TE Vwgh Beschluss 2022/10/19 Ra 2022/04/0090

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Veröffentlicht am 19.10.2022
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Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger, Hofrätin Mag. Hainz-Sator und den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Vonier, über die Revision der Datenschutzbehörde in 1030 Wien, Barichgasse 40-42, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Juni 2022, Zl. W176 2245174-1/3E, betreffend eine Datenschutzbeschwerde wegen Verletzung des Rechts auf Geheimhaltung (mitbeteiligte Parteien: 1. V K in W, vertreten durch Mag. Robert Haupt, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 29/12 und 2. Ö AG in W, vertreten durch die Schönherr Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schottenring 19), den Beschluss

Spruch

gefasst:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        1. Mit Datenschutzbeschwerde vom 18. Februar 2020 begehrte die Erstmitbeteiligte - insofern hier von Relevanz - die Feststellung der Verletzung ihres Rechts auf Geheimhaltung durch die Zweitmitbeteiligte durch die rechtswidrige Verarbeitung bestimmter personenbezogener Daten.

2        Mit Bescheid der Revisionswerberin vom 19. Mai 2021 wies diese die Beschwerde der Erstmitbeteiligten (als „präkludiert“) zurück.

3        2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde der Erstmitbeteiligten statt, hob den Zurückweisungsbescheid auf und verwies die Angelegenheit an die Revisionswerberin zurück. Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.

4        Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht aus, die Fristen des § 24 Abs. 4 DSG würden im Falle fortgesetzter Schädigung durch rechtswidrige Dauerzustände nicht vor Beendigung des Dauerzustandes zu laufen beginnen, weshalb fallbezogen maßgeblich sei, wann der vorgebrachte rechtsverletzende Zustand - etwa durch Löschung der Daten - beendet worden sei. Die Revisionswerberin habe hierzu wegen Verkennens der Rechtslage keinerlei Ermittlungen angestellt und die betreffenden Feststellungen auch nicht im Rahmen einer Beschwerdevorentscheidung nachgeholt. Im vorliegenden Fall lägen aus diesem Grund besonders schwerwiegende Mängel des Ermittlungsverfahrens im Sinne der Rechtsprechung vor, weshalb die Angelegenheit an die Revisionswerberin zurückzuverweisen sei.

5        3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision der belangte Behörde.

6        4. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

7        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

8        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9        4.1. Als Zulassungsgrund führt die Revision ins Treffen, das Verwaltungsgericht sei mit seiner Vorgangsweise nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG von der ständigen Rechtsprechung abgegangen, wonach die meritorische Entscheidungspflicht des Verwaltungsgerichts Vorrang habe und die Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme bilde. Die Voraussetzungen für eine Aufhebung und Zurückverweisung lägen hier nicht vor.

10       4.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in zahlreichen Erkenntnissen, beginnend mit jenem vom 26. Juni 2014, Ro 2014/03/0063, zur Befugnis der Verwaltungsgerichte zur Behebung und Zurückverweisung gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG Stellung genommen.

11       Demnach stellt die Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis steht diese Möglichkeit nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden.

12       Der Verwaltungsgerichtshof hat jedoch auch bereits festgehalten, dass die fallbezogene Anwendung des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG unter Berücksichtigung der vom Verwaltungsgerichtshof vorgegebenen Auslegung dieser Bestimmung dann keine grundsätzliche Rechtsfrage berührt, wenn sich das vom Verwaltungsgericht solcherart erzielte Ergebnis als vertretbar erweist (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 25.1.2017, Ra 2016/12/0109). Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts erweist sich vorliegend als noch vertretbar, weil es darauf verweist, dass die Revisionswerberin in dem von ihr erlassenen Bescheid zu den für die rechtliche Beurteilung der Präklusion maßgeblichen Tatsachen überhaupt keine Feststellungen getroffen und nach Erhebung der Bescheidbeschwerde durch die Erstmitbeteiligte lediglich eine Stellungnahme der Zweitmitbeteiligten eingeholt hat.

13       In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 19. Oktober 2022

Schlagworte

Auswertung in Arbeit!

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022040090.L00

Im RIS seit

11.11.2022

Zuletzt aktualisiert am

11.11.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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