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97 Öffentliches AuftragswesenBetreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, über die Revision der Bewerbergemeinschaft bestehend aus 1. L GmbH in S und 2. S AG, in B, vertreten durch MMag. Dr. Philipp Götzl, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Nonntaler Hauptstraße 58, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 5. März 2021, Zl. LVwG-2020/S3/2674-15, betreffend vergaberechtliche Nachprüfung (mitbeteiligte Partei: V T GesmbH in I, vertreten durch die Estermann Pock Rechtsanwälte GmbH in 1030 Wien, Rennweg 17, 5. Stock), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 1. Die V T GesmbH (Mitbeteiligte) führte im Jahr 2020 als Auftraggeberin ein zweistufiges Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung im Oberschwellenbereich zum Abschluss einer Rahmenvereinbarung betreffend näher beschriebene Verkehrsdienstleistungen durch.
2 In den Teilnahmeunterlagen war unter Pkt. 6 (Form und Abgabe des Teilnahmeantrages) ua. Folgendes festgelegt:
„Der Bewerber hat seinen Teilnahmeantrag ausschließlich elektronisch auf der Vergabeplattform der Auftraggeberin einzureichen. [...]
[...]
c. Der Bewerber hat den Teilnahmeantrag samt angeschlossenen Unterlagen mit einer qualifizierten elektronischen Signatur auf der Vergabeplattform abzugeben. Der Bewerber bzw jedes Mitglied einer allfälligen Bewerbergemeinschaft hat mit Abgabe des Teilnahmeantrages - bei sonstigem Vorliegen eines unbehebbaren Mangels, der zum zwingenden Ausscheiden des Teilnahmeantrages führt - gemäß Formblatt VER (‚Nachweis der Vertretungsbefugnis‘) die Rechtsgültigkeit nachzuweisen, sofern die qualifizierte elektronische Signatur nicht von Personen geleistet wurde, deren alleinige Vertretungsbefugnis jeweils aus dem Firmenbuch ersichtlich ist [...]. Für diesen Nachweis ist gemeinsam mit dem Teilnahmeantrag elektronisch auf der Vergabeplattform eine entsprechende Vollmacht für jene Person bzw Personen, welche die sichere(n) elektronische(n) Signatur(en) im Namen des Bewerbers bzw jedes Mitglieds einer allfälligen Bewerbergemeinschaft geleistet hat (haben), einzupflegen.
[...]
Die Auftraggeberin macht ausdrücklich darauf aufmerksam, dass nur vollständig ausgefüllte und mit allen Nachweisen versehene Teilnahmeanträge bewertet werden. [...] Fehlende Nachweise und Angaben führen zum Ausschluss des Bewerbers vom Verfahren, sofern es sich dabei um einen unbehebbaren Mangel handelt und in den Teilnahmeunterlagen nichts Gegenteiliges festgelegt ist.
[...]“
3 Die Revisionswerberin stellte fristgerecht einen Teilnahmeantrag. Mit Schreiben vom 27. November 2020 teilte die Auftraggeberin der Revisionswerberin mit, dass sie nicht zur Teilnahme an der zweiten Stufe des Verhandlungsverfahrens zugelassen werden dürfe. Begründend wurde festgehalten, der Teilnahmeantrag sei durch eine Bewerbergemeinschaft, bestehend aus der L GmbH und der S AG, abgegeben worden. Entsprechend den (oben dargestellten) Festlegungen in Pkt. 6 der Teilnahmeunterlagen wäre der Teilnahmeantrag daher von beiden Mitgliedern der Bewerbergemeinschaft elektronisch zu signieren gewesen oder es wäre eine entsprechende Vollmacht anzuschließen gewesen, wenn der Teilnahmeantrag nur von einem Bewerber (gemeint wohl: einem Mitglied der Bewerbergemeinschaft) signiert worden sei. Der Teilnahmeantrag der Revisionswerberin sei nur von H T als alleinvertretungsbefugtem Geschäftsführer der L GmbH signiert worden. Da keine Signatur eines Geschäftsführers der S AG vorliege, wäre dem Teilnahmeantrag nach den Festlegungen in den Teilnahmeunterlagen eine gesonderte Vollmacht der S AG für H T anzuschließen gewesen. Eine solche Vollmacht habe gefehlt, weshalb ein unbehebbarer Mangel vorliege, der zum zwingenden Ausscheiden des Teilnahmeantrages führe.
4 Mit Schriftsatz vom 4. Dezember 2020 beantragte die Revisionswerberin, die Entscheidung der Auftraggeberin betreffend die Nicht-Zulassung der Revisionswerberin zur zweiten Stufe des Verhandlungsverfahrens für nichtig zu erklären.
5 2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 5. März 2021 wies das Landesverwaltungsgericht Tirol diesen Antrag sowie den Antrag auf Ersatz der entrichteten Pauschalgebühren als unbegründet ab. Die ordentliche Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für unzulässig erklärt.
6 Das Verwaltungsgericht legte seiner Entscheidung - über den bereits dargelegten Sachverhalt hinaus - im Wesentlichen Folgendes zugrunde: Der abgegebene Teilnahmeantrag sei nur von der L GmbH mit einer elektronischen Signatur versehen gewesen, eine elektronische Signatur der S AG habe gefehlt. Eine Vollmacht der S AG für H T sei nicht auf der Vergabeplattform eingepflegt worden. Dies führe nach den Teilnahmeunterlagen zum zwingenden Ausscheiden des Teilnahmeantrages, weil dies von der Auftraggeberin als unbehebbarer Mangel qualifiziert worden sei. Die vermeintlich am 18. November 2020 unterzeichnete Vollmacht zur Abwicklung des Vergabeverfahrens könne nicht berücksichtigt werden, weil sie nicht auf die Vergabeplattform hochgeladen worden sei. Dass die Vollmacht bereits vorgelegen sein könnte, ändere daran nichts.
7 3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
8 4. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG vom Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
11 5.1. Die Revisionswerberin bringt in ihrem Zulässigkeitsvorbringen unter Verweis auf näher zitierte Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes vor, das Verwaltungsgericht sei von der hg. Rechtsprechung abgewichen, wonach ein Mangel nur dann als unbehebbar zu qualifizieren sei, wenn er nach Angebotsöffnung (bzw. hier: nach Öffnung des Teilnahmeantrages) zu einer Änderung der Wettbewerbsstellung des Bieters (Bewerbers) führen könne. Durch das (hier in Rede stehende) Nichthochladen bzw. Nachreichen einer bereits vorhandenen Vollmacht könne keine Verbesserung der Wettbewerbsstellung eintreten. Bei der Abgrenzung von behebbaren und unbehebbaren Mängeln sei zu unterscheiden, ob es am nachzuweisenden Umstand (dies sei unbehebbar) oder bloß am Nachweis des bereits feststehenden Umstandes (dies sei behebbar) fehle.
12 Nach den oben dargestellten bestandfesten Teilnahmeunterlagen hatte jedes Mitglied einer Bewerbergemeinschaft mit der Abgabe des Teilnahmeantrages die Rechtsgültigkeit nachzuweisen, entweder durch die elektronische Signatur einer alleinvertretungsbefugten Person oder durch eine gemeinsam mit dem Teilnahmeantrag einzupflegende Vollmacht. Das Fehlen des Nachweises wurde in der Ausschreibung als unbehebbarer Mangel festgelegt, der zum zwingenden Ausscheiden des Teilnahmeantrages führe.
13 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits festgehalten, dass ein Mangel - auch wenn er für sich gesehen verbesserbar wäre - dann nicht (etwa durch die nachträgliche Vorlage einer Bescheinigung) saniert werden kann, wenn das Fehlen der Bescheinigung in der Ausschreibung als unbehebbarer Mangel festgelegt worden ist und diese Ausschreibung - unabhängig davon, ob sie bei rechtzeitiger Anfechtung für nichtig zu erklären gewesen wäre - bestandfest geworden ist (vgl. VwGH 3.9.2008, 2007/04/0017). Ausgehend davon kommt es im vorliegenden Fall auf das ansonsten (in Ermangelung einer derartigen Festlegung in der Ausschreibung) maßgebliche Abgrenzungskriterium zwischen behebbaren und unbehebbaren Mängeln, nämlich das (Nicht)Vorliegen einer nachträglichen Änderung der Wettbewerbsstellung, nicht an. Somit ist das Verwaltungsgericht aber auch nicht von den in der Revision diesbezüglich ins Treffen geführten hg. Entscheidungen abgewichen, weil diesen Entscheidungen keine derartige (mit der hier gegenständlichen Bestimmung vergleichbare) Festlegung eines Umstandes als unbehebbarer Mangel in der Ausschreibung zugrunde lag (vgl. VwGH 27.2.2019, Ra 2017/04/0054; 4.7.2016, Ra 2016/04/0015, 0016; 11.11.2015, Ra 2015/04/0077; 27.10.2014, 2012/04/0065; 12.5.2011, 2008/04/0087; 16.2.2005, 2004/04/0030; 25.2.2004, 2003/04/0186). Die Frage, inwieweit der Auftraggeber bei der Festlegung der Unbehebbarkeit von Mängeln an bestimmte Vorgaben gebunden ist, wäre im Zuge einer (hier nicht erfolgten) Anfechtung der Ausschreibung zu prüfen gewesen.
14 5.2. Mit dem Verweis auf die hg. Rechtsprechung, wonach Festlegungen in der Ausschreibung im Zweifel gesetzeskonform zu lesen seien (vgl. erneut VwGH Ra 2016/04/0015, 0016), ist für die Revisionswerberin schon deshalb nichts zu gewinnen, weil die hier gegenständliche (oben dargestellte) Festlegung in den Teilnahmeunterlagen im Hinblick auf ihren eindeutigen Erklärungswert keinerlei Raum für Zweifel lässt (vgl. auch VwGH 25.10.2016, Ra 2016/04/0109, Rn. 11).
15 5.3. Soweit die Revisionswerberin moniert, die Auftraggeberin habe dem unionsrechtlichen Erfordernis einer kontradiktorischen Überprüfung nicht ausreichend Rechnung getragen, ist dem (abgesehen davon, dass das insoweit ins Treffen geführte hg. Erkenntnis VwGH 29.3.2006, 2003/04/0181, zu einer hier nicht gegenständlichen vertieften Angebotsprüfung ergangen ist) entgegenzuhalten, dass bei Vorliegen eines unbehebbaren Mangels das Angebot von der Auftraggeberin ohne Verbesserungsverfahren auszuscheiden ist (vgl. wiederum VwGH Ra 2017/04/0054, Rn. 15, mwN).
16 5.4. Auch mit ihrem weiteren Zulässigkeitsvorbringen zeigt die Revisionswerberin keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf. Ein Abweichen vom hg. Erkenntnis VwGH 29.10.2008, 2005/04/0302, ist schon deshalb nicht gegeben, weil vorliegend nicht der Umfang einer Vollmacht, sondern die nicht - gemeinsam mit dem Teilnahmeantrag - erfolgte Vorlage eines Nachweises zu prüfen war. Gleiches gilt im Ergebnis hinsichtlich des ins Treffen geführten hg. Erkenntnisses VwGH 20.10.2004, 2004/04/0134, weil es dort um die (hier nicht maßgebliche) Frage der Zurechnung eines Nachprüfungsantrags zu einer Bietergemeinschaft ging. Inwieweit aus dem ebenfalls herangezogenen hg. Erkenntnis VwGH 25.9.2012, 2008/04/0045, bzw. der dort behandelten Frage des Beginns der Rechtswirksamkeit eines Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes für den vorliegenden Fall etwas abzuleiten wäre, erschließt sich für den Verwaltungsgerichtshof nicht.
17 6. In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
18 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 1. August 2022
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021040102.L00Im RIS seit
10.11.2022Zuletzt aktualisiert am
10.11.2022