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Auswertung in Arbeit!Norm
Auswertung in Arbeit!Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision des W in S, vertreten durch Dr. Robert Galler, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Viktor-Keldorfer-Straße 1, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 29. Juni 2022, Zl. RV/6100056/2022, betreffend Haftung gemäß § 11 BAO, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom 19. Oktober 2021 wurde der Revisionswerber als Haftungspflichtiger gemäß § 11 BAO für die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der S im Ausmaß von 1.234,44 € (Kapitalertragsteuer für die Jahre 2010 bis 2014) in Anspruch genommen. In der Begründung wurde u.a. ausgeführt, die Abgabenschulden seien bei der Primärschuldnerin im angeführten Ausmaß nicht einbringlich, sodass es zweckmäßig erscheine, den Revisionswerber zur Haftung heranzuziehen.
2 Der Revisionswerber erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde.
3 Mit Beschwerdevorentscheidung vom 13. Dezember 2021 wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab.
4 Der Revisionswerber beantragte die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.
5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als unbegründet ab. Es sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
6 In der Begründung führte das Bundesfinanzgericht aus, der Revisionswerber sei mit Urteil des Landesgerichts vom 14. September 2021 u.a. schuldig gesprochen worden, zur Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG und nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG der S in Bezug auf die Kapitalertragsteuer für die Jahre 2010 bis 2014 (in Höhe von gesamt 1.234,44 €) beigetragen zu haben. Im Dezember 2021 sei in Bezug auf die Abgabepflichtige ein Schuldenregulierungsverfahren vor dem Bezirksgericht eröffnet worden. Der vorgeschlagene Zahlungsplan beinhalte die Zahlung der Gläubigerforderungen im Ausmaß von 1 % (fünf jährliche Teilzahlungen zu je 0,20 %).
7 Eine Haftungsinanspruchnahme setze die Geltendmachung der Abgabenschuld gegenüber der Primärschuldnerin nicht voraus; die Uneinbringlichkeit der Abgabenschuld bei der Primärschuldnerin sei keine Tatbestandsvoraussetzung für eine Haftungsinanspruchnahme nach § 11 BAO.
8 Die Haftungsinanspruchnahme sei eine Ermessensentscheidung im Sinne des § 20 BAO. Zum einen sei dabei maßgeblich das Schuldenregulierungsverfahren bei der Primärschuldnerin zu berücksichtigen, das eine „Einbringlichkeit der haftungsverfangenen Abgabenverbindlichkeiten zum überwiegenden Teil uneinbringlich“ mache, zum anderen sei zu berücksichtigen, dass die Haftung nach § 11 BAO eine Schadenersatzhaftung sei. Der Haftungsbestimmung liege der gesetzgeberische Wille zu Grunde, dass derjenige, der eine widerrechtliche Handlung gesetzt habe, auch für die vermögensrechtlichen Folgen seines Handelns einzustehen habe. Es sei daher im vorliegenden Fall dem Interesse der Allgemeinheit an der Abgabeneinbringung der Vorzug zu geben gegenüber den Interessen des Revisionswerbers, nicht zur Haftung in Anspruch genommen zu werden. Wenn der Revisionswerber auf seine wirtschaftliche Situation verweise, sei zu entgegnen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die persönlichen Umstände des Haftenden für sich allein in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung stünden.
9 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende Revision.
10 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
13 Zur Zulässigkeit wird in der Revision geltend gemacht, das angefochtene Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab. Die Ermessensentscheidung habe sich innerhalb der Grenzen zu halten, die das Gesetz ziehe. Im vorliegenden Fall liege Ermessensmissbrauch sowie Ermessensüberschreitung vor. Bei der Ermessensübung im Haftungsverfahren sei insbesondere der Grundsatz der Subsidiarität der Haftung zu beachten, dass also die Abgabenschuld vom Hauptschuldner nicht ohne Gefährdung und ohne Schwierigkeiten eingebracht werden könnte (Hinweis auf VwGH 9.9.2015, Ra 2015/16/0037). Das Bundesfinanzgericht habe es unterlassen, konkret und schlüssig darzutun, aus welchen Gründen bei der vorzunehmenden Interessensabwägung den Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit gegenüber jenen der Billigkeit der Vorzug eingeräumt worden sei. Zweckmäßigkeit berücksichtige auch das „Interesse an der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit der Vollziehung“ (Hinweis auf VwGH 24.4.2014, 2010/15/0159); dazu habe das Bundesfinanzgericht in seiner Begründung keine Argumente angeführt. Das Bundesfinanzgericht habe das Element der Zumutbarkeit dahingehend, als zunächst die Primärschuldnerin hätte in Anspruch genommen werden müssen, außer Acht gelassen. Das Schuldenregulierungsverfahren der Primärschuldnerin sei erst im Dezember 2021 - sohin nach Erlassung des Haftungsbescheides - eröffnet worden. Es wäre im vorliegenden Fall sohin zunächst auf die Primärschuldnerin zurückzugreifen gewesen; das Finanzamt habe aber keine konkreten Schritte gesetzt, um die Abgabenschuld bei der Primärschuldnerin einbringlich zu machen.
14 Mit diesem Vorbringen werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
15 Zutreffend ist, dass die Geltendmachung einer Haftung - auch nach § 11 BAO - in das Ermessen der Abgabenbehörden gestellt ist (vgl. z.B. VwGH 16.12.1999, 97/16/0006; 8.9.2020, Ra 2020/13/0029). Dass ein die Zulässigkeit der Revision begründender Ermessensfehler vorläge, zeigt die Revision aber nicht auf.
16 Die Ermessensübung hat sich am Zweck der Norm zu orientieren (vgl. VwGH 29.9.2011, 2008/16/0087, mwN). § 11 BAO dient der Sicherung und Hereinbringung der verkürzten Abgaben (vgl. VwGH 28.4.2009, 2006/13/0197). Dabei ist (worauf bereits das Bundesfinanzgericht verwiesen hat) auch zu berücksichtigen, dass die Haftung nach § 11 BAO - anders als jene nach § 9 BAO - keine Ausfallshaftung, sondern eine unbeschränkte Primärhaftung ist (vgl. VwGH 28.4.2009, 2006/13/0197). Im Rahmen der Prüfung der Zweckmäßigkeit ist u.a. auch die Einbringlichkeit der in Frage stehenden Abgabenschulden zu prüfen (vgl. VwGH 23.1.1989, 87/15/0136; 16.12.1999, 97/16/0006). Bereits das Finanzamt hatte im Haftungsbescheid dazu ausgeführt, dass die Abgabenschulden bei der S nicht einbringlich seien. Das Bundesfinanzgericht, dem in Ermessensfragen volle Kognition zusteht (vgl. neuerlich VwGH 8.9.2020, Ra 2020/13/0029, mwN), hat diese Ausführungen dahin ergänzt, dass hinsichtlich der Abgabepflichtigen ein Schuldenregulierungsverfahren anhängig sei (mit einer angebotenen Zahlungsquote von 1 %). Die Annahme des Bundesfinanzgerichts, dass die Abgabenschuld bei der Abgabepflichtigen nicht oder allenfalls nur in geringem Ausmaß einbringlich sein wird, diese Abgabenschuld also - entgegen der Ansicht des Revisionswerbers - nicht ohne Gefährdung und ohne Schwierigkeiten eingebracht werden könnte (vgl. dazu VwGH 9.9.2015, Ra 2015/16/0037), sodass die Haftungsinanspruchnahme als zweckmäßig zu beurteilen ist, begegnet somit keinen Bedenken. In welcher Weise Grundsätze der Sparsamkeit oder Wirtschaftlichkeit gegen die Haftungsinanspruchnahme des Revisionswerbers sprechen könnten, wird in der Revision nicht dargelegt und ist nicht ersichtlich.
17 Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 13. Oktober 2022
Schlagworte
Auswertung in Arbeit!European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022130090.L00Im RIS seit
11.11.2022Zuletzt aktualisiert am
11.11.2022