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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. König, über die Beschwerde der M, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 2. Oktober 1995, Zl. 4.330.215/8-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin, eine iranische Staatsangehörige, die am 20. Jänner 1992 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 21. Jänner 1992 den Asylantrag gestellt hat, hat dem durch eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides belegten Beschwerdevorbringen zufolge den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 12. März 1992, mit dem festgestellt worden war, bei ihr lägen die Voraussetzungen für ihre Anerkennung als Flüchtling nicht vor, mit Berufung bekämpft. Mit Bescheid vom 2. Oktober 1995 wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 AVG ab.
Nach den Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid, denen die Beschwerdeführerin konkret nicht entgegengetreten ist, habe sie bei ihrer niederschriftlichen Einvernahme durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich am 24. Jänner 1992 angegeben, sie habe keiner politischen Organisation als Mitglied angehört. Sie sei assyrischer Volks- und orthodoxer Religionszugehörigkeit und sei deswegen von Mitschülern verspottet und von den Lehrern schlechter benotet worden. Sie habe den Koran lernen müssen. Auf Grund der strengen Bekleidungsvorschriften seien Verstöße dagegen von Revolutionswächtern sofort geahndet worden. Sie habe ihre Religion nicht frei ausüben dürfen. Deswegen habe sie sich gemeinsam mit ihren Eltern zur Ausreise entschlossen.
In der gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung habe die Beschwerdeführerin darüber hinaus ausgeführt, sie habe ihre Heimat aus politischen und religiösen Gründen verlassen. Sie ersuche um neuerliche Überprüfung des Asylantrages und würde - falls erforderlich - neuerlich ihre bereits dargelegten Gründe nochmals ausführen.
Diese Berufung sei mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 31. März 1994 abgewiesen worden. Infolge der dagegen erhobenen Verwaltungsgerichtshofbeschwerde sei dieser Bescheid jedoch mit Erkenntnis vom 24. Jänner 1995, hg. Zl. 94/20/0328-8, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes behoben worden.
In der in der Folge über Aufforderung der belangten Behörde erstatteten Berufungsergänzung sei von der Beschwerdeführerin ergänzend ausgeführt worden, ihr Vater habe ca. 10 Jahre vor der Flucht eine Schuhmacherwerkstätte übernommen. Seit 10 Jahren habe er sich bemüht, die Eintragung des Geschäftes unter seinem Namen zu erreichen, was auf Grund der Weigerung eines Mullahs unterblieben sei. Ihr Vater habe, ohne das dafür einstmals eingezahlte Geld zu erhalten, das Geschäft zurücknehmen (wohl: zurückgeben) müssen. Ihr Vater habe das Gericht in Anspruch nehmen wollen, was jedoch verweigert worden sei, da der Mullah selbst Mitglied des islamischen Komitees gewesen sei. Ihr Vater habe daraufhin keine Arbeit mehr gefunden. Ihre Familie sei auf Grund der Ausübung ihrer Religion bedroht worden. Diese Drohungen seien von Mitgliedern des islamischen Komitees erfolgt, die sie auch aufgefordert hätten, die Gegend zu verlassen, weil sie "ungläubig" seien und den islamischen Glauben nicht ausüben würden. Der Beschwerdeführerin und der gesamten Familie sei gedroht worden, sie wegen Ausübung des assyrischen Glaubens vor ein Gericht zu stellen. Diese Gründe hätten sie auch im Jahr 1992 bereits bei einem Asylantrag bei der amerikanischen Botschaft geltend gemacht, sie habe sich auch niemals um Schutz an die iranischen Behörden gewandt, weil ein solches Ansuchen lediglich ihre Situation verschlimmert hätte. Zur Untermauerung des Vorbringens habe die Beschwerdeführerin beantragt, den bezughabenden Akt der amerikanischen Botschaft beizuschaffen.
Die belangte Behörde begründete ihren Bescheid rechtlich dahingehend, Beeinträchtigungen, denen assyrische Christen wegen ihrer Religionszugehörigkeit ausgesetzt seien, seien keine asylrechtlich beachtlichen Diskriminierungen, weil sie sowohl für sich als auch in der Gesamtschau mangels Intensität des Verfolgungseingriffes nicht den Tatbestand einer Verfolgung erfüllten. Allein die Zugehörigkeit zu einer bestimmten auch religiösen Minderheit sei noch kein Grund für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Vielmehr müßten die Zustände im Heimatland des Asylwerbers auch aus objektiver Sicht betrachtet so sein, daß ein weiterer Verbleib dort unerträglich wäre. Die bloß ablehnende Haltung eines Asylwerbers gegenüber dem in seinem Heimatstaat herrschenden innen- und außenpolitischen System bilde keinen Grund, ihn als Flüchtling anzuerkennen. Der Begriff der Verfolgung verlange überdies individuell gegen die Person des Asylwerbers gerichtete Handlungen des Staates. Im übrigen verwies die belangte Behörde auf die in der Verfassung der islamischen Republik Iran garantierten Rechte der religiösen Minderheiten. Die von der Beschwerdeführerin beantragten ergänzenden Ermittlungsschritte lehnte die belangte Behörde unter Hinweis darauf ab, diese könnten keinen im wesentlichen anderslautenden Bescheid herbeiführen, abgesehen davon, daß gemäß § 20 Abs. 1 AsylG 1991 das Ermittlungsergebnis des Verfahrens erster Instanz der Entscheidung zugrundezulegen gewesen sei, weshalb auf die Ergänzung des Berufungsvorbringens nicht näher einzugehen gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Wenn die Beschwerdeführerin unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht, die belangte Behörde habe in unzulässiger antizipativer Beweiswürdigung die von ihr in der Berufung angebotenen ergänzenden Beweismittel abgelehnt und damit gegen § 16 AsylG verstoßen, ist ihr zu entgegnen, daß gemäß § 20 Abs. 1 AsylG 1991 die belangte Behörde grundsätzlich die Ermittlungsergebnisse des Verfahrens erster Instanz ihrer Entscheidung zugrundezulegen hat, es sei denn, sie sehe eine der in § 20 Abs. 2 leg. cit. genannten Voraussetzungen als gegeben an. Weder aus dem im angefochtenen Bescheid wiedergegebenen Inhalt der Berufung noch auch in der Beschwerde wird dargelegt, aus welchen Gründen die Beschwerdeführerin im erstinstanzlichen Verfahren gehindert gewesen wäre, die von ihr erst mit der Berufungsergänzung vorgetragenen Sachverhalte auszuführen. Auch aus § 16 AsylG 1991 kann keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber nicht behauptet hat, zu ermitteln. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes verpflichten erst ausreichend konkrete Hinweise in den Angaben eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der asylrechtliche Relevanz aufweisen könnte, zur weitergehenden amtwegigen Ermittlung. Da hinreichend deutliche Hinweise auf das Vorliegen von qualifizierten Gründen im Sinne der Flüchtlingskonvention im Vorbringen der Beschwerdeführerin bei der Behörde erster Instanz nicht enthalten waren, war die belangte Behörde auch nicht verhalten, gemäß § 20 Abs. 2 AsylG 1991 eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens anzuordnen.
In ihrer rechtlichen Beurteilung bewegt sich jedoch die belangte Behörde zur Gänze auf dem Boden der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, sodaß ihr nicht mit Erfolg entgegengetreten werden kann, wenn sie die in erster Instanz von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Umstände (allgemeine Diskriminierung, Verspottung, schlechtere Benotung, zwangsweise Befassung mit dem Koran und Einhaltung der Bekleidungsvorschriften) als nicht geeignet angesehen hat, begründete Furcht vor Verfolgung im Sinn des § 1 Z. 1 AsylG 1991 glaubhaft zu machen (vgl. auch hg. Erkenntnis vom 16. Juni 1994, Zl. 94/19/0575).
Da bereits der Inhalt der Beschwerde aus den dargelegten Gründen erkennen ließ, daß die von der Beschwerdeführerin behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren und somit auch ohne Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Bei diesem Ergebnis erübrigt sich auch eine Entscheidung des Berichters über den Antrag der Beschwerdeführerin, ihrer Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995200718.X00Im RIS seit
20.11.2000