaben den Interessen der wasserwirtschaftlichen Planung an der Sicherung der Trink- und Nutzwasserversorgung im Sinn des § 43 Abs. 2 Z 5 lit. f AWG 2002 nicht widerspricht, ebenso nichts entgegen. Schon deshalb wird auch mit diesem Vorbringen die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.

31       Zuletzt wird in der Zulässigkeitsbegründung ein Abweichen des angefochtenen Erkenntnisses von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Interessenabwägung nach § 17 Abs. 3 Forstgesetz 1975 (ForstG 1975) erblickt. Es bestehe in concreto kein Bedarf an einer weiteren Bodenaushub- und Baurestmassendeponie. Es liege kein Engpass bei der Entsorgung von Bodenaushub und Baurestmassen vor, zumindest sei dies von der mitbeteiligten Partei in keiner Weise bescheinigt worden und es gebe dazu auch keine Ausführungen der beteiligten Amtssachverständigen oder sonstige Hinweise. Demnach bestehe kein öffentliches Interesse im Sinn des § 17 Abs. 3 ForstG 1975 an der verfahrensgegenständlichen Deponie.

32       Nach § 17 Abs. 3 ForstG 1975 kann - sofern eine Bewilligung nach Abs. 2 leg. cit. nicht erteilt werden kann - die Behörde eine Bewilligung zur Rodung dann erteilen, wenn ein öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche das öffentliche Interesse an der Erhaltung dieser Fläche als Wald überwiegt.

33       Nach der hg. Rechtsprechung betrifft die Interessenabwägung nach § 17 Abs. 3 ForstG 1975 den Einzelfall. Die Zulässigkeit einer Revision könnte sich in diesem Zusammenhang nur ergeben, wenn in den Revisionszulässigkeitsgründen substantiiert aufgezeigt wird, dass die diesbezügliche Beurteilung des Verwaltungsgerichts grob fehlerhaft erfolgt wäre oder zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Ergebnis geführt hätte (vgl. VwGH 15.3.2021, Ro 2021/05/0002 bis 0011, mwN).

34       Das Verwaltungsgericht hat im vorliegenden Fall zu den Rodungsflächen, welche Teilflächen der Grundstücke Nrn. 680/1 und 676, KG S., betreffen, grundsätzlich festgehalten, dass diese im Flächenwidmungsplan als „Abgrabungsgebiet Kies“ ausgewiesen seien. Gesamt gesehen sei im Verhältnis zur Grundfläche der beiden Grundstücke eine geringe Teilfläche betroffen, die durch natürliche Sukzession als Wald entstanden sei. Für die Ersatzaufforstung im gleichen Ausmaß der Rodungsfläche sei im Ansuchen eine direkt angrenzende Fläche angeboten worden, die in den Nebenbestimmungen des Bescheids der belangten Behörde vom 30. Dezember 2020 festgesetzt worden sei. Die bestehende Flächenwidmung verdeutliche - neben der Tatsache, dass auf den genannten Grundflächen eine Bodenaushubdeponie bereits rechtskräftig genehmigt worden sei - bereits ein wesentliches öffentliches Interesse an der Verwendung der Grundfläche zu anderen Zwecken als der Waldkultur. Auch wenn vom dem Verfahren vor der belangten Behörde beigezogenen forsttechnischen Amtssachverständigen die Wohlfahrtswirkung des Waldes angesprochen werde, sei dem die Beurteilung des von der belangten Behörde beigezogenen humanmedizinischen Sachverständigen entgegenzuhalten, wonach Gesundheitsgefährdungen und Belästigungen der Nachbarn durch das Vorhaben nicht zu erwarten seien. Die bestehende Flächenwidmung stehe einer herkömmlichen Waldbewirtschaftung entgegen. Eine erhöhte Schutz- und/oder Erholungswirkung des Waldes sei nicht festgestellt worden. Zudem sei eine Überschreitung forstrechtlich relevanter Schadstoffe nicht zu erwarten. Folglich werde die Bodenaushub- und Baurestmassendeponie keine Beeinflussung von Wald in der Umgebung bewirken können. Im Ergebnis - so das Verwaltungsgericht - führten diese Gesichtspunkte zur berechtigten Annahme, dass die das Interesse am Vorhaben begründenden Umstände (Flächenwidmung, genehmigte Bodenaushubdeponie) das öffentliche Interesse an der Walderhaltung überwögen. Die von den revisionswerbenden Parteien vorgetragenen Bedenken, wonach eine Rodungsbewilligung nicht erteilt werden könne, träfen demnach nicht zu. Die Inanspruchnahme von Waldboden zu forstfremden Zwecken habe von der belangten Behörde somit in Mitanwendung des ForstG 1975 bewilligt werden können.

35       Dass diese umfangreiche Begründung des Verwaltungsgerichts den Leitlinien der hg. Rechtsprechung zu § 17 Abs. 3 ForstG 1975 widerspreche, wird in der Zulässigkeitsbegründung nicht ansatzweise aufgezeigt. Das behauptete Abweichen des angefochtenen Erkenntnisses von der hg. Rechtsprechung ist daher nicht zu sehen.

36       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 12. Oktober 2022

Schlagworte

Auswertung in Arbeit!

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022070167.L00

Im RIS seit

11.11.2022

Zuletzt aktualisiert am

11.11.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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