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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Dr. Köller als Richter sowie die Hofrätinnen Mag. Dr. Maurer-Kober und Mag. Schindler als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schörner, über die Revision des T in L, vertreten durch Dr. Johann Postlmayr, Rechtsanwalt in 5230 Mattighofen, Stadtplatz 6, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 16. März 2022, 405-4/4343/1/5-2022, betreffend Übertretung der StVO (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Spruchpunkt 1. des Straferkenntnisses vom 2. Dezember 2021 erkannte die Bezirkshauptmannschaft Salzburg den Revisionswerber schuldig, am 23. August 2021 in der Zeit von 16.50 Uhr bis 17.05 Uhr an einem näher bezeichneten Tatort ein dem Kennzeichen nach bestimmtes Fahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand (Alkoholgehalt der Atemluft: 1,47 mg/l) gelenkt zu haben. Er habe dadurch eine Übertretung gemäß §§ 5 Abs. 1 und 99 Abs. 1 lit. a StVO begangen. Über ihn wurde deshalb gemäß § 99 Abs. 1 lit. a StVO eine Geldstrafe von € 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 456 Stunden) verhängt. Die anderen beiden Spruchpunkte des Straferkenntnisses, die Übertretungen nach dem KFG bzw. der StVO betrafen, blieben unbekämpft und erwuchsen in Rechtskraft. Die gegen Spruchpunkt 1. erhobene Beschwerde wies das Landesverwaltungsgericht Salzburg (Verwaltungsgericht) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis unter Ergänzung der Fundstellen der Verwaltungsvorschriften im Spruch als unbegründet ab, setzte den Kostenbeitrag zum Strafverfahren fest und erklärte die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.
2 Das Verwaltungsgericht stellte zusammengefasst fest, dass der Revisionswerber nach Ausforschung im Gefolge eines Anrufes um 17.04 Uhr durch einen hinter ihm fahrenden Kraftfahrzeuglenker, demzufolge der vom Revisionswerber gelenkte PKW in Schlangenlinien fahre, in seiner Wohnung, wo die amtshandelnden Polizeibeamten um 17.30 Uhr angekommen seien, um 17.53 Uhr einem Alkomattest unterzogen worden sei, welcher einen Messwert von 1,47 mg/l Atemluftalkoholgehalt (entsprechend 2,94 g/l Blutalkoholgehalt) ergeben habe. In der Wohnung seien von den Polizeibeamten in der Küche vier leere Bierflaschen und am Wohnzimmertisch eine (fast) volle Bierflasche vorgefunden worden. Den vom Revisionswerber behaupteten Nachtrunk erachtete das Verwaltungsgericht für nicht glaubwürdig, weil dieser (näher dargelegte) widersprüchliche Angaben zu den Nachtrunkmengen gemacht habe, ein Nachtrunk überhaupt erst auf ausdrückliche Nachfrage der Polizeibeamten vorgebracht worden sei und eine Konsumation von 2 Liter Bier in einem Zeitraum von nur 25 Minuten - ohne dass eine besondere Situation vorgelegen oder auch nur behauptet worden sei, die dies plausibel erscheinen lassen würde - nicht nachvollziehbar sei. Das Verwaltungsgericht ging daher davon aus, dass der festgestellte Alkoholwert zum Lenkzeitpunkt vorgelegen sei.
3 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 29. April 2022, E 802/2022-5, deren Behandlung abgelehnt und über nachträglichen Antrag mit Beschluss vom 10. Mai 2022, E 802/2022-7, die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.
4 Der Revisionswerber hat in der Folge die vorliegende außerordentliche Revision eingebracht.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 In der Zulässigkeitsbegründung bringt der Revisionswerber zunächst vor, die ihm zur Last gelegte Übertretung des alkoholisierten Lenkens eines PKW liege deshalb nicht vor, weil ihm im Krankenhaus O und im Landeskrankenhaus S, auf das er von dort aus telefonisch weiterverwiesen worden sei, die Blutabnahme iSd § 5 Abs. 8 StVO im Ergebnis verweigert worden sei. Das Verwaltungsgericht habe auch jegliche Feststellungen zum Geschehen nach der Amtshandlung unterlassen.
9 Das Verwaltungsgericht hat festgestellt, dass es zu keiner Blutabnahme iSd § 5 Abs. 8 StVO gekommen ist und sich in seiner rechtlichen Beurteilung mit dem Vorbringen des Revisionswerbers zu den von seiner Nachbarin für ihn getätigten telefonischen Anfragen in den genannten beiden Krankenhäusern zur Möglichkeit der Durchführung einer solchen Blutabnahme auseinandergesetzt. Es kam zum Ergebnis, dass das Vorbringen des Revisionswerbers, wonach ihm von den beiden Krankenhäusern telefonisch die Blutabnahme verweigert worden sei, rechtlich unbeachtlich sei. Dass seiner Nachbarin von der Telefonvermittlung im Krankenhaus O und im Landeskrankenhaus S mitgeteilt worden sei, dass dort eine freiwillige Blutabnahme zur Bestimmung des Blutalkoholgehalts nach einem positiven Alkoholtest nicht gemacht werde, und bei der Gerichtsmedizin, wohin die Nachbarin verbunden worden sei, niemand abgehoben habe, sei nicht als rechtwidrige Verweigerung der Durchführung der Blutabnahme durch einen diensthabenden Arzt zu qualifizieren. Eine solche hätte nur dann vorliegen können, wenn der Revisionswerber persönlich eine öffentliche Krankenanstalt aufgesucht hätte; eine bloße Anfrage per Telefon könne dies nicht ersetzen. Zudem verwies das Verwaltungsgericht unter Hinweis auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 23.7.1999, 96/02/0016) darauf, dass selbst bei einer rechtswidrigen Verweigerung der Blutabnahme durch einen diensthabenden Arzt der beiden genannten Krankenhäuser die Führung des Gegenbeweises durch den Revisionswerber zwar erheblich erschwert gewesen wäre, er sich aber an einen diensthabenden Arzt einer anderen öffentlichen Krankenanstalt, zum Beispiel auch im benachbarten Oberösterreich, hätte wenden müssen.
10 Dem Verwaltungsgericht ist schon darin beizupflichten, dass das - im vorliegenden Fall unstrittige und in Ermangelung von Anhaltspunkten für eine Fehlmessung oder sonstige Störung anlässlich der Messung des Atemalkoholgehaltes gültige - Ergebnis einer Atemluftuntersuchung mit einem Alkomaten nur durch die Bestimmung des Blutalkoholgehaltes - aufgrund der „gleichwertigen“ Beweiskraft - widerlegt werden kann (vgl. etwa VwGH 25.9.2017, Ra 2017/02/0135, mwN). Die vom Revisionswerber zur Frage der unterlassenen Blutprobe aufgeworfenen Argumente wie auch die in diesem Zusammenhang vorgebrachten Begründungsmängel, weil Feststellungen zu den Umständen des Nichtzustandekommens der Blutprobe unterlassen worden seien, sind daher nicht geeignet, eine grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG zu begründen (vgl. VwGH 10.8.2021, Ra 2021/02/0152). Im Weiteren kann auch eine Fehlerhaftigkeit der sich an die Leitlinien der Rechtsprechung orientierenden Beurteilung des Verwaltungsgerichts nicht erkannt werden.
11 Insoweit der Revisionswerber erstmals vorbringt, das Verwaltungsgericht hätte amtswegig den Eichschein des verwendeten Alkomaten beschaffen, verlesen und dazu Feststellungen treffen müssen, unterlässt er nicht nur eine konkrete Relevanzdarstellung dieses behaupteten Verfahrensmangels (vgl. zu dieser Anforderung etwa VwGH 20.4.2020, Ra 2020/02/0053, mwN), sondern es läuft dieses Vorbringen zudem wegen seiner Allgemeinheit auf einen unzulässigen, weil auf Mutmaßungen basierenden Erkundungsbeweis hinaus, zu dessen Aufnahme das Verwaltungsgericht jedoch nicht verpflichtet war, zumal kein konkreter Anhaltspunkt dafür gegeben war oder vorgebracht wurde, dass das Messergebnis nicht ordnungsgemäß zustande gekommen wäre (vgl. VwGH 25.9.1991, 91/02/0063). Im Übrigen hat der Revisionswerber es im gesamten Verwaltungsstrafverfahren unterlassen, diesbezügliche Beweisanträge - etwa auf Beischaffung des Eichscheins - zu stellen. Dieses Vorbringen stellt demnach auch eine unzulässige Neuerung gemäß § 41 Abs. 1 VwGG dar.
12 Soweit der Revisionswerber eine Abweichung von näher zitierter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darin zu erkennen vermag, weil aus seiner Sicht das Verwaltungsgericht zum Nachtrunk keine „Negativfeststellung“ hätte treffen dürfen, wenn keine Beweise für das konkrete Sachverhaltselement vorlägen, welche gewürdigt werden könnten, genügt es darauf zu verweisen, dass das Verwaltungsgericht, wie oben ausgeführt, festgestellt hat, dass es den vom Revisionswerber behaupteten Nachtrunk nicht gegeben habe und ihn somit in Abrede gestellt hat; es hat diese Feststellung auch mit einer nicht als unschlüssig zu erkennenden Beweiswürdigung begründet. Insofern unterscheidet sich die vom Revisionswerber zitierte Judikatur schon im Sachverhalt vom Revisionsfall und ist daher nicht auf diesen anwendbar. Der Revisionswerber unterlässt es zudem, konkret aufzuzeigen, worin eine Abweichung von der zitierten Judikatur bestehen soll.
13 Schließlich rügt der Revisionswerber in der Zulässigkeitsbegründung eine Abweichung von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Spruchkonkretisierung nach § 44a Z 2 VStG, weil § 99 Abs. 1 lit. a StVO nicht die Übertretungsnorm, sondern die Strafnorm sei und daher bei der Darstellung der Übertretungsnorm nicht mitzuzitieren sei.
14 Abgesehen davon, dass das Mitzitieren einer Strafsanktionsnorm, die im Zusammenhang mit der verletzten Verwaltungsvorschrift steht, nicht schadet (vgl. VwGH 1.9.2020, Ra 2019/02/0153, mwN), kann durch das Mitzitieren des § 99 Abs. 1 lit. a StVO mit § 5 Abs. 1 StVO schon deshalb keine Rechtswidrigkeit bewirkt werden, weil die Bestimmung des § 99 Abs. 1 lit. a StVO entgegen der Revisionsansicht nicht nur Strafsanktionsnorm, sondern auch Übertretungsnorm ist und daher Bestandteil der Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist.
15 Schließlich bringt der Revisionswerber vor, das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts stehe in Widerspruch zu näher zitierter Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die Fundstelle jener Novelle anzugeben sei, durch welche die als verletzt betrachtete Norm ihre zum Tatzeitpunkt gültige Fassung erhalten habe.
16 Im vorliegenden Fall hat das Verwaltungsgericht sowohl betreffend § 5 Abs. 1 StVO als auch § 99 Abs. 1 lit. a StVO jeweils jene Fassung angeführt, welche zum Tatzeitpunkt in Geltung stand, nicht aber jene Novellen, mit der die Übertretungs- bzw. Strafnormen in ihren Untergliederungen jeweils zuletzt geändert worden waren. Mit Blick auf die geänderte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH [verstärkter Senat] 27.6.2022, Ra 2021/03/0328, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 und 9 VwGG verwiesen wird), kann darin jedoch ein Verstoß gegen § 44a Z 2 VStG nicht erkannt werden, da nicht ersichtlich ist, dass der Revisionswerber dadurch in seinen Verteidigungsrechten beeinträchtigt worden, er der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt oder nicht in der Lage gewesen wäre, seine Rechtsschutzinteressen zu wahren. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass die herangezogenen Rechtsvorschriften in irgendeiner Weise für den Revisionswerber zweifelhaft gewesen sein könnten. Solches hat der im gesamten verwaltungsstrafrechtlichen Verfahren anwaltlich vertretene Revisionswerber zu keinem Zeitpunkt des verwaltungsstrafrechtlichen Verfahrens vorgebracht (vgl. VwGH 27.7.2022, Ra 2022/02/0049).
17 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 12. Oktober 2022
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022020172.L00Im RIS seit
08.11.2022Zuletzt aktualisiert am
08.11.2022