TE Vfgh Erkenntnis 2022/9/22 E2223/2022

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Veröffentlicht am 22.09.2022
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Index

10/10 Grundrechte, Datenschutz, Auskunftspflicht

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gerichtsakt
StGG Art2
DS-GVO Art4, Art5, Art6, Art12 ff, Art15, Art34
DSG 2000 §24
WirtschaftstreuhandberufsG §80
VfGG §7 Abs1
  1. VfGG § 7 heute
  2. VfGG § 7 gültig ab 22.03.2020 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 16/2020
  3. VfGG § 7 gültig von 01.01.2015 bis 21.03.2020 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 101/2014
  4. VfGG § 7 gültig von 01.01.2015 bis 31.12.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 92/2014
  5. VfGG § 7 gültig von 01.03.2013 bis 31.12.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  6. VfGG § 7 gültig von 01.07.2008 bis 28.02.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 4/2008
  7. VfGG § 7 gültig von 01.01.2004 bis 30.06.2008 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  8. VfGG § 7 gültig von 01.10.2002 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 123/2002
  9. VfGG § 7 gültig von 01.01.1991 bis 30.09.2002 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 329/1990
  10. VfGG § 7 gültig von 01.07.1976 bis 31.12.1990 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 311/1976

Leitsatz

Verletzung im Gleichheitsrecht durch die Feststellung einer Verletzung im Recht auf Auskunft über die Herkunft von Daten über eine Stiftung in einem Privatgutachten eines Wirtschaftstreuhänders gegenüber dem (Noch-)Ehemann durch das BVwG; kein Recht des im Scheidungsprozess befindlichen Ehegattens auf Geheimhaltung seiner Einkommensdaten; keine Auskunftspflicht des Wirtschaftstreuhänders, soweit dies das Recht auf Verschwiegenheit zur Sicherstellung des Schutzes der Ehegattin erfordert

Spruch

I. Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art2 StGG und Art7 B-VG verletzt worden.

Das Erkenntnis wird aufgehoben.

II. Der Bund (Bundesministerin für Justiz) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seiner Rechtsvertreterin die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1. Am 22. August 2018 brachte die im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof beteiligte Partei Dr. R*** *** eine Datenschutzbeschwerde gegen den Beschwerdeführer im verfassungsgerichtlichen Verfahren bei der Datenschutzbehörde ein, weil er in seinem Recht auf Auskunft gemäß Art15 DSGVO verletzt worden sei. Er begründete dies zusammengefasst damit, dass der nunmehrige Beschwerdeführer im verfassungsgerichtlichen Verfahren im Zuge des Scheidungsverfahrens der beteiligten Partei ein Gutachten für seine (Noch-)Ehefrau, I*** ***, BA, erstellt habe. In diesem Gutachten seien Daten enthalten, die nicht öffentlich zugänglich seien, weswegen offenkundig sei, dass diese rechtswidrig erhalten und verarbeitet worden seien. Der Beschwerdeführer habe insbesondere wirtschaftliche Kennzahlen der *** Privatstiftung und das dem (Noch-)Ehemann Dr. R*** *** daraus zufließende Einkommen einer dritten Person mitgeteilt. Vor diesem Hintergrund habe der (Noch-)Ehemann den Beschwerdeführer aufgefordert, Auskunft über die Herkunft der Daten zu erteilen sowie eine Kopie der Daten zu übermitteln. Dieses Schreiben sei unbeantwortet geblieben, wodurch der (Noch-)Ehemann in seinem Recht auf Auskunft gemäß Art15 DSGVO verletzt worden sei.

2. Mit Spruchteil 2. des Bescheides vom 10. April 2019 gab die Datenschutzbehörde der Datenschutzbeschwerde teilweise, nämlich hinsichtlich der Verletzung im Recht auf Auskunft, statt und stellte fest, dass der Beschwerdeführer den (Noch-)Ehemann in seinem Recht auf Auskunft verletzt habe, indem er auf das Auskunftsbegehren nicht reagiert und bis zum Abschluss des Verfahrens vor der Datenschutzbehörde keine Auskunft erteilt habe. Darüber hinaus trug die Datenschutzbehörde dem Beschwerdeführer in Spruchteil 3. des genannten Bescheides auf, innerhalb einer Frist von zwei Wochen bei sonstiger Exekution dem Antrag des (Noch-)Ehemannes zu entsprechen oder diesen über die Gründe des Nicht-Tätigwerdens gemäß Art12 Abs4 DSGVO zu unterrichten.

Die Datenschutzbehörde begründet dies im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer im verfassungsgerichtlichen Verfahren das Gutachten in einem Scheidungsverfahren im Auftrag der (Noch-)Ehefrau sowie im Rahmen seiner Tätigkeit als Wirtschaftsprüfer erstellt habe. Der (Noch-)Ehemann habe mit Schreiben vom 30. Juli 2018 per E-Mail ein Auskunftsbegehren an den Beschwerdeführer gestellt. Es könne nicht festgestellt werden, ob der Beschwerdeführer dieses E-Mail erhalten habe. Spätestens mit dem Schreiben der Datenschutzbehörde vom 4. Oktober 2018 sei ihm aber das Auskunftsbegehren zur Kenntnis gelangt. Der Beschwerdeführer habe dem (Noch-)Ehemann bis zum Abschluss des Verfahrens vor der Datenschutzbehörde nicht auf sein Auskunftsbegehren geantwortet. Dadurch habe der Beschwerdeführer den (Noch-)Ehemann in seinem Recht auf Auskunft gemäß Art15 DSGVO verletzt.

3. Gegen die Spruchteile 2. und 3. dieses Bescheides der Datenschutzbehörde erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und begründete diese damit, dass die Auftragserteilung in Spruchteil 3. den Beschwerdeführer zu einer Verletzung seiner Verschwiegenheitspflichten nach §80 WTBG 2017 zwinge. Der Beschwerdeführer sei seiner Verpflichtung zur Auskunft gegenüber der belangten Behörde hinreichend nachgekommen. Ein nochmaliges Auskunftsrecht bei bereits erfolgter Information bestehe nicht. Der Beschwerdeführer sei auf Grund des §80 WTBG 2017 zur Verschwiegenheit verpflichtet.

4. Mit dem nunmehr vor dem Verfassungsgerichtshof angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde unter Konkretisierung des Spruches ab.

Das Bundesverwaltungsgericht begründet dies im Wesentlichen damit, der Beschwerdeführer habe in dem Gutachten personenbezogene Daten des (Noch-)Ehemannes verarbeitet, um mögliche zukünftige Unterhaltsansprüche der (Noch-)Ehefrau zu dokumentieren. Er habe dem Auskunftsbegehren des (Noch-)Ehemannes während des gesamten Verfahrens nicht entsprochen. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers hinsichtlich seiner berufsrechtlichen Verschwiegenheitspflicht sei nicht zu folgen. Die von der Datenverarbeitung betroffene Person könne sich gemäß §80 WTBG 2017 nur insoweit auf die Rechte der Art12 bis 22 DSGVO berufen, als dies die Verpflichtung des Wirtschaftstreuhänders zur Verschwiegenheit nicht konterkariere. Daraus ergebe sich aber, dass die Berufung des Wirtschaftstreuhänders auf Verschwiegenheit nur punktuell und unter klar definierten Voraussetzungen erfolgen könne. Der Beschwerdeführer habe nicht konkret dargelegt, inwiefern die Beauskunftung seine berufliche Verschwiegenheitspflicht verletze. Hiebei sei zu berücksichtigen, dass die (Noch-)Ehefrau als Auftraggeberin alle nicht öffentlich zugänglichen Daten dem Beschwerdeführer übermittelt habe, die dieser dann im Gutachten verarbeitet habe. Der Beschwerdeführer könne sich in der konkreten Situation nicht auf seine Verschwiegenheitspflicht gemäß §80 WTBG 2017 berufen. Ein pauschaler Verweis auf die Verschwiegenheitspflicht sei nicht ausreichend.

5. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art2 StGG und Art7 B-VG sowie in weiteren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten geltend gemacht wird.

Das Bundesverwaltungsgericht habe den Beschwerdeführer in gleichheitswidriger Weise als Verantwortlichen iSd Art4 Z7 DSGVO qualifiziert. Bei der gebotenen funktionalen Betrachtung sei er jedoch als Gutachter, der ein Werk erstelle, lediglich Auftragsverarbeiter. Als solcher unterliege er keiner Auskunftspflicht. §80 Abs3a WTBG 2017 sehe für die Angehörigen des Standes der Wirtschaftstreuhänder eine sondergesetzliche Ausnahme von der Auskunftspflicht vor, und zwar unabhängig davon, ob sie als Verantwortliche oder Auftragsverarbeiter tätig seien. Das Bundesverwaltungsgericht habe dies in willkürlicher Auslegung des Gesetzes verkannt. Die gebotene Interessenabwägung gehe eindeutig zu Gunsten der (Noch-)Ehefrau aus. Der Unterhaltsschuldner dürfe bei sonstiger Strafsanktion sein Vermögen nicht verheimlichen oder verschleiern. Die Interessen der (Noch-)Ehefrau seien auch maßgeblich für die zu beurteilenden Interessen des Gutachters. Die Interessenabwägung des Bundesverwaltungsgerichtes sei daher als denkunmöglich zu qualifizieren. Darüber hinaus sei die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes nicht hinreichend begründet.

6. Das Bundesverwaltungsgericht legte die Gerichtsakten vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

7. Die Datenschutzbehörde erstattete eine Äußerung, in der sie zusammengefasst vorbrachte, dass die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes willkürlich und damit gleichheitswidrig sei.

Die Qualifikation des Beschwerdeführers als datenschutzrechtlicher Verantwortlicher durch das Bundesverwaltungsgericht sei nicht willkürlich, sondern entspreche dem Gesetz. Die Datenschutzbehörde stimme jedoch dem Vorbringen des Beschwerdeführers zu, wonach die Interessenabwägung des Bundesverwaltungsgerichtes willkürlich erfolgt sei. Die (Noch-)Ehefrau habe auf Grund ihrer Ansprüche auf nachehelichen Unterhalt und Vermögensaufteilung ein überwiegendes Interesse an der Verarbeitung der personenbezogenen Daten. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes gebe es kein schutzwürdiges Interesse eines Ehegatten an der Geheimhaltung seines Einkommens gegenüber dem anderen Ehegatten, um sich damit einer gesetzlichen Unterhaltspflicht zu entziehen. Ebenso wenig bestehe ein schutzwürdiges Interesse einer Privatstiftung an der Geheimhaltung ihres Vermögens oder Einkommens, das ihr der Unterhaltsschuldner zugewendet habe, gegenüber dem Unterhaltsberechtigten. Zudem habe sich der Beschwerdeführer zutreffend auf §80 Abs3a WTBG 2017 berufen, wonach das Recht auf Auskunft eingeschränkt werde, soweit dies das Recht des Berufsberechtigten auf Verschwiegenheit zur Sicherstellung des Schutzes des Auftraggebers und der Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche erfordere. Dem Beschwerdeführer könne nicht zugemutet werden, einerseits durch vollständige Auskunftserteilung die Prozesssituation seiner Auftraggeberin, der (Noch-)Ehefrau, zu schwächen und andererseits seine Verschwiegenheitspflicht gemäß §80 Abs3a WTBG 2017 zu verletzen.

8. Die (Noch-)Ehefrau erstattete eine Äußerung, in der sie sich im Wesentlichen den in der Beschwerde vorgebrachten Argumenten anschloss.

9. Der (Noch-)Ehemann erstattete ebenfalls eine Äußerung, in der er zusammengefasst vorbrachte, die (Noch-)Ehefrau habe sich in unzulässiger Weise Zugang zu den streitigen Daten verschafft, obwohl ihr gesetzlich festgelegte Wege offen gestanden wären, an die Daten zu gelangen. Bei den allfälligen Unterhaltsansprüchen der (Noch-)Ehefrau handle es sich um eine familienrechtliche Fragestellung, die ein Wirtschaftsprüfer und Steuerberater nicht beantworten dürfe. Der (Noch-)Ehemann habe ein berechtigtes Interesse daran, zu erfahren, woher die Daten stammten und welche Daten von der (Noch-)Ehefrau an den Beschwerdeführer weitergegeben worden seien. Der Beschwerdeführer sei jedenfalls als Verantwortlicher der Datenverarbeitung anzusehen. Bei der Interessenabwägung sei zu berücksichtigen, dass die (Noch-)Ehefrau eine schwere Eheverletzung begangen habe, um an die Daten zu gelangen. Die Interessenabwägung gehe eindeutig zu Gunsten des (Noch-)Ehemannes aus. Es bestehe keine ausdrückliche gesetzliche Verpflichtung des unterhaltspflichtigen Ehegatten, dem anderen Ehegatten über Vermögen oder Einkommen eine Auskunft zu erteilen. Die Verarbeitung von personenbezogenen Daten müsse zur Verwirklichung des überwiegenden berechtigten Interesses erforderlich sein, was vorliegend nicht der Fall sei. Es dürfe ausschließlich ein Gericht beurteilen, ob und in welchem Umfang der (Noch-)Ehemann verpflichtet sei, Daten offenzulegen. Erschwerend komme hinzu, dass die (Noch-)Ehefrau den E-Mail-Account der Rechtsanwaltskanzlei des (Noch-)Ehemannes "ausspioniert" habe. Es könne keine Rede davon sein, dass im vorliegenden Zusammenhang die Prozessstrategie der Gegenseite ausgeforscht werden solle; der (Noch-)Ehemann wolle lediglich Auskunft über das Schicksal seiner Daten erhalten. Der Beschwerdeführer habe angesichts der Vorgeschichte den Verdacht hegen müssen, dass die Daten nicht rechtmäßig erlangt worden seien. Er habe aus diesem Grund gegen die Grundsätze von Treu und Glauben verstoßen. Der Beschwerdeführer könne sich auch nicht auf §80 Abs3a WTBG 2017 berufen, weil nicht ersichtlich sei, inwiefern die Verschwiegenheitsverpflichtung den Interessen der (Noch-)Ehefrau dienen könne. Eine pauschale Berufung auf die Verschwiegenheitsverpflichtung sei nicht ausreichend. Die Offenlegung der Daten hätte keine berechtigten Interessen der (Noch-)Ehefrau verletzt.

10. Das Bundesverwaltungsgericht erstattete eine Replik zur Äußerung der Datenschutzbehörde, in der es ausführte, dass die Interessenabwägung im angefochtenen Erkenntnis nicht willkürlich erfolgt sei.

11. Der Beschwerdeführer erstattete einen weiteren Schriftsatz, in der er den Argumenten des Bundesverwaltungsgerichtes im Wesentlichen unter Verweis auf die Argumentation in der Beschwerde entgegentrat.

II. Rechtslage

1. Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr 2016/679 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung, DSGVO), ABl. 2016 L 119, 1, lauten auszugsweise:

"Artikel 5

Grundsätze für die Verarbeitung personenbezogener Daten

(1) Personenbezogene Daten müssen

a) auf rechtmäßige Weise, nach Treu und Glauben und in einer für die betroffene Person nachvollziehbaren Weise verarbeitet werden ('Rechtmäßigkeit, Verarbeitung nach Treu und Glauben, Transparenz');

b) für festgelegte, eindeutige und legitime Zwecke erhoben werden und dürfen nicht in einer mit diesen Zwecken nicht zu vereinbarenden Weise weiterverarbeitet werden; eine Weiterverarbeitung für im öffentlichen Interesse liegende Archivzwecke, für wissenschaftliche oder historische Forschungszwecke oder für statistische Zwecke gilt gemäß Artikel 89 Absatz 1 nicht als unvereinbar mit den ursprünglichen Zwecken ('Zweckbindung');

c) dem Zweck angemessen und erheblich sowie auf das für die Zwecke der Verarbeitung notwendige Maß beschränkt sein ('Datenminimierung');

d) sachlich richtig und erforderlichenfalls auf dem neuesten Stand sein; es sind alle angemessenen Maßnahmen zu treffen, damit personenbezogene Daten, die im Hinblick auf die Zwecke ihrer Verarbeitung unrichtig sind, unverzüglich gelöscht oder berichtigt werden ('Richtigkeit');

e) in einer Form gespeichert werden, die die Identifizierung der betroffenen Personen nur so lange ermöglicht, wie es für die Zwecke, für die sie verarbeitet werden, erforderlich ist; personenbezogene Daten dürfen länger gespeichert werden, soweit die personenbezogenen Daten vorbehaltlich der Durchführung geeigneter technischer und organisatorischer Maßnahmen, die von dieser Verordnung zum Schutz der Rechte und Freiheiten der betroffenen Person gefordert werden, ausschließlich für im öffentlichen Interesse liegende Archivzwecke oder für wissenschaftliche und historische Forschungszwecke oder für statistische Zwecke gemäß Artikel 89 Absatz 1 verarbeitet werden ('Speicherbegrenzung');

f) in einer Weise verarbeitet werden, die eine angemessene Sicherheit der personenbezogenen Daten gewährleistet, einschließlich Schutz vor unbefugter oder unrechtmäßiger Verarbeitung und vor unbeabsichtigtem Verlust, unbeabsichtigter Zerstörung oder unbeabsichtigter Schädigung durch geeignete technische und organisatorische Maßnahmen ('Integrität und Vertraulichkeit');

(2) Der Verantwortliche ist für die Einhaltung des Absatzes 1 verantwortlich und muss dessen Einhaltung nachweisen können ('Rechenschaftspflicht').

Artikel 6

Rechtmäßigkeit der Verarbeitung

(1) Die Verarbeitung ist nur rechtmäßig, wenn mindestens eine der nachstehenden Bedingungen erfüllt ist:

a) Die betroffene Person hat ihre Einwilligung zu der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten für einen oder mehrere bestimmte Zwecke gegeben;

b) die Verarbeitung ist für die Erfüllung eines Vertrags, dessen Vertragspartei die betroffene Person ist, oder zur Durchführung vorvertraglicher Maßnahmen erforderlich, die auf Anfrage der betroffenen Person erfolgen;

c) die Verarbeitung ist zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich, der der Verantwortliche unterliegt;

d) die Verarbeitung ist erforderlich, um lebenswichtige Interessen der betroffenen Person oder einer anderen natürlichen Person zu schützen;

e) die Verarbeitung ist für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde;

f) die Verarbeitung ist zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen, insbesondere dann, wenn es sich bei der betroffenen Person um ein Kind handelt.

Unterabsatz 1 Buchstabe f gilt nicht für die von Behörden in Erfüllung ihrer Aufgaben vorgenommene Verarbeitung.

(2) Die Mitgliedstaaten können spezifischere Bestimmungen zur Anpassung der Anwendung der Vorschriften dieser Verordnung in Bezug auf die Verarbeitung zur Erfüllung von Absatz 1 Buchstaben c und e beibehalten oder einführen, indem sie spezifische Anforderungen für die Verarbeitung sowie sonstige Maßnahmen präziser bestimmen, um eine rechtmäßig und nach Treu und Glauben erfolgende Verarbeitung zu gewährleisten, einschließlich für andere besondere Verarbeitungssituationen gemäß Kapitel IX.

(3) Die Rechtsgrundlage für die Verarbeitungen gemäß Absatz 1 Buchstaben c und e wird festgelegt durch

a) Unionsrecht oder

b) das Recht der Mitgliedstaaten, dem der Verantwortliche unterliegt.

[…]"

2. §80 des Bundesgesetzes über die Wirtschaftstreuhandberufe (Wirtschaftstreuhandberufsgesetz 2017 – WTBG 2017), BGBl I 137/2017, idF BGBl I 67/2020 lautet:

"Verschwiegenheitspflicht

§80. (1) Berufsberechtigte sind zur Verschwiegenheit über die ihnen anvertrauten Angelegenheiten verpflichtet. Für diese Verschwiegenheitspflicht ist es ohne Bedeutung, ob die Kenntnis dieser Umstände und Tatsachen auch anderen Personen zugänglich ist oder nicht.

(2) Die Verschwiegenheitspflicht der Berufsberechtigten erstreckt sich auch auf persönliche Umstände und Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse, die ihnen bei Durchführung erteilter Aufträge oder im Zuge eines behördlichen, nicht öffentlichen Verfahrens in Ausübung ihres Berufes als solche bekanntgeworden sind.

(3) Inwieweit ein Berufsberechtigter in Ansehung dessen, was ihm in Ausübung seines Berufes bekanntgeworden ist, von der Verbindlichkeit zur Ablegung eines Zeugnisses, zur Einsichtgewährung in Geschäftspapiere oder zur Erteilung von Auskünften im Verwaltungs-, Abgaben-, Zivil- und Strafverfahren befreit ist, bestimmen die Verwaltungs- und Abgabenverfahrensgesetze sowie die Zivil- und Strafprozessordnung, jedoch mit der Maßgabe, dass im Abgabenverfahren vor den Finanzbehörden einem Berufsberechtigten die gleichen Rechte wie einem Rechtsanwalt zustehen.

(3a) Soweit dies das Recht des Berufsberechtigten auf Verschwiegenheit zur Sicherstellung des Schutzes des Auftraggebers oder der Rechte und Freiheiten anderer Personen oder der Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche erfordert, kann sich die betroffene Person (Art4 Z1 DSGVO) nicht auf die Rechte der Art12 bis 22 und Art34 der Verordnung (EU) 2016/679 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung), ABl. Nr L 119 vom 4.5.2016 S. 1 (im Folgenden: DSGVO), sowie des §1 Abs3 DSG berufen.

(4) Die Verschwiegenheitspflicht entfällt, wenn und insoweit

1. Melde- und Auskunftspflichten im Rahmen der Bestimmungen der Richtlinie (EU) 2015/849 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung; zur Änderung der Verordnung (EU) Nr 648/2012 und zur Aufhebung der Richtlinie 2005/60/EG und der Richtlinie 2006/70/EG in der Fassung der Richtlinie (EU) 2018/843 ABl. Nr L 156 vom 19.06.2018 S. 43 (im Folgenden: Geldwäsche-RL), und den damit im Zusammenhang erlassenen Umsetzungsmaßnahmen bestehen oder

2. der Auftraggeber den Berufsberechtigten ausdrücklich von dieser Pflicht entbunden hat oder

3. die Weitergabe und Verarbeitung von Informationen, auch in Form elektronischer Datenbanken und Informationsverbundsysteme, für die Beurteilung von Befangenheit und Ausgeschlossenheit im Netzwerk, einschließlich zu Netzwerkmitgliedern im Ausland, vor Übernahme eines Abschlussprüfermandates und während der Durchführung desselben durch Netzwerkmitglieder (§§270 Abs1a, 271 bis 271c des Unternehmensgesetzbuches, dRGBl. S 219/1897) erforderlich ist, oder

4. Informations-, Melde- und Auskunftspflichten auf Grund des Abschlussprüfer-Aufsichtsgesetzes (APAG), BGBl I Nr 83/2016, der Verordnung (EU) Nr 537/2014 über spezifische Anforderungen an die Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse, ABl. Nr L 158 vom 27.05.2014 S. 77, oder des Unternehmensgesetzbuches, dRGBl. S 219/1897, welche im Zusammenhang mit der Umsetzung der Abschlussprüfungs-RL, stehen.

(5) Die Bestimmungen der Abs1 bis 4 gelten sinngemäß für die Erfüllungsgehilfen der Berufsberechtigten, Gesellschafter, Aufsichtsräte, Prokuristen und Berufsanwärter."

III. Erwägungen

1. Die – zulässige – Beschwerde ist begründet.

2. Ein willkürliches Verhalten des Verwaltungsgerichtes, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 8808/1980 mwN, 14.848/1997, 15.241/1998 mwN, 16.287/2001, 16.640/2002).

3. Das Bundesverwaltungsgericht verkennt in seiner Entscheidung zunächst, dass der (Noch-)Ehemann in der vorliegenden Konstellation kein Recht auf Geheimhaltung seiner Einkommensdaten hat (vgl auch die Entscheidung des Verfassungsgerichthofes vom heutigen Tag, E2078/2022).

3.1. Ein unterhaltsberechtigter Ehegatte hat nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes gegen den anderen Ehegatten einen Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung (vgl zB OGH 11.5.2007, 10 Ob 47/07w). Es kann dem Unterhaltsberechtigten nämlich nicht zugemutet werden, gewissermaßen "ins Blaue zu klagen", sohin irgendeine Einkommenshöhe, die am wahrscheinlichsten erscheine, zu behaupten und dem Unterhaltsbegehren zugrunde zu legen (OGH 13.11.2013, 7 Ob 123/13h). Die wechselseitigen ehelichen Informationspflichten wirken auch nach der Eheauflösung fort (OGH 7.5.2013, 2 Ob 261/12i).

3.2. Vor diesem Hintergrund kommt eine Verletzung des (Noch-)Ehemannes in seinem Recht auf Geheimhaltung von vornherein nicht in Betracht. Wo nämlich ein Rechtsanspruch auf Auskunft und Rechnungslegung besteht, kann es kein Recht auf Geheimhaltung personenbezogener Daten geben. Die Interessenabwägung zu Gunsten der (Noch-)Ehefrau schlägt auch auf den von ihr beauftragten Beschwerdeführer durch.

4. Selbst wenn man aber von einem Recht auf Geheimhaltung der Einkommensdaten des (Noch-)Ehemannes ausginge, überwöge das berechtigte Interesse der (Noch-)Ehefrau an der Verarbeitung der Daten durch den Beschwerdeführer das Recht auf Schutz personenbezogener Daten.

Das Interesse der (Noch-)Ehefrau an der Ermittlung der ihr allenfalls zustehenden (Unterhalts-)Ansprüche ist zweifellos als berechtigtes Interesse iSd Art6 Abs1 litf DSGVO anzuerkennen. Zudem besteht kein schutzwürdiges Interesse des Unterhaltspflichtigen an der Geheimhaltung seines Einkommens gegenüber seinem Ehegatten, um sich einer gesetzlichen Unterhaltspflicht zu entziehen (vgl OGH 17.3.2004, 9 ObA 50/03y). Ebenso wenig besteht ein schutzwürdiges Interesse einer Privatstiftung an der Geheimhaltung ihres Vermögens oder Einkommens, das ihr der Unterhaltsschuldner zugewendet hat, gegenüber der Unterhaltsberechtigten, um die Prüfung eines allfälligen Unterhaltsanspruches unmöglich zu machen (OGH 23.9.2008, 10 Ob 46/08z).

5. Darüber hinaus ist dem Bundesverwaltungsgericht aber auch zu widersprechen, wenn es davon ausgeht, dass sich der Beschwerdeführer in der vorliegenden Konstellation nicht auf §80 (Abs3a) WTBG 2017 berufen kann.

5.1. Gemäß dieser Bestimmung kann sich die betroffene Person iSd Art4 Z1 DSGVO nicht auf die Rechte der Art12 bis 22 und Art34 DSGVO berufen, soweit dies das Recht des Berufsberechtigten auf Verschwiegenheit zur Sicherstellung des Schutzes des Auftraggebers, der Rechte und Freiheiten anderer Personen oder der Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche erfordert.

5.2. Die Verschwiegenheitspflicht (vgl dazu Urban, Die Verschwiegenheitspflicht der Wirtschaftstreuhandberufe: Ein Abriss, ÖStZ2012, 305; Entleitner, Die Verschwiegenheitspflicht der Steuerberater/Wirtschaftsprüfer, taxlex 2021, 280) ist eine zentrale berufsrechtliche Verpflichtung des Wirtschaftstreuhänders. Sie ist nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes weit auszulegen; ihr unterliegt alles, was dem Wirtschaftstreuhänder bei seiner beruflichen Tätigkeit anvertraut oder bekannt wurde, und sie umfasst auch persönliche Tatsachen und Umstände der Klienten, die nach deren erkennbaren Willen nicht offenbart werden sollen, weil ein schutzwürdiges Interesse an ihrer Geheimhaltung besteht (vgl OGH 27.1.1993, OGH 9 ObA 5/93). Ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur Verschwiegenheit stellt eine Verwaltungsübertretung dar, die gemäß §124 Abs1 Z3 WTBG 2017 mit einer Geldstrafe von bis zu € 20.000,– zu bestrafen ist.

5.3. Dem Beschwerdeführer kann es vor dem Hintergrund seiner berufsrechtlichen und verwaltungsstrafbewehrten Verschwiegenheitspflicht nicht zugemutet werden, eine Handlung zu setzen, welche die Prozessaussichten seiner Auftraggeberin, der (Noch-)Ehefrau, in einem allfälligen Scheidungs- oder Unterhaltsverfahren (potentiell) beeinträchtigen könnte. Der Beschwerdeführer hat sich somit zu Recht auf seine Verpflichtung zur Verschwiegenheit gemäß §80 Abs3a WTBG 2017 berufen. Der Verfassungsgerichtshof kann dem Bundesverwaltungsgericht auch darin nicht folgen, dass der Beschwerdeführer diese Berufung auf die Verschwiegenheitspflicht näher begründen hätte müssen.

6. Aus den genannten Gründen erweist sich die vorliegende Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes als willkürlich.

IV. Ergebnis

1. Der Beschwerdeführer ist somit durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art2 StGG und Art7 B-VG verletzt worden.

2. Das Erkenntnis ist daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 436,– sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 240,– enthalten.

5. Den Anträgen der beteiligten Parteien auf Kostenersatz ist nicht stattzugeben, weil es sich bei den von ihnen eingebrachten Schriftsätzen, mit denen sie von der ihnen eingeräumten Möglichkeit der Erstattung einer Äußerung Gebrauch gemacht haben, nicht um einen abverlangten Schriftsatz handelt (VfSlg 13.847/1994, 15.300/1998, 15.818/2000, 16.037/2000, 16.463/2002) und die von ihnen erstatteten Äußerungen nichts zur Rechtsfindung beigetragen haben (zB VfSlg 14.214/1995, 15.916/2000).

Schlagworte

Datenschutz, Entscheidungsbegründung, Interessen geschützte, Unterhalt, Einkünfte, Stiftung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2022:E2223.2022

Zuletzt aktualisiert am

09.11.2022
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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