TE Vfgh Erkenntnis 2022/9/28 G101/2022

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Veröffentlicht am 28.09.2022
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Index

82/03 Ärzte, sonstiges Sanitätspersonal

Norm

B-VG Art120a
B-VG Art140 Abs1 Z2
ÄrzteG 1998 §65, §66a, §68, §84 Abs4 Z7, §126 Abs4 Z7
BereitschaftsdienstV betreffend die Einrichtung und Organisation eines ärztlichen Bereitschaftsdienstes im Burgenland
Gesamtvertrag vom 20.05.1994 zwischen der Ärztekammer für Burgenland und dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger §16
Bgld GeschäftsO der Landesregierung §2
ASVG §338
VfGG §7 Abs1, §62
  1. B-VG Art. 120a heute
  2. B-VG Art. 120a gültig ab 01.01.2008 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 2/2008
  1. B-VG Art. 140 heute
  2. B-VG Art. 140 gültig ab 01.01.2015 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 114/2013
  3. B-VG Art. 140 gültig von 01.01.2014 bis 31.12.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  4. B-VG Art. 140 gültig von 01.07.2008 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 2/2008
  5. B-VG Art. 140 gültig von 01.01.2004 bis 30.06.2008 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  6. B-VG Art. 140 gültig von 06.06.1992 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 276/1992
  7. B-VG Art. 140 gültig von 01.01.1991 bis 05.06.1992 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 685/1988
  8. B-VG Art. 140 gültig von 01.07.1988 bis 31.12.1990 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 341/1988
  9. B-VG Art. 140 gültig von 01.07.1976 bis 30.06.1988 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 302/1975
  10. B-VG Art. 140 gültig von 19.12.1945 bis 30.06.1976 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  11. B-VG Art. 140 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934
  1. ASVG § 338 heute
  2. ASVG § 338 gültig ab 19.03.2022 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 32/2022
  3. ASVG § 338 gültig von 01.01.2020 bis 18.03.2022 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2018
  4. ASVG § 338 gültig von 03.08.2017 bis 31.12.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 131/2017
  5. ASVG § 338 gültig von 01.01.2016 bis 02.08.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 113/2015
  6. ASVG § 338 gültig von 01.01.2013 bis 31.12.2015 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 81/2013
  7. ASVG § 338 gültig von 01.07.2010 bis 31.12.2012 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 84/2009
  8. ASVG § 338 gültig von 01.01.2009 bis 31.12.2007 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 155/2005
  9. ASVG § 338 gültig von 01.01.2009 bis 31.12.2005 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 179/2004
  10. ASVG § 338 gültig von 01.07.2007 bis 30.06.2010 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 31/2007
  11. ASVG § 338 gültig von 01.01.2006 bis 30.06.2007 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 155/2005
  12. ASVG § 338 gültig von 01.01.2005 bis 31.12.2004 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 169/2002
  13. ASVG § 338 gültig von 01.01.2005 bis 31.03.2003 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 99/2001
  14. ASVG § 338 gültig von 01.01.2005 bis 31.07.2001 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 5/2001
  15. ASVG § 338 gültig von 01.01.2004 bis 31.12.2005 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 145/2003
  16. ASVG § 338 gültig von 01.04.2003 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 169/2002
  17. ASVG § 338 gültig von 01.08.2001 bis 31.03.2003 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 99/2001
  18. ASVG § 338 gültig von 01.08.1998 bis 31.07.2001 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 138/1998
  19. ASVG § 338 gültig bis 31.07.1998
  1. VfGG § 7 heute
  2. VfGG § 7 gültig ab 22.03.2020 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 16/2020
  3. VfGG § 7 gültig von 01.01.2015 bis 21.03.2020 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 101/2014
  4. VfGG § 7 gültig von 01.01.2015 bis 31.12.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 92/2014
  5. VfGG § 7 gültig von 01.03.2013 bis 31.12.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  6. VfGG § 7 gültig von 01.07.2008 bis 28.02.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 4/2008
  7. VfGG § 7 gültig von 01.01.2004 bis 30.06.2008 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  8. VfGG § 7 gültig von 01.10.2002 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 123/2002
  9. VfGG § 7 gültig von 01.01.1991 bis 30.09.2002 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 329/1990
  10. VfGG § 7 gültig von 01.07.1976 bis 31.12.1990 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 311/1976

Leitsatz

Keine Verfassungswidrigkeit von Bestimmungen des ÄrzteG 1998 betreffend die Ermächtigung der Kurienversammlung bzw der Bundeskurie für ärztlichen Not- und Bereitschaftsdienst; Regelung im überwiegenden Interesse der im Selbstverwaltungskörper der jeweiligen Ärztekammer zusammengefassten Mitglieder; Ermächtigung betreffend die organisatorisch notwendige Einrichtung eines ärztlichen Not- und Bereitschaftsdienstes ist eine – innerorganisatorische Belange der niedergelassenen Ärzteschaft betreffende – Aufgabe im eigenen Wirkungsbereich der Ärztekammer

Spruch

Der Antrag wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Antrag

Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z2 B-VG gestützten Antrag begehrt die Burgenländische Landesregierung,

"1.) §84 Abs4 Z7 des Bundesgesetzes über die Ausübung des ärztlichen Berufes und die Standesvertretung der Ärzte (Ärztegesetz 1998 – ÄrzteG 1998), BGBl I Nr 169/1998, in der Fassung BGBl I Nr 172/2021, und §126 Ab[s]4 Z7 des Bundesgesetzes über die Ausübung des ärztlichen Berufes und die Standesvertretung der Ärzte (Ärztegesetz 1998 – ÄrzteG 1998), BGBl Nr 169/1998, in der Fassung BGBl I Nr 172/2021, wegen Verstoß gegen die bundesverfassungsrechtlichen Vorgaben des Art120a ff B-VG für Selbstverwaltungskörper (insbesondere Art120a Abs1 iVm Art120b Abs1 und 2 B-VG), die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu Selbstverwaltungskörpern sowie das bundesverfassungsrechtliche Organisationskonzept, welches eine Unterstellung der hoheitlich zu besorgenden Verwaltungstätigkeit unter die obersten Organe (Art19 iVm Art20 Abs1 B-VG) die ihrerseits der parlamentarischen Kontrolle unterliegen, verlangt, als verfassungswidrig aufzuheben.

in eventu

2.) §84 Abs4 Z7 des Bundesgesetzes über die Ausübung des ärztlichen Berufes und die Standesvertretung der Ärzte (Ärztegesetz 1998 – ÄrzteG 1998), BGBl I Nr 169/1998, in der Fassung BGBl I Nr 172/2021, wegen Verstoß gegen die bundesverfassungsechtlichen Vorgaben des Art120a ff B-VG für Selbstverwaltungskörper (insbesondere Art120a Abs1 iVm Art120b Abs1 und 2 B-VG), die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu Selbstverwaltungskörpern sowie das bundesverfassungsrechtliche Organisationskonzept, welches eine Unterstellung der hoheitlich zu besorgenden Verwaltungstätigkeit unter die obersten Organe (Art19 iVm Art20 Abs1 B-VG) die ihrerseits der parlamentarischen Kontrolle unterliegen, verlangt, als verfassungswidrig aufzuheben.

in eventu

3.) §126 Ab[s]4 Z7 des Bundesgesetzes über die Ausübung des ärztlichen Berufes und die Standesvertretung der Ärzte (Ärztegesetz 1998 – ÄrzteG 1998), BGBl I Nr 169/1998, in der Fassung BGBl I Nr 172/2021, wegen Verstoß gegen die bundesverfassungsrechtlichen Vorgaben des Art120a ff B-VG für Selbstverwaltungskörper (insbesondere Art120a Abs1 iVm Art120b Abs1 und 2 B-VG), die ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu Selbstverwaltungskörpern sowie das bundesverfassungsrechtliche Organisationskonzept, welches eine Unterstellung der hoheitlich zu besorgenden Verwaltungstätigkeit unter die obersten Organe (Art19 iVm Art20 Abs1 B-VG) die ihrerseits der parlamentarischen Kontrolle unterliegen, verlangt,"

als verfassungswidrig aufzuheben.

II. Rechtslage

1. Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Ausübung des ärztlichen Berufes und die Standesvertretung der Ärzte (Ärztegesetz 1998 – ÄrzteG 1998), BGBl I 169, idF BGBI I 82/2014 lauten wie folgt (die angefochtenen Gesetzesbestimmungen sind hervorgehoben):

"Kurienversammlungen

       §84. (1) Die von den Mitgliedern einer Kurie gewählten Kammerräte bilden die Kurienversammlung. Diese wird erstmals in der Funktionsperiode vom bisherigen Präsidenten einberufen.

       (2) Die Kurienversammlung wählt in der Eröffnungssitzung für die Dauer der Funktionsperiode der Vollversammlung aus ihrer Mitte in getrennten Wahlgängen mit absoluter Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen den Kurienobmann und zwei Stellvertreter. Wird bei der ersten Wahl des Kurienobmannes oder seiner Stellvertreter keine absolute Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen erzielt, so findet eine engere Wahl statt. In diese kommen jene beiden Personen, die bei der ersten Wahl die meisten Stimmen erhalten haben. Soweit bei der ersten Wahl mehrere Personen gleich viele Stimmen erhalten haben, entscheidet das Los, wer von ihnen in die engere Wahl kommt. Ergibt sich auch bei der engeren Wahl Stimmengleichheit, so hat ebenfalls das Los zu entscheiden. In der Kurienversammlung der angestellten Ärzte ist im Fall der Wahl eines den ärztlichen Beruf ausschließlich selbständig ausübenden Arztes zum Kurienobmann der erste Stellvertreter aus dem Kreis der Turnusärzte zu wählen und umgekehrt. Sofern nicht bereits der Kurienobmann oder der erste Stellvertreter ein Arzt mit Leitungsfunktion in einer Krankenanstalt ist, ist jedenfalls ein solcher Arzt, sofern ein solcher zur Verfügung steht, zum zweiten Stellvertreter zu wählen. Steht nur ein einziger Arzt mit Leitungsfunktion in einer Krankenanstalt hiefür zur Verfügung, so gilt dieser als zweiter Stellvertreter gewählt, sofern er auf diese Funktion nicht verzichtet. In der Kurienversammlung der niedergelassenen Ärzte ist im Falle der Wahl eines Arztes für Allgemeinmedizin zum Kurienobmann der erste Stellvertreter aus dem Kreis der Fachärzte zu wählen und umgekehrt. Der Präsident darf nicht Kurienobmann oder Kurienobmannstellvertreter sein. Die Kurienversammlung wählt weiters nach den Grundsätzen des Verhältniswahlrechtes für die Dauer der Funktionsperiode der Vollversammlung aus ihrer Mitte die auf die Kurie entfallenden weiteren Kammerräte des Kammervorstandes (§81 Abs1 Z5). Beschlüsse, mit denen dem Kurienobmann oder einem seiner Stellvertreter das Vertrauen entzogen wird (§85 Abs3), bedürfen der Zweidrittelmehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen. Im Übrigen gilt hinsichtlich der Beschlussfassung in der Kurienversammlung §79 Abs5 sinngemäß. In dringenden Fällen können Beschlüsse der Kurienversammlung auch durch schriftliche Abstimmung gefasst werden. Dazu sind alle Mitglieder der Kurienversammlung anzuschreiben. Ein Beschluss kommt gültig zustande, wenn die Antwort von mindestens der Hälfte der Kammerräte bei der Ärztekammer eingelangt ist. Solche Beschlüsse werden mit absoluter Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen gefasst.

       (3) Der Kurienversammlung der angestellten Ärzte obliegen ausschließlich folgende Angelegenheiten, wobei Verhandlungs- und Abschlussbefugnisse der jeweiligen freiwilligen Berufsvereinigung der Arbeitnehmer (§4 Abs2 Arbeitsverfassungsgesetz – ArbVG, BGBl Nr 22/1974) sowie der Organe der Arbeitnehmerschaft (§40 ArbVG) und der Personalvertretungen unberührt bleiben:

       1. die Wahrnehmung und Förderung der beruflichen, wirtschaftlichen und   sozialen Interessen der angestellten Ärzte, insbesondere der Abschluss   und die Lösung von Vereinbarungen, die Entgelte (im Speziellen Gehälter   und Zulagen) der angestellten Ärzte betreffen,

       2. die Erstattung von Berichten und Vorschlägen an die gemeinsamen Or-  gane der Ärztekammer, insbesondere Stellungnahmen zu Anträgen ge-  mäß §35,

       3. die Begutachtung von Gesetzesentwürfen, die ausschließlich angestellte   Ärzte betreffen,

       4. die Beratung der angestellten Ärzte in arbeits-, dienst- und sozialrechtli-  chen Belangen,

       5. die Festsetzung einer Kurienumlage zur Bestreitung kurienspezifischer An-  gelegenheiten (§91 Abs2),

       6. die Bestellung von Referenten für bestimmte Kurienaufgaben sowie

       7. die Entscheidung in gemäß §81 Abs6 übertragenen Angelegenheiten.

       (4) Der Kurienversammlung der niedergelassenen Ärzte obliegen mit dem Ziel der Wahrnehmung und Förderung der beruflichen, wirtschaftlichen und sozialen Interessen der niedergelassenen Ärzte ausschließlich folgende Angelegenheiten:

       1. die Vertretung der Arbeitgeberinteressen der kurienangehörigen Ärzte   durch den Abschluss von Kollektivverträgen (§66a Abs1 Z2),

       2. der Abschluss und die Lösung von Gesamtverträgen und sonstigen Verein-  barungen mit den Trägern der Sozialversicherung und Krankenfürsorge-  anstalten einschließlich Vereinbarungen über die Zahl und Verteilung der   Vertragsärzte (nicht aber Vereinbarungen über die Auswahl von Bewer-  bern um Kassenstellen),

       3. die Wahrnehmung von Angelegenheiten der hausapothekenführenden   Ärzte, insbesondere der Abschluss und die Lösung von Gesamtverträgen   und sonstigen Vereinbarungen mit den Trägern der Sozialversicherung   und Krankenfürsorgeeinrichtungen,

       4. der Abschluss und die Lösung von Vereinbarungen über die Honorierung   vorübergehender ärztlicher Leistungen in Krankenanstalten,

       5. Beschlussfassung über die Empfehlung über die angemessene Honorie-  rung privatärztlicher Leistungen,

       6. die Durchführung von Ausbildungen und Schulungen des ärztlichen Hilfs-  personals,

       7. die Einrichtung eines ärztlichen Not- und Bereitschaftsdienstes,

[…]

[…]

Bundeskurien

       §126. (1) Die Obmänner und Obmannstellvertreter der Kurienversammlungen der Ärztekammern bilden jeweils die Bundeskurie der angestellten Ärzte und der niedergelassenen Ärzte. Die Bundeskurien werden erstmals in der Funktionsperiode vom Präsidenten einberufen. Jede Bundeskurie wählt in der Eröffnungssitzung für die Dauer der Funktionsperiode der Vollversammlung aus ihrer Mitte in getrennten Wahlgängen mit absoluter Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen einen Bundeskurienobmann sowie zwei Stellvertreter. In der Bundeskurie der angestellten Ärzte ist im Falle der Wahl eines den ärztlichen Beruf ausschließlich selbständig ausübenden Arztes zum Bundeskurienobmann der erste Stellvertreter aus dem Kreis der Turnusärzte zu wählen und umgekehrt. Sofern nicht bereits der Bundeskurienobmann oder der erste Stellvertreter ein Arzt mit Leitungsfunktion in einer Krankenanstalt ist, ist jedenfalls ein solcher Arzt, sofern ein solcher zur Verfügung steht, zum zweiten Stellvertreter zu wählen. Steht nur ein einziger Arzt mit Leitungsfunktion in einer Krankenanstalt hiefür zur Verfügung, so gilt dieser als zweiter Stellvertreter gewählt, sofern er auf diese Funktion nicht verzichtet. In der Bundeskurie der niedergelassenen Ärzte ist im Falle der Wahl eines Arztes für Allgemeinmedizin oder approbierten Arztes zum Bundeskurienobmann der erste Stellvertreter aus dem Kreis der Fachärzte zu wählen und umgekehrt. Wird bei der ersten Wahl des Bundeskurienobmannes oder seiner Stellvertreter keine absolute Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen erzielt, so findet eine engere Wahl statt. In diese kommen jene beiden Personen, die bei der ersten Wahl die meisten Stimmen erhalten haben. Soweit bei der ersten Wahl mehrere Personen gleich viele Stimmen erhalten haben, entscheidet das Los, wer von ihnen in die engere Wahl kommt. Ergibt sich auch bei der engeren Wahl Stimmengleichheit, so hat ebenfalls das Los zu entscheiden.

       (2) Die Bundeskurie ist beschlussfähig, wenn die Obmänner oder zumindest ein Stellvertreter von mindestens sechs Landeskurien anwesend sind. Beschlüsse, mit denen dem Bundeskurienobmann oder einem seiner Stellvertreter das Vertrauen entzogen wird (§127 Abs3), bedürfen der Zweidrittelmehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen. Im Übrigen ist für Beschlüsse der Bundeskurie die absolute Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen erforderlich, wobei über jeden Antrag gesondert abzustimmen ist. In dringenden Fällen können Beschlüsse der Kurie auch durch schriftliche Abstimmung gefasst werden. Dazu sind alle Mitglieder der Kurienversammlung anzuschreiben. Ein Beschluss kommt gültig zustande, wenn die Antwort von mindestens der Hälfte der Kammerräte bei der Österreichischen Ärztekammer eingelangt ist. Solche Beschlüsse werden mit absoluter Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen gefasst.

       (3) Der Bundeskurie der angestellten Ärzte obliegen ausschließlich folgende Angelegenheiten, wobei Verhandlungs- und Abschlussbefugnisse der jeweiligen freiwilligen Berufsvereinigung der Arbeitnehmer (§4 Abs2 ArbVG) sowie der Organe der Arbeitnehmerschaft (§40 ArbVG) und der Personalvertretungen unberührt bleiben:

       1. die Wahrnehmung und Förderung der beruflichen, wirtschaftlichen und   sozialen Interessen der angestellten Ärzte, insbesondere der Abschluss   und die Lösung von Vereinbarungen, die Entgelte (im Speziellen Gehälter   und Zulagen) der angestellten Ärzte betreffen,

       2. die Erstattung von Berichten und Vorschlägen an die gemeinsamen Or-  gane der Österreichischen Ärztekammer, insbesondere Stellungnahmen   zu Anträgen gemäß §35,

       3. die Begutachtung von Gesetzesentwürfen, die ausschließlich angestellte   Ärzte betreffen,

       4. die Festsetzung einer Bundeskurienumlage zur Bestreitung kurienspezifi-  scher Angelegenheiten (§132 Abs2),

       5. die Bestellung von Referenten für bestimmte Kurienaufgaben sowie

       6. die Entscheidung in gemäß §123 Abs4 übertragenen Angelegenheiten.

       (4) Der Bundeskurie der niedergelassenen Ärzte obliegen mit dem Ziel der Wahrnehmung und Förderung der beruflichen, wirtschaftlichen und sozialen Interessen der niedergelassenen Ärzte ausschließlich folgende Angelegenheiten:

       1. die Vertretung der Arbeitgeberinteressen der niedergelassenen Ärzte, ins-  besondere der Abschluss von Kollektivverträgen (§117b Abs1 Z2),

       2. der Abschluss und die Lösung von Gesamtverträgen und sonstigen Verein-  barungen mit den Trägern der Sozialversicherung und Krankenfürsorge-  anstalten einschließlich Vereinbarungen über die Zahl und Verteilung der   Vertragsärzte (nicht aber Vereinbarungen über die Auswahl von Bewer-  bern um Kassenstellen),

       3. die Wahrnehmung von Angelegenheiten der hausapothekenführenden   Ärzte, insbesondere der Abschluss und die Lösung von Gesamtverträgen   und sonstigen Vereinbarungen mit den Trägern der Sozialversicherung   und Krankenfürsorgeeinrichtungen,

       4. der Abschluss und die Lösung von Vereinbarungen über die Honorierung   vorübergehender ärztlicher Leistungen in Krankenanstalten,

       5. Beschlussfassung über die Empfehlung über die angemessene Honorie-  rung privatärztlicher Leistungen (§117b Abs2 Z10),

       6. die Durchführung von Ausbildungen und Schulungen des ärztlichen Hilfs-  personals,

       7. die Einrichtung eines ärztlichen Not- und Bereitschaftsdienstes,

[…]."

2. Die "Verordnung über die Einrichtung und Organisation eines ärztlichen Bereitschaftsdienstes im Burgenland", kundgemacht auf der Homepage der Ärztekammer für Burgenland am 25. Juni 2021, lautet wie folgt:

"Promulgationsklausel: Auf Grund der §§84 Abs4 Z7 und 195a Ärztegesetz 1998, BGBl I 169/1998 idF BGBl I Nr 59/2018 wird die Einrichtung und Organisation eines ärztlichen Bereitschaftsdienstes im Burgenland verordnet:

§1 Allgemeines

(1) Festgehalten wird, dass personenbezogene Bezeichnungen, die nur in männlicher oder weiblicher Form ausgeführt sind, für Männer und Frauen in gleicher Weise gelten.

(2) Diese Verordnung regelt die Einrichtung und Organisation eines ärztlichen Wochentagsnacht-Bereitschaftsdienstes (im Folgenden kurz: WTN-BD).

(3) Ziel des ärztlichen Bereitschaftsdienstes ist die Sicherstellung der nicht aufschiebbaren, allgemeinärztlichen kurativen Versorgung von Versicherten in den von den Bereitschaftsdiensten umfassten Zeiten (§2) im Burgenland.

(4) An den übrigen, von dieser Verordnung gem. §2 nicht erfassten Tagen des Jahres besteht ohne Dienstverpflichtung ein freiwilliger allgemeinmedizinischer Bereitschaftsdienst.

§2 Dienstzeit

Der allgemeinmedizinische Bereitschaftsdienst ist an Arbeitstagen (Montag bis Freitag; exklusive gesetzliche Feiertage; exklusive 24. und 31. Dezember; inklusive Landesfeiertag, Allerseelen, Karfreitag) in der Zeit von 17 bis 22 Uhr zu leisten (WTN-BD).

§3 Sprengeleinteilung

(1) Der Bereitschaftsdienst ist sprengelweise einzurichten. Nach Maßgabe der Kooperationsvereinbarung über einen Wochentagsnacht-Bereitschaftsdienst und über den Betrieb von Akutordinationen (WTN-BD neu) vom 6. März 2018 bestehen insgesamt folgende sechs Sprengel:

1. Bezirk Neusiedl/See

2. Bezirke Eisenstadt/Umgebung, Stadt Eisenstadt und Stadt Rust

3. Bezirk Mattersburg

4. Bezirk Oberpullendorf

5. Bezirk Oberwart

6. Bezirke Güssing und Jennersdorf

(2) Für die Durchführung sind die im jeweiligen Sprengel niedergelassenen Ärzte und Gruppenpraxen gemäß §4 Abs1 und 2 verantwortlich.

§4 Teilnahme am Bereitschaftsdienst

(1) Im WTN-BD ist jeder im Sprengel niedergelassene §2 - Kassenvertragsarzt für Allgemeinmedizin, jede §2 - Kassengruppenpraxen für Allgemeinmedizin sowie die Kreis-/Gemeindeärzte zur Teilnahme am Bereitschaftsdienst verpflichtet.

(2) Die Diensteinteilung hat unter Bedachtnahme auf §6 innerhalb des Sprengels grundsätzlich eine gleichmäßige Beteiligung der verpflichteten Ärzte vorzusehen.

§5 Ansprechpartner

Ansprechpartner im Sprengel gegenüber der Ärztekammer ist der von den im Sprengel zum Dienst verpflichteten Ärzten und Gruppenpraxen nominierte Sprengelverantwortliche. Dem Sprengelverantwortlichen obliegt die Koordination der Bereitschaftsdienste.

§6 Vertretung von eingeteilten Ärzten und Gruppenpraxen

Ärzte und Gruppenpraxen, die zum Bereitschaftsdienst eingeteilt sind, haben im Falle einer Verhinderung auf eigene Kosten für eine Vertretung Sorge zu tragen.

§7 Honorierung

Die Honorierung im WTN-BD erfolgt in Form einer Pauschalhonorierung nach Maßgabe der Kooperationsvereinbarung über einen Wochentagsnacht-Bereitschaftsdienst und über den Betrieb von Akutordinationen (WTN-BD neu) vom 6. März 2018 in der jeweils geltenden Fassung.

§8 Kundmachung, Inkrafttreten und Außerkrafttreten

(1) Diese Verordnung ist gem. §195a Abs2 ÄrzteG 1998 BGBl I 169/1998 idF BGBl I Nr 50/2021 im Internet auf der Homepage der Ärztekammer für Burgenland unter www.aekbgld.at allgemein zugänglich und dauerhaft zu verlautbaren.

(2) Diese Verordnung tritt gem. §195a Abs3 ÄrzteG 1998 BGBl I 169/1998 idF BGBl I Nr 50/2021 mit 1.7.2021 in Kraft.

(3) Mit Inkrafttreten dieser Verordnung tritt die Verordnung über die Einrichtung und Organisation eines ärztlichen Bereitschaftsdienstes im Burgenland, zuletzt geändert durch einen Umlauf-Beschluss der Kurienversammlung der niedergelassenen Ärzte am 6.12.2020, außer Kraft."

III. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Die antragstellende Landesregierung legt ihre Bedenken gegen §84 Abs4 Z7 und §126 Abs4 Z7 ÄrzteG 1998 unter Wiedergabe umfangreicher Judikatur des Verfassungsgerichtshofes – auf das Wesentliche zusammengefasst – wie folgt dar:

1.1. §84 Abs4 Z7 und §126 Abs4 Z7 ÄrzteG 1998 würden die Grenzen zulässiger Selbstverwaltung überschreiten: Die Einrichtung eines ärztlichen Not- und Bereitschaftsdienstes durch die Kurienversammlung der niedergelassenen Ärzte der Ärztekammer eines Bundeslandes bzw die Bundeskurie der niedergelassenen Ärzte betreffe nicht nur die in der Kurie der niedergelassenen Ärzte zusammengefasste Ärzteschaft, sondern in gleichem Maße auch die zur Sozialversicherungsgemeinschaft zusammengefassten krankenversicherten Personen.

1.2. Die Einrichtung eines ärztlichen Not- und Bereitschaftsdienstes durch Verordnung der Kurienversammlung der niedergelassenen Ärzte bzw der Bundeskurie der niedergelassenen Ärzte eröffne den sozialversicherungsrechtlich Versicherten überhaupt erst die Möglichkeit, einen allgemeinmedizinischen Not- und Bereitschaftsdienst, etwa an Arbeitstagen wie auch an Wochenenden und Feiertagen außerhalb der gewöhnlichen Öffnungszeiten einer Ordination und damit eine allgemeinärztliche kurative Versorgung in Anspruch zu nehmen. Damit berühre eine solche Verordnung nicht bloß überwiegende Interessen der im Selbstverwaltungskörper der Ärztekammer zusammengefassten Mitglieder, sondern in zumindest gleicher Intensität allgemeine Interessen der (sozialversicherungsrechtlich krankenversicherten) Bevölkerung an der Sicherstellung einer allgemeinärztlichen kurativen Versorgung und einer qualitätsvollen Gesundheitsversorgung.

1.3. Die Sicherstellung der nicht aufschiebbaren, allgemeinärztlichen kurativen Versorgung von Versicherten und die Festlegung von Zeiten des Bereitschaftsdienstes seien nicht im ausschließlichen Interesse der in der Ärztekammer bzw der Kurie der niedergelassenen Ärzte zusammengefassten Personen, sondern vielmehr im allgemeinen Interesse der sozialversicherungsrechtlich Versicherten (wie auch der burgenländischen Bevölkerung gesamthaft) an einer umfassenden qualitätsvollen, allgemeinmedizinischen Versorgung gelegen.

1.4. Es werde zwar nicht verkannt, dass bereits der Einleitungssatz in §84 Abs4 sowie §126 Abs4 ÄrzteG 1998 festlege, dass die Einrichtung des ärztlichen Not- und Bereitschaftsdienstes durch die Kurienversammlung bzw die Bundeskurie der niedergelassenen Ärzte mit dem Ziel der Wahrnehmung und Förderung der beruflichen, wirtschaftlichen und sozialen Interessen der niedergelassenen Ärzte erfolge. Das Ziel der Wahrnehmung und Förderung der beruflichen, wirtschaftlichen und sozialen Interessen der niedergelassenen Ärzte überwiege jedoch nicht das Interesse der durch die Verordnung in ihrer Rechtssphäre betroffenen Versicherten an der Sicherstellung der allgemeinärztlichen, kurativen Versorgung, insbesondere in nicht aufschiebbaren Fällen.

1.5. Mit der Verankerung der Zeiten des Bereitschaftsdienstes durch die in der Ärztekammer zusammengefassten Personen werde eine Angelegenheit weisungsungebunden besorgt, die sich maßgeblich auf einen Personenkreis beziehe (die Versicherten), der von jenem verschieden sei, welcher dem Selbstverwaltungskörper die erforderliche demokratische Legitimation vermittle. Damit seien die in der Ärztekammer zusammengefassten Personen zur heteronomen Normsetzung gegenüber den betroffenen Versicherten auch nicht demokratisch legitimiert.

1.6. Die Grenzen zulässiger Selbstverwaltung seien insofern überschritten, als dem Selbstverwaltungskörper mit §84 Abs4 Z7 bzw §126 Abs4 Z7 ÄrzteG 1998 jeweils eine Angelegenheit zugewiesen werde, die nicht im ausschließlichen oder überwiegenden Interesse der zum Selbstverwaltungskörper zusammengeschlossenen Personen gelegen und geeignet sei, von dieser Gemeinschaft besorgt zu werden (vgl VfSlg 8215/1977). Die Einrichtung eines ärztlichen Not- und Bereitschaftsdienstes beziehe sich auch auf einen Personenkreis, der von jenem verschieden sei, der den Organen die erforderliche demokratische Legitimation vermittle.

1.7. Damit würden die angefochtenen Bestimmungen den für die Errichtung von Selbstverwaltungskörpern geltenden Verfassungsgrundsätzen widersprechen. Aus den dargelegten Gründen begehrt die Burgenländische Landesregierung, §84 Abs4 Z7 und §126 Abs4 Z7 ÄrzteG 1998 als verfassungswidrig aufzuheben.

2. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie mit näherer Begründung die Abweisung des Antrages beantragt.

2.1. Hervorgehoben werde, dass die angefochtenen Bestimmungen nicht jenen Inhalt aufweisen würden, der ihnen von der antragstellenden Landesregierung unterstellt werde. Die bekämpften Normen würden nämlich nicht vorsehen, dass überhaupt und in welchem Ausmaß ein ärztlicher Not- und Bereitschaftsdienst zu leisten sei. Stattdessen würden sie lediglich das jeweils zuständige Kammerorgan ermächtigen, Regelungen darüber zu treffen, wie ein allenfalls eingerichteter ärztlicher Not- und Bereitschaftsdienst für bestimmte Kurienangehörige (hier: niedergelassene Ärzte) ausgestaltet sein solle (vgl VfGH 10.12.2014, B967/2012 ua; VwGH 29.1.2019, Ra 2018/08/0181).

2.2. Diese Vorgaben würden jedoch nicht außenstehende Dritte betreffen, sondern ausschließlich die – in der jeweiligen Kurie zusammengefasste – Ärzteschaft. Denn die nähere Ausgestaltung der Teilnahme an einem ärztlichen Not- und Bereitschaftsdienst, etwa durch Einführung eines Dienstrades zur gleichmäßigen Verteilung der Arbeitsbelastung der verpflichteten Ärzte, liege nicht nur im überwiegenden, sondern im ausschließlichen Interesse der in der jeweiligen Ärztekammer zusammengefassten Personen. Es könne daher der Gesetzgebung nicht entgegengetreten werden, wenn sie durch die angefochtenen Bestimmungen die "Einrichtung" – im Sinne einer konkreten Ausgestaltung – eines ärztlichen Not- und Bereitschaftsdienstes den Ärztekammern im eigenen Wirkungsbereich zur weisungsfreien Besorgung übertragen habe. Damit seien nach Auffassung der Bundesregierung auch die Bedenken im Hinblick auf Art19 iVm Art20 B-VG zerstreut.

2.3. Die Frage, ob ein ärztlicher Not- und Bereitschaftsdienst zur Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung mit ärztlichen Leistungen durch Bundesgesetz oder durch Landesgesetz einzurichten wäre, sei mangels Relevanz in diesem Verfahren nicht abschließend zu beurteilen. Nach Ansicht der Bundesregierung dürften solche Regelungen als Angelegenheiten des Gesundheitswesens iSd Art10 Abs1 Z12 B-VG anzusehen sein (so wohl auch Grabenwarter/Krauskopf, Gesundheitsrecht und Verfassung, in: Resch/Wallner [Hrsg.], Handbuch Medizinrecht3, 2020, Kapitel I Rz 12), zumal sich die vom Kompetenztatbestand des "Gesundheitswesens" ausgenommenen Angelegenheiten des "Gemeindesanitätsdienstes" auf Fragen der Organisation desselben beschränken würden (vgl VfSlg 2784/1955).

2.4. Auch dies spreche dagegen, dem angefochtenen §84 Abs4 Z7 ÄrzteG 1998 den von der antragstellenden Landesregierung angenommenen Inhalt beizumessen, da die gemäß Art11 Abs1 Z2 B-VG im Vollziehungsbereich der Länder eingerichteten Ärztekammern in den Bundesländern zur Vollziehung von – in mittelbarer Bundesverwaltung zu besorgenden – Angelegenheiten des Gesundheitswesens von Verfassung wegen nicht zuständig gemacht werden dürften.

2.5. Die angefochtenen Bestimmungen seien daher nach Ansicht der Bundesregierung nicht verfassungswidrig.

3. Die Österreichische Ärztekammer sowie die Ärztekammer für Burgenland haben eine gemeinsame Äußerung erstattet, in welcher sie sowohl die Zulässigkeit des Antrages als auch die Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Gesetzesbestimmungen bestreiten:

3.1. Die Verordnungsermächtigungen nach §84 Abs4 Z7 und §126 Abs4 Z7 ÄrzteG 1998 würden die sozialversicherungsrechtlichen Leistungsansprüche der Versicherten auf ärztliche Hilfe vollkommen unberührt lassen. Vielmehr gehe es darum, den Not- und Bereitschaftsdienst innerhalb der Ärzteschaft zu organisieren. Die Rechtssphäre der Versicherten werde dadurch nicht gestaltet, schon gar nicht unmittelbar.

3.2. Durch die Ärztekammern erfolge — in den Worten des Verfassungsgerichtshofes — bloß die "Konkretisierung der einzelnen Dienste" im Sinne der "Erstellung eines Dienstplans" (VfGH 10.12.2014, B967/2012 ua). In Verordnungen auf der Grundlage von §84 Abs4 Z7 sowie §126 Abs4 Z7 ÄrzteG 1998 werde somit nur die interne Dienstaufteilung unter den kammerangehörigen Ärzten vorgenommen. Die Rechtssphäre der Versicherten werde hingegen nicht gestaltet. Die interne Dienstaufteilung möge zwar insofern eine Reflexwirkung für die Versicherten haben, als sie mittelbare Auswirkungen darauf habe, wann ärztliche Hilfe durch freiberufliche Ärzte faktisch in Anspruch genommen werden könne. Dabei handle es sich jedoch nicht um eine unmittelbare Gestaltung der Rechtssphäre (nämlich der Leistungsansprüche) der Versicherten aus dem Sozialversicherungsverhältnis; die wechselseitigen Rechte und Pflichten aus diesem Versicherungsverhältnis würden nämlich unverändert bleiben. Die ärztliche Hilfe durch freiberufliche Ärzte sei im Übrigen auch nicht die einzige Notfallversorgung, die durch die Versicherten in Anspruch genommen werden könne.

3.3. Dieses Ergebnis werde durch die Einleitungssätze in §84 Abs4 und §126 Abs4 ÄrzteG 1998 bestärkt, wonach es ua bei der Einrichtung eines ärztlichen Not- und Bereitschaftsdienstes nach deren Z7 jeweils nur um das "Ziel der Wahrnehmung und Förderung der beruflichen, wirtschaftlichen und sozialen Interessen der niedergelassenen Ärzte" gehe. Daraus sei abzuleiten, dass mit Verordnungen nach diesen Gesetzesstellen nur die kammerangehörigen Ärzte erfasst werden (dürften) und deren Interessen (hier bei Z7: an einer ausgewogenen und fairen Diensteinteilung) zu wahren seien.

3.4. Die von der antragstellenden Landesregierung angeführte, aktuell geltende Verordnung über die Einrichtung und Organisation eines ärztlichen Bereitschaftsdienstes im Burgenland (kundgemacht am 25. Juni 2021) erwähne die Versorgung der Versicherten zwar in §1 Abs3, sie regle aber ausschließlich die Diensteinteilung unter den kammerangehörigen Ärzten (siehe insbesondere §4, wo in Abs2 auch ausdrücklich von einer "Diensteinteilung" die Rede sei) und berühre somit nicht (nicht einmal mittelbar) die sozialversicherungsrechtlichen Leistungsansprüche der Versicherten gegenüber den Versicherungsträgern. Die Versicherten seien auch sonst nicht Normadressaten (nicht einmal einer einzigen Bestimmung) der zitierten Verordnung.

3.5. Es könne daher auch kein Zweifel daran bestehen, dass die kammerinterne Organisation des ärztlichen Not- und Bereitschaftsdienstes im Verständnis des Art120a Abs1 B-VG im ausschließlichen oder (zumindest) überwiegenden gemeinsamen Interesse der Ärzteschaft gelegen und auch geeignet sei, durch sie gemeinsam besorgt zu werden. Denn einerseits bestehe ein Interesse der Ärzteschaft an einer ausgewogenen und fairen Diensteinteilung, andererseits seien (nur) in den Ärztekammern alle notwendigen Informationen über die am Notdienst teilnehmenden Ärzte vorhanden, wodurch eine Diensteinteilung überhaupt erst ermöglicht werde.

3.6. Aus diesen Gründen sei nach Ansicht der Österreichischen Ärztekammer und der Ärztekammer für Burgenland der Antrag zurückzuweisen, in eventu abzuweisen.

IV. Erwägungen

1. Der Verfassungsgerichtshof geht von folgender Rechtslage aus:

1.1. Im zweiten Unterabschnitt (Abschnitt II) des zweiten Teils des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) wird grundsätzlich die Krankenbehandlung, so auch der Umfang dieser, für alle nach dem ASVG zum Bezug von Leistungen Berechtigten geregelt. Gemäß §133 Abs1 Z1 ASVG umfasst die Krankenbehandlung auch "ärztliche Hilfe"; diese wird – so §135 Abs1 leg. cit. – durch "Vertragsärztinnen/Vertragsärzte, durch Vertrags-Gruppenpraxen, Wahlärztinnen/Wahlärzte, Wahl-Gruppenpraxen sowie in eigenen Einrichtungen oder Vertragseinrichtungen der Versicherungsträger" gewährt.

Bereits diese Regelungen machen beispielhaft deutlich, dass der Anspruch und das Ausmaß der "ärztlichen Hilfe" im ASVG bzw auch im Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz (§90 f. GSVG) grundgelegt sind.

Der Anspruch der Versicherten besteht also gegenüber dem Versicherungsträger auf der Grundlage dieses besonderen sozialversicherungsrechtlichen Schuldverhältnisses (vgl etwa Gruber-Risak, 1. Das Versicherungsverhältnis, in: Tomandl/Felten [Hrsg.], System des österreichischen Sozialversicherungsrechts, 38. Lfg. 2021, 39 und Atria, §§85, 86, in: Sonntag [Hrsg.], ASVG13, 2022, Rz 1).

In den Gesamtverträgen wird zwischen den Trägern der Sozialversicherung und den jeweiligen Ärztekammern gemäß §338 Abs2 ASVG "die ausreichende Versorgung der Versicherten und ihrer anspruchsberechtigten Angehörigen mit den gesetzlich und satzungsmäßig vorgesehenen Leistungen" sichergestellt. Dass diese Vorgangsweise verfassungsrechtlich unbedenklich ist, hat der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom 10. Dezember 2014, B967/2012 ua, bereits bestätigt.

1.2. Gemäß §65 Abs1 ÄrzteG 1998 ist zur Vertretung des Ärztestandes für den räumlichen Bereich eines jeden Bundeslandes eine Ärztekammer eingerichtet, deren vordringliche Aufgabe darin besteht, die gemeinsamen beruflichen, sozialen und wirtschaftlichen Interessen der Ärzte wahrzunehmen und zu fördern. Als im eigenen Wirkungsbereich wahrzunehmende Aufgabe wird in §66a Abs1 Z1 leg. cit. der Abschluss und die Auflösung von Verträgen zur Regelung der Beziehungen der Ärzte zu den Trägern der Sozialversicherung (Verbänden), der Fürsorge und der Krankenfürsorge genannt; überwiegend fällt die Aufgabe der Österreichischen Ärztekammer zu. Dass die Vertrags- und Wahlärzte jedenfalls Mitglieder der Ärztekammer sein müssen, ergibt sich schon aus §68 ÄrzteG 1998.

Nach der Organisation der Ärztekammer(n) bilden die von den Mitgliedern einer Kurie gewählten Kammerräte die Kurienversammlung, der die Wahrnehmung der in §84 ÄrzteG 1998 aufgezählten Zuständigkeiten zukommt; dazu zählt auch gemäß Abs4 Z7 par. cit. die – von der antragstellenden Landesregierung als verfassungswidrig erachtete – "Einrichtung eines ärztlichen Not- und Bereitschaftsdienstes". Auf Bundesebene bilden nach §126 ÄrzteG 1998 die Obmänner und Obmannstellvertreter der Kurienversammlungen der Ärztekammern jeweils die Bundeskurie der angestellten Ärzte und der niedergelassenen Ärzte. Ihnen kommt gemäß Abs4 Z7 par. cit. ebenfalls die – im vorliegenden Antrag gleichfalls angefochtene – Aufgabe der "Einrichtung eines ärztlichen Not- und Bereitschaftsdienstes" zu.

1.3. Der Gesamtvertrag

Im sechsten Teil des ASVG werden die Beziehungen der Träger der Sozialversicherung zu den Angehörigen der Gesundheitsberufe und anderen Vertragspartnerinnen und Vertragspartnern geregelt; dabei wird auch grundsätzlich vorgesehen, dass die Beziehungen der Träger der Sozialversicherung zu den freiberuflich tätigen Ärztinnen bzw Ärzten durch privatrechtliche Verträge zu regeln sind (vgl §338 Abs1 und 2 ASVG).

Welche Leistungen wie abgegolten werden sollen, richtet sich daher nach dem Gesamtvertrag (vgl §342 ASVG). Im Gesamtvertrag in der Stammfassung vom 20. Mai 1994, der zwischen der Ärztekammer für Burgenland und dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger abgeschlossen wurde, ist hingegen bloß geregelt, dass für den Fall eines Not- und Bereitschaftsdienstes (konkret: eines Sonn- und Feiertagsdienstes) der Vertragsarzt zur Teilnahme an dem von der Ärztekammer "eingerichteten", also zu organisierenden Dienst verpflichtet ist (§16).

1.4. Im Sinne dieser sich aus einer Zusammenschau des ÄrzteG 1998 und des Gesamtvertrages ergebenden rechtlichen Ausgangslage hat die Ärztekammer für Burgenland schließlich die "Verordnung über die Einrichtung und Organisation eines ärztlichen Bereitschaftsdienstes im Burgenland" (kundgemacht am 25. Juni 2021) erlassen.

2. Zur Zulässigkeit des Antrages

2.1. Gemäß Art140 Abs1 Z2 B-VG erkennt der Verfassungsgerich

Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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