Index
10/10 Grundrechte, Datenschutz, AuskunftspflichtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GerichtsaktLeitsatz
Verletzung im Gleichheitsrecht durch die Feststellung einer Verletzung im Recht auf Geheimhaltung von personenbezogenen Daten bei deren Verarbeitung in einem Privatgutachten; kein Recht des im Scheidungsprozess befindlichen Ehegattens auf Geheimhaltung seiner Einkommensdaten; Rechtsanspruch der Ehegattin auf Auskunft und Rechnungslegung zur Festlegung des Unterhaltsbegehrens; berechtigtes Interesse der Ehegattin, dass sich der Ehegatte nicht der gesetzlichen Unterhaltspflicht durch Geheimhaltung seiner Einkommensdaten entziehen kannRechtssatz
Ein unterhaltsberechtigter Ehegatte hat nach der stRsp des OGH gegen den anderen Ehegatten einen Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung. Es kann dem Unterhaltsberechtigten nämlich nicht zugemutet werden, gewissermaßen "ins Blaue zu klagen", sohin irgendeine Einkommenshöhe, die am wahrscheinlichsten erscheine, zu behaupten und dem Unterhaltsbegehren zugrunde zu legen. Die wechselseitigen ehelichen Informationspflichten wirken auch nach der Eheauflösung fort.
Vor diesem Hintergrund kommt eine Verletzung des (Noch-)Ehemannes in seinem Recht auf Geheimhaltung von vornherein nicht in Betracht. Wo nämlich ein Rechtsanspruch auf Auskunft und Rechnungslegung besteht, kann es kein Recht auf Geheimhaltung personenbezogener Daten geben. Diese Interessenabwägung zu Gunsten der (Noch-)Ehefrau schlägt auf den von ihr beauftragten Beschwerdeführer durch.
Selbst wenn man von einem Recht auf Geheimhaltung der Einkommensdaten des (Noch-)Ehemannes ausginge, überwöge das berechtigte Interesse der (Noch-)Ehefrau an der Verarbeitung der Daten durch den Beschwerdeführer.
Das Interesse der (Noch-)Ehefrau an der Ermittlung der ihr allenfalls zustehenden (Unterhalts-)Ansprüche ist jedenfalls als berechtigtes Interesse iSd Art6 Abs1 litf DSGVO anzuerkennen. Zudem besteht kein schutzwürdiges Interesse des Unterhaltspflichtigen an der Geheimhaltung seines Einkommens gegenüber seinem Ehegatten, um sich einer gesetzlichen Unterhaltspflicht zu entziehen. Ebenso wenig besteht ein schutzwürdiges Interesse einer Privatstiftung an der Geheimhaltung ihres Vermögens oder Einkommens, das ihr der Unterhaltsschuldner zugewendet hat, gegenüber der Unterhaltsberechtigten, um die Prüfung eines allfälligen Unterhaltsanspruches unmöglich zu machen. Vor diesem Hintergrund erweist sich die vorliegende Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes, wonach die Interessen des (Noch-)Ehemannes an der Geheimhaltung seiner Einkommensverhältnisse überwögen, als willkürlich.
Den Anträgen der beteiligten Parteien auf Kostenersatz ist nicht stattzugeben, weil es sich bei den von ihnen eingebrachten Schriftsätzen, mit denen sie von der ihnen eingeräumten Möglichkeit der Erstattung einer Äußerung Gebrauch gemacht haben, nicht um abverlangte Schriftsätze handelt und die von ihnen erstatteten Äußerungen nichts zur Rechtsfindung beigetragen haben.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Datenschutz, Entscheidungsbegründung, Interessen geschützte, Unterhalt, Einkünfte, Stiftung, VfGH / KostenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2022:E2078.2022Zuletzt aktualisiert am
09.11.2022