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82/02 Gesundheitsrecht allgemeinNorm
B-VG Art18 Abs2Leitsatz
Abweisung eines Eventualantrags auf Aufhebung von Bestimmungen einer COVID-19-MaßnahmenV des Landeshauptmannes von Wien betreffend die Maskentragepflicht an stark frequentierten öffentlichen Orten im Freien; hinreichende Dokumentation der EntscheidungsgrundlagenSpruch
I. Soweit sich der Antrag gegen §1, §2 und Anlage 1 der Verordnung des Landeshauptmannes von Wien über die Maskentragepflicht an stark frequentierten öffentlichen Orten im Freien zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19, LGBl für Wien Nr 18/2021, richtet, wird er abgewiesen.
II. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Antrag
Mit dem vorliegenden auf Art139 Abs1 Z1 B-VG gestützten Antrag begehrt das Verwaltungsgericht Wien, der Verfassungsgerichtshof möge aussprechen, dass
"§1 und Anlage 1 der Verordnung des Landeshauptmannes von Wien über die Maskentragepflicht an stark frequentierten öffentlichen Orten im Freien zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19, LGBl für Wien 18/2021, gesetzwidrig war,
in eventu,
dass die Verordnung des Landeshauptmannes von Wien über die Maskentragepflicht an stark frequentierten öffentlichen Orten im Freien zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19, LGBl für Wien 18/2021, inkl. Anhänge gesetzwidrig war."
II. Rechtslage
1. Die Verordnung, auf die sich der vorliegende Antrag bezieht, wurde auf der Grundlage der Bestimmungen des §4 Abs1 und §7 Abs2 des Bundesgesetzes betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (COVID-19-Maßnahmengesetz – COVID-19-MG), BGBl I 12/2020, in der Fassung BGBl I 33/2021, erlassen. Die Bestimmungen der §§1, 4, 7, 8 und 13 des COVID-19-Maßnahmengesetzes in der Fassung BGBl I 33/2021 lauten auszugsweise wie folgt:
"Anwendungsbereich und allgemeine Bestimmungen
§1. (1) Dieses Bundesgesetz ermächtigt zur Regelung des Betretens und des Befahrens von Betriebsstätten, Arbeitsorten, bestimmten Orten und öffentlichen Orten in ihrer Gesamtheit, zur Regelung des Benutzens von Verkehrsmitteln sowie zu Ausgangsregelungen als gesundheitspolizeiliche Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19.
(2) Als Betreten im Sinne dieses Bundesgesetzes gilt auch das Verweilen.
(3) Bestimmte Orte im Sinne dieses Bundesgesetzes sind bestimmte öffentliche und bestimmte private Orte mit Ausnahme des privaten Wohnbereichs.
(4) Öffentliche Orte im Sinne dieses Bundesgesetzes sind solche, die von einem nicht von vornherein bestimmten Personenkreis betreten oder befahren werden können.
(5) Als Auflagen nach diesem Bundesgesetz kommen insbesondere in Betracht:
1. Abstandsregeln,
2. die Verpflichtung zum Tragen einer den Mund- und Nasenbereich abdeckenden mechanischen Schutzvorrichtung,
3. sonstige Schutzmaßnahmen wie organisatorische oder räumliche Maßnahmen,
4. Präventionskonzepte, das sind programmhafte Darstellungen von – dem jeweiligen Angebot angepassten – Regelungen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 und
5. In Bezug auf Regelungen gemäß Abs5b und 5c: Nachweis über eine lediglich geringe epidemiologische Gefahr. Ein Nachweis ist bei einem negativen Testergebnis auf SARS-CoV-2, bei einer ärztlichen Bestätigung über eine erfolgte und aktuell abgelaufene Infektion oder bei einem positiven Antikörpertest auszustellen. Eine geringe epidemiologische Gefahr kann bei einem negativen Testergebnis auf SARS-CoV-2, bei einer ärztlichen Bestätigung über eine erfolgte und aktuell abgelaufene Infektion oder bei einem positiven Antikörpertest vorliegen. Einer ärztlichen Bestätigung über eine erfolgte und aktuell abgelaufene Infektion ist ein Nachweis nach §4 Abs18 des Epidemiegesetzes und ein Absonderungsbescheid gleichzuhalten, wenn dieser für eine nachweislich an COVID-19 erkrankte Person ausgestellt wurde.
(5a) - (8) […]
[…]
Betreten und Befahren von bestimmten Orten und öffentlichen Orten in ihrer Gesamtheit
§4. (1) Beim Auftreten von COVID-19 kann durch Verordnung das Betreten und das Befahren von
1. bestimmten Orten oder
2. öffentlichen Orten in ihrer Gesamtheit
geregelt werden, soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist.
(2) In einer Verordnung gemäß Abs1 kann entsprechend der epidemiologischen Situation festgelegt werden, in welcher Zahl und zu welcher Zeit oder unter welchen Voraussetzungen und Auflagen diese Orte betreten und befahren werden dürfen. Weiters kann das Betreten und Befahren bestimmter Orte gemäß Abs1 Z1, nicht aber öffentlicher Orte in ihrer Gesamtheit gemäß Abs1 Z2 untersagt werden, sofern gelindere Maßnahmen nicht ausreichen.
[…]
Zuständigkeiten
§7. (1) Verordnungen nach diesem Bundesgesetz sind vom für das Gesundheitswesen zuständigen Bundesminister zu erlassen.
(2) Verordnungen nach diesem Bundesgesetz können vom Landeshauptmann erlassen werden, wenn keine Verordnung gemäß Abs1 erlassen wurde oder zusätzliche Maßnahmen zu einer Verordnung gemäß Abs1 festgelegt werden. Verordnungen gemäß §5 bedürfen der Zustimmung des für das Gesundheitswesen zuständigen Bundesministers.
(3) Verordnungen nach diesem Bundesgesetz können von der Bezirksverwaltungsbehörde erlassen werden, wenn keine Verordnungen gemäß Abs1 oder 2 erlassen wurden oder zusätzliche Maßnahmen zu Verordnungen nach Abs1 oder 2 festgelegt werden. Verordnungen gemäß §5 bedürfen der Zustimmung des Landeshauptmanns.
(4) In einer Verordnung gemäß Abs1 bis 3 kann entsprechend der jeweiligen epidemiologischen Situation regional differenziert werden.
(5) Durch Verordnung gemäß Abs1 können Verordnungen gemäß Abs2 und 3 oder Teile davon aufgehoben werden. Durch Verordnung gemäß Abs2 können Verordnungen gemäß Abs3 oder Teile davon aufgehoben werden.
(6) Verordnungen gemäß Abs2 und 3 sind vor deren Inkrafttreten dem für das Gesundheitswesen zuständigen Bundesminister mitzuteilen.
Strafbestimmungen
§8. (1) […]
(2) Wer
1. eine Betriebsstätte oder einen Arbeitsort entgegen den in einer Verordnung gemäß §3 festgelegten Voraussetzungen oder an ihn gerichteten Auflagen betritt oder befährt oder ein Verkehrsmittel entgegen den in einer Verordnung gemäß §3 festgelegten Voraussetzungen oder an ihn gerichteten Auflagen benutzt oder
2. die in einer Verordnung gemäß §4 genannten Orte entgegen den dort festgelegten Zeiten, Voraussetzungen oder an ihn gerichteten Auflagen betritt oder befährt,
begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von bis zu 500 Euro, im Nichteinbringungsfall mit Freiheitsstrafe von bis zu einer Woche, zu bestrafen.
(3) - (6) […]
[…]
Vollziehung
§13. Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist
1. hinsichtlich §12 Abs3a erster und zweiter Satz der Bundesminister für Arbeit im Einvernehmen mit dem für das Gesundheitswesen zuständigen Bundesminister,
2. im Übrigen der für das Gesundheitswesen zuständige Bundesminister
betraut."
2. Die Verordnung des Landeshauptmannes von Wien über die Maskentragepflicht an stark frequentierten öffentlichen Orten im Freien zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19, LGBl 18/2021, lautet wie folgt:
"Auf Grund der §§4 Abs1 und 7 Abs2 des COVID-19-Maßnahmengesetzes, BGBl I Nr 12/2020, in der Fassung BGBl I Nr 33/2021, wird verordnet:
Maskentragepflicht
§1. Zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 ist beim Betreten oder Befahren der in den Anlagen 1 bis 5 planlich dargestellten stark frequentierten öffentlichen Orte im Freien von Fußgängern und Benutzern von Fortbewegungsmitteln jeglicher Art, für die keine Lenkberechtigung im Sinne des §2 Führerscheingesetz, BGBl I Nr 120/1997 in der Fassung BGBl I Nr 48/2021 erforderlich ist, zusätzlich zu den in der 4. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung, BGBl II Nr 58/2021, in der Fassung BGBl II Nr 139/2021, getroffenen Anordnungen eine Atemschutzmaske der Schutzklasse FFP2 (FFP2-Maske) ohne Ausatemventil oder eine Maske mit mindestens gleichwertig genormtem Standard zu tragen.
Ausnahmen von der Maskentragepflicht
§2. (1) Die Pflicht zum Tragen einer Atemschutzmaske der Schutzklasse FFP2 (FFP2-Maske) ohne Ausatemventil oder einer Maske mit mindestens gleichwertig genormtem Standard gemäß §1 besteht nicht, sofern ein Ausnahmegrund nach §17 Abs3 bis 6 und Abs8 der 4. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung, BGBl II Nr 58/2021, in der Fassung BGBl II Nr 120/2021 vorliegt. Liegt eine solche Ausnahme vor, so gilt §17 Abs3 bis 6 und Abs8 der 4. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung, BGBl II Nr 58/2021, in der Fassung BGBl II Nr 139/2021 sinngemäß.
(2) Das Vorliegen eines Ausnahmegrundes gemäß §17 Abs3 bis 6 und Abs8 der 4. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung, BGBl II Nr 58/2021, in der Fassung BGBl II Nr 139/2021 ist auf Verlangen gegenüber Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes glaubhaft zu machen.
Inkrafttreten
§3. Diese Verordnung tritt mit 1. April 2021 in Kraft und mit Ablauf des 10. April 2021 außer Kraft.
Der Landeshauptmann:
[…]"
Die Anlagen 1 bis 5 zu dieser Verordnung enthalten planliche Darstellungen, auf denen der örtliche Geltungsbereich der Verordnung an fünf nicht zusammenhängenden öffentlichen Orten in Wien – entlang des Donaukanals (Anlage 1; Treppelwege auf beiden Seiten des Donaukanals im Bereich zwischen Friedensbrücke und Franzensbrücke), am Schwedenplatz (Anlage 2), zwischen Museumsquartier und Burgring (Anlage 3), im Umkreis des Stephansdoms (Anlage 4) und im Bereich des Karlsplatzes und des Resselparks (Anlage 5) – eingezeichnet ist.
III. Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom 24. November 2021 wurde dem Beschwerdeführer im Verfahren des antragstellenden Verwaltungsgerichtes zur Last gelegt, er habe am 3. April 2021 um 17:04 Uhr als Fußgänger beim Betreten des stark frequentierten Ortes im Freien nach Anlage 1 der angefochtenen Verordnung, nämlich am Donaukanal zwischen Franzensbrücke und Friedensbrücke, am Treppelweg zwischen Salztorbrücke und Marienbrücke, keine Atemschutzmaske der Schutzklasse FFP2 (FFP2-Maske) ohne Ausatemventil und keine Maske mit mindestens gleichwertig genormtem Standard getragen. Es sei kein Ausnahmegrund gemäß §2 der Verordnung vorgelegen; ein solcher sei auch nicht glaubhaft gemacht worden. Über den Beschwerdeführer wurde eine Geldstrafe in Höhe von € 120,– (im Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 4 Stunden) verhängt.
In der Beschwerde an das antragstellende Gericht bringt der Beschwerdeführer vor, lediglich kurz am Donaukanal nach einer Toilette gesucht und vergessen zu haben, dass dort Maskentragepflicht herrsche. Er habe aber immer den Mindestabstand von zwei Metern eingehalten und nach Anhaltung durch die Polizei und Hinweis auf die Maskentragepflicht die Maske sofort aufgesetzt und auch aufbehalten. Da die Maskentragepflicht am Donaukanal erst kurz vorher in Kraft getreten sei, hätte ihn die Polizei seiner Ansicht nach nur an die Maske erinnern und nicht gleich strafen sollen.
Auf Ersuchen des antragstellenden Gerichtes sei diesem von der verordnungserlassenden Behörde der Verordnungsakt betreffend die Verordnung des Landeshauptmannes von Wien über die Maskentragepflicht an stark frequentierten öffentlichen Orten im Freien zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 vorgelegt worden.
2. Zur Zulässigkeit erstattet das antragstellende Gericht zusammengefasst das folgende Vorbringen:
2.1. Das angefochtene Straferkenntnis sei ausdrücklich auf §8 Abs2 Z2 COVID-19-Maßnahmengesetz, BGBl I 12/2020 idF BGBl I 23/2020, iVm §1 iVm Anlage 1 der Verordnung des Landeshauptmannes von Wien über die Maskentragepflicht an stark frequentierten öffentlichen Orten im Freien zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19, LGBl 18/2021, gestützt, womit das antragstellende Gericht diese Bestimmungen bei der Entscheidung des Rechtsfalles anzuwenden habe. Sollte der Verfassungsgerichtshof aussprechen, dass §1 oder die Verordnung zur Gänze rechtswidrig gewesen sei, könnte dem Beschwerdeführer ein Verstoß gegen diese Norm nicht mehr zur Last gelegt werden; das angefochtene Straferkenntnis wäre zu beheben und das Verwaltungsverfahren einzustellen.
2.2. In diesem Zusammenhang weist das Gericht darauf hin, dass §1 der Verordnung in der Fassung LGBl 18/2021 vom 1. April 2021 bis 10. April 2021 dem Rechtsbestand angehört habe. Dieser Umstand führe aber auch unter Beachtung des Günstigkeitsvergleichs nach §1 Abs2 VStG nicht zum Entfall der Strafbarkeit, weil dieser Grundsatz nur dann zur Anwendung komme, wenn die spätere Gesetzgebung zu erkennen gegeben habe, dass das Unwerturteil über das zur Zeit der Begehung strafbare Verhalten nachträglich milder einzuschätzen oder ganz weggefallen sei. Das Verwaltungsgericht gehe aber davon aus, dass der Normsetzer durch Beseitigung der Verordnung nicht das damit verbundene Unwerturteil beseitigen habe wollen, sondern offenkundig stets von der zeitlich befristeten Geltung der Maskenpflicht an hoch frequentierten Orten in Wien ausgegangen sei, deren Ziel mit einer bestimmten Reduktion der Infektionszahlen erreicht gewesen sei.
2.3. Zum Anfechtungsumfang führt das antragstellende Gericht aus, dass sich die Bedenken gegen §1 der Verordnung und die darin enthaltene Vorgabe richten würden, an den planlich dargestellten stark frequentierten öffentlichen Orten im Freien eine FFP2-Maske oder eine Maske mit mindestens gleichwertig genormtem Standard zu tragen, wobei sich die Bedenken im Wesentlichen aus der mangelnden Dokumentation der Entscheidungsgrundlagen, insbesondere der mangelnden Dokumentation wissenschaftlicher Evidenz zur Wirkung des Tragens von Masken im Freien ergeben würden. §1 der Verordnung bestehe nur aus einem Satz; die Aufhebung eines Teiles des §1 würde der Verordnung entweder einen völlig veränderten, dem Verordnungsgeber nicht mehr zusinnbaren Inhalt geben oder einen sprachlich unverständlichen Torso hinterlassen. §1 der Verordnung werde daher zur Gänze angefochten. Sollte sich eine allfällige Gesetzwidrigkeit durch das Erkennen der Gesetzwidrigkeit einzelner Wortfolgen oder nur des Anhanges 1 beseitigen lassen, wäre der Antrag im Übrigen ab- oder zurückzuweisen.
Für den Fall, dass der Verfassungsgerichtshof der Auffassung sei, dass §1 der Verordnung mit den übrigen Bestimmungen der Verordnung in einem untrennbaren Zusammenhang stehe und daher der Hauptantrag zu eng gefasst sei, werde der Eventualantrag gestellt, zu erkennen, dass die gesamte Verordnung gesetzwidrig gewesen sei.
3. In der Sache legt das antragstellende Gericht die Bedenken, die es zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof veranlasst haben, zusammengefasst wie folgt dar:
3.1. Die Bestimmungen der §§4 und 7 des COVID-19-Maßnahmengesetzes in der zum Zeitpunkt der Verordnungserlassung geltenden Fassung hätten dem Verordnungsgeber eine weitreichende Ermächtigung übertragen, zumal damit auch umfassende Beschränkungen von verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten angeordnet werden könnten. Determiniere das Gesetz die Verordnung inhaltlich nicht so, dass der Verordnungsinhalt im Wesentlichen aus dem Gesetz folge, sondern öffne es die Spielräume für die Verwaltung so weit, dass ganz unterschiedliche Verordnungsinhalte aus dem Gesetz folgen können, müsse der Verordnungsgeber die nach dem Gesetz maßgeblichen Umstände entsprechend ermitteln und dies im Verordnungserlassungsverfahren auch nachvollziehbar festhalten, sodass nachgeprüft werden könne, ob die konkrete Verordnungsbestimmung dem Gesetz in der konkreten Situation entspreche. Nach Auffassung des antragstellenden Gerichtes mangle es – nach Durchsicht der vorgelegten Verordnungsakten – bezüglich der Verordnung des Landeshauptmannes von Wien somit auch im Hinblick auf deren §1 an einer entsprechenden aktenmäßigen Dokumentation der Entscheidungsgrundlagen:
"Der vorgelegte Verordnungsakt beschränkt sich auf Entwürfe der Verordnung samt Anlagen und Materialien sowie die entsprechenden Druckfahnen, Zeitungsartikel (im Wesentlichen aus März 2021) über 'Corona-Parties' und 'Party-Hotspots' in Wien sowie einem Schreiben der Magistratsdirektion, Sofortmaßnahmen und Stadtservice, betreffend 'Begründung für FFP2 Maskenpflicht in öffentlichen Bereichen – COVID-19-Pandemie'. In diesem Schreiben wird der Magistratsabteilung 40 'wie im medizinischen Krisenstab am 30.3.2021 besprochen' die Begründung für eine Verordnung bezüglich Verpflichtung zum Tragen einer FFP-2 Maske an bestimmten öffentlichen Bereichen übermittelt. In dem Schreiben wird festgehalten, dass die aufgezählten Bereiche hinsichtlich der Verbreitung von COVID-19 kritisch gesehen werden. Sie befänden sich zentral in dicht bebautem und besiedeltem Gebiet und seien sehr gut an den öffentlichen Verkehr angebunden. Da sie aufgrund der Grünräume und der attraktiven Sitz- und Verweilmöglichkeiten zu längeren Aufenthalten einladen würden, seien sie vor allem in den warmen Jahreszeiten sehr beliebte Aufenthaltsorte unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen. Im Zuge von Kontrollmaßnahmen sei häufig festgestellt worden, dass die entsprechenden Mindestabstände alleine aufgrund des begrenzten Raumangebotes sehr schwer eingehalten und das dadurch notwendige Tragen einer FFP2-Maske nicht eingehalten werde.
Außerdem beinhaltet der Verordnungsakt 'Erläuterungen' in denen dargestellt wird, dass die epidemiologische Situation aufgrund der zunehmenden Verbreitung der UK-Variante (B.1.1.7) in Wien zunehmend angespannt sei und insbesondere die Rate von schweren Krankheitsverläufen zunehme. Weiters wird ausgeführt, dass sich die 'UK-Virus-Variante' als ca 22% infektiöser herausgestellt habe, weshalb 'davon auszugehen [ist], dass auch nahe Sprechkontakte im Freien einen relevanten Beitrag zur Übertragung leisten'."
3.2. Damit habe der Verordnungsgeber zwar dargelegt, weshalb aus seiner Sicht Handlungsbedarf bestanden habe, es fehle aber jeder Hinweis darauf, auf Grund welcher Annahme oder Evidenz davon ausgegangen wurde, dass die Verordnung einer Verpflichtung zum Tragen von FFP2-Masken im Freien einen Beitrag zur Entschärfung der angespannten epidemiologischen Lage leisten werde. Der Verordnungsakt enthalte weder eine Stellungnahme von fachkundigen Personen zur Wirkung von FFP2-Masken im Freien (obwohl es offenbar eine Besprechung dazu im medizinischen Krisenstab gegeben habe), noch werde auf andere nachvollziehbare fachliche Quellen zu dieser Wirkung verwiesen. Die prognosehafte Beurteilung, inwieweit die in Aussicht genommenen Maßnahmen (Verpflichtung zum Tragen einer FFP2-Maske) geeignet, erforderlich und angemessen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 wären, sei nur dann nachvollziehbar, wenn dargestellt werde, auf welche zum Zeitpunkt der Verordnungserlassung zugängliche wissenschaftlich fundierte Evidenz die getroffenen Annahmen gestützt werden.
Zwar dürften die Anforderungen an wissenschaftlich belegte Entscheidungsgrundlagen nicht überspannt werden und müssten sich danach richten, was in der konkreten Situation möglich und zumutbar sei. Es finde sich aber in der gesamten Dokumentation kein Hinweis auf die wissenschaftliche Nachvollziehbarkeit der Wirkung einer getroffenen Maßnahme, obwohl die Verordnung zu einem Zeitpunkt erlassen worden sei, als bereits fachliche Beratung bei der Erlassung von Verordnungen vorhanden und die wissenschaftliche Aufarbeitung der verschiedenen Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung bereits voll im Gange gewesen sei.
4. Die verordnungserlassende Behörde hat die Akten betreffend das Zustandekommen der angefochtenen Verordnung vorgelegt und eine Äußerung erstattet, in der beantragt wird, den Hauptantrag und den Eventualantrag des Verwaltungsgerichtes Wien zurückzuweisen, in eventu abzuweisen.
4.1. Im Hinblick auf die Zulässigkeit des Antrags hält die Behörde den Hauptantrag für zu eng gefasst mit der Begründung, dass die Anlagen 2 bis 5 bei einer Aufhebung des §1 der Verordnung und der Anlage 1 bestehen bleiben und ins Leere laufen würden.
4.2. In der Sache führt die verordnungserlassende Behörde aus, dass mit der Verordnungserlassung der epidemiologischen Entwicklung (insbesondere auf Grund der besorgniserregenden Entwicklung im Vereinigten Königreich, wo gerade die Alpha-Variante Dominanz erlangt habe) und den entsprechenden wissenschaftlichen Erkenntnissen Rechnung getragen worden sei.
4.2.1. Zunächst geht die verordnungserlassende Behörde auf den von ihr so bezeichneten "Handlungsspielraum" ein:
Mit Erlass des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (in der Folge: BMSGPK) vom 16. Dezember 2020, GZ 2020-0.812.905, und dem ergänzenden Erlass vom 3. Februar 2021, GZ 2021-0.085.660, seien die Landeshauptleute „ersucht" worden, umgehend Regelungen auf Landes- oder Bezirksebene zu schaffen, wonach beim Betreten stark frequentierter öffentlicher Orte im Freien ein Mund-Nasenschutz bzw nach dem ergänzenden Erlass eine Atemschutzmaske der Schutzklasse FFP2 (FFP2-Maske) ohne Ausatemventil oder eine zumindest gleichwertige bzw einem höheren Standard entsprechende Maske zu tragen sei. Derartige Regelungen sollten demnach an allen öffentlichen Orten im Freien gelten, bei denen auf Grund der hohen Frequenz von Personen nicht gesichert davon ausgegangen werden konnte, dass der Mindestabstand von zwei Metern generell und durchgehend eingehalten werden könne. Mangels Kenntnis der örtlichen Gegebenheiten könnten, so die beiden Erlässe, solche Regelungen nur lokal getroffen werden.
Die verordnungserlassende Behörde weist darauf hin, dass diese Ausführungen nur als Weisungen verstanden werden konnten: In beiden Erlässen sei der beinahe idente, die Dringlichkeit unterstreichende Wortlaut verwendet und im ergänzenden Erlass sogar eine Frist gesetzt worden (5. März 2021), bis zu der dem Bundesminister über die getroffenen Maßnahmen Bericht zu erstatten gewesen sei. Um der Weisung Folge zu leisten und auf Grund der deutlich gestiegenen Fallzahlen und Belagszahlen in den Krankenanstalten seien besonders stark frequentierte Gebiete im Wiener Stadtzentrum definiert worden, in denen die erlassgemäße Verordnung des Landeshauptmannes von Wien über die Maskentragepflicht an stark frequentierten öffentlichen Orten im Freien umgesetzt worden sei. Als Grundlage für eine sachliche Definition der "besonders stark frequentierten" Orte (im Vergleich zum durchgehend städtischen Gebiet) sei auf die Feststellungen der Magistratsdirektion – Geschäftsbereich Organisation und Sicherheit, Gruppe Sofortmaßnahmen, die für die Koordination und Einsatzleitung von dienststellen- und behördenübergreifenden Schwerpunktaktionen und Schwerpunkteinsätzen zuständig sei und die auch aufsuchende Kontrollen durchführe, zurückgegriffen worden.
Der zuständige Bundesminister habe bisher nicht von der in §7 Abs5 COVID-19-MaßnahmenG festgelegten Aufhebungsmöglichkeit Gebrauch gemacht. Dass es aus Sicht des Bundesministers essentiell sei, Regelungen auf Landes- oder Bezirksebene zu schaffen, die eine Maskentragepflicht an stark frequentierten öffentlichen Orten vorsehen, gehe aus der Beantwortung der parlamentarischen Anfrage 5576/J, GZ 2021-0.162.502, ausdrücklich hervor.
Landeshauptleute seien in der mittelbaren Bundesverwaltung grundsätzlich dazu verpflichtet, Weisungen der Oberbehörde zu erfüllen oder weiterzuleiten. Wäre der Landeshauptmann von Wien den Vorgaben des Bundesministers nicht nachgekommen, hätte die Gefahr einer Anklage gemäß Art142 Abs2 lite B-VG im Rahmen der Staatsgerichtsbarkeit bestanden; das gehe auch aus der erwähnten Beantwortung der parlamentarischen Anfrage hervor. Es sei daher in der Verantwortung des Landeshauptmannes von Wien gelegen gewesen, stark frequentierte Gebiete ausfindig zu machen und in diesen Bereichen eine Tragepflicht von FFP2-Masken vorzuschreiben. Zu diesem Zeitpunkt sei bereits erwiesen gewesen, dass FFP2-Masken, neben der Impfung, den besten Schutz vor einer Infektion mit bzw der Weiterverbreitung von SARS-CoV-2 darstellten.
Der Landeshauptmann von Wien hege auf Grund der epidemiologischen Situation keinen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Erlasses. Es liege auf der Hand, dass sich der ergänzende Erlass geradezu offenkundig an die Bundeshauptstadt Wien richtete, da die oberste Gesundheitsbehörde insbesondere stark frequentierte Gebiete in Stadtzentren vor Augen gehabt habe. Da Wien besonders dicht besiedelt sei und sich bei beliebten Plätzen schnell Hotspots bilden würden, habe der Landeshauptmann von Wien entsprechende Regelungen zu schaffen und der Weisung Folge zu leisten gehabt.
4.2.2. Zur "zugrundeliegenden wissenschaftlichen Evidenz" führt die verordnungserlassende Behörde aus, dass nach der Einschätzung der epidemiologischen Lage in Österreich durch die Corona-Kommission vom 31. März 2021 die COVID-spezifische Belastung der Intensivstationen per 30. März 2021 bei 26,9% bezogen auf alle gemeldeten Erwachsenen-Intensivbetten liege und ein weiterer Anstieg der Belastung über die systemkritische Auslastungsgrenze von 33% erwartet werde, wobei in den östlichen Bundesländern diese Grenze bereits erreicht sei. Für Wien sei mit einer Intensivbelegung von mehr als 50% zu rechnen. Die Corona-Kommission habe ihre Empfehlung wiederholt, die notwendigen präventiven Maßnahmen zur Kontaktreduktion zu forcieren, und würde die Maßnahmen, die insbesondere für Wien vorgesehen seien, begrüßen.
Bei dieser hohen Belastung des Gesundheitssystems durch an COVID-19 erkrankte Patientinnen und Patienten, die deutliche Auswirkungen auf die Versorgung anderer Erkrankter gehabt habe, sei jede Maßnahme von Bedeutung gewesen, die einen zusätzlichen Beitrag zur Reduzierung der Fallzahlen leisten könnte. Die Schutzwirkung von FFP2-Masken bei entsprechender Exposition sei unabhängig davon, wo die Exposition stattfinde, gegeben. Es gebe auch im Freien Situationen, wo im direkten Gesprächskontakt oder bei engem Beisammenstehen eine relevante Exposition gegenüber Ausatem-Tröpfchen stattfinde. Bei hohen Fallzahlen sei die Wahrscheinlichkeit, auf eine erkrankte bzw infektiöse Person zu treffen, ebenfalls entsprechend erhöht, was insbesondere auch für stark frequentierte Orte gelte. Zu demselben Schluss sei das European Centre for Disease Prevention and Control gekommen, das am 15. Februar 2021 für Regionen, in denen es zu nicht nachverfolgbarer Übertragung von COVID-19 in der Bevölkerung komme, das Tragen einer Maske in öffentlichen Bereichen in geschlossenen Räumen empfohlen und bei besonders dichten Settings auch im Freien in Betracht gezogen habe.
4.2.3. Zur "gesetzmäßigen Dokumentation" führt die verordnungserlassende Behörde Folgendes aus:
"Der Verfassungsgerichtshof hat darauf hingewiesen, dass den Anforderungen der aktenmäßigen Dokumentation im Verordnungserlassungsverfahren (siehe hiezu insbesondere VfGH vom 10. März 2021, Zl. V574/2020 und vom 14. Juli 2020, Zl. V363/2020 und Zl. V411/2020) nicht durch die bloße Sammlung und Übermittlung von jeglichen zur Verfügung stehenden wissenschaftlichen Daten und Studien zu den Auswirkungen und zur Verbreitung von COVID-19 entsprochen wird. Vielmehr müssen jene Entscheidungsgrundlagen nachvollziehbar dokumentiert werden, die für die Willensbildung des Verordnungsgebers zum Zeitpunkt der Erlassung tatsächlich ausschlaggebend waren.
Bei Vorlage umfangreicher Verordnungsakten kann dem auch durch eine zusammenfassende nachvollziehbare Darstellung der zentralen, für den Verordnungsgeber besonders relevanten Umstände, insbesondere der Grundlagen für die Interessenabwägung beziehungsweise der Verhältnismäßigkeitsprüfung, unter Verweis auf die maßgeblichen Unterlagen entsprochen werden; dies ist notwendig, um die Gesetzmäßigkeit der Verordnung überprüfen zu können.
Die gegenständliche Verordnung hat diesen gesetzlichen Anforderungen entsprochen.
Die Schutzwirkung der FFP2-Maske war bereits in vorangehenden COVID-19-Verordnungen unstrittig und eine notwendige Maßnahme, um das infektionsgeschehen hintanzuhalten. Dies wurde bereits mehrfach in den entsprechenden Verordnungsakten, wissenschaftlichen Artikeln und auch öffentlich auf den Webseiten des BMSGPK und der Stadt Wien erläutert. Dass die Maske eine gewisse Schutzwirkung aufweist, war zum Zeitpunkt der Verordnungserlassung bereits ein medizinisches Faktum.
Auch hat der Bundesverordnungsgeber bereits in seinen vorangegangen COVID-19-Verordnungen bzw in den Materialien dazu ausreichend erläutert, dass FFP2-Masken eine Schutzwirkung aufweisen und deshalb dem Tragen von FFP2-Masken eine wichtige Rolle in der Pandemiebekämpfung zukommt.
Zusätzlich zu diesen belegten wissenschaftlichen Erkenntnissen und dem ergänzenden Erlass zum Erlass vom 16. Dezember 2020, GZ 2021-0.085.660, war dem Landeshauptmann von Wien die örtliche Umsetzung von größter Wichtigkeit, weswegen er durch eingehende Beratung mit der bereits oben erwähnten Spezialeinheit zu dem Schluss kam, an den in den Anlagen 1-5 bezeichneten Orten eine FFP2-Maskentragepflicht anzuordnen.
Die im Verordnungsakt dokumentierte epidemiologische Situation hat zweifelsfrei gezeigt, dass es sich bei der verordneten Maßnahme um eine dem Stand der Wissenschaft entsprechende zentrale Säule zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 handelte.
Der Landeshauptmann von Wien hat damit hinreichend dargelegt, auf welcher Informationsbasis bzw auf welchen Grundlagen die Entscheidung über die Anordnung der in §1 der Verordnung des Landeshauptmannes von Wien über die Maskentragepflicht an stark frequentierten öffentlichen Orten im Freien zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19, LGBl für Wien Nr 18/2021, geregelten Maßnahme getroffen wurde."
4.2.4. Schließlich äußert sich die verordnungserlassende Behörde zur Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen: Die Maskentragepflicht sei zur Erreichung des legitimen Ziels des Schutzes des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit jedes bzw jeder Einzelnen wie auch der Bevölkerung insgesamt geeignet gewesen; hievon habe der Verordnungsgeber vor dem Hintergrund des Erlasses des Gesundheitsministers und der mehrheitlich vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Effektivität der Maskentragepflicht als Schutzmaßnahme ausgehen dürfen.
Es habe zum Zeitpunkt der Verordnungserlassung auf Basis vorliegender wissenschaftlicher Erkenntnisse kein gelinderes Mittel bestanden, um die Weiterverbreitung des Virus zu bekämpfen und vor allem um die Krankenanstalten vor einer Überlastung zu schützen. Die Pflicht zum Tragen einer Maske an bestimmten stark frequentierten öffentlichen Orten im Freien sei durch die Verordnung zeitlich begrenzt gewesen. Auch seien nur vereinzelte Orte von dieser Regelung betroffen und es jedem Einzelnen selbst überlassen gewesen, diese Gebiete zu betreten. Es habe genug Möglichkeiten gegeben, sich an Plätzen im Freien aufzuhalten, wo keine Verpflichtung zum Tragen einer Maske bestanden habe. Zudem hätten Ausnahmen von der Maskentragepflicht bestanden, weiters eine Befreiungsmöglichkeit aus gesundheitlichen Gründen.
5. Auf Ersuchen wurden dem Verfassungsgerichtshof die Verwaltungsakten in Bezug auf die Erlässe des BMSGPK zur Mund-Nasenschutz-Pflicht im Freien an stark frequentierten Orten (Erlass vom 16.12.2020, GZ 2020-0.812.905, sowie Erlass vom 3.2.2021, GZ 2021-0.085.660) übermittelt.
In dem Begleitschreiben zur Übermittlung weist der Bundesminister darauf hin, dass zu Informationszwecken auch die Verordnungsakten der 3. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung, BGBl II 566/2020, sowie der 4. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung, BGBl II 58/2021, zur Verfügung gestellt würden, die im zeitlichen Zusammenhang mit den genannten Erlässen stehen würden. Auch weise der ergänzende Erlass zum Erlass vom Februar 2021 auf die durch die 4. COVID-19-SchuMaV geänderte Rechtslage hin und stütze sich die Äußerung des Landeshauptmannes von Wien unter anderem auf die in den Erläuterungen zu den COVID-19-Verordnungen des BMSGPK enthaltenen fachlichen Ausführungen zur Schutzwirkung von Masken.
IV. Erwägungen
1. Zur Zulässigkeit
1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art139 Abs1 Z1 B-VG bzw des Art140 Abs1 Z1 lita B-VG nur dann wegen Fehlens der Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).
Dem antragstellenden Gericht ist vor diesem Hintergrund nicht entgegenzutreten, wenn es davon ausgeht, dass es §1 sowie Anlage 1 der Verordnung des Landeshauptmannes von Wien über die Maskentragepflicht an stark frequentierten öffentlichen Orten im Freien zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19, LGBl 18/2021, im Anlassverfahren, in welchem über eine Beschwerde gegen die Verhängung einer Verwaltungsstrafe wegen Übertretung des §1 iVm Anlage 1 der genannten Verordnung zu entscheiden ist, anzuwenden hat.
1.2. Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Gesetzmäßigkeit zu prüfenden Verordnungsbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Normenprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Teil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Stelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.
Dieser Grundposition folgend hat der Verfassungsgerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Normenprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl VfSlg 16.212/2001, 16.365/2001, 18.142/2007, 19.496/2011; VfGH 14.3.2017, G311/2016). Das antragstellende Gericht hat all jene Normen anzufechten, die für das anfechtende Gericht präjudiziell sind und vor dem Hintergrund der Bedenken für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des antragstellenden Gerichtes teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011, 19.684/2012, 19.903/2014; VfGH 10.3.2015, G201/2014).
Unzulässig ist der Antrag etwa dann, wenn der im Falle der Aufhebung im begehrten Umfang verbleibende Rest einer Verordnungsstelle als sprachlich unverständlicher Torso inhaltsleer und unanwendbar wäre (VfSlg 16.279/2001, 19.413/2011; VfGH 19.6.2015, G211/2014; 7.10.2015, G444/2015; VfSlg 20.082/2016), der Umfang der zur Aufhebung beantragten Bestimmungen so abgesteckt ist, dass die angenommene Gesetzwidrigkeit durch die Aufhebung gar nicht beseitigt würde (vgl zB VfSlg 18.891/2009, 19.933/2014), oder durch die Aufhebung bloßer Teile einer Verordnung dieser ein völlig veränderter, dem Verordnungsgeber überhaupt nicht mehr zusinnbarer Inhalt gegeben würde (VfSlg 18.839/2009, 19.841/2014, 19.972/2015, 20.102/2016).
Unter dem Aspekt einer nicht trennbaren Einheit in Prüfung zu ziehender Vorschriften ergibt sich ferner, dass ein Prozesshindernis auch dann vorliegt, wenn es auf Grund der Bindung an den gestellten Antrag zu einer in der Weise isolierten Aufhebung einer Bestimmung käme, dass Schwierigkeiten bezüglich der Anwendbarkeit der im Rechtsbestand verbleibenden Vorschriften entstünden, und zwar in der Weise, dass der Wegfall der angefochtenen (Teile einer) Verordnungsbestimmung den verbleibenden Rest unverständlich oder auch unanwendbar werden ließe. Letzteres liegt dann vor, wenn nicht mehr mit Bestimmtheit beurteilt werden könnte, ob ein der verbliebenen Vorschrift zu unterstellender Fall vorliegt (VfSlg 16.869/2003 mwN).
Eine zu weite Fassung des Antrages macht diesen nicht in jedem Fall unzulässig. Zunächst ist ein Antrag nicht zu weit gefasst, soweit das Gericht solche Normen anficht, die denkmöglich eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bilden und damit präjudiziell sind; dabei darf aber nach §57 Abs1 VfGG nicht offen bleiben, welche Vorschrift oder welcher Teil einer Vorschrift nach Auffassung des antragstellenden Gerichtes aus welchem Grund aufgehoben werden soll (siehe mwN VfGH 2.3.2015, G140/2014 ua; vgl auch VfGH 10.12.2015, G639/2015; 15.10.2016, G103-104/2016 ua). Ist ein solcher Antrag in der Sache begründet, hebt der Verfassungsgerichtshof aber nur einen Teil der angefochtenen Bestimmungen als verfassungswidrig auf, so führt dies — wenn die sonstigen Prozessvoraussetzungen vorliegen — im Übrigen zur teilweisen Abweisung des Antrages (VfSlg 19.746/2013; VfGH 5.3.2014, G79/2013 ua).
Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, die für das antragstellende Gericht offenkundig keine Voraussetzung seiner Entscheidung im Anlassfall bilden und die somit nicht präjudiziell sind (insofern ist der Antrag zu weit gefasst), die mit den präjudiziellen (und nach Auffassung des antragstellenden Gerichtes den Sitz der Verfassungswidrigkeit bildenden) Bestimmungen aber vor dem Hintergrund der Bedenken in einem Regelungszusammenhang stehen, so ist zu differenzieren: Sind diese Bestimmungen von den den Sitz der verfassungsrechtlichen Bedenken des antragstellenden Gerichtes bildenden präjudiziellen Bestimmungen offensichtlich trennbar, so führt dies zur teilweisen Zurückweisung des Antrages. Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, die mit den präjudiziellen, den Sitz der verfassungsrechtlichen Bedenken des antragstellenden Gerichtes bildenden Bestimmungen in einem so konkreten Regelungszusammenhang stehen, dass es nicht von vornherein auszuschließen ist, dass ihre Aufhebung im Fall des Zutreffens der Bedenken erforderlich sein könnte (sind diese Bestimmungen also nicht offensichtlich trennbar), so ist der Antrag insgesamt zulässig (VfSlg 20.111/2016). Dies gilt nach dem vorhin Gesagten aber keinesfalls dann, wenn Bestimmungen mitangefochten werden (etwa alle einer ganzen Verordnung), gegen die gar keine konkreten Bedenken vorgebracht werden und zu denen auch kein konkreter Regelungszusammenhang dargelegt wird (VfSlg 19.894/2014; VfGH 29.9.2015, G324/2015; 15.10.2016,