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LohnsteuerNorm
EStG 1972 §67 Abs1Betreff
Der' Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Hnatek, Dr. Pokorny und Dr. Karger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kowalski, über die Beschwerde des ES in G, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in F, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg vom 26. Juli 1984, Zl. 1107-2/1984, betreffend Jahresausgleich und Erstattung von Lohnsteuer jeweils für 1982, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.870,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Der Beschwerdeführer schied aus einem Dienstverhältnis als Angestellter mit Ablauf das 30. September 1982. Vom Beginn dieses Jahres bis 12. Jänner war er noch berufstätig, ab dem zuletzt genannten Zeitpunkt befand er sich im Krankenstand, in welchem er noch durch 12 Wochen volles Entgelt und während weiterer 4 Wochen das halbe Entgelt vom Arbeitgeber fortbezahlt erhielt. Danach bezog er Krankengeld vom zuständigen Träger der gesetzlichen Krankenversicherung. Ihm wurde von seinem Arbeitgeber laut dessen Angaben auf der Rückseite des Antrages des Beschwerdeführers auf Rückzahlung von zu Unrecht entrichteter Lohnsteuer für 1982 (Blatt 10 der Verwaltungsakten verso) zum 30. Juni 1982 noch das Urlaubsgeld (brutto S 26.420,--) und mit Ablauf des Dienstverhältnisses der aliquote Anteil am Weihnachtsgeld (brutto S 13.210,--), die Urlaubsabfertigung (brutto S 43.615,60) und die aufgrund des Gesetzes gebührende Abfertigung (brutto S 100.227,99) ausbezahlt. Für 1982 war in der Lohnsteuerkarte des Beschwerdeführers ein Kind im Sinne des § 119 EStG 1972 vermerkt.
Der Arbeitgeber behandelte bei der Berechnung der Lohnsteuer laut den oben erwähnten Angaben das Urlaubsgeld und den aliquoten Anteil vom Weihnachtsgeld wie einen laufenden Bezug im Sinne des § 67 Abs. 10 EStG 1972; hinsichtlich Urlaubsabfindung und Abfertigung berechnete er die Lohnsteuer gemäß § 67 Abs. 6 bzw. Abs. 3 EStG 1972 nach dem festen Satz des Abs. 1 (2 v. H.). In keinem Fall wurde vom Arbeitgeber der Freibetrag des § 67 Abs. 1 EStG 1972 berücksichtigt.
1.1. Der Beschwerdeführer, der ab 1. April 1982 rückwirkend von der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten Pension bezog, beantragte fristgerecht den Jahresausleich für 1982.
Bei dessen Durchführung wurden vom Finanzamt im hierüber ergangenen Bescheid entsprechend dem § 73 Abs. 1 EStG 1972 die Bezüge, welche laut den Lohnsteuerbescheinigungen des Arbeitgebers und der Pensionsversicherungsanstalt mit den festen Steuersätzen des § 67 EStG 1972 zu versteuern waren, in die Berechnung nicht einbezogen.
Laut Lohnsteuerbescheinigung des Arbeitgebers waren im Jahre 1982 in den Bruttobezügen an steuerpflichtigen sonstigen Bezügen gemäß § 67 EStG 1972 enthalten S 133.637,32 „als Abfertigung gemäß § 67 Abs. 3 u. 4 EStG“ und S 43.615,60 als „mit den festen Steuersätzen gemäß § 67 Abs. 1 und 5 bis 7 EStG (auf das Jahressechstel nicht angerechnet)“ versteuerte sonstige Bezüge, wovon insgesamt S 3.545,05 - also 2 v. H. - Lohnsteuer einbehalten worden waren.
1.2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung mit der Begründung, sämtliche Sonderzahlungen (seines Arbeitgebers) wären unter Berücksichtigung des Freibetrages von S 8.500,-- mit dem festen Steuersatz zu versteuern. Er verband mit diesem Rechtsmittel einen auf die gleichen Gründe gestützten Antrag auf Rückerstattung der seiner Meinung nach zu Unrecht von seinem Arbeitgeber einbehaltenen Lohnsteuerbeträge.
Das Finanzamt wies den Erstattungsantrag gemäß § 240 Abs. 3 BAO und mit Berufungsvorentscheidung das Rechtsmittel gegen den Jahresausgleich ab.
Der Beschwerdeführer beantragte fristgerecht die Vorlage der Berufung gegen den Jahresausgleichsbescheid und erhob ebenfalls fristgerecht Berufung gegen die Erledigung seines Erstattungsantrages.
1.3. Mit dem nun vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde beide Berufungen als unbegründet ab.
Im Zuge der Durchführung des Jahresausgleiches sei eine Korrektur der Besteuerung sonstiger Bezüge im Hinblick auf § 73 Abs. 1 EStG 1972 nicht möglich. Aber auch der Erstattungsantrag gemäß § 240 Abs. 3 BAO bleibe ohne Erfolg, weil der Arbeitgeber des Beschwerdeführers nicht zuviel Lohnsteuer von den sonstigen Bezügen einbehalten habe.
Voraussetzung für eine Berücksichtigung des Freibetrages von S 8.500,-- sei, daß neben dem sonstigen Bezug laufender Arbeitslohn bezahlt werde. Daraus folge, daß der Freibetrag von sonstigen Bezügen im Sinne der Abs. 3, 4, 5, 6 und 10 des § 67 EStG 1972 nicht abgezogen werden dürfe. Ein Freibetrag könne daher von keinem dem Berufungswerber im Jahre 1982 gewährten sonstigen Bezug in Abzug gebracht werden, weil dem Beschwerdeführer weder im Juni, noch im September ein laufender Bezug (von seinem Arbeitgeber) zugeflossen sei. Die Rechtsmeinung des Beschwerdeführers, die Gebietskrankenkasse habe in den Monaten Juni bis September 1982 stellvertretend für den bisherigen Arbeitgeber laufende Bezüge in Form von Krankengeld ausbezahlt, wodurch die für eine begünstigte Besteuerung der Sonderzahlungen erforderliche Voraussetzung gegeben sei, könne im Hinblick auf die §§ 25, 47 EStG 1972 nicht geteilt werden; der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung sei nicht Arbeitgeber. Urlaubsgeld und Weihnachtsremuneration seien daher nicht neben laufendem Arbeitslohn von demselben Arbeitgeber ausbezahlt worden. Da diese Bezüge auch nicht den im Abs. 3 bis 8 des § 67 EStG 1972 besonders genannten sonstigen Bezügen zuzuordnen seien, habe der Arbeitgeber diese beiden Sonderzahlungen zu Recht nach der Bestimmung des § 67 Abs. 10 EStG 1972 wie einen laufenden Bezug nach dem Lohnsteuertarif besteuert. Das Begehren, die anläßlich der Beendigung des Dienstverhältnisses gewährten Leistungen für Urlaubsabfindung und Abfertigung nach § 67 Abs. 6 erster Satz EStG 1972 begünstigt zu behandeln, gehe ins Leere, weil der Arbeitgeber diese Bezüge ohnehin mit 2. v. H. besteuert habe und eine günstigere Besteuerung keinesfalls habe Platz greifen können.
2.1. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch diesen Bescheid in seinem Recht auf begünstigte steuerliche Behandlung der in Rede stehenden Arbeitslohnteile verletzt. Er behauptet inhaltliche Rechtswidrigkeit und beantragt deshalb, den angefochtenen Bescheid aufzuheben.
2.2. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Voraussetzung für die Anwendung des § 67 Abs. 1 EStG 1972 ist, wie aus dem Wortlaut dieser Gesetzesstelle hervorgeht, daß der Arbeitnehmer neben dem ganz oder teilweise steuerfreien sonstigen Bezug laufenden Arbeitslohn erhält. Beide müssen aus dem gleichen Dienstverhältnis fließen und nebeneinander ausbezahlt werden (vgl. zuletzt die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. September 1983, Zl. 82/13/0094, und vom 11. April 1984, Zl. 82/13/0090).
Im Beschwerdefall ist entscheidend, ob das Wort „neben“ in der Wortfolge „neben dem laufenden Arbeitslohn“ in § 67 Abs. 1 EStG 1972 zeitlich oder kausal zu verstehen ist.
Die zum Einkommensteuergesetz 1972 ergangene Rechtsprechung hat sich mit der Lösung dieser Frage nicht ausdrücklich befaßt.
Der Beschwerdeführer verweist nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes zu Recht auf die „verfassungsrechtlich bedenklichen Konsequenzen“ hin, die entstünden, verstünde man das Wort „neben“ zeitlich in dem Sinne, die Begünstigung komme nur dann zur Anwendung, wenn die Bezahlung der laufenden und der sonstigen Bezüge gleichzeitig erfolge. Innerhalb derselben Einkunftsart und bei sonst übereinstimmenden Voraussetzungen gingen dann etwa Steuerpflichtige, deren Arbeitgeber mit der Bezahlung sonstiger Bezüge in Verzug geraten, diese aber noch im selben Kalenderjahr, jedoch nach Ende des Anspruches auf laufende Bezüge (z. B. infolge Beendigung des Arbeitsverhältnisses) begleichen, der Anwendung des begünstigten Steuersatzes und allenfalls auch des Freibetrages verlustig. Eine sachliche Rechtfertigung für diese differenzierte Behandlung ist nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes nicht aufzufinden. Gleiches gilt für einen Sachverhalt, der dem im Beschwerdefall vorliegenden entspricht.
Der Gleichheitsgrundsatz (Art. 7 B-VG) gebietet daher eine ihm entsprechende Auslegung des Wortes „neben“ im Sinne einer kausalen Verknüpfung. Ist der Anspruch auf sonstige Bezüge Folge eines Arbeitsverhältnisses in dem im laufenden Kalenderjahr laufende Bezüge angefallen sind, so handelt es sich bei den sonstigen Bezügen um solche, die der Arbeitnehmer neben dem laufenden Arbeitslohn erhält; sie verlieren die durch § 67 Abs. 1 und 2 EStG 1972 gewährte Begünstigung dadurch nicht, daß sie nicht im selben Kalenderjahr gleichzeitig mit laufendem Arbeitslohn ausbezahlt werden.
1.2. Wendet man diese Überlegungen auf den Beschwerdefall an, so war weder das Urlaubsgeld, noch der aliquote Anteil an der Weihnachtsremuneration von der Anwendung des Freibetrages von S 8.500,-- sowie des begünstigten Steuersatzes - unter Berücksichtigung der Sechstelgrenze - ausgeschlossen.
Die belangte Behörde hat somit die Richtigkeit der Berechnung der Lohnsteuer durch den Arbeitgeber und damit den Rückerstattungsantrag des Beschwerdeführers unter Zugrundelegung einer unrichtigen Rechtsansicht beurteilt.
2. Gemäß § 73 Abs. 1 EStG 1972 sind in die Berechnung der Lohnsteuer bei Durchführung des Jahresausgleiches Bezüge, die gemäß § 67 Abs. 1 oder § 68 Abs. 1 steuerfrei bleiben oder mit den festen Steuersätzen der §§ 67 oder 68 oder mit den Pauschsätzen des § 69 zu versteuern sind, nicht einzubeziehen. Folglich kann eine Korrektur der Besteuerung sonstiger Bezüge, die in den Jahresausgleich nicht einzubeziehen sind, bei Entscheidung über den Jahresausgleich nicht erfolgen (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Jänner 1984, Zl. 83/14/0088).
Will man den Jahresausgleich richtig berechnen, müssen daher die Bezüge, die gemäß § 67 Abs. 1 oder § 68 Abs. 1 EStG 1972 steuerfrei bleiben oder mit den festen Steuersätzen der §§ 67 oder 68 oder mit Pauschsätzen des § 69 zu versteuern sind, sowie die auf diese entfallende einbehaltene Lohnsteuer bekannt sein.
Die Höhe dieser Arbeitslohnteile war der belangten Behörde im Beschwerdefall im Zeitpunkt der Entscheidung über die Berufung gegen den Bescheid über den Jahresausgleich nicht verläßlich bekannt, weil die Lohnsteuerbescheinigung einerseits und die Angaben des Arbeitgebers auf der Rückseite des Rückzahlungsantrages verschiedenen Inhalt aufweisen. Eine Aufklärung dieser Widersprüche, vor welcher eine Berechnung des Jahresausgleiches nicht möglich war, wurde von der belangten Behörde nicht versucht.
Abgesehen davon hätte die belangte Behörde aber auch bei der Beantwortung der Frage, welche Beträge in den Jahresausgleich nicht einzubeziehen sind, die oben (II/1.1.) dargelegte Rechtsansicht zugrundezulegen gehabt, was nicht geschehen ist.
3. Der angefochtene Bescheid mußte daher zur Gänze wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 1 Z. 1 VwGG aufgehoben werden.
Die Entscheidung über Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243, insbesondere deren Art. III Abs. 2.
Da mit der Beschwerde nur eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides vorzulegen war (§ 28 Abs. 5 VwGG 1965), konnten Beilagengebühren für weitere Ausfertigungen des angefochtenen Bescheides nicht zugesprochen werden.
Wien, am 2. Juli 1985
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1985:1984140150.X00Im RIS seit
07.11.2022Zuletzt aktualisiert am
07.11.2022