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16/02 RundfunkNorm
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1Leitsatz
Keine Verletzung im Gleichheitsrecht und im Recht auf Meinungsäußerungsfreiheit durch die Feststellung einer schwerwiegenden Verletzung des AMD-G (Bereitstellung eines diskriminierenden Beitrags zum Thema "E-Card-Missbrauch" durch eine politische Partei)Spruch
Die beschwerdeführende Partei ist durch das angefochtene Erkenntnis weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob die beschwerdeführende Partei durch das angefochtene Erkenntnis in einem sonstigen Recht verletzt worden ist.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren
1. Die beschwerdeführende Partei bietet unter der Internetadresse https://********** einen audiovisuellen Mediendienst auf Abruf ("****") an.
Am 13. November 2018 wurde unter der genannten Internetadresse ein Beitrag zum Thema "E-Card-Missbrauch" veröffentlicht. Der Beitrag beginnt als Animation und zeigt den Ausschnitt eines Hauses mit der Aufschrift "Zahnarzt". Das Logo "****" befindet sich am rechten oberen Bildschirmrand. Eine männliche Figur, die Schnurrbart und Fes trägt, kommt zu dieser Zahnarztpraxis. Eine Sprecherin erklärt, dass es sich um Ali handle, der zum Zahnarzt gehe, um "seine Zähne auf Vordermann zu bringen". Beim anschließenden Szenenwechsel in den Empfangsbereich der Zahnarztpraxis ist ein tiefes Lachen zu hören sowie leise Musikuntermalung. Die männliche Figur weist der Empfangsdame eine E-Card vor. Die Sprecherin sagt: "Aber Halt!", und führt aus, dass Ali die E-Card von seinem Cousin Mustafa habe, da er im Gegensatz zu diesem nicht versichert sei. Zeitgleich erscheint die E-Card ohne Foto groß im Bild, auf der der Nachname und die Sozialversicherungsnummer mit einem schwarzen Balken unkenntlich gemacht wurden. Die E-Card lautet auf eine Person mit dem Vornamen Mustafa. Darauffolgend wird Mustafa, der, mit Ausnahme seines Kinnbartes, wie Ali aussieht, in einer Gedankenblase dargestellt. Die Sprecherin sagt, dass die Praxis die E-Card nicht akzeptiere, da "dank der **** […] künftig auf jede E-Card ein Foto" müsse. Anschließend wird ein Interview mit der damaligen Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz eingeblendet, in dem sie ausführt, dass Missbrauch, indem "jene sich in unser Sozialversicherungssystem schummeln, die einfach keine Sozialversicherung gezahlt haben", verhindert werden solle. Aus diesem Grund sei das Foto auf der E-Card von großer Bedeutung. Es folgt wieder ein Szenenwechsel in die animierte Zahnarztpraxis. Die Sprecherin meint: "Pech gehabt, Ali. Es heißt nun: 'Sozialmissbrauch ade!'". Gleichzeitig wird Ali mit gebeugtem Kopf und einer Träne im Auge gezeigt.
Der Beitrag mit einer Gesamtdauer von ca 38 Sekunden war für einige Stunden abrufbar, danach wurde er im Mediendienst der beschwerdeführenden Partei ("****") gelöscht. Er ist aber weiterhin auf YouTube abrufbar.
2. Mit Bescheid vom 23. Juli 2019 stellte die Kommunikationsbehörde Austria (KommAustria) fest, dass die beschwerdeführende Partei als Anbieter eines audiovisuellen Mediendienstes auf Abruf §31 Abs3 Z2 AMD-G verletzt hat, da der in diesem audiovisuellen Mediendienst auf Abruf am 13. November 2018 bereitgestellte Beitrag zum Thema "E-Card-Missbrauch" eine Diskriminierung einer bestimmten, nach Merkmalen der ethnischen Herkunft und der Religion oder des Glaubens charakterisierten Bevölkerungsgruppe durch eine negative, pauschale Darstellung enthalte und gefördert habe (Spruchpunkt 1.). Die KommAustria stellte zudem fest, dass es sich dabei um eine schwerwiegende Rechtsverletzung des AMD-G handelt (Spruchpunkt 2.), und trug der beschwerdeführenden Partei die Veröffentlichung von Spruchpunkt 1. (Spruchpunkt 3.) und weiters auf, die Aufzeichnung der Veröffentlichung vorzulegen (Spruchpunkt 4.).
3. Der dagegen erhobenen Beschwerde wurde mit dem nunmehr vor dem Verfassungsgerichtshof angefochtenen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23. Juni 2021 "insoweit stattgegeben", als in Spruchpunkt 1. und Spruchpunkt 3. die Wortfolge "und der Religion oder des Glaubens" entfällt. Im Übrigen wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde als unbegründet ab:
Bei dem Beitrag handle es sich um ein Werbevideo und somit um audiovisuelle kommerzielle Kommunikation. Auf Grund der inhaltlichen Gestaltung liege eine Diskriminierung nach der ethnischen Herkunft gemäß §31 Abs3 Z2 AMD-G vor. Die konkrete Darstellung, sowohl im Hinblick auf die äußere Erscheinung als auch auf die verwendeten Namen, verdeutliche die Absicht, die beiden Personen Ali und Mustafa als Teil einer Gruppe darzustellen und diese von anderen Gruppen in diskriminierender Weise abzugrenzen. Der Aussagewert des Beitrages liege darin, dass Personen, die einer bestimmten Gruppe (Ethnie) zugehören, besonders häufig Sozialmissbrauch begehen würden. Es würden zwei Personen dargestellt, die über eine gemeinsame kulturelle und traditionelle Herkunft verfügten und sich dadurch von Menschen mit ua anderer kultureller und traditioneller Herkunft in Österreich unterschieden. Das Video stelle einen Konnex zwischen der beschriebenen gesellschaftlichen Gruppe und der Begehung von Sozialmissbrauch durch Angehörige dieser Gruppe her. Der Beitrag enthalte und fördere damit eine Benachteiligung bzw Herabwürdigung einer Gruppe nach Maßgabe bestimmter Wertvorstellungen. Somit sei das Tatbestandsmerkmal der Diskriminierung erfüllt. Eine darüber hinausgehende spezifische Diskriminierung auf Grund der Religion oder des Glaubens könne dem Video nicht entnommen werden. Der Auffassung der KommAustria, dass es sich um eine schwerwiegende Verletzung des AMD-G handle, sei nicht entgegenzutreten.
4. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Meinungsäußerungsfreiheit (Art10 EMRK) und im Gleichheitsgrundsatz (Art7 B-VG) sowie die Verletzung von Rechten wegen Anwendung eines, in einer mit Art18 B-VG nicht zu vereinbarenden Weise unbestimmten Gesetzes behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, beantragt wird.
Zur Begründung bringt die beschwerdeführende Partei insbesondere vor, dass die auf Grund der Darstellung der Zeichentrickfiguren jeweils mit einem Fes als Kopfbedeckung vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommene ethnische Zuordnung als "orientalisch" insofern fehlgehe, als es sich bei "Orient" um einen sich ständig im Wandel befindlichen und somit undefinierten Begriff handle. Unabhängig vom jeweiligen Verständnis sei ein zusammenhängendes Reich oder ein Staat darunter nie verstanden worden. Jedenfalls könne auch keine gesellschaftliche Gruppe gemeint sein, die durch ihre Gemeinsamkeit der Staatsangehörigkeit, Religion, Sprache, kulturelle und traditionelle Herkunft und bzw oder Lebensumgebung gekennzeichnet sei, weil es sich um heterogen zusammengesetzte Gruppen handle. Die Darstellung der Protagonisten als vereinfacht gezeichnete Zeichentrickfiguren mit Fes und den Namen Ali und Mustafa betreffe zusammengefasst keine abgrenzbare, bestimmte, nach Merkmalen der ethnischen Herkunft charakterisierte Bevölkerungsgruppe, die folglich auch nicht diskriminiert werden könne. Damit liege aber auch ein unverhältnismäßiger Eingriff in das Recht auf freie Meinungsäußerung vor. Es sei in einer demokratischen Gesellschaft nicht zulässig, ein politisches Werbevideo zur Aufklärung über neue rechtliche Rahmenbedingungen zur Bekämpfung von Sozialmissbrauch zu untersagen. Außerdem mangle es der Wendung "ethnischer Herkunft" in §31 Abs3 Z2 AMD-G an der von Art18 B-VG geforderten Bestimmtheit. Ethnie könne völlig unterschiedlich verstanden werden.
5. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Gerichts- und Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift, ebenso wie die belangte Behörde vor dem Bundesverwaltungsgericht, aber Abstand genommen.
II. Rechtslage
Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über audiovisuelle Mediendienste (Audiovisuelle Mediendienste-Gesetz – AMD-G), BGBl I 84/2001, idF BGBl I 150/2020 lauten auszugsweise wie folgt:
"Begriffsbestimmungen
§2. Im Sinne dieses Gesetzes ist:
1. […]
2. audiovisuelle kommerzielle Kommunikation: Bilder mit oder ohne Ton, die
a) der unmittelbaren oder mittelbaren Förderung des Absatzes von Waren und Dienstleistungen oder des Erscheinungsbilds natürlicher oder juristischer Personen, die einer wirtschaftlichen Tätigkeit nachgehen, oder
b) der Unterstützung einer Sache oder einer Idee
dienen. Diese Bilder sind einer Sendung oder im Fall der lita auch einem nutzergenerierten Video gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung oder im Fall der lita als Eigenwerbung beigefügt oder darin enthalten. Zur audiovisuellen kommerziellen Kommunikation zählen jedenfalls Produktplatzierung, die Darstellung von Produktionshilfen von unbedeutendem Wert, Sponsorhinweise und auch Werbung gemäß Z40;
3. audiovisueller Mediendienst: eine Dienstleistung im Sinne der Art56 und 57 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, bei der der Hauptzweck oder ein trennbarer Teil der Dienstleistung darin besteht, unter der redaktionellen Verantwortung eines Mediendiensteanbieters der Allgemeinheit Sendungen zur Information, Unterhaltung oder Bildung über elektronische Kommunikationsnetze (Art2 Z1 der Richtlinie (EU) 2018/1972 über den europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation, ABl. Nr L 321 vom 17.12.2018, S. 36) bereitzustellen; darunter fallen Fernsehprogramme und audiovisuelle Mediendienste auf Abruf;
4. audiovisueller Mediendienst auf Abruf: ein audiovisueller Mediendienst, der von einem Mediendiensteanbieter für den Empfang zu dem vom Nutzer gewählten Zeitpunkt und auf dessen individuellen Abruf hin aus einem vom Mediendiensteanbieter festgelegten Programmkatalog bereitgestellt wird (Abrufdienst);
4a. […]
20. Mediendiensteanbieter: die natürliche oder juristische Person, die die redaktionelle Verantwortung für die Auswahl der audiovisuellen Inhalte des audiovisuellen Mediendienstes trägt und bestimmt, wie diese gestaltet werden;
21. […]
40. Werbung: jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs, die in Fernsehprogrammen vom Anbieter (Fernsehwerbung) oder als Bestandteil eines audiovisuellen Mediendienstes auf Abruf vom Anbieter entweder gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung oder als Eigenwerbung gesendet oder bereitgestellt wird, mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen, gegen Entgelt zu fördern. Werbung umfasst weiters jede Äußerung zur Unterstützung einer Sache oder Idee, die gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung verbreitet wird (ideelle Werbung);
41. […]
Allgemeine Anforderungen an audiovisuelle Mediendienste
§30. (1) Audiovisuelle Mediendienste müssen im Hinblick auf ihre Aufmachung und ihren Inhalt die Menschenwürde und die Grundrechte anderer achten.
(2) Inhalte in audiovisuellen Mediendiensten dürfen
1. nicht zu Hass oder Gewalt gegen eine Gruppe von Personen oder gegen ein Mitglied einer Gruppe auf Grund des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der ethnischen oder sozialen Herkunft, der genetischen Merkmale, der Sprache, der Religion oder der Weltanschauung, der politischen oder sonstigen Anschauung, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Orientierung aufstacheln;
2. keine Aufforderung zu terroristischen Straftaten oder Gutheißung terroristischer Straftaten (§282a StGB) enthalten.
[…]
Allgemeine Anforderungen an die audiovisuelle kommerzielle Kommunikation
§31. (1) Audiovisuelle kommerzielle Kommunikation muss leicht als solche erkennbar sein.
(2) Schleichwerbung, unter der Wahrnehmungsgrenze liegende audiovisuelle kommerzielle Kommunikation sowie vergleichbare Praktiken sind untersagt.
(3) Audiovisuelle kommerzielle Kommunikation darf nicht
1. die Menschenwürde verletzen,
2. Diskriminierungen nach Geschlecht, Rasse oder ethnischer Herkunft, Nationalität, Religion oder Glauben, Behinderung, Alter oder sexueller Ausrichtung enthalten oder fördern;
3. Verhaltensweisen fördern, die die Gesundheit oder die Sicherheit gefährden;
4. Verhaltensweisen fördern, die den Schutz der Umwelt in hohem Maße gefährden;
5. rechtswidrige Praktiken fördern;
6. irreführen oder den Interessen der Verbraucher schaden.
Feststellung der Rechtsverletzung
§62. (1) Die Entscheidung der Regulierungsbehörde besteht in der Feststellung, ob und durch welchen Sachverhalt eine Bestimmung dieses Bundesgesetzes verletzt worden ist. Wird von der Regulierungsbehörde eine Verletzung dieses Bundesgesetzes festgestellt, die im Zeitpunkt der Feststellung noch andauert, so hat der Mediendiensteanbieter unverzüglich einen der Rechtsansicht der Regulierungsbehörde entsprechenden Zustand herzustellen.
(2) Die Regulierungsbehörde hat über Beschwerden ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber innerhalb von sechs Monaten, gerechnet vom Zeitpunkt des Einlangens der Beschwerde, zu entscheiden. Bei Beschwerden an die Regulierungsbehörde sind die Tage des Postenlaufs nicht einzurechnen.
(3) Die Regulierungsbehörde kann auf Veröffentlichung ihrer Entscheidung erkennen und dem Mediendiensteanbieter auftragen, wann, in welcher Form und in welchem Programm oder Mediendienst diese Veröffentlichung zu erfolgen hat.
(4) Die Regulierungsbehörde hat in ihren Bescheid im Falle der Feststellung einer Rechtsverletzung einen Ausspruch aufzunehmen, ob es sich um eine schwerwiegende Verletzung einer Bestimmung dieses Bundesgesetzes handelt."
III. Erwägungen
Die – zulässige – Beschwerde ist nicht begründet:
1. Die KommAustria, das Bundesverwaltungsgericht und die beschwerdeführende Partei selbst sind im Ausgangsverfahren übereinstimmend davon ausgegangen, dass es sich bei dem hier zu beurteilenden Beitrag um ideelle Werbung im Sinne des §2 Z40 AMD-G handelt, die die beschwerdeführende Partei im Rahmen ihres audiovisuellen Mediendienstes auf Abruf (siehe §2 Z4 AMD-G) veröffentlicht hat. Dieser Einordnung ist aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht entgegenzutreten:
Der Bundesgesetzgeber hat sich dazu entschieden, nicht nur – wie dies nach der Richtlinie 2018/1808/EU zur Änderung der Richtlinie 2010/13/EU zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste) im Hinblick auf sich verändernde Marktgegebenheiten geboten ist – Werbung zu wirtschaftlichen Zwecken, sondern auch solche zu ideellen Zwecken den Vorschriften des AMD-G über audiovisuelle kommerzielle Kommunikation zu unterstellen (siehe §2 Z2 litb und §2 Z40 letzter Satz AMD-G). Nach dem Verständnis des Gesetzgebers ist Werbung für eine politische Partei eine solche Form der ideellen Werbung (Erläut zur RV 611 BlgNR 24. GP, 68), also eine Äußerung zur Unterstützung einer Sache oder Idee, die gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung verbreitet wird (wobei nicht darauf abzustellen ist, ob tatsächlich ein Entgelt vereinbart wurde, sondern ob eine Darstellung vorliegt, für die nach der Verkehrsauffassung üblicherweise Entgelt zu leisten wäre; vgl allgemein zur fast wortgleichen Bestimmung in §1a Z8 ORF-G VwGH 1.9.2017, Ra 2017/03/0007; näher Kogler/Traimer/Truppe, Österreichische Rundfunkgesetze4, 2018, §2 AMD-G, zu Z2).
Damit bewirkt das AMD-G, dass auch ideelle Werbung den allgemeinen "qualitativen" (Erläut zur RV 611 BlgNR 24. GP, 68) Anforderungen an audiovisuelle kommerzielle Kommunikation gemäß §31 AMD-G unterfällt. Auch ideelle Werbung für eine politische Partei muss daher gemäß §31 Abs1 AMD-G als audiovisuelle kommerzielle Kommunikation leicht als solche erkennbar sein. Insbesondere Schleichwerbung ist untersagt (§31 Abs2 AMD-G). Weiters darf audiovisuelle kommerzielle Kommunikation und damit auch der hier in Rede stehende Beitrag als ideelle Werbung für eine politische Partei gemäß §31 Abs3 AMD-G ua keine "Diskriminierungen nach Geschlecht, Rasse oder ethnischer Herkunft, Nationalität, Religion oder Glauben [...] enthalten oder fördern".
Für die hier in Rede stehende audiovisuelle kommerzielle Kommunikation gilt daher insoweit ein strengeres Diskriminierungsverbot gegenüber sonstigen (nicht kommerziellen) Inhalten in audiovisuellen Mediendiensten, als letztere gemäß §30 Abs2 Z1 AMD-G "nicht zu Hass oder Gewalt gegen eine Gruppe von Personen oder gegen ein Mitglied einer Gruppe auf Grund des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der ethnischen oder sozialen Herkunft, der genetischen Merkmale, der Sprache, der Religion oder der Weltanschauung […] aufstacheln" dürfen.
Der Gesetzgeber unterscheidet also im Gefolge der AVMD-Richtlinie (vgl Art6 Abs1 lita bzw Art9 Abs1 litc sublitii AVMD-Richtlinie) zwischen Kommunikationsinhalten in audiovisuellen Mediendiensten, die – zusammengefasst – vor allem einem "Hate Speech-Verbot" unterliegen (vgl Tretter, Der europäische Rechtsrahmen zur Bekämpfung von Hassrede, FS Berka, 2013, 237 [243]), und Inhalten audiovisueller kommerzieller Kommunikation, die sich jeder Diskriminierung aus bestimmten Gründen oder nach bestimmten Merkmalen zu enthalten haben und solche Diskriminierungen auch nicht fördern dürfen.
2. Der Inhalt des in §31 Abs3 Z2 AMD-G enthaltenen Diskriminierungsverbotes ua nach der ethnischen Herkunft ist, vor dem Hintergrund seiner grundrechtlichen Verankerung insbesondere in ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl 390/1973 oder Art21 GRC, wie typischerweise derartige Diskriminierungsverbote, auslegungsbedürftig, aber einer solchen Auslegung zugänglich.
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union beruht der Begriff der ethnischen Herkunft auf dem Gedanken, dass "gesellschaftliche Gruppen insbesondere durch eine Gemeinsamkeit der Staatsangehörigkeit, Religion, Sprache, kulturelle und traditionelle Herkunft und Lebensumgebung gekennzeichnet sind" (EuGH 16.7.2015, Rs C-83/14, CHEZ Razpredelenie Bulgaria, Rz 46). Dabei handelt es sich nicht um eine abschließende Aufzählung von Kriterien. Die ethnische Herkunft beruht nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union auf einem Bündel von Indizien, von denen einige objektiv und andere subjektiv sind (EuGH 6.4.2017, Rs C-668/15, Jyske Finans, Rz 18 f.) Ähnlich versteht der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Zusammenhang mit Art14 EMRK die ethnische Herkunft, wenn er davon ausgeht, dass "[d]iscrimination on account of, inter alia, a person's ethnic origin is a form of racial discrimination" (EGMR 13.11.2007 [GK], Fall D.H. ua, Appl 57.325/00 [Z176]). "Ethnicity and race are related concepts. Whereas the notion of race is rooted in the idea of biological classification of human beings into subspecies on the basis of morphological features such as skin colour or facial characteristics, ethnicity has its origin in the idea of societal groups marked in particular by common nationality, religious faith, shared language, or cultural and traditional origins and backgrounds" (EGMR 22.12.2009 [GK], Fall Sejdi? and Finci, Appl 27.996/06 ua [Z43]).
Vor diesem Hintergrund ist dem Bundesverwaltungsgericht zunächst aus gleichheitsrechtlicher Sicht nicht entgegenzutreten, wenn es die Darstellung in der Werbesendung für eine politische Partei als Personen auf Grund ihrer ethnischen Herkunft diskriminierend und damit auch für geeignet erachtet, einschlägige Diskriminierungen gegenüber Personen mit einer solchen Herkunft zu fördern. Die Darstellung einschließlich der gewählten Namensbezeichnungen stellt auf Stereotypen zur Kennzeichnung "fremder Menschen" mit einem bestimmten ethnischen Hintergrund in der deutlichen und vorrangigen Absicht ab, Angehörigen dieser Gruppe pauschal und ausschließlich auf Grund ihrer ethnischen Herkunft sozialschädliches Verhalten zu unterstellen. Es kommt im Zusammenhang mit dem Diskriminierungsverbot nicht darauf an, dass die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ethnie exakt abgegrenzt werden muss, sondern darauf, dass mit einer stereotypen oder pauschalen Zuordnung zu einer bestimmten ethnischen Herkunft, die der einzelne auch nicht verändern kann, eine benachteiligende Ausgrenzung einer bestimmten Gruppe bezweckt wird (vgl VwGH 24.4.2018, Ro 2017/03/0016 zum Posting eines Lokales "Wir sind ab jetzt wieder asylantenfrei"). Das Bundesverwaltungsgericht hat also §31 Abs3 Z2 AMD-G im Einklang mit einschlägigen grundrechtlichen Diskriminierungsverboten ausgelegt.
3. Das Bundesverwaltungsgericht hat §31 Abs3 Z2 AMD-G im vorliegenden Fall auch nicht in einer, die Schranken des Art10 EMRK missachtenden, insbesondere die Meinungsäußerungsfreiheit der beschwerdeführenden Partei unverhältnismäßig beschränkenden Weise angewendet:
Nun weist die beschwerdeführende Partei zwar insoweit zu Recht darauf hin, dass das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung insbesondere auch für "Nachrichten" oder "Ideen" gilt, die provozieren, schockieren oder stören. Das ergibt sich aus den Erfordernissen des Pluralismus, der Toleranz und der Großzügigkeit, ohne die eine demokratische Gesellschaft nicht bestehen kann (EGMR 7.12.1976 [GK], Fall Handyside, Appl 5493/72; 23.5.1991 [GK], Fall Oberschlick, Appl 11662/85; VfSlg 13.694/1994). Die Freiheit der politischen Debatte ist wesentlich für das Konzept einer demokratischen Gesellschaft (EGMR 8.7.1986 [GK], Fall Lingens, Appl 9815/82), und provokative Sprache (ua EGMR 6.12.2007, Fall Katrami, Appl 19.331/05 [Z39 ff.]) ist ein zentraler Bestandteil der politischen Rede (ua EGMR 28.9.2000, Fall Lopes Gomes da Silva, Appl 37.698/97 [Z35 – zu polemischer Sprache]; 14.3.2013, Fall Eon, Appl 26.188/10 [Z61 – zu satirischer Sprache]). Angesichts der besonderen Bedeutung und Funktion der Meinungsäußerungsfreiheit in einer demokratischen Gesellschaft muss die Notwendigkeit der Einschränkung der Freiheit der Meinungsäußerung im Einzelfall, insbesondere wenn es sich um einen Fall der politischen Rede handelt, außer Zweifel stehen (vgl VfSlg 10.700/1985, 13.694/1994).
Maßgeblich konnte das Bundesverwaltungsgericht im vorliegenden Zusammenhang aber darauf abstellen, dass es sich kontextbezogen bei dem hier in Rede stehenden audiovisuellen Medieninhalt primär um einen Beitrag ideeller Werbung und nicht so sehr um einen Beitrag zur politischen Debatte handelt. Im Vordergrund steht die Werbung, nicht die politische Argumentation in Auseinandersetzung mit politischen Ideen oder Konzepten anderer politischer Kräfte oder Meinungen und Ideen der Zivilgesellschaft. Insofern ist dem Bundesverwaltungsgericht nicht entgegenzutreten, wenn es derartige Formen ideeller Werbung im Interesse des Diskriminierungsschutzes Betroffener in Anwendung des §31 Abs3 Z2 AMD-G (etwas) strengeren Anforderungen unterwirft als Auseinandersetzungen in politischen Debatten oder öffentliche Äußerungen mit Kritik an gesellschaftlichen Zuständen und Entwicklungen, an Anderen oder an staatlichen Institutionen (vgl zu solchen Konstellationen VfSlg 10.700/1985, 13.694/1994, 20.333/2019; VfGH 26.2.2021, E4697/2019).
Vor diesem Hintergrund hat das Bundesverwaltungsgericht §31 Abs3 Z2 iVm §2 Z40 AMD-G keinen, die Meinungsäußerungsfreiheit der beschwerdeführenden Partei missachtenden Inhalt unterstellt. Vielmehr durfte das Bundesverwaltungsgericht auch im Lichte des Art10 EMRK in verfassungsrechtlich zulässiger Weise davon ausgehen, dass die in Rede stehende, dem Diskriminierungsschutz dienende Beschränkung der durch Art10 Abs1 EMRK geschützten Meinungsfreiheit der beschwerdeführenden Partei den Anforderungen des Art10 Abs2 EMRK entspricht. Im kommerziellen Medieninhalt wird für eine politische Partei dadurch geworben, dass, wie es das Bundesverwaltungsgericht benennt, "eine bestimmte Personengruppe 'an den Pranger' im Zusammenhang mit Sozialmissbrauch gestellt" wird. Dies durfte das Bundesverwaltungsgericht der beschwerdeführenden Partei verfassungsrechtlich zulässigerweise als Diskriminierung gemäß §31 Abs3 Z2 AMD-G und damit als Verstoß ihrer audiovisuellen kommerziellen Kommunikation gegen diese Bestimmung anlasten.
4. Der Verfassungsgerichtshof hegt auch keine Bedenken dagegen, dass das Bundesverwaltungsgericht Verstöße gegen die in §31 Abs3 Z2 AMD-G genannten Diskriminierungsverbote als "schwerwiegende Verletzung" dieses Gesetzes qualifiziert (und eine entsprechende Veröffentlichungspflicht auferlegt). Dass – in anderem Zusammenhang – noch gravierendere Formen von Diskriminierung im AMD-G untersagt werden (siehe §30 Abs2 Z1 AMD-G), nimmt dem Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des §31 Abs3 Z2 AMD-G nicht diese Qualifikation.
IV. Ergebnis
1. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.
Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass die beschwerdeführende Partei in von ihr nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlage ist es auch ausgeschlossen, dass sie in ihren Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.
2. Die Beschwerde ist daher abzuweisen und gemäß Art144 Abs3 B-VG antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten (zum System der Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof durch den Verfassungsgerichtshof nach Inkrafttreten der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 vgl VfSlg 19.867/2014).
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Medienrecht, Meinungsäußerungsfreiheit, Auslegung verfassungskonforme, EU-Recht Richtlinie, Partei politischeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2022:E2977.2021Zuletzt aktualisiert am
10.11.2022