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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Dr. Köller, den Hofrat Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schörner, über die Revision des G in P, vertreten durch Dr. Robert Lirsch, Mag. Florian Masser und Mag. Ernst Wimmer, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Singerstraße 27, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 9. Juni 2022, VGW-031/016/2906/2022-18, betreffend Übertretung des KFG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 9. Juni 2022 wurde über den Revisionswerber nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung wegen der Übertretung des § 103 Abs. 2 KFG eine (herabgesetzte) Geld- sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe gemäß § 134 Abs. 1 KFG verhängt. Das Verwaltungsgericht ergänzte die Fassungen der verletzten Norm sowie der Strafsanktionsnorm, setzte den Beitrag zu den Kosten des Verfahrens der belangten Behörde neu fest, sprach aus, dass die P GmbH für die verhängte Geldstrafe und den Verfahrenskostenbeitrag hafte, dass der Revisionswerber keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten habe sowie, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.
2 Das Verwaltungsgericht stellte folgenden Sachverhalt fest: Der Revisionswerber sei Geschäftsführer der P GmbH. Dem Unternehmen sei mit Schreiben der belangten Behörde eine Lenkeranfrage betreffend ein auf die GmbH zugelassenes KFZ zugestellt worden. Mit E-Mail vom 30. November 2021 habe eine Angestellte der GmbH gegenüber der belangten Behörde die folgende Auskunft erteilt: „[I]ch [kann] die Auskunft nicht erteilen [...]. Die Auskunftspflicht trifft: [den Revisionswerber]“.
3 In der Folge erläuterte das Verwaltungsgericht seine Beweiswürdigung und führte rechtlich aus, im Fall einer GmbH sei jeder zur Vertretung nach außen Berufene für die Beantwortung einer Anfrage nach § 103 Abs. 2 KFG zuständig und für die Nichterteilung oder unrichtige Erteilung der Auskunft strafrechtlich verantwortlich. Den Revisionswerber treffe als Geschäftsführer der GmbH diese Verantwortlichkeit und wäre es daher an ihm gelegen gewesen, die Lenkeranfrage zu beantworten. Es scheide vor dem Hintergrund des Gesetzeswortlautes aus, dass der Auskunftspflichtige selbst als jener genannt werde, welcher die Auskunft erteilen könne. Der Revisionswerber habe daher den objektiven Tatbestand verwirklicht; dies sei ihm auch subjektiv vorwerfbar. Zuletzt begründete das Verwaltungsgericht seine Strafbemessung.
4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision - gesondert - vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Zur Zulässigkeit der Revision bringt der Revisionswerber unter Zitierung von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor, eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung könne auch eine des Verfahrensrechtes sein und sich im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung stellen. Dabei treffe das Verwaltungsgericht die Pflicht die erforderlichen Beweise aufzunehmen; etwa, wenn Anhaltspunkte vorlägen, dass den Beschuldigten kein Verschulden treffe. Der Revisionswerber habe bereits in der Beschwerde und im Einspruch dargelegt, lediglich gemeinsam zur Vertretung der Gesellschaft befugt zu sein und habe er sich zum Anfragezeitpunkt im Ausland befunden. Die Mitarbeiterin K. habe die Lenkerauskunft in seiner Abwesenheit ausgefüllt und an die belangte Behörde übermittelt. Das Verwaltungsgericht habe es verabsäumt, den wahren Sachverhalt festzustellen und sich mit dem mangelnden Verschulden des Revisionswerbers auseinanderzusetzen. Hiefür wäre die Einvernahme des Revisionswerbers und der Zeugin K. sowie gegebenenfalls die Vorlage von Buchungsbestätigungen notwendig gewesen. Durch die Weigerung des Verwaltungsgerichtes, die Einvernahmen und Ermittlungen durchzuführen sowie Beweise aufzunehmen, habe es nicht nur das Offizialprinzip verletzt, sondern auch grob fehlerhaft die Notwendigkeit der Beweisaufnahme verkannt und führe dies zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis. Hätte das Verwaltungsgericht seine Ermittlungspflichten erfüllt, wäre es zur „Feststellung“ gelangt, dass kein Verschulden an der Verwaltungsübertretung bestehe.
9 Überdies stelle neben dem Grundsatz der Amtswegigkeit die Manuduktionspflicht einen zentralen Verfahrensgrundsatz dar. Personen, die nicht durch berufsmäßige Parteienvertreter vertreten seien, hätten ein subjektives Recht auf entsprechende Belehrung durch die Behörde und das Verwaltungsgericht. Dieses habe seine Manuduktionspflicht vollkommen außer Acht gelassen. Der Revisionswerber sei im gesamten Verfahren nicht vertreten gewesen und habe sowohl im Einspruch als auch in der Beschwerde dargelegt, zum Zeitpunkt der Lenkerauskunft urlaubsbedingt nicht im Inland gewesen zu sein, weshalb ihn kein Verschulden treffe. Das Verwaltungsgericht habe den Hinweis unterlassen, dass er Buchungsbestätigungen vorlegen müsse. Durch die Handlungen des Verwaltungsgerichtes sei es dem Revisionswerber verunmöglicht worden, die Beweise in der mündlichen Verhandlung zu erbringen. Er habe sich vor der Verhandlung mit dem Verwaltungsgericht in Verbindung gesetzt und mitgeteilt, auf Urlaub zu sein. Es habe auch hier keine Belehrung durch das Verwaltungsgericht stattgefunden, dass er diesbezüglich Buchungsbestätigungen vorlegen solle. Das Verwaltungsgericht habe die Verhandlung ohne ihn und ohne Einvernahme von Zeugen durchgeführt. Bei Erfüllung der Manuduktionspflicht hätte der Revisionswerber sein mangelndes Verschulden darlegen könne. Es müsse dem Rechtsunterworfenen möglich sein, auch ohne Rechtsvertretung vor Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichten ohne erheblichen Nachteil „für sich selbst bestehen zu können“.
10 Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt:
11 Bei mehreren zur Vertretung nach außen Berufenen einer juristischen Person ist jeder aus diesem Personenkreis, soweit nicht verantwortliche Beauftragte bestellt sind, für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch die juristische Person strafrechtlich verantwortlich (vgl. bereits VwGH 14.12.1994, 94/03/0138).
12 Der objektive Tatbestand der Verwaltungsübertretung nach § 103 Abs. 2 KFG ist erfüllt, wenn eine Lenkerauskunft des Zulassungsbesitzers nicht richtig und vollständig erfolgt ist (vgl. VwGH 7.7.2016, Ra 2016/02/0141). Die Auskunft der Mitarbeiterin der GmbH, nur der Revisionswerber als handelsrechtlicher Geschäftsführer der GmbH könne die Auskunft erteilen, erfüllt ebenfalls den objektiven Tatbestand der Übertretung (vgl. zu einer vergleichbaren Konstellation - Mitteilung eines Vertreters eines Vereines, nur der urlaubsbedingt abwesende Präsident könne die Auskunft erteilen - bereits VwGH 25.2.2005, 2004/02/0217).
13 Könnte die Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht erteilt werden, sind gemäß § 103 Abs. 2 KFG entsprechende Aufzeichnungen zu führen.
14 Die Notwendigkeit, solche Aufzeichnung zu führen, erweist sich gerade im Fall der Benützung von Kraftfahrzeugen durch eine Mehrzahl von Personen als vorhersehbar (vgl. VwGH 28.1.2000, 98/02/0256).
15 Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellen sich die vom Revisionswerber aufgeworfenen Rechtsfragen nicht: Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits im Erkenntnis vom 25. Februar 2005, 2004/02/0217 ausgeführt hat, trifft den Revisionswerber in einem Fall wie dem vorliegenden ein Organisationsverschulden, wenn lediglich er die erforderliche Auskunft erteilen kann. Angesichts dieses Organisationsverschuldens - zu dem der Revisionswerber im gesamten Verfahren kein Vorbringen erstattet hat - ist nicht ersichtlich, inwiefern ihn an der Verwaltungsübertretung aufgrund seiner urlaubsbedingten Abwesenheit kein Verschulden treffen sollte; die entsprechenden Beweisanträge zu seiner urlaubsbedingten Abwesenheit bzw. die Rüge hinsichtlich der das Verwaltungsgericht treffenden Manuduktionspflicht zur Untermauerung seiner Abwesenheit gehen daher ins Leere. Davon ausgehend kann dahinstehen, inwieweit das Verwaltungsgericht hinsichtlich des Revisionswerbers überhaupt eine Manuduktionspflicht getroffen haben könnte.
16 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
17 Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.
Wien, am 12. Oktober 2022
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022020183.L00Im RIS seit
08.11.2022Zuletzt aktualisiert am
08.11.2022