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L8000 RaumordnungNorm
B-VG Art139 Abs1 Z6Leitsatz
Aufhebung von Teilen der Änderung eines Flächenwidmungsplans einer Vorarlberger Gemeinde betreffend die Umwidmung von Flächen in "Freifläche-Sondergebiet" für die beabsichtigte Erweiterung eines bestehenden Industriebetriebes; gewerbliche Anlage nicht mit dem im Grünland zulässigen Nutzungszweck vereinbar; Widmung als "Baufläche-Betriebsgebiet (Kategorie I oder II)" für die Betriebserweiterung notwendig aber auf den Flächen in der Landesgrünzone Walgau nicht zulässig; Flächenwidmungsplan darf der – mit Landesraumplan eingerichteten – GrünzonenV nicht widersprechenRechtssatz
Gesetzwidrigkeit der Änderung des Flächenwidmungsplanes der Gemeinde Ludesch vom 02.06.2003, soweit durch die Verordnung die nunmehrigen Grundstücke Nr 2315 und 2295/14 sowie Teilflächen der nunmehrigen Grundstücke Nr 1645, 1650/1, 2291/1, 2314/1, 2314/3, 2317, 2319/1, 2319/2, 2320 und 2867, alle KG Ludesch, von "Freifläche-Landwirtschaftsgebiet" in "Freifläche-Sondergebiet Erweiterung des Betriebes auf KG Nüziders Parz. Nr 2339/3" gewidmet wurden.
Zurückweisung des Antrags des Landesvolksanwalts von Vorarlberg soweit er sich auf die Änderung des Flächenwidmungsplanes der Gemeinde Ludesch vom 02.06.2003 betreffend die dreieckige Teilfläche des (damaligen) Grundstückes Nr 2316, KG Ludesch, von "Freifläche-Landwirtschaftsgebiet" in "Freifläche-Sondergebiet Erweiterung des Betriebes auf KG Nüziders Parz. Nr 2339/3" bezieht, die mit Änderung des Flächenwidmungsplanes der Gemeinde Ludesch vom 04.04.2006 von "Freifläche-Sondergebiet Erweiterung des Betriebes auf KG Nüziders Parz. Nr 2339/3" in "Freifläche-Landwirtschaftsgebiet" rückgewidmet wurde. Wie sich aus Art139 Abs4 B-VG ergibt - wonach der VfGH, wenn die bekämpfte Verordnung bei Fällung des verfassungsgerichtlichen Erkenntnisses bereits außer Kraft getreten ist, nur dann den Ausspruch treffen kann, dass die bekämpfte Norm verfassungswidrig war, wenn das Verordnungsprüfungsverfahren von Amts wegen oder auf Antrag eines Gerichtes oder eines Einzelnen eingeleitet wurde -, ist ein solcher Antrag eines Landesvolksanwalts - als Fall der abstrakten Normenkontrolle - nur gegen geltende, nicht aber gegen schon außer Kraft getretene Rechtsvorschriften zulässig. Mit der Änderung des Flächenwidmungsplanes vom 02.06.2003 wurde unter anderem das (damalige) Grundstück Nr 2316 von "Freifläche-Landwirtschaftsgebiet" in "Freifläche-Sondergebiet Erweiterung des Betriebes auf KG Nüziders Parz. Nr 2339/3" umgewidmet. Mit Änderung des Flächenwidmungsplanes vom 04.04.2006 wurde jedoch die auf diesem Grundstück zu liegen kommende dreieckige Teilfläche zwischen den Grenzpunkten 9993, 9992 und 20665 wieder in "Freifläche-Landwirtschaftsgebiet" rückgewidmet. Sohin ist hinsichtlich dieser dreieckigen Teilfläche des (damaligen) Grundstückes Nr 2316, KG Ludesch - das mittlerweile dem nunmehrigen Grundstück Nr 2317 zugeschrieben wurde - die Änderung des Flächenwidmungsplanes, wie sie am 02.06.2003 von der Gemeindevertretung Ludesch beschlossen wurde, nicht mehr in Kraft.
Zur Festlegung der Widmung "Freifläche-Sondergebiet Erweiterung des Betriebes auf KG Nüziders Parz. Nr 2339/3":
"Freiflächen" nach §18 Vbg RPG umfassen die Grünflächen und das unproduktive Gebiet. Auf ihnen soll eine andere als die land- und forstwirtschaftliche Nutzung nur zulässig sein, wenn hiefür im Flächenwidmungsplan "Sondergebiete" festgelegt werden. Es handelt sich bei Freiflächen demnach um Flächen, die grundsätzlich von einer Bebauung freizuhalten sind. Die Errichtung von Bauwerken auf diesen Flächen ist nur ausnahmsweise zulässig und unterliegt zumeist einer strikten Zweckbindung; es dürfen nur solche Gebäude errichtet werden, die dem im Grünland zulässigen Nutzungszweck dienen. Nach §18 Abs4 Vbg RPG können in der Widmung "Freifläche-Sondergebiet" Gebäude und Anlagen errichtet werden, die ihrer Zweckwidmung nach an einen bestimmten Standort gebunden sind oder sich an einem bestimmten Standort besonders eignen, wobei der Verwendungszweck in der Widmung anzuführen ist. Typische Sonderwidmungen im Grünland ähneln der Land- und Forstwirtschaft in der Art und Weise der Bodennutzung oder dienen Erholungszwecken. Mögliche Sonderwidmungen sind auch solche für bestimmte wirtschaftliche Nutzungen, wie zB für Materialgewinnungsstätten, Lager- und Ablagerungsplätze und Abfallwirtschaftsanlagen. Die Notwendigkeit für die Widmung einer Fläche als "Freifläche-Sondergebiet" ergibt sich daraus, dass solche Anlagen vielfach nicht im Bauflächengebiet vorgesehen werden können.
Die in Rede stehende Umwidmung erfolgte im Hinblick auf die beabsichtigte Erweiterung des bestehenden Betriebes einer Gesellschaft, der der Produktion von Dosen und ihrer Befüllung dient. Der auf dem Gebiet der benachbarten Gemeinde Nüziders bereits bestehende und zu erweiternde Betrieb befindet sich auf einer als "Baufläche-Betriebsgebiet Kategorie II" ausgewiesenen Fläche. Nach dem "Räumlichen Entwicklungskonzept Betriebsgebietsentwicklung Ludesch" vom 20.02.2003 handelt es sich bei diesem Betrieb um einen "großen Industriebetrieb". Dem Räumlichen Entwicklungskonzept sowie der raumplanerischen Stellungnahme ist weiters zu entnehmen, dass es innerhalb der Landesgrünzone Walgau auf dem Gemeindegebiet Ludesch keine Ausnahmebewilligung für Bauflächenwidmungen gebe, die "Betriebsgebietserweiterung" jedoch nur dort möglich sei, weswegen für das Vorhaben die angefochtene Flächenwidmung vorgeschlagen werden. Aus der Äußerung der Vorarlberger Landesregierung ergibt sich, dass die Betriebserweiterung mit der Widmung "Baufläche-Betriebsgebiet (Kategorie I oder II)" vereinbar wäre, sie also typischerweise einem Bauflächengebiet zuordenbar ist.
Bei der Betriebserweiterung des Industriebetriebes handelt es sich um keine Anlage, die dem im Grünland zulässigen Nutzungszweck dient, der Land- und Forstwirtschaft in der Art und Weise der Bodennutzung ähnelt oder dem Erholungszweck dient. Die angefochtene Flächenwidmung "Freifläche-Sondergebiet" mit dem Verwendungszweck "Erweiterung des Betriebes auf KG Nüziders Parz. Nr 2339/3" ermöglicht vielmehr die Erweiterung eines Industriebetriebes im Grünland und ist sohin nicht mit der Zielsetzung des §18 Abs4 Vbg RPG vereinbar. Vielmehr würde eine Widmung als "Baufläche-Betriebsgebiet (Kategorie I oder II)" der Widmung der betriebsgegenständlichen Flächen in der Gemeinde Ludesch entsprechen. Eine solche Widmung ist aber in der Landesgrünzone Walgau nicht zulässig.
Wenn die Vorarlberger Landesregierung die besondere Standorteignung und -bindung der in Rede stehenden Grundstücke für die Betriebserweiterung ins Treffen führt, ist darauf hinzuweisen, dass sich diese Grundstücke in der Landesgrünzone Walgau befinden. Nach §1 der GrünzonenV dienen die in dieser Grünzone befindlichen Flächen a) der Erhaltung eines funktionsfähigen Naturhaushaltes und des Landschaftsbildes, b) der Erhaltung von Naherholungsgebieten sowie c) der Sicherung der räumlichen Voraussetzungen für eine leistungsfähige Landwirtschaft. Gemäß §2 Abs1 der GrünzonenV dürfen die Gebiete nach §1 daher nur als Freiflächen, Verkehrsflächen oder Vorbehaltsflächen für Gebäude oder Anlagen gewidmet werden, deren Errichtung in den Sonderflächen zulässig ist. Die Widmung "Freifläche-Sondergebiet" mit dem Verwendungszweck "Erweiterung des Betriebes auf KG Nüziders Parz. Nr 2339/3" widerspricht den Erfordernissen des §18 Vbg RPG und die in der angefochtenen Verordnung angeführten Grundstücke liegen in der Landesgrünzone Walgau, was vor dem Hintergrund des vorliegenden Falles mit der Voraussetzung der in §18 Abs4 Vbg RPG festgeschriebenen Tatbestandsmerkmale der Standorteignung und -bindung unvereinbar ist. Der vorliegende Sachverhalt ist völlig anders gelagert als VfSlg 18148/2007 (Erweiterung eines Sägewerkes bzw die Errichtung eines Holzlagerplatzes): Die Widmungskategorie nach §18 Abs4 Vbg RPG ist für die Errichtung eines Holzlagerplatzes je nach Standort grundsätzlich geeignet, während die Errichtung bzw Erweiterung des in Rede stehenden Industriebetriebes - für den grundsätzlich eine Baufläche-Betriebsgebiet (Kategorie I oder II)-Widmung erforderlich wäre - unabhängig vom Standort nicht mit den Erfordernissen gemäß §18 Abs4 Vbg RPG in Einklang steht.
Verstoß gegen §7 Abs1 Vbg RPG:
Bei der GrünzonenV handelt es sich um einen Landesraumplan nach §6 Abs1 Vbg RPG. Ein Flächenwidmungsplan darf der GrünzonenV nicht widersprechen.
§2 Abs1 GrünzonenV lässt für die in der Landesgrünzone Walgau liegenden Flächen eine Bauflächenwidmung nicht zu, sieht aber unter anderem die Möglichkeit einer Widmung als "Freifläche-Sondergebiet" vor. Die in Rede stehenden Umwidmung in "Freifläche-Sondergebiet" mit dem Verwendungszweck "Erweiterung des Betriebes auf KG Nüziders Parz. Nr 2339/3" verstößt jedoch gegen §18 (insbesondere dessen Abs4) Vbg RPG und entspricht damit auch nicht den Anforderungen von §1 GrünzonenV. Vielmehr hätte eine Bauflächenwidmung erfolgen müssen, die allerdings nach §2 Abs1 GrünzonenV in der Landesgrünzone Walgau nicht zulässig ist. Die angefochtene Verordnung widerspricht sohin auch der GrünzonenV.
Schlagworte
Flächenwidmungsplan, Raumplanung örtliche, Volksanwaltschaft, Widmung, Geltungsbereich (zeitlicher) einer Verordnung, Raumordnung, Land- und Forstwirtschaft, Erholungszwecke (Wald), Bebauungsvorschriften, Baurecht, NaturschutzEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2022:V129.2021Zuletzt aktualisiert am
09.11.2022