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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
FrG 1993 §36 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte
Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde des J, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 3. November 1994, Zl. SD 1126/94, betreffend Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 Fremdengesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 3. November 1994 wurde gemäß § 54 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, festgestellt, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, daß der Beschwerdeführer in Liberia gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei.
Nach Wiedergabe der einschlägigen Gesetzesstellen und dem Hinweis, daß in einem Feststellungsverfahren wie dem vorliegenden das Vorbringen des Antragstellers die zentrale Entscheidungsgrundlage darstelle, wobei es diesem obliege, alles Zweckdienliche vorzubringen, damit das Vorliegen der Voraussetzungen des § 37 FrG nachvollzogen werden könne, brachte die belangte Behörde zum Ausdruck, daß der Beschwerdeführer entgegen dieser ihn treffenden Mitwirkungspflicht weder im erstinstanzlichen Verfahren noch in der Berufung konkrete Verfolgungshandlungen gegen seine Person behauptet habe. Vielmehr habe der Beschwerdeführer vor der Erstbehörde ausgesagt, daß er in Liberia keine Verfolgung hätte erdulden müssen und weiters eingeräumt, über die derzeitige politische Lage in seinem Heimatland nicht informiert zu sein. Der Umstand, daß der Vater des Beschwerdeführers Mitglied der Gruppe "Rebellen des Charles Taylor" gewesen sei, sei jedenfalls nicht geeignet, die persönliche Bedrohung des Beschwerdeführers i.S. des § 37 FrG zu untermauern, zumal dieser nicht einmal darlege, was ihn zu dieser Annahme kommen lasse.
Ebenso wenig zielführend erscheine der Berufungs-Hinweis auf die allgemeine Lage in Liberia, weil die Auswirkungen einer solchen Bürgerkriegssituation für alle Angehörigen der jeweiligen Streitparteien in gleichem Ausmaß gegeben seien und daher keine konkrete persönliche Bedrohung des Beschwerdeführers darstellten. Aus diesem Grund sei auch den Beweisanträgen des Beschwerdeführers, beim Ludwig-Boltzmann-Institut für Menschenrechte die derzeitige Situation in Liberia zu erheben, nicht entsprochen worden. Eine solche Anfrage hätte lediglich allgemeine Hinweise auf die Situation im Heimatland des Beschwerdeführers ergeben können, wogegen vorliegend der Umstand entscheidungsrelevant sei, ob eine persönliche Bedrohung des Beschwerdeführers i.S. des § 37 FrG geltend gemacht worden sei.
Angesichts des gegebenen Sachverhaltes sei die Erstbehörde daher zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme hätten objektiviert werden können, daß der Beschwerdeführer in Liberia gemäß § 37 FrG bedroht sei.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 54 Abs. 1 FrG hat auf Antrag eines Fremden die Behörde mit Bescheid festzustellen, ob stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß dieser Fremde in einem von ihm bezeichneten Staat gemäß § 37 Abs. 1 oder 2 bedroht ist.
Nach § 37 Abs. 1 FrG ist die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung eines Fremden in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß er Gefahr liefe, dort einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden.
Nach § 37 Abs. 2 FrG ist die Zurückweisung oder Zurückschiebung eines Fremden in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß dort sein Leben oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, seiner Religion, seiner Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z. 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolles über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974).
2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 54 FrG das Bestehen einer aktuellen, also im Fall der Abschiebung des Fremden in den von seinem Antrag erfaßten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung i.S. des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (vgl. etwa das Erkenntnis vom 20. Juli 1995, Zl. 95/18/0946, mwN).
3.1. In seinem am 4. Oktober 1994 vor der Erstbehörde gestellten Antrag gab der Beschwerdeführer an, in seiner Heimat strafrechtlich nicht verfolgt zu werden; er habe sein Heimatland aufgrund des dort herrschenden Bürgerkrieges vor drei Jahren verlassen; er wisse nicht, ob ihm im Fall der Abschiebung in seiner Heimat "etwas zustoßen könnte"; wenn sein Vater, von dem er nicht wisse, wo er sich derzeit befinde, nach Liberia zurückkehre, würde er dies auch tun; über die aktuelle Lage in seiner Heimat sei er nicht informiert. Über eine "politische Verfolgung" in seiner Heimat befragt, gab der Beschwerdeführer an, daß sein Vater Mitglied der Gruppe "Rebellen des Charles Taylor" sei und er politisch verfolgt werde; er selbst (der Beschwerdeführer) werde nicht verfolgt, doch glaube er, daß er aufgrund der Mitgliedschaft seines Vaters "auch verfolgt werden könnte".
In seiner Berufung vom 27. Oktober 1994 wies der Beschwerdeführer ergänzend - unter Bezugnahme auf einige Zeitungsberichte und einen Bericht von Amnesty International - auf die allgemeine Situation in Liberia hin, und vertrat die Ansicht, daß nach Einschätzung der internationalen Presse Liberia "neuerlich in den Ausgangszustand des vor rund vier Jahren ausgebrochenen Bürgerkrieges" zurückgeworfen worden sei. Damit liege es auf der Hand, daß "hinreichend stichhaltige Gründe für die Annahme einer drohenden unmenschlichen Behandlung im Sinne des § 37 Abs. 1 FrG für jeden einzelnen dort aufhältigen Menschen" gegeben seien. Dazu kämen noch stichhaltige Gründe für die Annahme einer Bedrohung aus Gründen der politischen Gesinnung aufgrund der dem Beschwerdeführer "automatisch seitens seiner Landsleute unterstellten Anhängerschaft bei Taylor"s Rebellen, zu denen auch sein Vater gehörte".
3.2. Die belangte Behörde erachtete dieses - im bekämpften Bescheid im Kern dargestellte und als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegte - Vorbringen als zur Glaubhaftmachung einer aktuellen Gefährdung und/oder Bedrohung des Beschwerdeführers i. S. des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG nicht geeignet. Diese Beurteilung stößt auf keine Bedenken.
Selbst wenn man - wie die belangte Behörde - der vom Beschwerdeführer in keiner Weise belegten Darstellung folgt, daß sein Vater der Gruppe "Rebellen des Charles Taylor" (National Patriotic Front of Liberia - vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. September 1994, Zl. 94/18/0248) angehört habe, ist die darauf gründende Annahme des Beschwerdeführers, daß er bei einer Rückkehr in seine Heimat gleich seinem Vater verfolgt werden könnte, nicht mehr als eine Vermutung, die keine objektiven Anhaltspunkte für sich hat. Der Umstand, daß sein Vater vor drei Jahren Mitglied der besagten Gruppierung gewesen sei, reicht für sich allein nicht aus, eine Gefährdung/Bedrohung des Beschwerdeführers i.S. des § 37 Abs. 1/Abs. 2 FrG im Fall seiner Rückkehr nach Liberia als wahrscheinlich darzutun - dies umso weniger, als der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Antragstellung erklärte, wenn sein Vater nach Liberia zurückkehre, würde er dies gleichfalls tun. Was die wiederholten Hinweise des Beschwerdeführers auf die Bürgerkriegssituation in Liberia anlangt, so hielt die belangte Behörde dieses allgemeine, jede Erklärung, inwiefern sich daraus konkret für den Beschwerdeführer (nicht für "jeden einzelnen dort aufhältigen Menschen") eine Gefahr für sein Leben und seine Freiheit ergebe, vermissen lassende Vorbringen zutreffend als zur Glaubhaftmachung seiner Gefährdung/Bedrohung i. S. des § 37 Abs. 1/Abs. 2 FrG nicht geeignet (vgl. dazu etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Juli 1995, Zl. 95/18/0883, mwN).
4. Zu der Beschwerdebehauptung, die belangte Behörde habe nicht beachtet, daß infolge der Bürgerkriegswirren in Liberia keine Verkehrsverbindungen dorthin bestünden, sodaß eine allfällige Abschiebung schon aus technischen (tatsächlichen) Gründen unmöglich erscheine, genügt der Hinweis, daß Gegenstand des Feststellungsverfahrens nach § 54 iVm § 37 Abs. 1 und 2 FrG nur die Frage der Unzulässigkeit der Abschiebung und nicht auch - wie im Verfahren nach § 36 Abs. 2 leg. cit. - die Frage von deren Unmöglichkeit aus tatsächlichen Gründen ist.
5. Da nach dem Gesagten der im Instanzenzug getroffenen Feststellung der belangten Behörde, es bestünden keine stichhaltigen Gründe für die Annahme einer Gefährdung oder Bedrohung des Beschwerdeführers in Liberia i.S. des § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG, Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995180443.X00Im RIS seit
20.11.2000