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83 Natur- und UmweltschutzNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Aufhebung eines Bescheides wegen willkürlicher Vorschreibung des Ersatzes von Barauslagen für die Erstellung eines Sachverständigengutachtens für die Beurteilung der ausländischen Abfallbehandlungsanlage im Verfahren über eine Abfallausfuhrgenehmigung; keine Befugnis der inländischen Behörde zur eigenständigen Prüfung der Anlagen des ausländischen AbfallimporteursSpruch
Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch den angefochtenen Bescheid in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerin für Umwelt, Jugend und Familie) ist schuldig, der beschwerdeführenden Gesellschaft zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit S 16.500,- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Auf ihren Antrag vom 7. Dezember 1990 hin wurde der beschwerdeführenden Gesellschaft mit Bescheid vom 3. September 1991 die Bewilligung zur Ausfuhr bestimmter Abfälle erteilt; unter einem wurde ihr der Ersatz der Barauslagen für die Erstellung eines Gutachtens eines österreichischen Sachverständigen in der Höhe von S 113.835,- für die Beurteilung der Abfallbehandlungsanlage des in Aussicht genommenen ausländischen Abfallabnehmers auf ihre Umweltgerechtigkeit vorgeschrieben.
Dieser Bescheid wurde von der Antragstellerin betreffend die Vorschreibung der Barauslagen beim Verwaltungsgerichtshof angefochten, der diesen Bescheidteil wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts (die Vorschreibung war vor der Bezahlung an den Sachverständigen ergangen, was nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes §67 Abs1 AVG widersprach) aufhob.
Im fortgesetzten Verfahren erließ die Bundesministerin für Umwelt, Jugend und Familie den nunmehr angefochtenen Bescheid, mit dem der beschwerdeführenden Gesellschaft für das vom österreichischen Sachverständigen erstellte Gutachten betreffend die Abfallbehandlungsanlagen der in Aussicht genommenen ausländischen Abfallbeseitigungsunternehmung Kosten in der Höhe von (berichtigt) S 113.755,- vorgeschrieben wurden.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes und die Verletzung nicht näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt wird.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.
3. In seiner Entscheidung vom 22. Juni 1993, B652/91 ua., hat der Verfassungsgerichtshof dargelegt, daß die Bestimmung des §35 Abs2 Z8 AWG (in der auch im vorliegenden Fall anzuwendenden Fassung vor der AWG-Novelle BGBl. 715/1992) nicht so zu verstehen ist, "daß sie eine eingehende und eigenständige inhaltliche Überprüfung der im Ausland in Aussicht genommenen Abfallbehandlung anordnet, sondern nur als Anordnung der Überprüfung des Vorhandenseins entsprechender - nach Umweltstandards vergleichbarer Umweltsrechtsregime des jeweiligen Importlandes erteilter - Berechtigungen zu der in Aussicht genommenen Abfallbehandlung". Der Gerichtshof hat in diesem Erkenntnis weiters ausgeführt:
"Bestehen aber rechtliche Regelungen, die auf eine umweltschonende Behandlung von Abfällen Rücksicht nehmen, und verfügt das in Aussicht genommene Importunternehmen über entsprechende Genehmigungen (deren Einhaltung nach dem jeweiligen nationalen Recht überwacht wird), so liegt es nicht im Belieben der österreichischen Behörde, eine Exportgenehmigung im Hinblick auf andere als die im Importland geltenden Regeln und Standards zu versagen. Die für die Erteilung oder Versagung einer Exportbewilligung zuständige (österreichische) Behörde wird sich also auf die Nachprüfung des Vorliegens auf vergleichbaren Standards beruhender (ausländischer) Genehmigungen und allenfalls auch Überwachungsergebnisse zu konzentrieren, nicht aber eine eigenständige Prüfung der im Ausland gelegenen Anlage des Importeurs vorzunehmen haben; dies wird der Behörde innerhalb der nach §35 Abs4 AWG eingeräumten Entscheidungsfrist regelmäßig auch möglich sein."
4. Der Verfassungsgerichtshof hat die Parteien dieses verfassungsgerichtlichen Verfahrens auf das eben zitierte Erkenntnis hingewiesen und ihnen anheimgestellt, ihre Rechtsposition auf Grundlage des in den Entscheidungsgründen dieses Erkenntnisses dargelegten Inhalts der Bestimmung des §35 Abs2 Z8 AWG darzustellen oder allenfalls zu modifzieren.
Die beschwerdeführende Gesellschaft hat in dem daraufhin erstatteten Schriftsatz die Auffassung vertreten, daß angesichts des vom Verfassungsgerichtshof klargestellten Inhalts des §35 Abs2 Z8 AWG die Einholung des Sachverständigengutachtens nicht notwendig gewesen wäre und dementsprechend die Vorschreibung der hiefür der Behörde erwachsenen Barauslagen auf einer grob rechtswidrigen Rechtsansicht beruhend als willkürlich zu qualifizieren sei.
Auch die belangte Behörde hat ihre Rechtsauffassung nicht mehr aufrechterhalten und ausgeführt, daß sie angesichts des durch das genannte Erkenntnis klargestellten Inhalts des §35 Abs2 Z8 AWG "keine eigenständige Prüfung der im Ausland gelegenen Anlage des Importeurs vorzunehmen" hatte, und daraus geschlossen: "Folglich war die Bestellung eines Sachverständigen zum damaligen Zeitpunkt durch die Bestimmungen des Abfallwirtschaftsgesetzes im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nicht gedeckt."
II. 1. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10413/1985, 11682/1988) vor, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.
2. Aus dem unter Pkt. I/3 zitierten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes ergibt sich, daß gegen die von der Beschwerde für verfassungswidrig erachtete Gesetzesbestimmung bei richtiger Auslegung verfassungsrechtliche Bedenken nicht bestehen.
Wie der Verfassungsgerichtshof in diesem Erkenntnis näher dargelegt hat, ermächtigt §35 Abs2 Z8 AWG die belangte Behörde aber in Fällen wie dem vorliegenden nicht zu einer eigenständigen Prüfung der Umweltgerechtigkeit der Abfallbehandlungsanlagen des in Aussicht genommenen ausländischen Abfallimporteurs. Dementsprechend beruhte die Bestellung des Sachverständigen im Abfallexportgenehmigungsverfahren und im Gefolge dessen auch die Vorschreibung von Barauslagen für das Sachverständigengutachten auf einer grundlegend verfehlten Rechtsansicht, was - wie ebenfalls im Vorerkenntnis dargetan - den Bescheid mit Willkür belastet. Der Bescheid war daher wegen Gleichheitswidrigkeit aufzuheben.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VerfGG. Bei der Bestimmung der Kosten war der von der beschwerdeführenden Gesellschaft erstattete, der zweckdienlichen Rechtsverfolgung dienende Schriftsatz (vgl. oben Pkt. I/4) zu berücksichtigen.
In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 2.750,- enthalten.
Schlagworte
Abfallwirtschaft, Abfallausfuhr, Sachverständige, Gebühr (Sachverständige)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1994:B843.1992Dokumentnummer
JFT_10059772_92B00843_00