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Auswertung in Arbeit!Norm
Auswertung in Arbeit!Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision der O GmbH in O, vertreten durch Dr. Gerhard Huber, Rechtsanwalt in 4040 Linz, Rudolfstraße 4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 24. März 2021, Zl. LVwG-AV-122/001-2020, betreffend Kanalbenützungsgebühr, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom 11. Oktober 2019 wurde gegenüber der Revisionswerberin für die Benützung der öffentlichen Kanalanlage für eine näher bezeichnete Liegenschaft eine Kanalbenützungsgebühr für den Zeitraum ab 1. Jänner 2018 festgesetzt. Die Gebühr errechnete sich aus einer flächenbezogenen Kanalbenützungsgebühr sowie einem schmutzfrachtbezogenen Gebührenanteil. Die Revisionswerberin erhob fristgerecht Berufung gegen den Abgabenbescheid. Darin wurde unter anderem ausgeführt, dass die Berechnung des schmutzfrachtbezogenen Gebührenanteils unrichtig sei. Der für die Berechnung herangezogene EGW-Spitzenwert sei am 21./22. Juli 2018 gemessen worden; es handle sich dabei um ein Ausreißerergebnis, das nicht zur Berechnung herangezogen werden dürfe.
2 Der Berufung wurde keine Folge gegeben, weshalb die Revisionswerberin Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht erhob. Dieses führte eine mündliche Verhandlung durch, in der ein Amtssachverständiger für die Siedlungswasserwirtschaft beigezogen wurde. In der Verhandlung stellte die Revisionswerberin den Antrag, die Rückstellprobe von Juli 2018 auf eigene Kosten analysieren zu lassen. Die Probe war allerdings zu diesem Zeitpunkt bereits verworfen worden. In der fortgesetzten Verhandlung am 11. März 2021 wurde der Geschäftsführer der Revisionswerberin zur Plausibilität des am 21./22. Juli 2018 gemessenen EGW-Spitzenwertes befragt.
3 Das Landesverwaltungsgericht gab der Beschwerde teilweise Folge und änderte den Gebührenbetrag ab. Es führte aus, aus den im relevanten Zeitraum vorgenommenen Messreihen ergebe sich ein gemessener EGW-Spitzenwert von 875 EGW, der EGW-Durchschnittswert betrage 271,49 EGW. Die verfahrensgegenständliche Liegenschaft sei an den öffentlichen Kanal angeschlossen, es würden sowohl Schmutzwässer als auch Regenwässer eingeleitet. Die Abgabenschuld der Revisionswerberin stehe dem Grunde nach außer Frage. Die ermittelten Berechnungsflächen seien außer Streit gestellt worden. Strittig sei lediglich das Ausmaß des berechneten schmutzfrachtbezogenen Gebührenanteiles. Zweifel an der Plausibilität der Messergebnisse hege das erkennende Gericht nicht. Auch vom beigezogenen Amtssachverständigen sei bei der Verhandlung ausgeführt worden, dass das Ergebnis der Messreihe 2018 aus technischer Sicht als plausibel anzusehen sei. Insbesondere sei vom Amtssachverständigen auch schlüssig und nachvollziehbar dargelegt worden, dass Messhöchstwerte wie der am 21./22. Juli 2018 als EGW-Spitzenwert gemessene Wert möglich seien. Diesen Ausführungen sei von der Revisionswerberin letztlich nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten worden.
4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zur Zulässigkeit geltend gemacht, das angefochtene Erkenntnis verstoße gegen das in Art. 6 EMRK verankerte Recht auf ein faires Verfahren. Dies deshalb, weil bei der Ermittlung des schmutzfrachtbezogenen Gebührenanteiles ein Spitzenwert herangezogen worden sei, zu dem die Rückstellprobe verworfen worden sei. Dadurch sei es der Revisionswerberin verunmöglicht worden, dem eingeholten Amtssachverständigengutachten auf fachlich gleicher Ebene entgegenzutreten. Ohne die Möglichkeit, ein Gegengutachten auf fachlich gleicher Ebene durch Analyse der Rückstellprobe einzuholen, sei die Revisionswerberin darauf beschränkt gewesen, die Fehlerhaftigkeit des Messergebnisses durch weniger qualifizierte Beweismittel aufzuzeigen. Dies verstoße gegen Art. 6 EMRK. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum LMSVG komme der Rückstellprobe im Hinblick auf die Verwertbarkeit eines amtlichen Gutachtens erhebliche Relevanz zu. Diese Rechtsprechung berufe sich auf Judikatur des EuGH, der sich wesentlich auf Art. 6 EMRK stütze. Die nach Ansicht der Revisionswerberin zu bejahende verfahrensrechtliche Frage, ob dezidierte Rechtsprechung des EuGH auch auf Sachverhalte anwendbar sei, die nicht dem LMSVG unterliegen, sei von grundsätzlicher Bedeutung, weil tragende Grundsätze des Beweisrechts auf dem Spiel stünden. Selbst wenn keine verfahrensrechtliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegen sollte, sondern inhaltliche Rechtswidrigkeit durch Heranziehung eines falschen Spitzenwertes, bliebe die relevante weit über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage gleich. Es gehe nämlich darum, ob die Rechtsprechung des EuGH und des Verwaltungsgerichtshofs zum LMSVG und Art. 6 EMRK auch auf Sachverhalte anzuwenden sei, für die es keine gesetzliche Pflicht zur Aushändigung einer Gegenprobe bzw. Aufbewahrung einer Rückstellprobe gebe.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Gemäß § 5 NÖ Kanalgesetz ist für die Möglichkeit der Benützung der öffentlichen Kanalanlage eine jährliche Kanalbenützungsgebühr zu entrichten, wenn der Gemeinderat die Einhebung einer solchen Gebühr beschlossen hat. Die Kanalbenützungsgebühr errechnet sich aus dem Produkt der Berechnungsfläche und dem Einheitssatz zuzüglich eines schmutzfrachtbezogenen Gebührenanteiles. Dieser wird nur dann berücksichtigt, wenn die eingebrachte Schmutzfracht den Grenzwert von 100 Berechnungs-EGW überschreitet. Gemäß Abs. 4 errechnet sich der schmutzfrachtbezogene Gebührenanteil aus dem Produkt der Berechnungs-EGW und dem 0,5fachen spezifischen Jahresaufwand.
9 Der Gemeinderat der Marktgemeinde O hat am 21. August 2017 eine Kanalabgabenordnung erlassen.
10 Strittig ist die Höhe des schmutzfrachtbezogenen Gebührenanteils. Die Revisionswerberin macht hiezu im Wesentlichen Verfahrensfehler geltend.
Dem Zulässigkeitsvorbringen der Revisionswerberin ist zunächst entgegenzuhalten, dass Art. 6 EMRK im vorliegenden Verfahren, das öffentliche Abgaben betrifft, nicht anwendbar ist (vgl. VwGH 9.2.2022, Ra 2021/13/0137, mwN). Anders als in Verfahren nach dem LMSVG (vgl. dazu etwa VwGH 5.11.2020, Ra 2019/10/0001, mit Hinweis auf EuGH 10.4.2003, Steffensen, C-276/01) unterliegt die Frage der Beweisverwertung in Verfahren nach dem NÖ Kanalgesetz auch nicht Regelungen des Unionrechts.
Nach § 166 BAO kommt im Abgabenverfahren als Beweismittel alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist (vgl. z.B. VwGH 8.10.2020, Ra 2020/13/0044, mwN). Soweit in der Revision insbesondere geltend gemacht wird, der Revisionswerberin sei durch Vernichtung der „Rückstellproben“ die Möglichkeit genommen worden, auf fachlich gleicher Ebene ein Gegengutachten einzuholen (vgl. dazu etwa VwGH 31.1.2019, Ra 2018/16/0216), ist zu bemerken, dass auch dem Amtssachverständigen derartige Proben nicht vorlagen. Das Gutachten des Amtssachverständigen beschränkte sich auf eine Auswertung der vorliegenden Unterlagen, insbesondere darauf, ob die in den Unterlagen ausgewiesenen Probenwerte plausibel seien. Es ist nicht erkennbar, dass die Revisionswerberin zu dieser Frage - zur Bekämpfung der Ausführungen des Amtssachverständigen - ein Gegengutachten nicht hätte einholen können.
11 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 14. Oktober 2022
Schlagworte
Auswertung in Arbeit!European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021130069.L00Im RIS seit
11.11.2022Zuletzt aktualisiert am
11.11.2022