TE Vwgh Erkenntnis 1996/3/6 95/20/0189

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Veröffentlicht am 06.03.1996
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Bachler und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. König, über die Beschwerde des A in S, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 20. Februar 1995, Zl. 4.343.351/8-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Afghanistans, der am 21. August 1993 in das Bundesgebiet eingereist ist, stellte am 23. August 1993 einen Asylantrag, den er am selben Tag bei seiner Einvernahme im wesentlichen damit begründete, daß er seit 1975 Mitglied der KHALQ-Partei gewesen sei, die nach der Machtübernahme durch Nadjibullah vor ca. sechs Jahren in "Watan-Partei des Vaterlandes" umbenannt worden sei. Er habe zunächst die Funktion eines Geheimpolizisten ausgeübt und sei im Oktober 1989 von der afghanischen Regierung nach Pakistan geschickt worden, wo er im afghanischen Konsulat in Q in Vertretung des dortigen Konsuls tätig gewesen sei. Vier Monate nach dem Sturz der Regierung Nadjibullah sei von der neuen islamischen Regierung das Konsulat neu besetzt und ihm mitgeteilt worden, daß er nicht mehr gebraucht würde und in seine Heimat zurückkehren solle. Er sei jedoch nach seiner Entlassung nicht zurück nach Afghanistan gereist, sondern ins Ziaratgebiet gefahren, das von der Pashtun-Khoa-Mili-Awami-Partei kontrolliert werde. Da er selbst ebenfalls Pashtu sei, sei er sich einer Hilfestellung durch diese Partei sicher gewesen. Er sei deshalb nicht nach Afghanistan zurückgekehrt, weil er befürchtet habe, von der neuen islamischen Regierung umgebracht zu werden. Diesen Schluß habe er aus einem Vorfall im Jänner 1991 gezogen, weil damals die Mudjahedins versucht hätten, den Beschwerdeführer zu verschleppen. Als er damals nach seinem Büro nach Hause habe fahren wollen, sei er von einem Auto gestoppt worden, aus dem zwei Personen mit Kalaschnikows ausgestiegen seien. Er habe seinen Chauffeur angeleitet weiterzufahren, worauf die beiden Personen ihm nachgefahren seien. Als er in sein Haus gegangen sei, sei ihm einer der beiden nachgegangen. Er habe daraufhin alle Türen zugesperrt und den afghanischen Botschafter in Islamabad angerufen, worauf eine Protestnote an das Außenministerium in Kabul gesandt worden sei. Letztendlich seien die "Banditen" jedoch wieder verschwunden. Daß es sich dabei um Angehörige der Mudjahedins gehandelt habe, wisse er aufgrund seiner Kontakte mit der Bevölkerung. Es habe sich nämlich herumgesprochen, daß die Mudjahedins "hinter diesem Zwischenfall stecken würden".

Mit Bescheid vom 24. August 1993 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers ab, weil ihm aufgrund seines Vorbringens die Flüchtlingseigenschaft nicht zukomme. Der vom Beschwerdeführer geschilderte Vorfall im Jänner 1991 lasse keine Rückschlüsse darauf zu, ob und inwieweit diese Aktion staatlichen Organen von Afghanistan zugerechnet werden könne. Nach Rücktritt des afghanischen Präsidenten Najibullah am 16. April 1992 habe die neue afghanische Regierung überdies eine Generalamnestie für ihre ehemaligen Gegner erlassen, von der lediglich der frühere Staatspräsident ausgenommen worden sei.

Überdies nahm das Bundesasylamt den Asylausschlußgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 als gegeben an, weil sich der Beschwerdeführer vor seiner Einreise nach Österreich in Pakistan, Usbekistan und in Ungarn oder in der Slowakei aufgehalten habe, wo er vor Verfolgung sicher gewesen sei.

Nach Aufhebung des Bescheides der belangten Behörde vom 1. Februar 1994, mit dem die gegen den vorerwähnten Bescheid des Bundesasylamtes erhobene Berufung des Beschwerdeführers abgewiesen worden war, mit hg. Erkenntnis vom 13. Oktober 1994, Zl. 94/19/1007 (infolge Aufhebung des Wortes "offenkundig" in § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 durch den Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 1. Juli 1994, Zl. G 92, 93/94) wurde dem Beschwerdeführer mit Schreiben der belangten Behörde vom 27. Jänner 1995 die Möglichkeit eröffnet, binnen einer gesetzten Frist eine Berufungsergänzung vorzunehmen. Zugleich wurde der Beschwerdeführer darauf hingewiesen, daß die belangte Behörde davon ausgehe, daß der Asylausschlußgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 deshalb verwirklicht sei, weil sich der Beschwerdeführer vor Einreise nach Österreich entweder im Iran oder in der Russischen Föderation sowie in Ungarn aufgehalten haben müsse, sowohl der Iran als auch die Russische Föderation Mitglied der Genfer Flüchtlingskonvention sei und nichts dafür sprechen würde, daß diese Staaten die sich daraus ergebenden Verpflichtungen nicht einhielten. Hinsichtlich Ungarn werde auf ein Gutachten des UNHCR vom 4. Juli 1994 verwiesen, wonach auch in Ungarn faktisch ein Abschiebungsschutz für außereuropäische Flüchtlinge und Asylwerber bestehe.

In seiner Berufungsergänzung vom 14. Februar 1995 führte der Beschwerdeführer aus, daß er Mitglied der sogenannten Watan-Partei gewesen sei, die sich u.a. auch gegen den islamischen Fundamentalismus gewendet habe. Bis heute würden Personen, die sich gegen den islamischen Fundamentalismus richten, durch die derzeitigen Machthaber in Afghanistan verfolgt und unterdrückt. Am 6. Februar 1995 habe er über den Rundfunksender BBC London in einer Sendung erfahren, daß die Frauen und Kinder eines Parteimitgliedes der Watan-Partei namens S in Afghanistan von staatlichen Polizisten getötet worden seien, weil dieser aufgrund befürchteter politischer Verfolgung aus dem Land geflohen sei. Der Beschwerdeführer habe "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" ein ähnliches Schicksal zu erwarten. Im übrigen wandte sich der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme gegen den angenommenen Asylausschlußgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991.

Mit dem nunmehr angefochtenen (Ersatz-)Bescheid vom 20. Februar 1995 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers neuerlich gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab und versagte damit die Gewährung des Asyls.

In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde zunächst aus, daß das Verfahren erster Instanz mängelfrei durchgeführt worden sei und keiner der in § 20 Abs. 2 AsylG 1991 (in seiner bereinigten Fassung) angeführten Gründe vorliege, eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens anzuordnen, weshalb der Entscheidung gemäß § 20 Abs. 1 leg. cit. das Vorbringen des Beschwerdeführers in erster Instanz zugrundezulegen sei. Auf das davon abweichende Vorbringen in der Berufungsergänzung könne nicht Bedacht genommen werden. Die Behauptung, es sei während der Einvernahme durch das Bundesasylamt aufgrund der vom beigezogenen Dolmetscher verwendeten Sprache, nämlich Farsi, zu Verständigungsschwierigkeiten gekommen sei, weil der Beschwerdeführer lediglich in seiner Muttersprache Dari geredet habe, sei nicht glaubwürdig. Der Beschwerdeführer habe bei der Einvernahme selbst angegeben, der bei seiner Befragung verwendeten Sprache mächtig zu sein. Dem Lexikon "Fischer Welt-Almanach" sei überdies zu entnehmen, daß das afghanische Dari mit Farsi bzw. Persisch gleichzusetzen sei. Es sei auch nicht davon auszugehen, daß dem Beschwerdeführer der Inhalt seiner Niederschrift nicht nochmals zur Kenntnis gebracht wurde. Aus dem Protokoll, das der Beschwerdeführer unterschrieben habe, ergebe sich vielmehr das Gegenteil. Eine Verletzung der Anleitungspflicht durch die Behörde erster Instanz könne ebenfalls nicht festgestellt werden. Der Beschwerdeführer sei ausdrücklich darauf hingewiesen worden, daß seine Aussage Grundlage für die Entscheidung im Asylverfahren sein werde. Es könne nicht Aufgabe der Behörde sein, einen Asylwerber dahingehend anzuweisen, wie er sein Vorbringen zu gestalten habe, damit seinem Asylantrag allenfalls stattgegeben werden könne.

Demgemäß sei der vom Bundesasylamt in einem mängelfreien Verfahren festgestellte Sachverhalt zugrundezulegen. Die belangte Behörde übernehme neben den Sachverhaltsfeststellungen im Bescheid des Bundesasylamtes auch die zutreffende rechtliche Beurteilung hinsichtlich der Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers.

Darüber hinaus setzte sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid noch mit der von ihr gezogenen Schlußfolgerung auseinander, daß im vorliegenden Fall der Asylausschlußgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 vorliege, weil der Beschwerdeführer vor Einreise nach Österreich bereits im Iran oder in der Russischen Föderation sowie jedenfalls in Ungarn vor Verfolgung sicher gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Zunächst ist zu bemerken, daß die Berufungsbehörde ihrer Begründungspflicht allgemein mit der kurzen Verweisung auf die Gründe im Bescheid der Vorinstanz genügt, falls sie bezüglich des als erwiesen angenommenen Sachverhaltes und dessen rechtlicher Beurteilung mit ihr einer Meinung ist und ihr keine durch die Begründung der Vorinstanz offen gelassene Frage vorgelegt worden ist (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Oktober 1995, Zl. 95/01/0045, mit weiteren Judikaturhinweisen). Daß sie sich hinsichtlich der Frage der Flüchtlingseigenschaft auf einen Verweis auf die Ausführungen im Bescheid des Bundesasylamtes habe beschränken dürfen, begründete die belangte Behörde damit, daß das Verfahren vor dem Bundesasylamt mängelfrei gewesen und deshalb das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz (im wesentlichen die Angaben des Beschwerdeführers vor dem Bundesasylamt) zugrunde zu legen sei.

Das dagegen unter dem Gesichtspunkt einer Mangelhaftigkeit des Verfahrens erstattete Vorbringen, das Ermittlungsverfahren vor dem Bundesasylamt sei wegen Sprachschwierigkeiten mit dem beigezogenen Dolmetscher, der anders als der Beschwerdeführer nur Farsi gesprochen habe, fehlerhaft gewesen, ist aus nachstehend angeführten Erwägungen nicht zielführend: Die Angaben des Beschwerdeführers wurden sehr detailliert und nachvollziehbar protokolliert. Der Beschwerdeführer hat nach Inhalt der niederschriftlich festgehaltenen Aussage angegeben, der Sprache des Dolmetschers mächtig zu sein, und seine Aussage am Ende der Niederschrift, die ihm nach einem diesbezüglichen Vermerk rückübersetzt worden sei, unterfertigt. Im Protokoll findet sich kein Hinweis darauf, daß es während der Einvernahme zu Verständigungsschwierigkeiten gekommen wäre. Weder in der Berufung noch in der vorliegenden Beschwerde wird geltend gemacht, daß der Beschwerdeführer die Aufnahme eines derartigen Hinweises begehrt hätte und dieser unterlassen worden wäre. Der Verfahrensrüge in der Beschwerde kann insbesondere nicht entnommen werden, welche damals festgehaltenen Aussagen des Beschwerdeführers nicht seinen Angaben entsprochen haben sollen, welche Korrekturen bzw. Vervollständigungen vorzunehmen wären, sodaß der Vorwurf der damals stattgefundenen Heranziehung eines nicht geeigneten Dolmetschers einer nachprüfenden Kontrolle nicht zugänglich ist. Es kann daher die Relevanz des behaupteten Verfahrensfehlers anhand der Beschwerdebehauptungen nicht beurteilt werden.

Der belangten Behörde kann auch nicht entgegengetreten werden, wenn sie davon ausging, daß das in der Berufungsergänzung enthaltene, auf die Begründung der Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers abzielende Vorbringen, das afghanische Regime verfolge und unterdrücke Personen, die sich gegen den islamischen Fundamentalismus wendeten, wobei auch seine ehemalige Partei dagegen aufgetreten sei und er deshalb Furcht vor Verfolgung haben müsse, als im Grunde des § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 nicht beachtlich eingestuft hat. Wenn die belangte Behörde aus dem in der Berufungsergänzung geschilderten Einzelfall eine individuell gegen den Beschwerdeführer gerichtete unmittelbare Bedrohung nicht abzuleiten vermochte, so kann dies ebenfalls nicht als rechtswidrig erkannt werden. Der Beschwerdeführer hatte bei seiner Einvernahme vor der Behörde erster Instanz seine Furcht vor asylrechtlich relevanter Verfolgung nicht etwa auf eine allfällige politisch motivierte Gruppenverfolgung von ehemaligen Mitgliedern der kommunistischen Partei durch das nunmehr in Afghanistan herrschende Regime der Mudjahedins gestützt, also kein ausreichend konkretes dahingehendes Vorbringen erstattet, sondern seine Furcht vor Verfolgung aus einem ihn konkret betreffenden Vorfall im Jänner 1991 abgeleitet, als noch das Regime Nadjibullah, dem der Beschwerdeführer selbst zugehörte, den afghanischen Staat repräsentierte. Der Beschwerdeführer gab an, daß er durch die damaligen staatlichen Organe Schutz erhalten habe, wobei hinsichtlich der Personen, die ihn zu verschleppen versucht hätten, sich in der Folge "in der Bevölkerung herumgesprochen habe, daß die Mujaheddins dahinter stecken mußten. Er sei aber nicht in der Lage, dies näher zu erklären". Wenn die belangte Behörde sich aufgrund dieser sehr vagen Schilderung nicht in der Lage sah, die wiedergegebene Aktion der nach dem Sturz der Regierung Nadjibullahs im April 1992 gebildeten neuen staatlichen Macht in Afghanistan zuzuordnen und davon ausgehend die Glaubhaftmachung einer wohlbegründeten Furcht vor asylrechtlich relevanter Verfolgung aus Konventionsgründen durch den Heimatstaat des Beschwerdeführers als nicht gelungen ansah, kann dies von der Warte der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Schlüssigkeitsprüfung aus nicht beanstandet werden. Die im Bescheid des Bundesasylamtes getroffene Feststellung, daß die "neue Regierung in Kabul gleich nach ihrem Amtsantritt eine Generalamnestie für ihre ehemaligen Feinde erlassen" habe, wurde im übrigen nicht ausdrücklich bekämpft. Der noch in der Berufung erhobene Vorwurf, die Behörde erster Instanz habe die ihr obliegende Anleitungspflicht verletzt, wird in der vorliegenden Beschwerde nicht mehr aufrecht erhalten.

Da nach dem Gesagten nicht davon ausgegangen werden kann, daß der Beschwerdeführer ein Flüchtling ist, bedarf es keines weiteren Eingehens auf das in der Beschwerde sehr weitwendig erstattete Vorbringen gegen die Heranziehung des Asylausschlußgrundes des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 (Verfolgungssicherheit vor der Einreise nach Österreich) durch die belangte Behörde.

Die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995200189.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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