TE OGH 2022/10/19 13Os92/22m

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Veröffentlicht am 19.10.2022
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Oktober 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz-Hummel LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Richteramtsanwärter Mag. Turner in der Strafsache gegen * W* wegen des Vergehens der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 und 2 StGB sowie anderer strafbarer Handlungen, AZ 48 Bl 43/21i des Landesgerichts Eisenstadt, über die von der Generalprokuratur gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Beschwerdegericht vom 25. März 2022, AZ 17 Bs 72/22w, (ON 13) erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Holzleithner, zu Recht erkannt:

Spruch

In der Strafsache AZ 48 Bl 43/21i des Landesgerichts Eisenstadt verletzt der Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Beschwerdegericht vom 25. März 2022, AZ 17 Bs 72/22w, (ON 13) § 196 Abs 2 zweiter Satz StPO.

Text

Gründe:

[1]            Die Staatsanwaltschaft Eisenstadt führte (nach der Erteilung der gemäß § 117 Abs 2 StGB erforderlichen Ermächtigungen) aufgrund einer Anzeige des Polizeibeamten * N* zum AZ 8 St 282/21y gegen * W* wegen des Vergehens der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 und 2 StGB sowie anderer strafbarer Handlungen ein Ermittlungsverfahren.

[2]            Am 3. Dezember 2021 stellte die Staatsanwaltschaft Eisenstadt dieses Verfahren gemäß § 190 Z 2 StPO ein (ON 1.3.1 des Ermittlungsakts der Staatsanwaltschaft Eisenstadt).

Rechtliche Beurteilung

[3]            Dagegen richtete sich der Fortführungsantrag des Privatbeteiligten * N* (ON 1).

[4]            Mit Beschluss vom 3. März 2022 (ON 10) wies das Landesgericht Eisenstadt als Senat von drei Richtern den Antrag auf Fortführung des Opfers * N* (ON 1) ab und trug dem Antragsteller gemäß § 196 Abs 2 StPO die Zahlung eines Pauschalkostenbeitrags von 90 Euro auf.

[5]            Gegen Letzteres richtete sich die Beschwerde des * N* (ON 11).

[6]            Die Einzelrichterin des Oberlandesgerichts Wien gab dieser Beschwerde mit Beschluss vom 25. März 2022, AZ 17 Bs 72/22w, (ON 13) statt und hob den Ausspruch ersatzlos auf.

Begründend führte sie – soweit hier von Bedeutung – wie folgt aus:

Nach dem am 1. Jänner 2021 in Kraft getretenen Hass-im-Netz-Bekämpfungs-Gesetz-HiNBG, BGBl I Nr 148/2020, wurde in § 390 Abs 1a StPO als Ausnahmebestimmung zu der allgemeinen Kostenersatzregel statuiert, dass in Strafverfahren wegen übler Nachrede (§ 111 StGB), wegen des Vorwurfs einer schon abgetanen gerichtlich strafbaren Handlung (§ 113 StGB) oder wegen Beleidigung (§ 115 StGB), die im Wege einer Telekommunikation oder unter Verwendung eines Computersystems begangen wurden, der Privatankläger oder Antragsteller (§ 71 Abs 1 StPO) nur zum Kostenersatz verpflichtet ist, wenn er den Vorwurf wissentlich falsch erhoben hat. Gleichsam wiederum als Ausnahmebestimmung dazu schreibt § 394 Abs 4a StPO fest, dass stets dann, wenn ein Strafverfahren wegen übler Nachrede (§ 111 StGB), wegen des Vorwurfs einer schon abgetanen gerichtlich strafbaren Handlung (§ 113 StGB) oder wegen Beleidigung (§ 115 StGB), die im Wege einer Telekommunikation oder unter Verwendung eines Computersystems begangen wurden, auf andere Weise als durch einen Schuldspruch beendigt wird, im Haupt- und Rechtsmittelverfahren der Privatankläger dem Angeklagten alle Kosten der Verteidigung zu ersetzen hat, sofern nicht ohnedies eine Ersatzpflicht nach '§ 393 Abs 4 StPO' (wissentlich falsche Anzeige) vorliegt.

Im gegenständlichen Fall der Geltendmachung einer Ermächtigung zum Strafverfahren und medienrechtlicher Anträge wegen Weiterverbreitung einer üblen Nachrede im Wege eines Computersystems (Teilen einer Nachricht via Facebook, in der einem Polizisten unangebracht brutale Verhaltensweisen gegenüber einem betagten Demonstranten vorgeworfen werden), ist zweifellos ein sogenannter Hass im Netz Tatbestand (§ 111 Abs 1 und 2 StGB) gegeben, dessen Verfolgung nach dem Willen des Gesetzes kostenprivilegiert sein sollte. Da kein Fall der wissentlich falschen Anzeige vorliegt, ist daher – trotz Beendigung des Verfahrens auf andere Weise als durch Schuldspruch – nach § 390 Abs 1a StPO von der Auferlegung der Kosten an den Antragsteller abzusehen.

Diese Regelung betrifft die allgemeinen Kosten des Strafverfahrens, wie z.b. einen Pauschalkostenbeitrag als Anteil an den im Folgenden nicht besonders angeführten Kosten des Strafverfahrens, einschließlich der Kosten der Ermittlungen der Kriminalpolizei und der zur Durchführung von Anordnungen der StA oder des Gerichts notwendigen Amtshandlungen (§ 381 Abs 1 Z 1 StPO), die Gebühren der Sachverständigen (§ 381 Abs 1 Z 2 StPO) und die im Strafverfahren zu entrichtenden Gerichtsgebühren (§ 381 Abs 1 Z 7 StPO).“

[7]            Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt, widerspricht die im Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vertretene Rechtsauffassung dem Gesetz:

[8]            Schon aus der systematischen Einordnung des Auftrags zur Zahlung eines Pauschalkostenbeitrags nach dem zweiten Satz des § 196 Abs 2 StPO in das 10. Hauptstück der StPO folgt, dass sich der Bezugspunkt dieser Bestimmung von jenem der Regelungen des 18. Hauptstücks der StPO über die „Kosten des Strafverfahrens“ (§§ 380 bis 395 StPO) unterscheidet. Anders als Letztere bezieht sich § 196 Abs 2 zweiter Satz StPO nämlich nicht auf Straftaten (vgl § 1 Abs 1 StPO), sondern auf den Antrag auf Fortführung (Ratz, Fortführungsanträge und deren Erledigung, ÖJZ 2020, 542 [547]).

[9]            Wird ein solcher Antrag – wie hier – zurück- oder abgewiesen, hat das Gericht dem Antragsteller (von fallbezogen nicht relevanten Sonderfällen abgesehen) zwingend (arg „ist“) die Zahlung eines Pauschalkostenbeitrags aufzutragen (13 Os 113/19w), womit insoweit für die Anwendung der vom Beschwerdegericht herangezogenen Ausnahmeregelung kein Raum bleibt. Hinzu kommt, dass § 390a Abs 1a StPO eine Sondernorm über die Kostenersatzpflicht des Privatanklägers oder Antragstellers (§ 71 Abs 1 StPO) darstellt, wogegen § 196 Abs 2 zweiter Satz StPO auf der Prozesssituation eines nach §§ 190 bis 192 StPO beendeten Offizialverfahrens (§ 2 Abs 1 StPO) basiert.

[10]           Da sich die aufgezeigte Gesetzesverletzung nicht zum Nachteil des vormals Verdächtigten auswirkt und überdies dem Antragsteller zum Vorteil gereicht (hiezu RIS-Justiz RS0059218 sowie Ratz, WK-StPO § 281 Rz 29 mwN), hat es mit ihrer Feststellung sein Bewenden (§ 292 vorletzter Satz StPO).

Textnummer

E136458

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2022:0130OS00092.22M.1019.000

Im RIS seit

09.11.2022

Zuletzt aktualisiert am

09.11.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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