Index
001 Verwaltungsrecht allgemeinNorm
AVG §38Beachte
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Mag. Stickler und Dr. Himberger, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revisionen des K J in H, 1.) vertreten durch Mag. Alexander Wirth, Rechtsanwalt in 6800 Feldkirch, Marktplatz 8/3, (protokolliert zu Ra 2021/07/0063) und 2.) vertreten durch die Battlogg Rechtsanwalts GmbH in 6780 Schruns, Gerichtsweg 2, (protokolliert zu Ra 2021/07/0076) gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 5. Juli 2021, LVwG-435-1/2021-R15, betreffend Parteistellung in einem wasserrechtlichen Kollaudierungsverfahren (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Dornbirn), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revisionen werden zurückgewiesen.
Begründung
1 Die Bezirkshauptmannschaft Dornbirn (BH Dornbirn) stellte mit Bescheid vom 20. November 2018 gemäß § 121 Abs. 1 WRG 1959 fest, dass ein näher bezeichnetes, von der Stadt H. als Wasserberechtigter aufgrund einer am im Jahr 2002 erteilten Bewilligung errichtetes Projekt der Verbauung des P-Baches mit Ausnahme geringfügiger Änderungen entsprechend der Bewilligung ausgeführt worden sei. Hinsichtlich der näher bezeichneten Abweichungen erteilte die BH eine nachträgliche wasserrechtliche Bewilligung. Dieser Bescheid wurde dem Revisionswerber nicht zugestellt.
2 Aufgrund des Antrages des Revisionswerbers stellte die BH Dornbirn mit Bescheid vom 6. November 2020 fest, dass dem Revisionswerber im Kollaudierungsverfahren keine Parteistellung zukomme. Unter einem wurde der Antrag des Revisionswerbers, das mit Bescheid der BH Dornbirn vom 20. November 2018 abgeschlossene Kollaudierungsverfahren wiederaufzunehmen, zurückgewiesen.
3 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg die Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Bescheid vom 6. November 2020 als unbegründet ab. Die Revision erklärte das Landesverwaltungsgericht für nicht zulässig.
4 Begründend führte das Landesverwaltungsgericht nach Wiedergabe des Verfahrensganges zusammengefasst aus, im Bewilligungsverfahren betreffend das gegenständliche Projekt am P-Bach sei rechtskräftig festgestellt worden, dass dem Revisionswerber keine Parteistellung zukomme, weil die Wegparzelle mit der Grundstücksnummer 7269, deren Miteigentümer der Revisionswerber sei, durch das vorliegende Projekt nicht berührt werde. Das Projekt sei nunmehr entsprechend der Bewilligung ausgeführt worden. Eine Abweichung der Ausführung, durch die das im Miteigentum des Revisionswerbers stehende Grundstück in Anspruch genommen worden wäre, liege nicht vor. Damit komme dem Revisionswerber im Kollaudierungsverfahren keine Parteistellung zu.
5 Das angefochtene Erkenntnis wurde dem Revisionswerber am 7. Juli 2021 zugestellt. Der Revisionswerber brachte zunächst mit am 18. August 2021 eingelangtem Schriftsatz die nunmehr zu Ra 2021/07/0063 protokollierte Revision unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof ein. Der Verwaltungsgerichtshof veranlasste mit verfahrensleitender Anordnung vom 20. August 2021 die Übermittlung der Revision an das nach § 25a Abs. 5 VwGG zuständige Landesverwaltungsgericht Vorarlberg, wo die Revision am 30. August 2021 einlangte.
6 Beim Landesverwaltungsgericht Vorarlberg brachte der Revisionswerber mit am 18. August 2021 zur Post gegebenem und am folgenden Tag eingelangtem Schriftsatz die nunmehr zu Ra 2021/07/0076 protokollierte - weitgehend mit der beim Verwaltungsgerichtshof eingebrachten Revision wortgleiche, aber von einem anderen Rechtsvertreter verfasste - Revision ein.
Zur zu Ra 2021/07/0063 protokollierten Revision:
7 Nach § 24 Abs. 1 und § 25a Abs. 5 VwGG sind Revisionen beim Verwaltungsgericht einzubringen. Gemäß § 26 Abs. 1 VwGG beträgt die Frist zur Erhebung einer Revision gegen ein Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes sechs Wochen. Im vorliegenden Fall endete die Revisionsfrist gegen das angefochtene Erkenntnis - ausgehend von der unstrittig am 7. Juli 2021 erfolgten Zustellung des angefochtenen Erkenntnisses an den Revisionswerber - am 18. August 2021.
8 Wird ein fristgebundenes Anbringen bei einer unzuständigen Stelle eingebracht, so erfolgt die Weiterleitung auf Gefahr des Einschreiters. Die für die Erhebung der Revision geltende Frist ist nur dann gewahrt, wenn die Revision noch innerhalb der Frist einem Zustelldienst zur Beförderung an die zuständige Stelle übergeben wird oder bei dieser einlangt (vgl. etwa VwGH Ra 30.7.2020, Ra 2019/07/0036, mwN).
9 Die zu Ra 2021/07/0063 protokollierte Revision wurde beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht. Die Weiterleitung an das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg erfolgte erst nach Ablauf der Revisionsfrist, sodass sich die Revision als verspätet erweist. Dazu tritt, dass der Revisionswerber sein Revisionsrecht durch die Erhebung der zuvor bei der für die Einbringung zuständigen Stelle - dem Landesverwaltungsgericht Vorarlberg - eingebrachten, zu Ra 2021/07/0076 protokollierten Revision verbraucht hat (vgl. etwa VwGH 20.6.2022, Ra 2021/10/0160, mwN).
10 Die zu Ra 2021/07/0063 protokollierte Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Zur zu Ra 2021/07/0076 protokollierten Revision:
11 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
12 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
13 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
14 In den nach § 28 Abs. 3 VwGG bei einer außerordentlichen Revision gesondert vorzubringenden Gründen ist konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogen aufzuzeigen, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung über die Revision zu lösen hätte. Die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof erfolgt ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulässigkeitsbegründung. Der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. etwa VwGH 30.12.2020, Ra 2020/07/0111, mwN).
15 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit seiner Revision vor, es sei bereits rechtskräftig mit Bescheid der BH Dornbirn vom 15. Dezember 2006 „geklärt“ worden, dass ihm Parteistellung im Kollaudierungsverfahren zukomme. Mit diesem Bescheid sei ihm die Parteistellung zuerkannt und der Kollaudierungsbescheid vom 23. Februar 2004 aufgehoben worden. Weiters sei der Bewilligungswerberin des gegenständlichen Projektes mit Bescheid der BH Dornbirn vom 4. November 2011 die Herstellung des rechtmäßigen Zustandes hinsichtlich des im Miteigentum des Revisionswerbers stehenden Grundstückes aufgetragen worden. Das Landesverwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abgewichen, indem es sich über die Rechtskraft dieser Bescheide hinweggesetzt habe.
16 Das Landesverwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes einer Partei des Bewilligungsverfahrens auch im Kollaudierungsverfahren Parteistellung zukommt; ihr kommt das Recht zu, geltend zu machen, dass die ausgeführte Anlage in einer ihre Rechte berührenden Weise nicht mit dem Bewilligungsbescheid übereinstimme. Darüber hinaus kommt Parteistellung im Überprüfungsverfahren - unabhängig von einer Parteistellung im Bewilligungsverfahren - auch demjenigen zu, der durch eine Abweichung vom genehmigten Projekt in seinen Rechten berührt wird (vgl. VwGH 30.5.2017, Ra 2017/07/0034, 0035, mwN).
17 Das Landesverwaltungsgericht hat eine Parteistellung des Revisionswerbers im Sinn dieser Rechtsprechung verneint. Hinsichtlich des Einwandes der Revision, dass dieser Annahme die Rechtskraft der Bescheide vom 15. Dezember 2006 und 4. November 2011 entgegenstehe, ist auf die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zu verweisen, wonach die Begründung eines Bescheides grundsätzlich nicht der Rechtskraft fähig ist und damit keine Bindungswirkung entfaltet. Was Gegenstand eines in Rechtskraft erwachsenen Bescheides einer Behörde ist, bestimmt sich ausschließlich nach dem Inhalt des Spruches des Bescheides. Nur er erlangt rechtliche Geltung (Verbindlichkeit) und legt dadurch die Grenzen der Rechtskraft fest. Die Bescheidbegründung spielt hiefür nur insoweit eine Rolle, als (auch) sie zu der (nach den für Gesetze maßgebenden Regeln vorzunehmenden) Auslegung (Deutung), nicht aber zur Ergänzung eines in sich unklaren Spruches heranzuziehen ist (vgl. etwa VwGH 15.3.2022, Ra 2021/11/0060, 0061, mwN). Für die Bindungswirkung einer rechtskräftigen Feststellung eines Rechts bzw. Rechtsverhältnisses kommt es somit grundsätzlich auf die Beurteilung des betreffenden Streitgegenstands als Hauptfrage im Spruch der Entscheidung, nicht jedoch auf eine Beurteilung in den Entscheidungsgründen an (vgl. etwa VwGH 17.5.2022, Ra 2020/06/0110, 0111, mwN).
18 Davon ist der Fall eines gemäß § 66 Abs. 2 AVG ergangenen aufhebenden und zurückverweisenden Bescheides zu unterscheiden, hinsichtlich dessen die Verwaltungsbehörden sowie auch die Verwaltungsgerichte und die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts im weiteren Verfahren an die die Aufhebung tragenden Gründe und die für die Behebung maßgebliche Rechtsansicht - sofern nicht eine wesentliche Änderung der Sach- oder Rechtslage eingetreten ist - gebunden sind (vgl. näher etwa VwGH 27.4.2021, Ra 2018/07/0334, 0335, mwN).
19 Mit dem vom Revisionswerber angesprochenen Bescheid vom 15. Dezember 2006 hat die BH Dornbirn - in Form einer Berufungsvorentscheidung nach § 64a AVG - aufgrund einer Berufung des Revisionswerbers ihren zunächst ergangenen (ersten) Kollaudierungsbescheid vom 23. Februar 2004 betreffend die gegenständliche von der Stadt H. am P-Bach errichteten Anlage aufgehoben. Über die Parteistellung des Revisionswerbers wurde im Bescheid vom 15. Dezember 2006 somit nicht als Hauptfrage entschieden. Es ist nach dem Inhalt der Entscheidung auch nicht zweifelhaft, dass keine aufhebende und zurückverweisende Entscheidung nach § 66 Abs. 2 AVG vorlag, zumal eine Zurückverweisung der Sache durch die BH Dornbirn an sich selbst nicht Betracht kam. Die Begründung dieses Bescheides entfaltet somit keine Bindungswirkung.
20 Gleiches gilt auch für den Bescheid der BH Dornbirn vom 4. November 2011. Mit diesem wurde die Stadt H. nach § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 verpflichtet, die Geschiebestausperre - ein Teil des im Jahr 2002 genehmigten Projektes am P-Bach - entsprechend der Bewilligung so zu errichten, dass das im Miteigentum des Revisionswerbers stehende Grundstück in seinen im Jahr 2006 neu ausgemessenen Grenzen nicht „berührt“ werde. Gegenstand des Bescheides war diese im Spruch gegenüber der Stadt H. ausgesprochene Verpflichtung. Die Ausführungen im Bescheid hinsichtlich der (damaligen) Beschaffenheit der errichteten Anlage waren dagegen nur Teil der Begründung und daher im Sinn der dargestellten Rechtsprechung nicht der Rechtskraft fähig.
21 Der Verpflichtung, die Anlage entsprechend der Bewilligung zu errichten und das im Miteigentum des Revisionswerbers stehende Grundstück nicht zu berühren, wurde nach den Feststellungen des Landesverwaltungsgerichts, deren Unrichtigkeit die Revision nicht darlegt, entsprochen. Der daraus gezogenen Schlussfolgerung des Landesverwaltungsgerichts, dem Revisionswerber komme im Kollaudierungsverfahren keine Parteistellung zu, steht entgegen der Revision schon aus den genannten Gründen die Rechtskraft der Bescheide der BH Dornbirn vom 15. Dezember 2006 und 4. November 2011 nicht entgegen. Darauf, ob seit Erlassung dieser Bescheide eine Änderung der Sachlage eingetreten ist (vgl. insoweit zur Beschränkung der Wirkung der Rechtskraft auf die Identität der Rechtssache etwa VwGH 2.6.2022, Ra 2022/01/0108), kommt es fallbezogen nicht an.
22 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Auch die zu Ra 2021/07/0076 protokollierte Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 22. September 2022
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021070063.L00Im RIS seit
08.11.2022Zuletzt aktualisiert am
08.11.2022