Index
L24009 Gemeindebedienstete Wien;Norm
BDG 1979 §43 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Höß, Dr. Fuchs, Dr. Blaschek und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Leitner, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Magistrat der Stadt Wien (Senat 3) vom 5. September 1994, Zl. MD-1602-6/93, betreffend Disziplinarstrafe der Entlassung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat der Stadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der 1948 geborene Beschwerdeführer stand als Aufseher (Hauptplatzmeister) in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Stadt Wien. Seine letzte Dienststelle war die Magistratsabteilung 51. Seine Aufgabe bestand im Instandhalten und Reinhalten der Kabinen und Spielfelder auf dem Sportplatz in XY.
Mit dem in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 26. April 1993, 6eE Vr 1055/93, Hv 1166/93, wurde der Beschwerdeführer des Verbrechens der gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Personen unter 18 Jahren nach dem § 209 StGB für schuldig erkannt. Der Beschwerdeführer habe in Wien mit Personen, die das 14., aber noch nicht das 18. Lebensjahr vollendet haben, dadurch gleichgeschlechtliche Unzucht getrieben, daß er deren Glieder zumeist bis zur Ejakulation massierte, und zwar
1. im Zeitraum vom Dezember 1992 bis zum 23. Jänner 1993 mit Markus F., geboren 1977, in zumindest fünfzehn Angriffen;
2.
Ende Dezember 1992 mit Martin H., geboren 1977;
3.
zu nicht feststellbaren Zeitpunkten im Jahr 1989 mit Martin S., geboren 1974, in drei bis fünf Angriffen;
4. zu nicht mehr näher festzustellenden Zeitpunkten in den Jahren 1990 bis 1992 mit zumindest sechs Personen im Alter zwischen vierzehn und sechzehn Jahren.
Der Beschwerdeführer wurde deshalb zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt, wobei der Vollzug der verhängten Strafe unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Als erschwerend wurden der lange Tatzeitraum und die mehrfache Wiederholung der Tat, als mildernd das volle und reumütige Geständnis und die Unbescholtenheit gewertet.
Im Disziplinarverfahren sprach daraufhin die Disziplinarkommission beim Magistrat Wien den Beschwerdeführer mit Erkenntnis vom 27. September 1993 der im Gerichtsurteil genannten Taten für schuldig. Dadurch habe der Beschwerdeführer die im § 19 Abs. 2 zweiter Satz Wiener Dienstordnung 1966 (DO 1966) normierte Dienstpflicht verletzt und es werde über ihn gemäß § 58 Abs. 1 Z. 6 DO 1966 die Disziplinarstrafe der Entlassung verhängt.
In der Begründung verwies die Disziplinarkommission auf das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen und auf die Ergebnisse der Beweisaufnahme im Disziplinarverfahren. Der Beschwerdeführer habe sich zum Tatvorwurf schuldig bekannt. Er habe angegeben, sein Verhalten Jugendlichen gegenüber nicht steuern zu können. Als Aufsichtsperson habe der Beschwerdeführer die Benützung der Sportanlagen für den Trainings- und Wettbewerbsbetrieb durch Schulen und Sportvereine zu überwachen gehabt. Seine Arbeitsstätte, welche u. a. auch von dem Verein "A" benutzt worden sei, sei auch der Tatort gewesen. An dienstfreien Tagen habe der Beschwerdeführer Mitglieder des Vereines "A" fallweise und unentgeltlich massiert, ohne über die dafür notwendigen Fähigkeiten und Kenntnisse zu verfügen. Mit dem Aufgabenbereich des Beschwerdeführers sei notwendigerweise der ständige Kontakt mit den Platzbenützern, zumeist Jugendlichen, verbunden gewesen. Nach dem Beweisverfahren sei erwiesen, daß sich der Beschwerdeführer am Dienstort, wenn auch in seiner Freizeit, an Jugendlichen vergangen und die Räumlichkeiten der Stadt Wien bei seiner Massagetätigkeit mißbräuchlich verwendet habe.
Die Disziplinarkommission sah das Vorliegen der Voraussetzungen des § 62 Abs. 1 und 3 DO 1966 als erfüllt an. Dadurch, daß der Beschwerdeführer sich als Platzwart unter Ausnutzung der Kontaktmöglichkeiten, die durch seine dienstliche Tätigkeit bestanden hätten, an seinem Dienstort an den Jugendlichen vergangen habe, habe er das Vertrauen des Dienstgebers, der Interesse an der sportlichen Betätigung der Jugendlichen auf dem betreuten Sportplatz habe, schwerstens beeinträchtigt. Aufgrund des langen Tatzeitraumes und mangels eines Behandlungsergebnisses, welches eine Beseitigung seiner widernatürlichen Neigung erwarten lasse, sei auch die Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen nicht auszuschließen. Wenn im Rahmen der Betreuung des Sportplatzes ein städtischer Bediensteter Kontakte knüpfe und sodann an den Jugendlichen Straftaten begehe, habe der Dienstgeber die Verpflichtung, diese Jugendlichen vor derartigen Angriffen zu schützen. Durch die Benützung der Sportanlage zur Begehung seiner Straftaten habe der Beschwerdeführer das Vertrauen des Dienstgebers gröblichst verletzt. Im Hinblick auf die der strafgerichtlichen Verurteilung zugrundeliegende Veranlagung des Beschwerdeführers sei die Strafe der Entlassung erforderlich, um ihn von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. Aufgrund der Schwere der Dienstpflichtverletzung habe der Milderungsgrund des Geständnisses keine Strafmilderung bewirken können.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der vom Beschwerdeführer eingebrachten Berufung keine Folge. Auch für die belangte Behörde stehe fest, daß die Voraussetzungen des § 62 DO 1966 eindeutig erfüllt seien, nämlich daß die vom Beschwerdeführer gesetzten Verbrechen auch disziplinär zu verfolgen seien. Die Verhängung einer Disziplinarstrafe sei erforderlich, weil das Vertrauen des Dienstgebers in die Person des Beschwerdeführers aufgrund der Schwere der Dienstpflichtverletzungen nicht nur wesentlich beeinträchtigt, sondern auch zusätzlich in tiefgehender Weise erschüttert worden sei, sodaß nur mehr eine Entlassung in Betracht gekommen sei. Dies auch deshalb, weil die Persönlichkeitsstruktur des Beschwerdeführers zur Annahme zwinge, daß er sich bei jeglicher milderen Bestrafung von der Begehung weiterer derartiger Dienstpflichtverletzungen nicht abhalten lassen werde. Den Berufungsausführungen sei im wesentlichen entgegenzuhalten, daß die belangte Behörde an die Tatsachenfeststellungen des Gerichtes, nicht aber an dessen Strafbemessungsgründe gebunden sei. Wie von der ersten Instanz richtig erkannt worden sei, lägen eben derart gravierende Erschwerungsgründe vor, daß das in der Berufung herangetragene Ansinnen, den Beschwerdeführer an einem anderen Dienstort einzusetzen, zurückgewiesen werden müsse. Aufgrund der Art und der Schwere der Dienstpflichtverletzung müsse von einer Untragbarkeit der Fortsetzung des Dienstverhältnisses gesprochen werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 57 Abs. 1 DO 1966 (LGBl. Nr. 37/1967 in der Fassung LGBl. Nr. 13/1988) ist ein Beamter, der schuldhaft seine Dienstpflichten verletzt, nach den Bestimmungen dieses Abschnittes (das ist der siebte Abschnitt der DO 1966) zur Verantwortung zu ziehen.
Gemäß § 19 Abs. 2 zweiter Satz DO 1966 (in der Fassung LGBl. Nr. 26/1979) hat der Beamte im Dienst und außer Dienst alles zu vermeiden, was die Achtung und das Vertrauen, die seiner Stellung entgegengebracht werden, untergraben könnte.
Wurde der Beamte wegen einer gerichtlich oder verwaltungsbehördlich strafbaren Handlung rechtskräftig verurteilt und erschöpft sich die Dienstpflichtverletzung in der Verwirklichung des strafbaren Tatbestandes, so ist nach § 62 Abs. 1 DO 1966 (in der Fassung LGBl. Nr. 13/1988) die Dienstpflichtverletzung nur dann zu verfolgen, wenn die Verhängung einer Disziplinarstrafe erforderlich erscheint, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten oder weil das Vertrauen des Dienstgebers in die Person des Beamten aufgrund der Schwere der Dienstpflichtverletzung wesentlich beeinträchtigt wurde. Wird die Dienstpflichtverletzung verfolgt, dann ist, wenn sich eine strafgerichtliche oder verwaltungsbehördliche Verurteilung auf denselben Sachverhalt bezieht, eine Strafe nur auszusprechen, wenn und soweit dies zusätzlich erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten oder um der wesentlichen Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstgebers in die Person des Beamten Rechnung zu tragen (§ 62 Abs. 3 leg. cit.).
Als Disziplinarstrafe sieht § 58 DO 1966 (in der Fassung LGBl. Nr. 13/1988) unter anderem die Entlassung vor (Z. 6 leg. cit.).
Die Disziplinarstrafe der Entlassung ist keine Strafe, die der Sicherung der Gesellschaft, der Resozialisierung des Täters oder der Vergeltung dient, sondern eine dienstrechtliche Maßnahme zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes. Wer die für das Funktionieren des öffentlichen Dienstes unabdingbare Vertrauensgrundlage zerstört, macht sich in aller Regel für den öffentlichen Dienst untragbar. Der für die disziplinäre Verfolgung wesentliche Gesichtspunkt, das Funktionieren der Verwaltung zu gewährleisten, wird bei der Verhängung von Verwaltungsstrafen oder einer gerichtlichen Strafe in keiner Weise berücksichtigt, da das Verhalten dort nur an jenen Maßstäben zu messen ist, die für alle Normunterworfenen zu gelten haben. Bei einer Verletzung von spezifisch dienstrechtlichen Tatbeständen, wie jenen des § 19 Abs. 2 zweiter Satz DO 1966, kann daher einer strafgerichtlichen Verurteilung hinsichtlich der Strafbemessung im Disziplinarverfahren keine entscheidende Bedeutung zukommen (vgl. dazu die bei Schwabl/Chilf, Disziplinarrecht2, auf Seite 126 f angeführte Rechtsprechung zu § 43 Abs. 2 BDG 1979, der im wesentlichen der Bestimmung des § 19 Abs. 2 zweiter Satz DO 1966 entspricht). Für den Beschwerdeführer kann daher nichts daraus gewonnen werden, wenn er in der Beschwerde darauf verweist, daß er gerichtlich zu keiner mehr als einjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden sei, und deshalb nach § 56a lit. b DO 1966 keine ex lege Auflösung des Dienstverhältnisses bewirkt worden sei (siehe dazu z.B. auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. September 1994, 94/09/0174).
Der Beschwerdeführer wurde des Verbrechens der gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Minderjährigen, die er über mehrere Jahre hindurch (wenn auch in seiner Freizeit) an seiner Arbeitsstelle, bei der er im Rahmen seiner dienstlichen Tätigkeit unbestrittenermaßen laufend Kontakt mit Jugendlichen hatte, ausgeübt hatte, für schuldig erkannt. Es kann keine Rechtswidrigkeit darin gesehen werden, daß bei der Art und Schwere dieser vom Beschwerdeführer begangenen Handlungen eine andere Disziplinarmaßnahme als jene der Entlassung nicht in Betracht kam (vgl. die - ebenfalls Unzuchtsdelikte mit Jugendlichen betreffenden - Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 1. Dezember 1982, 82/09/0112, vom 10. September 1986, 85/09/0146, und vom 21. Mai 1992, 92/09/0119). Auch eine laut Beschwerde "günstige Zukunftsprognose" und eine vom Beschwerdeführer damit im Zusammenhang gerügte fehlende Einholung eines psychologischen Gutachtens über seine "Persönlichkeitsstruktur" könnten den eingetretenen Vertrauensbruch nicht aus der Welt schaffen. Verträgt die Funktion der öffentlichen Verwaltung die Weiterbeschäftigung eines Beamten nicht mehr, dann auch nicht teilweise oder an einem anderen Dienstort oder in anderer dienstlicher Verwendung (siehe dazu beispielsweise die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. September 1994, 94/09/0122 und 94/09/0174, sowie vom 8. Februar 1996, 95/09/0146). Es kann damit auch das Beschwerdevorbringen dahingestellt bleiben, in dem der Beschwerdeführer die Versetzungsmöglichkeit "in einen vollkommen anderen Dienstbereich" als gegen die erfolgte Entlassung sprechendes Argument heranzieht.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich (im Rahmen des Kostenbegehrens) auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 sowie 59 Abs. 1 VwGG in Verbindung mit der gemäß ihrem Art. III Abs. 2 anzuwendenden Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1994090295.X00Im RIS seit
21.03.2001