Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §39 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Sauberer, Dr. Gruber, Dr. Gall und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, über die Beschwerde der T-Handelsgesellschaft mbH in D, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in D, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 9. Jänner 1995, Zl. 11 - 22 A 1 - 1993, betreffend Beseitigungsauftrag gemäß § 35 Abs. 1
lit. b StVO 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde B als Geschäftsführer der Beschwerdeführerin gemäß § 35 Abs. 1 lit. b (StVO 1960) verpflichtet, die elektronische Werbeeinrichtung (Display 314 x 230 cm) angebracht auf dem Haus F-Straße Nr. 3, nördlicher Giebel, (in D) zu beseitigen.
Mit Beschluß vom 15. März 1995, B 512/95, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde ab und trat diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Vorweg ist festzuhalten, daß zwischen den Parteien des Verfahrens unbestritten ist, daß sich der mit dem angefochtenen Bescheid ergangene Beseitigungsauftrag an die Beschwerdeführerin (und nicht an B als deren Vertretungsorgan) richtet. Dagegen bestehen auch seitens des Verwaltungsgerichtshofes keine Bedenken.
Gemäß § 35 Abs. 1 StVO 1960 hat die Behörde, wenn es die Sicherheit des Straßenverkehrs erfordert, die Besitzer von Gegenständen, die auf der Straße oder auf Liegenschaften in der Umgebung der Straße angebracht sind und durch ihre Beschaffenheit oder Lage oder durch die Art ihrer Anbringung oder ihrer Anordnung geeignet sind, die Sicherheit des Straßenverkehrs zu beeinträchtigen, durch Bescheid zu verpflichten,
a)
die Lage oder die Art der Anbringung oder die Anordnung des Gegenstandes so zu ändern, daß die Sicherheit des Straßenverkehrs nicht weiter beeinträchtigt wird, oder
b)
wenn eine in lit. a bezeichnete Änderung nicht ausreicht, die Gegenstände zu beseitigen.
Nach Abs. 2 der genannten Bestimmung ist eine Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs durch die in Abs. 1 bezeichneten Gegenstände insbesondere dann anzunehmen, wenn sie die Straßenbenützer blenden, die freie Sicht über den Verlauf der Straße oder auf Einrichtungen zur Regelung oder Sicherung des Verkehrs behindern oder mit solchen Einrichtungen, insbesondere mit Straßenverkehrszeichen oder mit Lichtzeichen (§ 38), verwechselt werden können, oder die Wirkung solcher Einrichtungen herabmindern.
Die belangte Behörde ging aufgrund des Gutachtens eines technischen Amtssachverständigen im wesentlichen davon aus, daß es sich bei der verfahrensgegenständlichen Anlage um eine elektrische Leuchtreklametafel handelt, welche in rascher Bildfolge verschiedenfärbige und verschiedenartige Werbungen darbietet. Diese Tafel ist ca. 70 m von einer Verkehrslichtsignalanlage entfernt und bewirkt aufgrund der Art ihrer Anbringung und des Betriebes für sich in Fahrtrichtung Nord - Süd annähernde Verkehrsteilnehmer eine Herabminderung der Wirkung dieser Verkehrslichtsignalanlage.
Der Verwaltungsgerichtshof hat gegen Schlüssigkeit des diesen Feststellungen zugrundegelegten Gutachtens keine Bedenken. Solche vermag die Beschwerdeführerin auch mit dem Hinweis auf ein von ihr beigebrachtes Privatgutachten nicht zu erwecken, wonach "in der gesamten Annäherungsphase über die letzten 100 m bei einer üblichen Fahrerposition und normaler Fahrlinie eines Pkw"s eine Überdeckung der VSA und der Reklametafel nicht auftritt". Der Amtssachverständige leitete nämlich die von der gegenständlichen Werbeeinrichtung ausgehende Herabminderung der Wirkung der Verkehrslichtsignalanlage in erster Linie daraus ab, daß sich die Leuchtreklametafel mit ständig wechselnden, in den Farben rot, grün, orange und den daraus resultierenden Mischfarben gehaltenen Bildinhalten im Blickfeld der Kraftfahrer befände und diese verleite, ihre Aufmerksamkeit über Gebühr auf diesen Informationsinhalt zu konzentrieren. Eine Überlagerung des Signalgebers mit der Leuchtreklame sei nur bei Benützung des äußersten rechten Fahrstreifens in Fahrtrichtung Nord - Süd aus dem Blickwinkel eines rechtsfahrenden einspurigen Fahrzeuges gegeben und stelle lediglich einen (Teil)Faktor für die verkehrstechnische Beurteilung dar. Diesen Argumenten vermag die Beschwerdeführerin nichts Stichhältiges entgegenzusetzen.
Die von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen reichen entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin zur Beurteilung der Frage aus, ob durch die gegenständliche Einrichtung eine Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs anzunehmen ist. Es bedurfte hiefür weder der Vernehmung des "zuständigen Gendarmeriebeamten" darüber, "daß für einen Kraftfahrer die gegenständliche Werbeanlage überhaupt kein Problem darstellt", noch der Durchführung eines - weiteren - Ortsaugenscheines. Daß die belangte Behörde diese Frage im Grunde des § 35 Abs. 2 letzter Fall StVO 1960 bejahte, begegnet beim gegebenen Sachverhalt keinem Einwand.
Die Beschwerdeführerin ist aber im Recht, wenn sie geltend macht, daß die belangte Behörde die Möglichkeit einer Änderung der Werbetafel im Sinne des § 35 Abs. 1 lit. a StVO 1960 nicht geprüft habe. Eine Verfügung nach § 35 Abs. 1 lit. b leg. cit. kann nämlich erst dann getroffenen werden, wenn die Behörde vorher geprüft und festgestellt hat, daß die Beeinträchtigung des Straßenverkehrs durch eine Maßnahme nach lit. a der genannten Bestimmung nicht vermieden werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. Juni 1964, Slg. Nr. 6374/A). Eine solche Prüfung ist im gegenständlichen Fall - trotz eines entsprechenden Hinweises im ergänzenden Gutachten des Amtssachverständigen - unterblieben.
Da somit der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung bedarf, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben.
Lediglich der Vollständigkeit halber sei bemerkt, daß es sich bei dem Beschwerdevorbringen, die Tafel sei zu einem unselbständigen Bestandteil des Hauses geworden, um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung handelt.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Ein den Pauschalbetrag übersteigender Schriftsatzaufwand konnte nicht zuerkannt werden. Ebensowenig gebührt Ersatz für Stempelgebühren, die im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof zu entrichten waren (für den angefochtenen Bescheid). Die Vorlage von zwei weiteren Ausfertigungen des angefochtenen Bescheides sowie des Privatgutachtens und dessen Ergänzung war im Hinblick darauf, daß diese Beweismittel ohnedies in den Verwaltungsakten erliegen, zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht erforderlich, sodaß auch dafür kein Stempelgebührenersatz zugesprochen werden konnte.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995030129.X00Im RIS seit
12.06.2001