TE Vfgh Erkenntnis 2022/10/5 G141/2022 (G141/2022-13)

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Veröffentlicht am 05.10.2022
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Index

91/01 Fernmeldewesen

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art116 Abs2
B-VG Art140 Abs1 Z2
StGG Art2
StGG Art5
TelekommunikationsG 2021 §4, §53, §54, §59 Abs2, §64, §74, §75
TelekommunikationsG 2003 §5, §12a
Wertminderungs-Richtsätze-V
VfGG §7 Abs1
  1. B-VG Art. 116 heute
  2. B-VG Art. 116 gültig ab 01.02.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 14/2019
  3. B-VG Art. 116 gültig von 01.01.2004 bis 31.01.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  4. B-VG Art. 116 gültig von 01.01.1985 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 490/1984
  5. B-VG Art. 116 gültig von 21.07.1962 bis 31.12.1984 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 205/1962
  6. B-VG Art. 116 gültig von 19.12.1945 bis 20.07.1962 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  7. B-VG Art. 116 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934
  1. B-VG Art. 140 heute
  2. B-VG Art. 140 gültig ab 01.01.2015 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 114/2013
  3. B-VG Art. 140 gültig von 01.01.2014 bis 31.12.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  4. B-VG Art. 140 gültig von 01.07.2008 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 2/2008
  5. B-VG Art. 140 gültig von 01.01.2004 bis 30.06.2008 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  6. B-VG Art. 140 gültig von 06.06.1992 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 276/1992
  7. B-VG Art. 140 gültig von 01.01.1991 bis 05.06.1992 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 685/1988
  8. B-VG Art. 140 gültig von 01.07.1988 bis 31.12.1990 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 341/1988
  9. B-VG Art. 140 gültig von 01.07.1976 bis 30.06.1988 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 302/1975
  10. B-VG Art. 140 gültig von 19.12.1945 bis 30.06.1976 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  11. B-VG Art. 140 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934
  1. VfGG § 7 heute
  2. VfGG § 7 gültig ab 22.03.2020 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 16/2020
  3. VfGG § 7 gültig von 01.01.2015 bis 21.03.2020 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 101/2014
  4. VfGG § 7 gültig von 01.01.2015 bis 31.12.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 92/2014
  5. VfGG § 7 gültig von 01.03.2013 bis 31.12.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  6. VfGG § 7 gültig von 01.07.2008 bis 28.02.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 4/2008
  7. VfGG § 7 gültig von 01.01.2004 bis 30.06.2008 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  8. VfGG § 7 gültig von 01.10.2002 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 123/2002
  9. VfGG § 7 gültig von 01.01.1991 bis 30.09.2002 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 329/1990
  10. VfGG § 7 gültig von 01.07.1976 bis 31.12.1990 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 311/1976

Leitsatz

Aufhebung der Wortfolge einer Bestimmung des TelekommunikationsG 2021 betreffend die Einräumung eines Infrastrukturrechts (Standortrecht) für Antennentragemasten für Mobilfunkzwecke samt Zubehör wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz sofern Verfügungen durch den staatlichen Liegenschaftseigentümer ausschließlich bei nachgewiesener technischer Notwendigkeit zulässig sind; bestehendes Standortrecht geht im Konfliktfall zwingend jedweden (zukünftigen) Maßnahmen, beispielsweise des sozialen Wohnbaus oder der verstärkten Nutzung von Solarenergie, vor; keine Unsachlichkeit und kein unverhältnismäßiger Eigentumseingriff durch die Einrichtung eines Standortrechts für Antennentragemasten an öffentlichen – und nicht auch privaten – Liegenschaften angesichts der Bedeutung einer hochwertigen digitalen Infrastruktur und der Abgeltung der Wertminderung der Liegenschaften

Spruch

I. 1. Die Wortfolge "nur Verfügungen wegen nachgewiesener technischer Notwendigkeit zu berücksichtigen sind und" in §59 Abs2 des Bundesgesetzes, mit dem ein Telekommunikationsgesetz (Telekommunikationsgesetz 2021 – TKG 2021) erlassen wird, BGBl I Nr 190/2021, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

2. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.

3. Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.

II. Im Übrigen wird der Antrag abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Antrag

Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z2 B-VG gestützten Antrag begehrt die Wiener Landesregierung, §59 des Bundesgesetzes, mit dem ein Telekommunikationsgesetz (Telekommunikationsgesetz 2021 – TKG 2021) erlassen wird, BGBl I 190/2021, die Wortfolgen "und §59 Abs3" in §55 TKG 2021 und die Wortfolge "§59. Standortrecht" im Inhaltsverzeichnis des TKG 2021, in eventu §59 Abs3 TKG 2021, die Wortfolge "und diesem eine Abgeltung gemäß Abs3 anzubieten" in §59 Abs4 TKG 2021 sowie die Wortfolge "und §59 Abs3" in §55 TKG 2021 als verfassungswidrig aufzuheben.

II. Rechtslage

Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes, mit dem ein Telekommunikationsgesetz (Telekommunikationsgesetz 2021 – TKG 2021) erlassen wird, BGBl I 190/2021, lauten wie folgt (die mit Hauptantrag angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):

"Inhaltsverzeichnis

[…]

§59. Standortrecht

[…]

Richtsätze für die Wertminderung und Abgeltungssätze

§55. Die Regulierungsbehörde hat für die der Wertminderung von Liegenschaften oder Objekten entsprechenden Abgeltungen nach §52 Abs2, §53 Abs3 und §59 Abs3 durch Verordnung Richtsätze festzulegen. Diese Richtsätze sind, soweit zweckmäßig, getrennt nach Infrastrukturtypen sowie nach Art und Lage der in Anspruch genommenen Liegenschaft oder des Objekts festzulegen. Bei Erlassung der Verordnung nach dieser Bestimmung hat die Regulierungsbehörde die Zielbestimmungen des §1 zu berücksichtigen. Die Verordnung ist regelmäßig zu überprüfen. Vor Erlassung einer Verordnung nach diesem Absatz ist interessierten Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

[…]

Standortrecht

§59. (1) Standorte im Sinne dieser Bestimmung sind Antennentragemasten samt allen vor Ort erforderlichen Einrichtungen, die unabhängig von der eingesetzten Technologie für den technischen Betrieb erforderlich sind. Bereitsteller eines öffentlichen Kommunikationsnetzes, soweit dieses der Erbringung von nummerngebundenen interpersonellen Kommunikationsdiensten dient, sind berechtigt, zu diesem Zweck Standortrechte zur Errichtung, zum Betrieb, zur Erhaltung, Erneuerung und Erweiterung von Standorten an Liegenschaften, die unmittelbar oder mittelbar im ausschließlichen Eigentum einer Gebietskörperschaft stehen, in Anspruch zu nehmen, wenn öffentliche Rücksichten nicht im Wege stehen und

1. die widmungsgemäße Verwendung der Liegenschaft durch diese Nutzung nicht oder nur unwesentlich dauernd eingeschränkt wird und

2. eine Mitbenutzung nach §64 auf der Liegenschaft nicht möglich oder nicht tunlich ist.

(2) Für Standortrechte nach Abs1 gilt §75 mit der Maßgabe, dass nur Verfügungen wegen nachgewiesener technischer Notwendigkeit zu berücksichtigen sind und der Eigentümer dem Berechtigten einen adäquaten Ersatzstandort anzubieten hat, sofern dies technisch oder wirtschaftlich zumutbar ist.

(3) Dem gemäß Abs1 belasteten Grundeigentümer ist eine der Wertminderung durch das Standortrecht entsprechende Abgeltung zu bezahlen.

(4) Wird ein Standortrecht nach dieser Bestimmung in Anspruch genommen, hat der Berechtigte dem Eigentümer das beabsichtigte Vorhaben unter Beigabe einer Planskizze schriftlich und nachweislich bekanntzumachen und diesem eine Abgeltung gemäß Abs3 anzubieten.

(5) Kommt zwischen dem Berechtigten und dem Eigentümer binnen einer Frist von vier Wochen ab der Bekanntmachung des Vorhabens nach Abs4 keine Vereinbarung über das Standortrecht zustande, kann jeder der Beteiligten die Entscheidung der Regulierungsbehörde beantragen.

(6) Für Standortrechte ist §56 sinngemäß anzuwenden.

[…]

Mitbenutzungsrechte an Antennentragemasten und Starkstromleitungsmasten

§64. Eigentümer oder sonst Nutzungsberechtigte eines Antennentragemastes oder eines Starkstromleitungsmastes müssen dessen Mitbenutzung durch Bereitsteller eines öffentlichen Kommunikationsnetzes, durch Feuerwehren, Rettungsdienste sowie Sicherheitsbehörden gestatten, sofern ihnen dies wirtschaftlich zumutbar und es technisch, insbesondere frequenztechnisch möglich ist. Aus diesem Grund erforderliche technische Änderungen hat der Eigentümer oder sonst Nutzungsberechtigte durchzuführen oder durchführen zu lassen, wenn es sich um geringfügige Änderungen handelt und der Mitbenutzungswerber die Kosten dafür übernimmt. Das Recht zur Mitbenutzung beinhaltet auch die Mitbenutzung der für den Betrieb notwendigen Infrastruktur. Der Eigentümer oder sonst Nutzungsberechtigte darf seine Verfügungsgewalt über die Anlage nicht zu Ungunsten des Mitbenutzers ausüben.

[…]

Ausübung von Rechten

§74. (1) Bei der Ausübung der Rechte nach §§51 bis 70 ist in möglichst wenig belästigender Weise und mit möglichster Schonung der benützten Liegenschaften, Objekte oder der in Anspruch genommenen Anlagen, Leitungen, sonstigen Einrichtungen oder physischen Infrastrukturen und der Rechte Dritter vorzugehen.

(2) Der Berechtigte hat, insbesondere während der Ausführung von Arbeiten, auf seine Kosten für die weitest mögliche Aufrechterhaltung des bestimmungsgemäßen Gebrauchs der benützten Liegenschaften, Objekte oder der in Anspruch genommenen Anlagen, Leitungen, sonstigen Einrichtungen oder physischen Infrastrukturen zu sorgen und nach Beendigung der Arbeiten ehestmöglich einen klaglosen Zustand herzustellen. Auch auf andere bestehende oder genehmigte Arbeiten ist Rücksicht zu nehmen.

Verfügungsrecht der Belasteten

§75. (1) Durch die Rechte nach §§51 bis 70 werden die Belasteten in der freien Verfügung über ihre Liegenschaft, Objekte oder der in Anspruch genommenen Anlagen, Leitungen, sonstigen Einrichtungen oder physischen Infrastrukturen (zB Veränderung, Verbauung, Einbauten oder andere Maßnahmen) nicht behindert. Erfordert eine solche Verfügung die Entfernung oder Änderung einer Anlage des Berechtigten oder kann eine solche dadurch beschädigt werden, so hat der Belastete den Berechtigten in angemessener Frist vor Beginn der Arbeiten hiervon zu verständigen (Anzeige). Der Berechtigte hat rechtzeitig die erforderlichen Vorkehrungen, gegebenenfalls auch die Entfernung oder Verlegung seiner Anlage auf eigene Kosten durchzuführen. Der Berechtigte kann dem Belasteten einen Alternativvorschlag unterbreiten. Die Beteiligten haben auf eine einvernehmliche kostengünstige Lösung hinzuwirken.

(2)-(4) […]

Verfahren

§78. (1) Wird ein Antrag nach §§52 bis 75 an die Regulierungsbehörde gerichtet, ist ein Streitschlichtungsverfahren durchzuführen, sofern nicht alle Verfahrensparteien auf die Durchführung dieses Verfahrens ausdrücklich verzichten. Wird binnen vier Wochen eine einvernehmliche Lösung herbeigeführt, ist das Verfahren bei der Regulierungsbehörde einzustellen.

(2) Wird keine einvernehmliche Lösung gemäß Abs1 hergestellt, hat die Regulierungsbehörde dem Antragsgegner unverzüglich nach Ablauf der Frist gemäß Abs1 schriftlich und nachweislich die Gelegenheit zu geben, binnen zweier Wochen Vorbringen zum Antrag zu erstatten, Beweismittel vorzulegen und Anträge zu stellen. Auf begründeten Antrag kann die Regulierungsbehörde diese Frist erforderlichenfalls um längstens weitere zwei Wochen verlängern. In ihrer Entscheidung hat die Regulierungsbehörde nur fristgerechtes Vorbringen sowie fristgerechte Beweismittel und Anträge zu berücksichtigen. Auf diese Rechtsfolge ist in der Aufforderung zur Stellungnahme ausdrücklich hinzuweisen.

(3) Änderungen des verfahrenseinleitenden Antrages sind unzulässig.

(4) Die Parteien sind verpflichtet, am Streitschlichtungsverfahren gemäß Abs1 und am Verfahren gemäß Abs2 mitzuwirken und alle zur Beurteilung der Sachlage erforderlichen Auskünfte zu erteilen sowie erforderliche Unterlagen vorzulegen. Die Regulierungsbehörde hat in Verfahren nach §§52 bis 75 unverzüglich, längstens aber binnen sechs Wochen nach dem Ablauf der Frist gemäß Abs2 zu entscheiden. Die Entscheidung ersetzt eine zu treffende Vereinbarung.

(5) Die Kosten für die einem nichtamtlichen Sachverständigen zustehenden Gebühren sind vom Berechtigten zu tragen. Diese Kosten können in angemessenem Verhältnis geteilt werden, wenn dies der Billigkeit entspricht."

III. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1.1. Zur Zulässigkeit ihres Antrages führt die Wiener Landesregierung aus (ohne die Hervorhebungen im Original):

"Der Hauptantrag umfasst den gesamten §59 TKG 2021 und die Wortfolge 'und §59 Abs3' in §55 TKG 2021, sowie die Wortfolge'§59. Standortrecht' im Inhaltsverzeichnis des Telekommunikationsgesetzes 2021. Dieser wird gestellt, weil die Wiener Landesregierung, wie im Folgenden im Einzelnen dargelegt wird, darin eine Verletzung der Art7 Abs1, 18 Abs1, 83 Abs2 und 116 Abs2 B-VG sowie des Art5 Staatsgrundgesetz 1967 und Art1 des ersten Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) erblickt. Eine Bereinigung dieser verfassungsrechtlichen Bedenken kann nur durch eine Aufhebung des ganzen §59 TKG 2021 erreicht werden. Unter der Annahme, dass die nachstehend angeführten verfassungsrechtlichen Bedenken zutreffen, sind nicht nur die Kernbestimmungen des §59 TKG 2021 verfassungswidrig, die in Abs1 die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Standortrechtes und in Abs5 den Ersatz der Vereinbarung durch die Entscheidung der Regulierungsbehörde regeln, sondern auch alle damit in einem untrennbaren Zusammenhang stehenden Bestimmungen in §59 Abs2, 3, 4 und 6 TKG 2021 sowie jene Vorschriften des Telekommunikationsgesetzes 2021, welche auf §59 TKG 2021 Bezug nehmen (im Inhaltsverzeichnis des TKG 2021 die Wortfolge '§59. Standortrecht' und in §55 TKG die Wortfolge 'und §59 Abs3'). Dieser Zusammenhang ist deshalb untrennbar, da bei einer Aufhebung nur des Abs1 oder nur des Abs5 oder bei einer Aufhebung beider Absätze jeweils ein Torso an Regelungen verbliebe, dessen Inhalt dem ursprünglichen Ansinnen des Bundesgesetzgebers nicht zugebilligt werden kann."

1.2. In der Sache begründet die Wiener Landesregierung ihren Antrag folgendermaßen (ohne die Hervorhebungen im Original):

"Den folgenden Ausführungen ist vorauszuschicken, dass die Stadt Wien eine einheitliche Gebietskörperschaft mit zwei Rechtsstellungen ist. Einerseits ist sie gemäß Art2 Abs2 B-VG selbständiges Land, andererseits gemäß Art108 bis 112 B-VG in Verbindung mit Art115 bis 120 B-VG Gemeinde mit dem Recht auf Selbstverwaltung.

[…] Verletzung i[m] Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 Abs1 B-VG) durch die Annahme der Behinderung des Breitbandausbaus

[…]

In den Erläuterungen wird ausgeführt, dass das Fehlen von Zwangsrechten den Ausbau der Mobilfunknetze behindern kann. Zur Unterstützung des Breitbandausbaus (auch 5G) erscheint es daher erforderlich, nunmehr auch Antennentragemasten für Mobilfunkzwecke samt Zubehör einem behördlich durchsetzbaren Infrastrukturrecht zu unterstellen. Angesichts des Wortlautes, der sich an die öffentlichen Eigentümer als Adressaten richtet, sind die Erläuterungen folgendermaßen zu verstehen: Darin wird indirekt – ohne jeden Beleg und ohne jede Bezugnahme auf reale Hintergründe – behauptet, dass die Gebietskörperschaften und ihre Rechtsträger, würde der Bundesgesetzgeber keine Zwangsrechte vorsehen, den Ausbau der Mobilfunknetze behindern könnten. Dazu ist zu bemerken, dass diese Annahme, wie im Folgenden ausführlich dargelegt wird, jeder sachlichen Grundlage entbehrt. […]

Es gibt in Österreich rund 18.400 Mobilfunksendeanlagen (Stand per 30. Juni 2019; die Anzahl dürfte weiter gestiegen sein). Sämtliche Antennentragemasten wurden ohne Geltendmachung eines 'Standortrechts' errichtet; die Standortdichte nimmt jährlich zu und gewinnt jährlich an Qualität. Zahlenmäßig waren über 90% der Sendeanlagen (17.307) bereits im Jahr 2005 in Bestand. Im Bundesland Wien ist die Anzahl der Sendeanlagen im Verhältnis zur Fläche überproportional hoch, was durch die hohe Zahl der Nutzer und die Bebauungsdichte zu erklären ist. Allein die Unternehmung Stadt Wien – Wiener Wohnen hat über 650 aufrechte Mietverträge für Antennentragemasten an ca. 1000 unterschiedlichen Standorten, die jährlich steigen.

Die Wiener Landesregierung kann keine Behinderung des Ausbaus von Mobilfunknetzen erkennen. Es gibt auch keinen Mangel an geeigneten Grundflächen. Öffentliche Grundflächen, auf die die Bereitsteller öffentlicher Kommunikationsdienste auf vertraglicher Basis, und damit ohne staatlichen Eingriff, greifen können, sind in ausreichender Anzahl vorhanden. Auch im Ländervergleich schneidet Österreich gut ab; ein Defizit beim Ausbau der Mobilfunkinfrastruktur ist nicht ersichtlich.

[…]

Zusammenfassend liegt daher weder eine Behinderung des Breitbandausbaus vor, noch besteht irgendeine Gefahr, dass eine solche Behinderung eintreten könnte. Der Bestimmung des §59 TKG 2021 fehlt es daher an einer sachlichen Rechtfertigung. Die ohne sachliche Grundlage bloß angenommene Gefahr der Behinderung des Breitbandausbaus ist keine hinreichende sachliche Rechtfertigung für den mit der Einführung des beschriebenen Standortrechtes verbundenen Eingriff in das Grundrecht auf Gleichheit vor dem Gesetz.

[…] Verletzung im Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz (Art7 Abs1 B-VG) durch die Beschränkung des Adressatenkreises auf öffentliche Eigentümer

Der Bundesgesetzgeber hat, wie oben ausgeführt, das Standortrecht ausschließlich auf Liegenschaften bezogen, die im Eigentum der Gebietskörperschaften bzw im Eigentum von Rechtsträgern stehen, an denen die Gebietskörperschaften zu 100% die Anteile halten. Die Wiener Landesregierung ist der Auffassung, dass die angefochtene Bestimmung alleine schon deshalb unsachlich ist, weil sie ausschließlich an öffentliche Eigentümer adressiert ist. Hierfür gibt es keinen sachlichen Grund. Die Erläuterungen führen zu dieser Frage nichts aus. Wenn tatsächlich eine so große Gefahr bestünde, dass der Ausbau der Mobilfunknetze behindert wird, ist ein Standortrecht, ausschließlich bezogen auf die Liegenschaften der öffentlichen Eigentümer, keine Lösung, die geeignet wäre, diese Gefahr abzuwenden. Es ist dem Zufall überlassen, wo sich die Liegenschaften der öffentlichen Eigentümer befinden. […]

Die durch §59 TKG 2021 bewirkte Schlechterstellung öffentlicher Grundeigentümer gegenüber privaten Grundeigentümern ist objektiv nicht begründet, macht es doch für Berechtigte keinen Unterschied, ob Antennentragemasten auf öffentlichen, oder privaten Flächen errichtet werden. Dieser Auffassung sind sogar die Mobilfunkbetreiber selbst. Denn sie haben im Begutachtungsverfahren zum Ministerialentwurf explizit die Notwendigkeit einer Inanspruchnahme privater Grundflächen hervorgehoben und ein Standortrecht auch gegenüber privaten Grundeigentümern gefordert.

[…] Verletzung im Recht auf Eigentum (Art5 StGG, Art1 erstes Zusatzprotokoll zur EMRK) wegen fehlender Verhältnismäßigkeit des Standortrechts und seiner zwangsweisen Durchsetzung sowie wegen bloßer Abgeltung der Wertminderung

[…]

Ein Standortrecht für Antennentragemasten ist nicht erforderlich, um das öffentliche Interesse an einem weiteren Mobilfunkausbau durchzusetzen (siehe dazu bereits die [obigen] Ausführungen […]). […]

Selbst wenn die Erforderlichkeit des Standortrechts grundsätzlich bejaht würde (was ausdrücklich bestritten wird), bilden die Regelungen über die Einräumung des Standortrechtes in §59 Abs1 TKG 2021 in Verbindung mit den Bestimmungen über den Ersatz der Vereinbarung durch die Entscheidung der Regulierungsbehörde in Abs5 einen unverhältnismäßigen Grundrechtseingriff, weil das Standortrecht nicht das gelindeste Mittel zur Erreichung des Regelungsziels bildet. Dies ergibt sich daraus, dass das Standortrecht – im Vergleich zu Leitungsrechten – ungleich eingriffsintensiver ist:

Das Standortrecht bezieht sich auf Antennentragemasten samt allen vor Ort erforderlichen Einrichtungen, die unabhängig von der eingesetzten Technologie für den technischen Betrieb erforderlich sind. Leitungsrechte betreffen hingegen unter- oder oberirdisch (im Mauerwerk/in Schächten) verlegte Leitungen. Der Unterschied ist gravierend, nicht nur in puncto Flächenverbrauch, sondern auch, was das Erscheinungsbild der Grundfläche nach Errichtung betrifft. Eine parallele Nutzung der Grundfläche, auf welcher Antennentragemasten samt vor Ort erforderlichen Einrichtungen errichtet wurden, ist überhaupt nicht (oder nicht mehr sinnvoll) möglich. Das Standortrecht führt also zu einer erheblichen Wertminderung und einer massiv eingeschränkten Nutzbarkeit der betroffenen Grundflächen. Auch in zeitlicher Hinsicht ist die Belastung gravierend (die Nutzungsdauer, die mit dem Standortrecht verbunden ist, ist zeitlich nicht limitiert).

Das Verfügungsrecht der belasteten öffentlichen Grundeigentümer über die mit dem Standortrecht belastete Grundfläche ist durch den Bestandschutz sowie das eingeschränkte Verfügungsrecht – dieses steht nur mehr zu, wenn der öffentliche Eigentümer zwingende technische Gründe für die Verlegung der Anlage geltend machen kann – massiv eingeschränkt. Dies geht aus §59 Abs2 TKG 2021 sowie den Erläuterungen dazu eindeutig hervor. Öffentliche Grundeigentümer werden also ungleich massiver belastet als durch Leitungsrechte. Das Standortrecht ist de facto 'einzementiert', was in den Erläuterungen zu §59 Abs2 TKG 2021 auch als absolut notwendig erachtet wird. Eine – aus technischen Gründen unbedingt notwendige – Verlegung der Anlage hat nicht zur Wirkung, dass der Grundeigentümer von der gesetzlichen Pflicht zur Einräumung des Standortrechtes befreit ist. Vielmehr muss er einen Ersatzstandort anbieten.

[…]

§59 Abs1, 2, 3 und 5 TKG 2021 greifen somit in verfassungswidriger Weise in das Grundrecht auf Eigentum der öffentlichen Grundeigentümer ein, weil diese Regelungen öffentliche Grundeigentümer mit dem Standortrecht in unverhältnismäßiger Weise belasten.

[…] Verletzung des Rechtes der Gemeinde auf Selbstverwaltung

Die […] dargelegte Einschränkung des Adressatenkreises des §59 Abs1 TKG 2021 auf öffentliche Eigentümer in Verbindung mit der fehlenden Notwendigkeit für das Standortrecht ist auch noch im Zusammenhang mit der verfassungsrechtlichen Ausgestaltung der Privatautonomie der Gemeinden von verfassungsrechtlicher Relevanz. […]

Die Wiener Landesregierung ist der Auffassung, dass §59 Abs1 TKG 2021, indem dieser das Standortrecht auf Liegenschaften im Eigentum von Gebietskörperschaften beschränkt, die Gebietskörperschaften schlechter stellt als alle anderen, vom Standortrecht nicht betroffenen Rechtssubjekte, nämlich die juristischen Personen des Privatrechtes sowie die sonstigen Liegenschaftseigentümer. Insofern §59 Abs1 TKG 2021 dabei die Gemeinde als vom Standortrecht Belastete miterfasst, wird diese gegenüber den nicht betroffenen Rechtssubjekten ohne sachlichen Grund diskriminiert. §59 Abs1 TKG 2021 verstößt deshalb gegen das in Art116 Abs2 B-VG enthaltene Diskriminierungsverbot.

Ferner führen §59 Abs1 und 5 TKG 2021 die der Gemeinde als juristische Person zustehenden, im gegebenen Kontext als verfassungsrechtliche Schranken für das Handeln der Gemeinde zu verstehenden Grundrechte auf Gleichheit vor dem Gesetz und auf Eigentum nicht bloß grundrechtskonform aus, sondern verletzen diese […]. Außerdem richtet sich §59 Abs1 TKG 2021, wie erwähnt, nicht an die Allgemeinheit, sondern nur an die öffentlichen Eigentümer. Aus diesen Gründen kann die Bestimmung nicht als 'allgemeines Gesetz' im Sinne des Art116 Abs2 B-VG angesehen werden.

Nach den obigen Ausführungen der Lehre sowie dem zitierten Judikat des Verfassungsgerichtshofes [VfSlg 9885/1983] sind die Befugnisse der Aufsichtsbehörde als in der Verfassung unmittelbar grundgelegter verfassungsrechtlicher Maßstab für die Prüfung der Zulässigkeit von einfachgesetzlichen Determinierungen der Privatwirtschaftsverwaltung, die keine 'allgemeinen Gesetze' sind, heranzuziehen (Hengstschläger, [Zur Zulässigkeit einfachgesetzlicher Determinierungen der Privatwirtschaftsverwaltung der Gemeinden, in FS Adamovich, 143], 150; VfSlg 9885/1983). Der Genehmigungsvorbehalt in Art119a Abs8 B-VG ist – neben der Ersatzvornahme in Art119a Abs7 B-VG – der wohl schärfste denkbare Eingriff der Aufsichtsbehörde in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde.

Vergleicht man die in §59 Abs5 TKG 2021 enthaltenen Befugnisse der Regulierungsbehörde, die zur Ersetzung der privatrechtlichen Einigung der Beteiligten befugt ist, mit den Befugnissen der Aufsichtsbehörde gemäß Art119a Abs8 B-VG, die nur unter sehr restriktiven Voraussetzungen bestehen, ergibt sich, dass der Bundesgesetzgeber einfachgesetzlich eine von den Rechtsfolgen her gesehen weitergehende Regelung wie den Genehmigungsvorbehalt in Art119a Abs8 B-VG geschaffen hat. Nach Art119a Abs8 B-VG können einzelne von der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich zu treffende Maßnahmen, durch die auch überörtliche Interessen in besonderem Maß berührt werden, insbesondere solche von besonderer finanzieller Bedeutung, durch die zuständige Gesetzgebung (Abs3) an eine Genehmigung der Aufsichtsbehörde gebunden werden. Als Grund für die Versagung der Genehmigung darf nur ein Tatbestand vorgesehen werden, der die Bevorzugung überörtlicher Interessen eindeutig rechtfertigt. Die Ersetzung der privatrechtliehen Einigung zwischen den Beteiligten durch die Regulierungsbehörde geht zum einen bereits insofern über den Genehmigungsvorbehalt hinaus, als die Aufsichtsbehörde bestimmte Geschäfte der Gemeinde nur genehmigen oder nicht genehmigen darf; ein Einfluss auf den Inhalt des Geschäftes dahingehend, dass die Aufsichtsbehörde – so wie im gegebenen Zusammenhang die Regulierungsbehörde – das Geschäft durch eine eigene Entscheidung ersetzen und dessen Konditionen somit ändern kann, steht ihr nicht zu. Schon alleine deshalb ist §59 Abs5 TKG 2021 verfassungswidrig.

§59 Abs5 TKG 2021 enthält zum anderen aber auch keine Grundlage dafür, dass die Regulierungsbehörde eine dem Art119a Abs8 letzter Satz B-VG entsprechende lnteressenabwägung vorzunehmen hätte. §59 TKG 2021 enthält auch sonst in den anderen Absätzen keine Hinweise darauf, dass eine lnteressenabwägung durchzuführen und die Interessen der Gemeinden zu berücksichtigen wären. Er ist daher in Bezug auf dieses Erfordernis auch keiner verfassungskonformen Interpretation zugänglich. Als handfeste Interessen der Gemeinde, wozu sie die für das Standortrecht beanspruchte Flächen nutzen und damit andere öffentliche Interessen verfolgen könnte, sind beispielsweise der soziale Wohnbau (z. B. durch den Ausbau von Dachgeschossen oder die Aufstockung von Gebäuden), eine klimafreundliche Energiegewinnung (z. B. Solar- oder Photovoltaikanlagen auf Dachflächen) im Einklang mit dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz ('EAG')[…], auf dessen Basis das übergeordnete Ziel der Klimaneutralität bis zum Jahr 2040 erreicht werden soll, eine Begrünung von Dachflächen zur Kühlung der Temperatur während Hitzeperioden sowie der Schutz des örtlichen Stadtbildes von historischen Ensembles (z. B. in Schutzzonen wie dem gesamten 1. Bezirk) anzuführen. Diese legitimen Interessen der Gemeinde lassen erkennen, dass – es keinesfalls sicher ist, dass bei entsprechender Berücksichtigung des verfassungsrechtlich garantierten Selbstverwaltungsrechtes der Gemeinde – in jedem Fall und auf allen Gebäuden der Gemeinde und ihrer Rechtsträger Standorte für Antennentragemasten bevorzugt errichtet werden müssen, wie dies der einfache Bundesgesetzgeber anordnet. Auch aus den Erläuterungen geht nicht hervor, welche Tatbestände die Bevorzugung überörtlicher Interessen gegenüber den örtlichen Interessen der Gemeinde eindeutig in allen denkbaren Fällen rechtfertigen.

[…] Verletzung im Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz (Art7 Abs1 B-VG) als Vertrauensschutz bei Eingriff in bestehende Verträge

Nach den Erläuterungen zu §59 Abs1 TKG 2021 soll das Standortrecht nicht in bestehende Verträge eingreifen. War dem Bundesgesetzgeber dieses Ziel ein wirkliches Anliegen, muss eine teleologische Interpretation ergeben, dass damit offenbar nur solche Verträge zwischen öffentlichen Eigentümern und Mobilfunkbetreibern gemeint sind, in denen bei einer längeren Laufzeit kein Kündigungsrecht des Mobilfunkbetreibers vorgesehen ist. Denn sonst könnte der Mobilfunkbetreiber den Vertrag ohnehin kündigen und mit einmaliger Entrichtung einer Abgeltung das Standortrecht in Anspruch nehmen, ohne weiterhin ein vertraglich vereinbartes Entgelt entrichten zu müssen. Dem Wortlaut des §59 TKG 2021 kann dieser Sinn nicht entnommen werden. Die Übergangsbestimmungen in §212 TKG 2021 enthalten keine Bezugnahme auf im Anwendungsbereich des §59 TKG 2021 bestehende Verträge. Auch eine systematische Interpretation des Wortlautes des §59 Abs4 TKG 2021 ('dem Eigentümer das beabsichtigte Vorhaben unter Beigabe einer Planskizze schriftlich und nachweislich bekanntzumachen und diesem eine Abgeltung gemäß Abs3 anzubieten') in Verbindung mit §59 Abs5 TKG 2021 ('binnen einer Frist von vier Wochen ab der Bekanntmachung des Vorhabens nach Abs4 keine Vereinbarung über das Standortrecht') spricht dafür, dass auch Berechtigte, die über ein aufrechtes vertragliches Nutzungsrecht verfügen, das gesetzliche Standortrecht geltend machen können.

[…]

Bei §59 TKG 2021 handelt es sich im Ergebnis um eine rückwirkende Rechtsvorschrift[.] Außerdem wirkt die Norm belastend: Es kann durchaus sein, dass die vorgenommenen Planungen, gezeichneten Baupläne, vorgenommenen Vermessung[en] von Liegenschaften, eingeholte Schätzgutachten, durchgeführte und wieder geschlossene Aufgrabungen für Einbauten im öffentlichen Gut nunmehr angesichts des Standortrechts revidiert, geändert, neu verhandelt bzw neu vorgenommen werden müssen.

Der Bundesgesetzgeber hätte angesichts der denkmöglichen Dispositionen der belasteten öffentlichen Eigentümer in Bezug auf die für ein Standortrecht in Betracht kommenden Liegenschaften eine gewisse Übergangsfrist vorsehen müssen, welche es den öffentlichen Eigentümern ermöglicht hätte, sich auf die neue Rechtslage entsprechend einzustellen. Dies ist jedoch nicht geschehen. Vor diesem Hintergrund ist sohin §59 TKG 2021 auch wegen Verstoß[es] gegen den aus dem Gleichheitsgrundsatz erfließenden Vertrauensschutz verfassungswidrig.

[…] Verletzung des Bestimmtheitsgebotes des Legalitätsprinzips (Art18 Abs1 B-VG) sowie des aus dem Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter erfließenden Gebotes der präzisen Regelung der Behördenzuständigkeit (Art83 Abs2 B-VG)

Einzelne Wendungen in §59 TKG 2021 sind, wie nachstehend dargelegt wird, in einem Ausmaß unbestimmt, dass sie einer Auslegung nicht zugänglich sind und darauf basierende Entscheidungen der Behörde durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts nicht überprüft werden können. Auch die dadurch veranlassten Verfügungen und Entscheidungen der vom Standortrecht Belasteten sind dadurch in einem Ausmaß von Rechtsunsicherheit betroffen, welches mit dem rechtstaatlichen Prinzip nicht vereinbar ist.

[…] Die Unbestimmtheit der Wortfolge 'Standortrechte ... in Anspruch zu nehmen' in §59 Abs1 zweiter Satz TKG 2021 in Verbindung mit der Unbestimmtheit der Wendung 'Entscheidung der Regulierungsbehörde' in §59 Abs5 TKG 2021

[…]

Nach dem Wortlaut [des §59 Abs5 TKG 2021] kann zwar jeder Beteiligte (sowohl die Berechtigten, als auch die öffentlichen Grundeigentümer) in einer gewissen Phase des Verfahrens 'die Entscheidung der Regulierungsbehörde beantragen', allerdings bleibt völlig offen, was die Regulierungsbehörde eigentlich entscheiden soll. Anknüpfend an den Wortlaut dieser Bestimmungen stellt sich als Erstes die Frage, ob die Regulierungsbehörde über das Bestehen eines Standortrechtes oder über das Zustandekommen einer Vereinbarung darüber entscheiden soll. Ferner käme in Betracht, dass die Regulierungsbehörde auch bzw alternativ dazu über inhaltliche Bestandteile des Standortrechtes oder der Vereinbarung entscheidet. Nach dem Wortlaut des §59 Abs1 TKG 2021 bleibt offen, ob das Standortrecht – bei Zutreffen der gesetzlichen Voraussetzungen – bereits ex lege entstanden ist. Es ist somit fraglich, ob das Standortrecht als solches den Gegenstand der Entscheidung der Regulierungsbehörde bilden kann. Die Formulierung des Abs5 spricht dafür, dass nur die Vereinbarung und somit die einzelnen Bedingungen Gegenstand sein können, unter denen das Standortrecht in Anspruch genommen werden soll.

[…]

Der Wortlaut [des §12a Abs2 TKG 2003] lässt keine der oben angeführten Fragen offen. Es liegt auf der Hand, dass der Bundesgesetzgeber die Bestimmungen des §59 TKG 2021 in gleichartiger Weise wie […] §12a Abs2 TKG 2003 auf all jene Fragen des Standortrechtes hin auszugestalten hätte, die in der Praxis im Konfliktfall auftreten können. Anderenfalls verfehlt die Bestimmung ihr Ziel. Im Vergleich dazu regelt §59 Abs5 TKG 2021 nicht einmal, dass die Regulierungsbehörde überhaupt eine Entscheidung zu fällen hat, geschweige denn welchen Inhalt und welche Rechtswirkungen diese Entscheidung haben soll. Auch aus §59 Abs1 TKG 2021, wonach die Berechtigten Standortrechte 'in Anspruch ... nehmen' können, lässt sich nichts Genaueres ableiten.

[…] Unbestimmtheit der Wendung in §59 Abs3 TKG 2021 'eine der Wertminderung durch das Standortrecht entsprechende Abgeltung'; Unbestimmtheit der Wendung in §59 Abs4 'eine Abgeltung des Abs3 anzubieten'; Unbestimmtheit der Regelung über die Zuständigkeit der Regulierungsbehörde in §59 Abs5 TKG 2021

[…]

Diese Bestimmungen werfen die Fragen auf, welche Rolle die Abgeltung für die Wertminderung in Bezug auf die Zuständigkeit der Regulierungsbehörde zur Entscheidung über das Standortrecht spielt. Abs3 sieht vor, dass letztlich eine Abgeltung für die Wertminderung zu bezahlen ist. Wann diese fällig wird und ob die Auszahlung Voraussetzung für die Anrufung der Regulierungsbehörde ist, ist nicht geregelt. Ebenso ist nicht geregelt, ob die Abgeltung einen zwingenden Bestandteil der Vereinbarung über das Standortrecht bilden muss oder ob dieses auch separat – also unabhängig von den übrigen Bestandteilen der Vereinbarung – angeboten werden darf und die Regulierungsbehörde das Standortrecht somit auch ohne eine Einigung über die Abgeltung einräumen darf. Nach dem Wortlaut des Abs4 darf das Standortrecht nämlich bereits vor der Bezahlung in Anspruch genommen werden, sofern dieses zumindest angeboten wird (Arg. Abs4 'wenn ein Standortrecht ... in Anspruch genommen wird').

Denkbar wäre ferner, dass die angebotene Abgeltung, um die Regulierungsbehörde anrufen zu können, bereits in entsprechender Höhe ausbezahlt sein muss, damit die Regulierungsbehörde angerufen werden kann (Arg. Abs1 'entsprechende Abgeltung zu bezahlen'). Ferner wäre denkbar, dass die Abgeltung zwar angeboten werden muss (Arg. Abs4 'anzubieten'), dass für die Inanspruchnahme der Zuständigkeit der Regulierungsbehörde aber ein Anbot über einen symbolischen Betrag (z. B. 1 Euro) ausreicht.

[…] Unbestimmtheit des ganzen §59 TKG 2021 wegen Fehlens einer abschließenden Regelung über eine angemessene Entschädigung

Ferner stellt sich die ganz grundsätzliche Frage, ob die in §59 Abs3 TKG 2021 geregelte Abgeltung der Wertminderung bereits ex lege als abschließende Entschädigung für die Einräumung des Standortrechtes anzusehen ist oder ob es sich dabei lediglich um einen Mindestbetrag handelt. Auch hier führt die Interpretation der im gegebenen Zusammenhang angeführten Bestimmungen des §59 TKG [2021] zu keinem klaren Ergebnis. Unstrittig bezieht sich §59 Abs3 TKG 2021 auf die Abgeltung der Wertminderung. Damit ist aber noch nichts gewonnen, da der genaue Umfang und die Berechnungsmethodik offenbleiben. Die Erläuterungen zu §59 Abs3 TKG 2021 führen aus, dass sich die Regulierungsbehörde bei der Festlegung der Richtsätze (§55 [TKG 2021]) an der Methodik und den Parametern der Verordnung der Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH (RTR-GmbH), mit der Richtsätze für die Abgeltung der Wertminderung von Liegenschaften und Objekten durch Antennentragemasten und Leitungsrechte festgelegt werden – Wertminderungs-Richtsätze-Verordnung 2019, BGBl II Nr 310/2019[…] (WR-V 2019), orientieren soll. Diese Argumentation ist unschlüssig, da […] mit dem Standortrecht eine viel gravierendere Eigentumsbeschränkung verbunden ist als mit einem Leitungsrecht. […]

Die Abgeltung der Vermögenseinbuße mit einem Ersatz für Wertminderung bedeutet noch nicht zwingend, dass der Grundeigentümer daneben nicht auch noch ein (z. B. wiederkehrendes) Entgelt für die Benützung der vom Standortrecht betroffenen Flächen verlangen könnte[…]. Die Regulierungsbehörde gesteht in den Erläuterungen zur Wertminderungs-Richtsätze-Verordnung 2019 auf Seite 5 durchaus zu, dass neben der Abgeltung der Wertminderung (Einschränkung des Eigentums bei Einräumung des Leitungsrechts) noch ein Entgelt für die Benützung der Sache erhoben werden könnte, handelt es sich doch dabei um unterschiedliche Ansprüche. Sie schließt diese Möglichkeit aber mit dem Argument aus, dass das Gesetz die aus dem Leitungsrecht resultierenden Abgeltungsansprüche abschließend abbilde und verweist insoweit auf eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 24. Oktober 2017 zu 4 Ob 174/17t. […]

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass §59 TKG 2021 unter anderem auch deshalb wegen Verstoß[es] gegen Art18 Abs1 B-VG verfassungswidrig ist, weil dieser ausgehend vom Gewicht des Standortrechtes keine hinreichend determinierten Bestimmungen über eine angemessene Entschädigung für das Standortrecht enthält.

[…] Unbestimmtheit der Wortfolge in §59 Abs1 TKG 2021 'öffentliche Rücksichten nicht im Wege stehen'

§59 Abs1 [TKG 2021] gesteht das Standortrecht ua nur zu, wenn öffentliche Rücksichten nicht im Wege stehen. Allerdings bleibt völlig unklar, was mit 'öffentlichen Rücksichten' und 'nicht im Wege stehen' allgemein und bezogen auf die konkrete Inanspruchnahme eines Standorts gemeint ist bzw nach welchen Kriterien diese Voraussetzung für das Standortrecht geprüft werden sollen und ob in die Prüfung einbezogene Kriterien weit oder eng ausgelegt werden sollen.

[…] Verstoß des §59 Abs1 und 5 TKG 2021 gegen die bundesstaatliche Rücksichtnahmepflicht:

[…]

Der Bundesgesetzgeber hat bei der Ausformulierung von §59 TKG 2021 die Interessen der Länder und Gemeinden nicht ausreichend berücksichtigt und vor allem keinen angemessenen Interessenausgleich vorgesehen. Zwar gewährt §59 Abs1 TKG 2021 ein Standortrecht nur dann, wenn 'öffentliche Rücksichten nicht im Wege stehen'. Allerdings ist diese Wortfolge völlig unbestimmt […]. Es ist somit nicht sichergestellt, dass eine entsprechende Abwägung der Interessen der gegenbeteiligten Gebietskörperschaften stattfindet. §59 TKG 2021 torpediert die Interessen der Länder und Gemeinden vielmehr, indem der Bundesgesetzgeber den Berechtigten das Recht zu gesteht, Grund- bzw Dachflächen für Antennentragemasten zu beanspruchen, obwohl die Länder und Gemeinden auf verschiedensten Ebene[n] andere gewichtige Interessen und Planungsziele verfolgen. Der Bundesgesetzgeber nimmt somit nicht ausreichend die Interessen der anderen Gebietskörperschaften wahr und verstößt daher somit gegen die bundesstaatliche Rücksichtnahmepflicht."

2. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie die Zulässigkeit des Antrages nicht bestreitet, den im Antrag erhobenen Bedenken aber wie folgt entgegentritt (ohne die Hervorhebungen im Original):

"Das Standortrecht ist (in unterschiedlichen Bezeichnungen) ein seit Jahren diskutiertes Infrastrukturrecht. Zwar können Antennentragemasten – wie von der Wiener Landesregierung ausgeführt – auf Basis einer vertraglichen Regelung mit dem Vermieter errichtet werden. Dies trifft jedoch auf die etablierten Leitungsrechte auch zu. Der Unterschied lag bis zum TKG 2021 darin, dass bei Nichtzustandekommen einer Vereinbarung über ein Leitungsrecht jeder der Beteiligten die Entscheidung der Regulierungsbehörde beantragen kann. Diese Entscheidung ersetzt – bei Vorliegen der Voraussetzungen – die vertragliche Einigung und begründet damit das Leitungsrecht. Vereinbarungen über Standorte (Antennentragemasten) waren jedoch bislang nicht durch […] (vertragsersetzende) Entscheidungen der Behörde ersetzbar, wodurch sich die Verhandlungsmacht der Grundeigentümer betreffend Mobilfunkstandorte deutlich von deren Verhandlungsmacht in Bezug auf alle anderen Infrastrukturtypen unterschied. Seitdem der Mobilfunk ein Massenphänomen ist und die Nutzung und der Datenverbrauch in den letzten Jahren massiv zugenommen hat, ist das Errichten neuer Antennentragemasten zur Notwendigkeit geworden.

[…] Zu den Bedenken im Hinblick auf die Verletzung im Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 Abs1 B-VG) durch die Annahme der Behinderung des Breitbandausbaus

[…]

Da bis zum TKG 2021 Vereinbarungen über Standorte (Antennentragemasten) nicht durch […] (vertragsersetzende) Entscheidungen der Behörde ersetzbar waren, kamen zwar Vereinbarungen zwischen Grundeigentümern und Mobilfunkbetreibern zustande, aufgrund der oben erwähnten Verhandlungsmacht der Grundeigentümer betreffend Mobilfunkstandorte sind die von den Grundeigentümern vor allem im urbanen Bereich verlangten Entgelte jedoch zu hoch für einen raschen Breitbandausbau. Der Breitbandausbau wird also nicht durch eine grundsätzliche Weigerung der (öffentlichen) Grundeigentümer behindert, jedoch durch die in der Praxis verlangten Entgelte. Aus diesem Grund wurde mit §59 TKG 2021 die Möglichkeit geschaffen, unter strengen Voraussetzungen und Bedingungen, die aus den seit Jahrzehnten bewährten und in der höchstgerichtlichen Judikatur behandelten Bestimmungen über die Einräumung von Leitungsrechten an öffentlichem Eigentum übernommen wurden, Vereinbarungen über Standorte durch behördliche (vertragsersetzende) Entscheidungen zu ersetzen.

Nach ständiger Rechtsprechung des VfGH [vgl VfSlg 17.012/2003, 15.031/1997] steht dem Gesetzgeber ein Spielraum zu, Regelungen seinen rechtspolitischen Vorstellungen entsprechend zu gestalten.[…] Bei der Wahl der Mittel zur Zielerreichung ist der Gesetzgeber weitgehend frei. Der VfGH [vgl zB VfSlg 17.951/2006, 16.814/2003, 11.774/1988] betont dabei insbesondere, nicht die Zweckmäßigkeit einer Regelung am Gleichheitssatz zu messen: 'Ob die Regelung zweckmäßig ist oder gar, ob mit ihr der optimale Weg zur Zielerreichung beschritten wird, sind Fragen, die vom VfGH unter dem Blickwinkel des Gleichheitsgebots nicht zu beurteilen sind.'[…] Vielmehr ist es 'wesentliche Aufgabe des Gesetzgebers', die Vor-und Nachteile gegeneinander abzuwägen.[…] Schranken, die der Gleichheitssatz dem Gesetzgeber setzt, werden nach stRsp dann überschritten, wenn zur Zielerreichung völlig ungeeignete Mittel vorgesehen sind oder die vorgesehenen, an sich geeigneten Mittel zu einer sachlich nicht begründbaren Differenzierung führen würden.

Diesen Gestaltungsspielraum hat der VfGH [9.3.2021, E3802/2020] dem Gesetzgeber hinsichtlich der Ausnahme für Antennentragemasten zugestanden, dabei aber gerade nicht ausgesprochen, dass diese Ausnahme zwingend ist. Vielmehr muss umgekehrt auch die (Wieder)Aufnahme eines Zwangsrechtes – unter Berücksichtigung der Grundrechtsjudikatur des VfGH betreffend Eigentumsbeschränkungen – innerhalb des gesetzgeberischen Spielraums liegen.

Auch der Versuch der Wiener Landesregierung, die Regelung als unsachlich darzustellen, indem sie kritisiert, die Regelung greife nicht in bestehende Verträge ein, geht ins Leere: gerade die Beschränkung auf künftige Standorte zeigt, dass der Gesetzgeber, weil er eben keine Rückwirkung anordnet, auf das Sachlichkeitsgebot besondere Rücksicht nimmt.

Ausgehend davon, dass ein erhebliches öffentliches Interesse am Breitbandausbau besteht und aufgrund der bisherigen Ausbaumöglichkeiten dieses Ziel nicht vollständig erreicht werden kann, erscheint es keineswegs unsachlich, dass der Gesetzgeber im Rahmen seines rechtspolitischen Spielraums den Weg eines den Regeln der Eigentumsbeschränkung folgenden Instruments geschaffen hat.

[…] Zu den Bedenken im Hinblick auf die Verletzung im Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz (Art7 Abs1 B-VG) durch die Beschränkung des Adressatenkreises auf öffentliche Eigentümer

[…]

Privates Eigentum ist bewusst nicht von §59 TKG 2021 erfasst. Das abgeltungspflichtige Standortrecht steht mit gutem Grund nur an Liegenschaften zu, die im öffentlichen Eigentum gemäß §4 Z63 TKG 2021 stehen, somit auch am öffentlichen Gut, soweit dies nicht im Privateigentum steht. Private Grundeigentümer sind nicht zur Duldung verpflichtet. Da das Standortrecht – wie schon die etablierten Leitungsrechte – eine Eigentumsbeschränkung darstellt, kann, der Grundrechtsjudikatur des VfGH folgend, ein solcher Grundrechtseingriff nur nach Vornahme einer Interessenabwägung auferlegt werden. Während der öffentliche Eigentümer wegen des von ihm zu vertretenden rechtspolitischen Ziels auf Ausbau einer modernen Kommunikationsinfrastruktur im Gegenzug dafür eine größere Einschränkung seines Eigentums zu akzeptieren haben wird, trifft dies auf den privaten Eigentümer eben nicht zu, weil dem privaten Eigentümer nicht ein vergleichbares, seiner Sphäre zuzurechnendes öffentliches Interesse am Breitbandausbau entgegengehalten werden kann.

Das Interesse des öffentlichen Eigentümers am Ausbau einer modernen Kommunikationsinfrastruktur lässt sich auf mehreren Ebenen begründen: Die österreichische Bundesregierung hat in ihrem Regierungsprogramm unter dem Kapitel 'Digitalisierung & Innovation' die Sicherstellung flächendeckender technologieneutraler Breitband-Versorgung, den Ausbau der 5G-Vorreiterrolle sowie den Aufbau der Infrastruktur unter Einhaltung der höchstmöglichen Sicherheitsstandards als Ziele festgelegt. Eine umfassende Breitbandstrategie soll für effizienten und raschen Ausbau der benötigten Breitband-Infrastrukturen sorgen.[…] Auch auf Ebene der Bundesländer ist der Breitbandausbau eine klare politische Zielvorgabe.[…] Die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus hat daher alleine im Jahr 2020 Fördermittel in Höhe von EUR 1.095.618.143,– gewährt, davon EUR 98.713.

Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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